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Literaturnobelpreis

gox

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13.02.2004
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Literaturnobelpreis

Die Verleihung des Nobelpreises für Literatur in Stockholm bedeutet für mich eine große Ehre. Ich betrachte diese Preisverleihung als Krönung meines literarischen Lebenswerkes. Schon als kleiner Junge ...

Ach du meine Güte, jetzt gerät er wieder ins Schwafeln. Mein Gebieter formuliert zuweilen ganz schön langatmig. Aber wenigstens fühlt er sich jetzt in seinem Element und die Worte purzeln nur so. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit, ab und zu leidet er unter Schreibhemmungen. Schreibhemmung - was für ein böses Wort. In unserer Familie darf es niemals laut ausgesprochen werden. Seiner Gattin ist es höchstens erlaubt, diesen Zustand sanft zu umschreiben und gnade ihr Gott, wenn sie nicht mit Gefühl vorgeht. Ehegefährdend wäre sicher, wenn sie zu fragen wagte: ‚Kommt heute nur hohle Luft heraus?’ Oder: ‚Starrt dich das leere weiße Blatt schon wieder an?' Beinahe tödliche Auswirkungen hätte die Anregung: ‚Willst du nicht langsam mal über deinen Ruhestand nachdenken, Zeit dafür wäre es ja?’
Familienstreit wäre garantiert. Ich habe es erlebt. Er schreit dann immer mit wirrem Blick und völlig zerfahrenen Haaren, dass niemand ihn verstehen würde, absolut niemand. Er sei schließlich Literat und als solchem sollte man sich ihm angemessen und respektvoll nähern. Er kann sich so richtig schön in Wut reden. Das macht er akzentuiert und auf den Punkt. Manchmal hämmert er mit seinen Fäusten derart auf dem Schreibtisch herum, dass ich ins Hüpfen gerate. Wie ein Wüterich benimmt sie sich dann, unsere literarische Mimose. Selten kommt es allerdings zum GAU, also dem größten anzunehmenden Unfall, dann stürmt er ins Wohnzimmer und zerschmettert alles, was er erwischen kann. Das zieht allerdings nach sich, dass seine Frau so richtig sauer reagiert und die sieht die Dinge dieser Welt verdammt unliterarisch. Schade, dass man an dem anschließenden Gemetzel keine Filmrechte verkaufen kann. Der Actionfilm wäre bestimmt ein Kassenknüller. Übrigens wurde mein Gebieter mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Wenn die wüssten.

Zu seiner Verteidigung muss ich anmerken, dass seine Gattin zuweilen ein fatal ungelenkes Händchen im Umgang mit hochsensiblen Poeten hat. Wenn ihn wieder einmal eine, Entschuldigung, Schreibhemmung quält, starrt er grimmig auf den Monitor vor mir, faltet die Hände wie zu einem Gebet und wirft die Stirn in Falten. Es ist zum Gotterbarmen. Dann tippt er ein paar Worte lustlos auf mir herum, um Sekunden später mit meiner Zurücktaste alles wieder zu löschen. Das bedeutet nicht nur Frust für ihn, sondern auch Frust für mich.
Dabei kann mich so leicht nichts aus der Fassung bringen, denn ich bin das Spitzenmodell einer Computertastatur. Ergonomisch geformt und funkgesteuert. Mein Geburtsort liegt in der Schweiz und nicht, wie man glauben könnte, in den Vereinigten Staaten von Amerika. Mein Literat würde mit Sicherheit niemals etwas kaufen, das von einem amerikanischen Computerhersteller produziert wurde, er hat nämlich etwas gegen Konsumimperialismus. Das letzte Wort bereitete meinem Poeten immer Schwierigkeiten, wenn es darum geht, es richtig zu schreiben. Aber das Korrekturprogramm hilft ihm dann aus der Patsche. Selbst ein Nobelpreisträger kann nicht immer perfekt sein. Die Sache mit dem Genitiv ist noch schlimmer. "Wegen immer mit dem Genitiv!", hatte ihn schon sein Vater angeherrscht. Bis zum heutigen Tag schafft es mein Schreiberling nur mit eiserner Disziplin, sich an diese simple Regel zu halten. Dabei hält er sich für wirklich grandios. Zugegeben – gelegentlich ist er das auch. Am überzeugendsten wirkt er in seiner alten Strickjacke mit den Flicken. Den Hals ziert dann ein Seidenschal voller roter Amöbenmuster und auch die Cordhose hat an den Knien Lederflicken. Nur so fühlt er sich als ganz großer Autor. Er lebt dann das Klischee eines Schriftstellers. Sein Versuch, Pfeife zu rauchen, scheiterte, denn ihm wurde immer schlecht davon. Mit Whiskytrinken klappt es besser. Zwei Finger hoch Scotch in einem Glas und er wird zu einem Brillanten seiner Zunft. Komischerweise beflügelt ihn das tatsächlich. Seine samtigen Hände streichen dann herrlich sanft über meine Tasten und meine Libido brennt, wenn er virtuos auf mir herumklimpert. Was ein Schluck Alkohol doch bewirken kann. Seine Frau reinigt mich einmal im Monat damit. Sie tunkt ein wenig vom Whisky auf ein Wattestäbchen und schrubbt auf meinen Tasten herum. Zu schönen Gefühlen führt das nicht und beflügelt fühle ich mich auch nicht. Aber bei Menschen ist es vielleicht etwas anderes, sie trinken das Zeug und werden nicht damit eingerieben.

