Männer auf dem Podest
„Dieser hier sieht doch ganz wunderbar aus“, sagte Frau Mauszahn mit freudig erregtem Blick. Ihre Augen glänzten, als sie das Objekt ihrer Begierde näher in Augenschein nahm.
„Oh, davon würde ich Ihnen abraten“, sagte die Verkäuferin, die eiligen Schrittes hinter Frau Mauszahn trat und die Bestellnummer des Objektes vor ihr in ein kleines Laptop eintippte. Sie wartete kurz eine Bestätigung ab, dann hielt sie Frau Mauszahn den flachen Bildschirm unter die Nase.
„Sehen Sie“, sagte die Verkäuferin. „Modell Paulo. Besondere Kennzeichen: Machogehabe.“
Frau Mauszahn schaute überrascht. Sie blickte in das abratende Gesicht der Verkäuferin, die bedächtig den Kopf schüttelte. Unter dieser Strenge schien eine wunderschöne Frau zu stecken. Doch ihr Beruf als Verkäuferin für Männer jeglicher Art hatte sie offenbar vergrämt.
Dann schaute Frau Mauszahn wieder das Modell Paulo an. Der Mann stand auf einem kleinen drehenden Podest, damit man ihn von jeder Seite betrachten konnte. Er hatte eine sportliche Figur. Die Bauchmuskeln traten deutlich hervor, die Augen strahlten eine freundliche Wärme aus, und die Haare … mein Gott, was für eine Wuschelmähne.
„Schade“, sagte Frau Mauszahn leise. „Er gefiel mir recht gut.“
„Sehen Sie, das ist doch unser Problem“, sagte die Verkäuferin. „Wir Frauen wissen doch gar nicht mehr, was wir an einem Mann schätzen müssen. Sie wären diesem Paulo fast auf den Leim gegangen. Verfallen. Abhängig. Männer. Sie geben uns für die ersten Tage das Gefühl, dass wir etwas Besonderes sind, und dann lassen sie uns fallen zugunsten von ach so wichtigen Nachrichten im Fernsehen und frisierten Autos, mit denen sie in Schallgeschwindigkeit über die Straßen rasen.“
„Gibt es denn Frauen, die … nun ja … die solche Machomänner toll finden?“, fragte Frau Mauszahn skeptisch.
Die Verkäuferin gluckste lachend.
„Wenn Sie wüssten. Genug, meine Liebe.“
Frau Mauszahn konnte nicht mehr. Seit einer Stunde schleppte sie sich durch das Kaufhaus „Männer auf dem Podest“, dem ersten Kaufhaus weltweit, in dem es Männer zu kaufen gab. Für jede Frau das ideale Angebot. Und bei Nichtgefallen Geld zurück innerhalb der ersten sechs Monate. Das war doch ein Spaß!
Sie folgte der Verkäuferin weiter durch die endlosen Reihen mit aufgestellten Männern auf drehenden Podesten. Die Männer schauten ihnen neugierig nach. Einige wollten etwas sagen, doch Frau Mauszahn erinnerte sich wieder, dass ihre Stimmenbänder mit einem Betäubungsspray lahm gelegt waren.
„Und der hier?“, fragte Frau Mauszahn unsicher, als sie an einem blonden Hünen von fast zwei Metern Größe vorüberkamen. Wieder tippte die Verkäuferin die Artikelnummer, die sich auf der Unterhose des Mannes befand, in ihren Computer.
„Modell Lasse. Besondere Kennzeichen: Gockelhaftigkeit, übertriebener Ehrgeiz und gelegentliche Rülpsattacken bei Tisch. Na denn.“
Frau Mauszahn hatte ihren Traummann noch nicht entdeckt. Immer wieder gab es Haken und Ösen an ihren Lieblingen. Entweder sie sahen gut aus und taugten intellektuell nichts, oder sie waren ungepflegt, jedoch gebildet.
„Ich habe meinen letzten Mann in die Männerpfandsammlung vor drei Jahren geworfen“, sagte Frau Mauszahn seufzend. „Ich dachte, ich komme ohne Partner aus, aber das war wohl ein Irrtum. Die Einsamkeit an so lauschigen Sommertagen wie heute ist zum verzweifeln.“ Frau Mauszahn verdrückte sich heimlich eine Träne.
Die Verkäuferin nickte verständnisvoll.
„Das kenne ich“, sagte sie. „Ich besitze bereits den vierten innerhalb von zwei Jahren. Und wären die Männer nicht so teuer, dann wäre ich wahrscheinlich schon bei Nummer zwanzig.“
Sie kamen an einem weiteren Schmuckstück von Kerl vorüber. Modell Ricardo, ein feuriger Latino-Lover mit schwarzen Haaren und geheimnisvollen Augen. Sah verteufelt gut aus, war der funkelnde Diamant unter den Objekten und laut Laptop hatte er nur eine Schwäche: kann beim Geschlechtsakt hin und wieder etwas grob werden!
Frau Mauszahn betrachtete ihn näher. Nun ja, etwas Grobheit im Bett, warum nicht? Wenn denn sonst alles stimmte.
„Auch davon würde ich abraten“, sagte die Verkäuferin. „Seine Batterien reichen bei dem immensen Tempo und der Ausdauer, die er beim Sexualakt an den Tag legt, nur ein gutes halbes Jahr. Dann müssten Sie sie austauschen. Das wird so teuer, da können Sie sich gleich einen anderen aussuchen.“
Es war zum verzweifeln. Frau Mauzahn war es leid.
„Was soll ich nur machen?“, fragte sie. Sie blickte die Verkäuferin Hilfe suchend an. Diese klappte ihr Laptop zu, stellte es neben sich ab und sagte: „Vergessen Sie die Männer. Jeder von denen hat eine mehr oder minder schwere Macke. Ich hingegen … nun ja … ich hätte heute Abend noch Zeit.“
Die Verkäuferin lächelte zärtlich, zwinkerte kurz und löste den strengen Knoten in ihrem Haar, das sogleich über ihre Schultern fiel. „Wenn Sie nichts dagegen haben.“
Frau Mauszahn schmunzelte. Eine wunderhübsche Frau hatte ihr soeben ein Treffen angeboten. Nun, warum eigentlich nicht?
Sie lächelten sich an, und Frau Mauszahn spürte ein vorfreudiges Kribbeln im Magen.