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Literaturnobelpreis
Die Verleihung des Nobelpreises für Literatur in Stockholm bedeutet für mich eine große Ehre. Ich betrachte diese Preisverleihung als Krönung meines literarischen Lebenswerkes. Schon als kleiner Junge ...
Ach du meine Güte, jetzt gerät er wieder ins Schwafeln. Mein Gebieter formuliert zuweilen ganz schön langatmig. Aber wenigstens fühlt er sich jetzt in seinem Element und die Worte purzeln nur so. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit, ab und zu leidet er unter Schreibhemmungen. Schreibhemmung - was für ein böses Wort. In unserer Familie darf es niemals laut ausgesprochen werden. Seiner Gattin ist es höchstens erlaubt, diesen Zustand sanft zu umschreiben und gnade ihr Gott, wenn sie nicht mit Gefühl vorgeht. Ehegefährdend wäre sicher, wenn sie zu fragen wagte: ‚Kommt heute nur hohle Luft heraus?’ Oder: ‚Starrt dich das leere weiße Blatt schon wieder an?' Beinahe tödliche Auswirkungen hätte die Anregung: ‚Willst du nicht langsam mal über deinen Ruhestand nachdenken, Zeit dafür wäre es ja?’
Familienstreit wäre garantiert. Ich habe es erlebt. Er schreit dann immer mit wirrem Blick und völlig zerfahrenen Haaren, dass niemand ihn verstehen würde, absolut niemand. Er sei schließlich Literat und als solchem sollte man sich ihm angemessen und respektvoll nähern. Er kann sich so richtig schön in Wut reden. Das macht er akzentuiert und auf den Punkt. Manchmal hämmert er mit seinen Fäusten derart auf dem Schreibtisch herum, dass ich ins Hüpfen gerate. Wie ein Wüterich benimmt sie sich dann, unsere literarische Mimose. Selten kommt es allerdings zum GAU, also dem größten anzunehmenden Unfall, dann stürmt er ins Wohnzimmer und zerschmettert alles, was er erwischen kann. Das zieht allerdings nach sich, dass seine Frau so richtig sauer reagiert und die sieht die Dinge dieser Welt verdammt unliterarisch. Schade, dass man an dem anschließenden Gemetzel keine Filmrechte verkaufen kann. Der Actionfilm wäre bestimmt ein Kassenknüller. Übrigens wurde mein Gebieter mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Wenn die wüssten.
Zu seiner Verteidigung muss ich anmerken, dass seine Gattin zuweilen ein fatal ungelenkes Händchen im Umgang mit hochsensiblen Poeten hat. Wenn ihn wieder einmal eine, Entschuldigung, Schreibhemmung quält, starrt er grimmig auf den Monitor vor mir, faltet die Hände wie zu einem Gebet und wirft die Stirn in Falten. Es ist zum Gotterbarmen. Dann tippt er ein paar Worte lustlos auf mir herum, um Sekunden später mit meiner Zurücktaste alles wieder zu löschen. Das bedeutet nicht nur Frust für ihn, sondern auch Frust für mich.
Dabei kann mich so leicht nichts aus der Fassung bringen, denn ich bin das Spitzenmodell einer Computertastatur. Ergonomisch geformt und funkgesteuert. Mein Geburtsort liegt in der Schweiz und nicht, wie man glauben könnte, in den Vereinigten Staaten von Amerika. Mein Literat würde mit Sicherheit niemals etwas kaufen, das von einem amerikanischen Computerhersteller produziert wurde, er hat nämlich etwas gegen Konsumimperialismus. Das letzte Wort bereitete meinem Poeten immer Schwierigkeiten, wenn es darum geht, es richtig zu schreiben. Aber das Korrekturprogramm hilft ihm dann aus der Patsche. Selbst ein Nobelpreisträger kann nicht immer perfekt sein. Die Sache mit dem Genitiv ist noch schlimmer. "Wegen immer mit dem Genitiv!", hatte ihn schon sein Vater angeherrscht. Bis zum heutigen Tag schafft es mein Schreiberling nur mit eiserner Disziplin, sich an diese simple Regel zu halten. Dabei hält er sich für wirklich grandios. Zugegeben – gelegentlich ist er das auch. Am überzeugendsten wirkt er in seiner alten Strickjacke mit den Flicken. Den Hals ziert dann ein Seidenschal voller roter Amöbenmuster und auch die Cordhose hat an den Knien Lederflicken. Nur so fühlt er sich als ganz großer Autor. Er lebt dann das Klischee eines Schriftstellers. Sein Versuch, Pfeife zu rauchen, scheiterte, denn ihm wurde immer schlecht davon. Mit Whiskytrinken klappt es besser. Zwei Finger hoch Scotch in einem Glas und er wird zu einem Brillanten seiner Zunft. Komischerweise beflügelt ihn das tatsächlich. Seine samtigen Hände streichen dann herrlich sanft über meine Tasten und meine Libido brennt, wenn er virtuos auf mir herumklimpert. Was ein Schluck Alkohol doch bewirken kann. Seine Frau reinigt mich einmal im Monat damit. Sie tunkt ein wenig vom Whisky auf ein Wattestäbchen und schrubbt auf meinen Tasten herum. Zu schönen Gefühlen führt das nicht und beflügelt fühle ich mich auch nicht. Aber bei Menschen ist es vielleicht etwas anderes, sie trinken das Zeug und werden nicht damit eingerieben.
Wenn der Herr Poet so richtig in Fahrt kommt, muss ich ihn zuweilen hart ausbremsen. Manchmal hilft mir seine Frau. Im letzten Buch ist er oft ins Obszöne abgeglitten. Seine Angetraute hat das meistens begradigt. Warum nur, hat sie ihn gefragt, verwendest du dieses entsetzliche Wort mit F, wenn du über die Liebe und Verlangen schreibst? Diese Einmischung hätte sich fast wieder zu einem GAU ausgewachsen. Als mein großer Dichter brüllte, er bräuchte für seine schöpferische Arbeit Faszination, Frieden und Freiheit, sagte sie: „Das, mein Lieber, sind für dich genug Wörter mit F. Das andere schlimme Wort mit F lässt du gefälligst weg! Sonst hänge ich dir den Brotkorb höher und es ist vorbei mit F wie Futter.“
An manchen Tagen zeigte er sich einsichtig und ließ tatsächlich ein paar F´s weg. Auch ich war wenig begeistert von seinen Verbalausfällen und tat mein Bestes: Wenn er wieder abzurutschen drohte, bescherte ich ihm einen schönen Blue Screen. F ... ein kleines Wackeln des Bildschirmes und ein von mir generierter blauer leerer Bildschirm. Da reagierte er ziemlich grantig, aber bis er den Computer ausgeschaltet, neu gestartet und wieder hochgefahren hatte, waren auch seine drastischen Ausdrücke meistens vergessen. Und wenn nicht, neigte ich zu Wiederholungsscherzen.
Ich kann es nicht glauben, mein Literaturnobelpreisträger und Friedenspreisausgezeichneter des deutschen Buchhandels ist nach nunmehr zwei Seiten Danksagung und epischen Kommentaren zu einem Schluss gekommen. Er kippt gerade den Rest vom Scotch herunter.
... Erlaube ich mir abschließend festzustellen, dass wegen dem Publizieren meines Werkes in schwedischer Sprache keine Bedenken bestehen und freue mich, schon bald Ihre Bekanntschaft zu machen. Mit freundlichen Grüßen.
Das mit dem Kasus wird wohl erst nach einem weiteren Scotch klappen.