Wenn der Herr Poet so richtig in Fahrt kommt, muss ich ihn zuweilen hart ausbremsen. Manchmal hilft mir seine Frau. Im letzten Buch ist er oft ins Obszöne abgeglitten. Seine Angetraute hat das meistens begradigt. Warum nur, hat sie ihn gefragt, verwendest du dieses entsetzliche Wort mit F, wenn du über die Liebe und Verlangen schreibst? Diese Einmischung hätte sich fast wieder zu einem GAU ausgewachsen. Als mein großer Dichter brüllte, er bräuchte für seine schöpferische Arbeit Faszination, Frieden und Freiheit, sagte sie: „Das, mein Lieber, sind für dich genug Wörter mit F. Das andere schlimme Wort mit F lässt du gefälligst weg! Sonst hänge ich dir den Brotkorb höher und es ist vorbei mit F wie Futter.“
An manchen Tagen zeigte er sich einsichtig und ließ tatsächlich ein paar F´s weg. Auch ich war wenig begeistert von seinen Verbalausfällen und tat mein Bestes: Wenn er wieder abzurutschen drohte, bescherte ich ihm einen schönen Blue Screen. F ... ein kleines Wackeln des Bildschirmes und ein von mir generierter blauer leerer Bildschirm. Da reagierte er ziemlich grantig, aber bis er den Computer ausgeschaltet, neu gestartet und wieder hochgefahren hatte, waren auch seine drastischen Ausdrücke meistens vergessen. Und wenn nicht, neigte ich zu Wiederholungsscherzen.

Ich kann es nicht glauben, mein Literaturnobelpreisträger und Friedenspreisausgezeichneter des deutschen Buchhandels ist nach nunmehr zwei Seiten Danksagung und epischen Kommentaren zu einem Schluss gekommen. Er kippt gerade den Rest vom Scotch herunter.

... Erlaube ich mir abschließend festzustellen, dass wegen dem Publizieren meines Werkes in schwedischer Sprache keine Bedenken bestehen und freue mich, schon bald Ihre Bekanntschaft zu machen. Mit freundlichen Grüßen.

Das mit dem Kasus wird wohl erst nach einem weiteren Scotch klappen.

 
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Hallo gox,

hat mir sehr gut gefallen! Der grooooße Autor, der so gerne das Klischee eines großen Autors ausfüllt, weil er einer ist, wie sie so üblicherweise nicht sind. Hinter einem großen Mann steht halt immer eine Frau - und eine Tastatur.

Meine Lieblingspassage: die mit den F - Variationen ("Faszination, Frieden, Freiheit" etc.).

Ich bin mir aber nicht sicher, ob eine Tastatur einen PC-Absturz herbeiführen kann (oder?)

Hat jedenfalls Spaß gemacht.
Grüße, nic

Textkram: "Zugegebene", sonst ist mir nichts aufgefallen.

 

Hallo nictita,

herzlichen Dank für Deine Anmerkungen, freut mich, wenn's Dir gefallen hat. Meinst Du aber ernstlich, das es irgend etwas gibt, das Windows nicht zum Absturz bringen kann? ;-)

Fehler habe ich sofort berichtigt!

