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Lutscher gefällig?

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12.03.2005
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Lutscher gefällig?

Der Vorhang hebt sich. Weinroter, schwerer Samt weicht zur Seite, um den Blick auf eine schwarze Bühne frei zu machen. Die Spannung steigt, die Erregung mit sich ziehend. Die Luft im Raum ist schwer vor überfüllten Erwartungen, und doch herrscht eine Totenstille.
Klick.
Mit einem hallenden Klacken frisst sich das Licht eines einzigen Scheinwerfers eine beinahe schon plastisch scheinende Bahn senkrecht nach unten. In Mitten dieser steht ein schwarzer, glänzender Stuhl, schlicht und elegant.
Gleich ist es soweit.
Ein weiteres Geräusch durchdringt die Stille, immer lauter und aufdrängender werdend.
Tock tock. Tock tock. Tock tock.
Ein wenig ungelenke Schritte scheinen sich vom hinteren Teil der Bühne dem Stuhl zu nähern. Jedes Auftreten mit diesem wahrscheinlich weiblichen Schuhwerk erzeugt ein Geräusch, das sich in den Köpfen eines jeden einzelnen Gastes festkrallt und demjenigen wohlige Schauer über den Rücken schickt. Sie alle, Männer. Entweder in teure Anzüge gekleidet oder andersartig ihren guten Stand markierend, blicken sie mit glasigen Augen gierig nach vorne, sogar das Blinzeln für diesen Augenblick vergessen. Sind sie vielleicht sauber angezogen, gestriegelt und schön brav gekämmt, so widerspricht doch der gierige, wahnsinnig angehauchte Glanz in ihren Augen ihrem Äusseren. Und ich, ein Artgenosse so zu sagen, kann mich genau so wenig abwenden.
Nun, um diese Vorführung der etwas anderen Art weiterzuführen, tritt eine Gestalt aus der Dunkelheit um sich unseren Blicken zu präsentieren. Ein lackartiger, schwarzer Stiefel mit hohen Plateau-Absätzen zeigt sich uns, um gleich darauf den Rest dieses Objektes zu offenbaren. Dünne weisse Beinchen, ein schwarzer Rüschchenjupe, ein weisses, mit unzähligen schwarzen Schleifen und Rüschchen verziertes Hemdchen mit kurzen geplusterten Ärmeln, zerbrechliche Ärmchen, ein schwarzes enganliegendes Halsband und schliesslich als Krönung des Ganzen, ein Kopf, den ich gut und gerne einer Porzellanpuppe zuordnen würde.
Perfekt.
Kirschrot geschminkte Lippen schmiegen sich um einen glänzenden, ebenso sündig rot schimmernden Lutscher. Lange Wimpern senken sich gleichzeitig unschuldig klimpernd, und roter Puder macht uns das zarte Erröten bleicher Wangen vor. Diese Lolita, unsere unantastbare Königin, die wir heimlich hechelnd nur in Momenten wie diesen hemmungslos begaffen und begehren dürfen. Verträumt schlendert sie um den Stuhl herum, lässt sich schliesslich mit einem leichten Aufseufzen auf die gepolsterte Sitzfläche des Stuhles plumpsen. Eine Gänsehaut schleicht sich über meinen Körper, und bereits jetzt schon kann ich spüren, wie sich die Hitze zwischen meinen Lenden sammelt, mich zum Glühen bringt.
Mit der rechten Hand stützt sie sich auf dem Stuhl auf, da neben ihrem schmalen Hintern noch genug Platz bleibt, mit der anderen Hand dreht sie immer wieder den Lutscher in ihrem Mund, lässt ihre Zunge ab und zu hervorblitzen, manchmal sogar ein Schmatzen verlauten. Die Knie zusammengedrückt, die Füsse jedoch weit auseinander und mit den Fersen zu den Seiten verdreht, blickt sie abwesend um sich.
Einerseits die personifizierte Verführung mit der Ausstrahlung einer Femme Fatale, andererseits eine Unschuld reiner als ein frommer Chorknabe, ruft sie die lüsternsten Gedanken in mir wach.
Ich befauchte meine trockenen Lippen, kaue kurz darauf herum, und kralle mich mit meinen Händen in den Armlehnen des Stuhles fest. Ich kann mich nicht davor zurückhalten, die Luft keuchend einzuatmen und mit einem kaum vernehmbaren, unterdrückten Stöhnen wieder hinauszupressen. Im ganzen dauert es von dem Angehen des Scheinwerfers bis zu meinem Erguss nur wenige Minuten, doch kann ich meine Augen keine einzige Sekunde lang abwenden, bis zum Schluss der Vorstellung als sie, am Ende ihres leider vergänglichen Lutschers angekommen ist, sich erhebt, graziös verbeugt, und das weisse Stängelchen ihres Lutschers einem geifernden Zuschauer in den Schoss wirft. Zwei Sekunden lang können wir vielleicht noch ihre
Hinteransicht veranschaulichen, bis sie mit genau so klackernden Schritten wie zu Beginn nach hinten in die undurchdringliche Dunkelheit verschwindet, und sich der Vorhang wieder schliesst.