Viele Grüsse vom gox

 

Oder: ‚Starrt dich das leere weiße Blatt schon wieder an? Beinahe tödliche Auswirkungen
an?'
Die Sache mit dem Genitiv ist noch schlimmer. "Wegen immer mit dem Genitiv!", hatte ihn schon sein Vater angeherrscht.
da könnte man einen herrlichen Witz herauslesen ... da es aber vermutlich nicht so gemeint war: "'Wegen' immer mit dem Genitiv!"
Sein Versuch, Pfeife zu rauchen, scheiterte, denn ihm wurde immer schlecht davon. Mit Whisky klappt es besser.
er hat Whisky geraucht? ;)

An manchen Tagen zeigte er sich einsichtig und ließ tatsächlich ein paar F´s weg.
Fs. Oder F's

Hallo gox,

das ist für mich kein Humor, eher Satire :)
Wie nic fand ich die F-Passage gut (ich komm schon noch drauf, was dieses böse Wort mit F sein soll). Auch ist die Geschichte gut geschrieben - nur für mich leider nicht sonderlich witzig. Schade - aus dem Thema hätte man ordentlich was rausholen. :)

Tserk

 

Hallo gox

Hat mir wieder richtig gut gefallen…wie bisher beinahe jede deiner Geschichten. Schon fast langweilig :D Du hast allerdings schon lustigere Geschichten im Bereich „Alltag“ platziert. Zu Satire würde ich es nicht zuordnen, von dem her liegt oder steht sie hier bei „Humor“ schon richtig.
Eine Sache hat mich etwas gestört, liegt vielleicht aber auch nur an meiner langen Leitung. Es wird zu spät klar, wer denn hier spricht. Wenn’s eine halbe Seite dauert, ist mir das zu lang. Ich scrollte zur ersten Kritik, um mir Klarheit zu verschaffen, und das ist bestimmt nicht in deinem Sinne.
Aber wie immer: Toll geschrieben und unterhaltsam.

Gruss Rolf

 

Hallo gox,

hm...wie sag ichs nun? ;)
Die Geschichte ist zu brav. Oder besser gesagt, zu lang, weil nix richtig drin passiert.
Der Plot, der sich ja nach ein paar Zeilen als einer erweist, der vermutlich kaum noch Überraschungen ahnen lässt, ist alsbald dem Leser bekannt und nun kannst du nur noch durch fulminante Formulierungen oder höchst ironische Blickwinkel punkten. Und genau an diesen Stellen fehlt es dann immer ein kleines Stückchen zum Schmunzler.

Deine Story ist durchaus in der Lage zu unterhalten, aber grad im Bereich Humor oder auch Satire nur denjenigen Leser, der nicht viel erwartet. Die meisten und dazu zähle ich mich auch, wollen doch eher Kantigeres.
Deine Geschichte schwebt dahin wie eine Göttin (ich meine eine DS), die alle Wegunebenheiten wegdämpft, so dass man gar nicht richtig weiß, welchen Untergrund man grad befährt.

Was mir grundsätzlich gefällt: es ist ein typischer gox-Text, man könnte ihn mir vorlesen, eine Auswahl möglicher Autoren benennen und ich würde garantiert auf dich tippen. Du bleibst also systemimmanent oder anders gesagt, du hast deinen eigenen Stil.
Und, um noch mehr Lob hinterherzuschieben: ich finde auch, dass deine Geschichten stets auf hohem Niveau geschrieben sind (Leiter ranhol), also von der technischen Seite nichts zu wünschen übrig lassen.
Nett fand ich die kleine Anekdote mit der Pfeife, irgendwie hat man bei dieser Beschreibung sofort den Prototyp Schriftsteller vor sich. ;)

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo gox,
tolle Geschichte! Sehr originell, sie aus der Tastaturperspektive zu erzählen.

Kleine Anmerkung: Unwahrscheinlich, dass ein Autor sich selbst 'Literat' nennt - höchstens im ironischen Modus. 'Literat' ist nämlich etwas negativ konnotiert, würde heißen, dein Nobelpreisträger glaubt selbst nicht an seine Kreativität. Statt 'Poet' würde ich auch eher 'Dichter' nehmen. 'Poet' lässt an Lyrik denken, dein Autor scheint aber eher Prosa zu schreiben.

(Aber) sehr gerne gelesen!
gruss
K.

 

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