Pervers? Ich weiss. Aber bist du dir so sicher in deiner Arroganz, auf meine niederen Gelüste hinunterzublicken?
Manche leben’s aus, manche nicht. Und damit ist das Thema schon gekaut, geschluckt, verdaut und wieder ausgeschieden.

Wir Zuschauer mögen uns untereinander in vielen Dingen von Grund auf unterscheiden, sei es das Alter, der Beruf oder sonstige gesellschaftliche Wichtigkeiten. Aber drei Dinge haben wie gemeinsam, die uns niemals einander beim Betretten und Verlassen dieses kleinen Saales auch nur länger als eine Sekunde genauer anblicken, uns die Gesichter der Gleichgesinnten sofort wieder vergessen lassen.
Wir sind Männer. Wir haben Geld. Und hier geben wir alle einen grossen Haufen davon aus.
So blicke ich mit verhangenen Augen wirr um mich, als ich mit trottenden, Schritten meinen weichen Sesselähnlichen Sitz verlasse, den Ausgang zusteuere, dieses exquisite Gebäude verlasse, in mein Auto steige und wie trunken nach Hause kurve.
Die Landschaft, die ganzen Häuser, die Wälder und was weiss ich nicht alles, fliegen nur so an mir vorbei, meine Augen sehen nicht wirklich woran ich vorbeifahre, sie projizieren nur das Trugbild eines rotgeschminkten Schmollmundes, der sich mit voller Hingabe einem glänzenden runden Lutscher widmet, an die Frontscheibe meines Autos. Als ich meinen fahrbaren Untersatz in der Garage parke, höre ich von weitem die Kirchenglocken wie sie zur vollen Stunde schlagen, ein Geräusch, dass mich noch bis zu dem Aufschliessen der Tür begleitet.
„Schatz, ich bin wieder da!“

 

Kalliope,

willkommen bei kg.de!

Ich sehe, Du schreibst zum ersten Mal hier.

:thumbsup: Gelungener Einstand! finde ich.

Warum?

Eine sehr gute Sprachbehandlung, besonders im ersten Teil.
Ein interessanter Schwenk - sprachlich und perspektivisch - von der Lolita zum Mann im Publikum.

Für mich persönlich ist es schwer, den Stil Deiner Kurzgeschichte (kg) weiterhin beurteilen zu wollen, weil mein eigener Stil ganz anders ist. Aber dennoch eine Nachfrage:

Dem Auftritt der Lolita widmest Du viel Zeit und sprachliche Darstellung. Wäre es nicht gerecht gewesen, dem Mann beim Nach-Hause-Kommen ebenso viel Aufmerksamkeit zu schenken? :idee: Naja, war nur eine Idee...

Gruss
W Urach

 

hey W Urach!

Nun, danke, erst einmal, für den freundlichen Willkommensgruss und die Kritik. Ehrlich gesagt hatte ich nähmlich ziemlich Bammel gehabt, da ich mit Ehrfurcht all die bereits vorhandenen Kgs gelesen hatte. Nun ja, wie es scheint, schien meine Angst wenigstens bis jetzt unbegründet ;)

Um auf deine Frage zurückzukommen (sorry, das mit dem Zitieren muss ich erst noch rausbekommen :) ), warum ich denn dem Mann zuhause keine Aufmerksamkeit mehr gschenkt habe:
Eigentlich habe ich die Geschichte nur geschrieben, weil mir einfach das Bild einer Lolita vorschwebte, und ich es sehr interessant fand, mir vorzustellen, dass es doch irgendwie möglich wäre, dass es zur heutigen Zeit "Vorführungen" dieser Art geben könnte, und dass diese eben jene, zum Teil verheirateten, Männer besuchen würden.

Und nun ja, dieser Mann sollte wie ein Mitglied dieser Gruppe erscheinen, weniger wollte ich auf seine individuellen Gefühle, und seine Privatsphäre eingehen.

Aber deine Idee ist nicht schlecht, das muss ich zugeben...

Lieben Gruss, Kalliope

 

Hallo Kalliope,

deine Geschichte war mich sehr interessant zu lesen. Du beschreibst sehr anschaulich mit einem glatten, gut zu leseneden Stil.

Mir ist zwar klar, dass die Lolita im Mittelpunkt deiner Geschichte steht, aber ich denke trotzdem, dass diese Geschichte eine besondere Note bekommen würde, wenn du auch ein wenig auf deinen Prot. eingehst. Dann kann man eine Verbindung zwischen dieser Lolita und dem Mann aufbauen. So kann man weder zu dem Mädchen noch dem Mann eine Beziehung aufbauen, weil du letztendlich nur Bilder beschreibst.

LG
Bella

 

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