Was ist neu

Männlich

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09.08.2004
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Männlich

„Kein Problem!“, meint der Verkäufer. „Eine knappe Stunde dauert die Montage. Sehen Sie hier unser Beispiel. Selbst für einen Neueinsteiger in die wunderbare Welt der Heimwerker bereitet das Aufstellen dieses unverzichtbaren Produkts die reinste Freude.“ Sein Blick verrät mir, dass er mich bestenfalls für einen Neueinsteiger-Aspiranten hält.
„Hm...“
Knappes Statement, gönnerhaftes, leicht überhebliches Lächeln und knallhartes Standhalten des Verkäuferblicks meinerseits täuschen wohl nicht darüber hinweg, dass er mit seiner Einschätzung richtig liegt.
Tatsächlich macht das Möbel, bestehend aus Werkbank, Lochwand und Wandschrank einen bestechend einfachen und doch funktionellen Eindruck.
Kurze Zeit später verstaue ich drei bleischwere Kartonschachteln, die so gar keine Ähnlichkeit mehr mit dem Ausstellungsmodell haben, in mein nun deutlich tieferliegenderes Auto.
„Tiefer gelegtes Auto“, „Werkbank“. Zwei Männlichkeitssymbole mit einer Klappe. Lächelnd gebe ich Gas.
Auf der Heimfahrt rezitiere ich immer wieder den letzten Satz des Verkäufers. „Sie werden viel Freude daran haben.“ Freude? Freude bereitet mir ein kühles Bier, Sex oder allenfalls, wenn meinem penetrant tüchtigen Heimwerker-Nachbarn ein Dachziegel auf den Kopf fällt. Eine Werkbank gehört nicht zu jenen Dingen, welche mir Freude bereiten.

Der einzige Grund für diese Geldverschwendung ist eine Liste meiner Frau. Eine Liste, um genauer zu sein eine alphabetisch geführte Liste, auf welcher die Dinge aufgeführt sind, welche mich ihrer Ansicht nach zu einem richtigen Mann machen könnten.
„So nicht!“, entfuhr es mir, nachdem sie den Raum verlassen hatte. Schmollend zog ich meine pinkfarbene Rüschen-Schmusedecke etwas höher und betrachtete auf dem Zeigefinger meiner rechten Hand die Ergebnisse letzter, erfolgreicher Bohrungen.

Im Keller stehe ich nun etwas ratlos vor den ausgepackten Utensilien meiner neu erworbenen Werkbank, den ich, sollte der Verkäufer recht behalten, eine knappe Stunde später von dieser Liste streichen kann.
Entnehmen Sie bitte alle Teile den Kartons und vergleichen Sie die einzelnen Teile mit der Bauteileübersicht.
Ich vergleiche. Fazit: Kaum Übereinstimmung. Ich vergleiche erneut und kann nicht leugnen, dass zumindest gewisse Ähnlichkeiten bestehen. Rudimentär zwar. Aber immerhin. Die Stunde ist um.
Höchste Zeit, sich mit Punkt Zwei zu beschäftigen:
Die Abkantungen der Seitenwände diametral diagonal, sowie seitenstabil an die bereits vorhandenen Bohrungen des Bodenbleches legen und mit den Schlitz-Schrauben A5664, B9812bx, sowie den dazugehörenden U-Scheiben A3224 und B9784xy, sowie den Muttern A5555 und B7698wz befestigen.
Kein Problem. Triumphierend halte ich die Schlitz-Schraube A5664 in meinen Händen. Kurze Pause.
Ich betrachte die Arbeit der letzten drei Stunden. Keine Veränderung. Höchste Zeit für eine längere Pause.

„Es ist alles andere als kinderleicht, dieses Ding zusammenzukriegen. Meine Lebenszeit ist begrenzt, und ich möchte sie nicht nur hierfür verwenden!“
Der Verkäufer mustert mich nicht etwa argwöhnisch oder gar feindselig, nein, mitleidig trifft’s wohl eher.
„Woran hapert’s denn?“, fragt er mich verständnisvoll sanft.
Ich schnäuze mich, trockne eine Träne und breite die Bedienungsanleitung, welche die Grösse einer mittelalterlichen Schriftrolle hat, vor ihm aus.
„Was um Himmelswillen bedeutet „Gewindeplatte an die Halbrundniete und die Überwurfmutter befestigen?
Griffleiste...,
Laufschiene...,
Schliesszunge...,
Schliesskörper...!?
Bin ich Arzt??“ Meine Stimme überschlägt sich.
Kunden starren mich an. Kinder schmiegen sich näher an ihre Eltern. Ein kleines Rundes, das es nicht mehr rechtzeitig an Mutters Rockzipfel schafft, packe ich und halte es in die Höhe:
„Dies habe ich doch auch ohne Bedienungsanleitung oder höhere Schulbildung geschafft! Verdammt!“
Nachdem ich einer verdutzten Mutter ihr kleines Rundes zurückgegeben habe, begleiten mich zwei nette Sicherheitsbeamte nach draussen. Ihr fester Griff tut gut. Endlich fühle ich mich ernstgenommen.

Zuhause angekommen erwartet mich im Keller ein fixfertig montierter Werkbank und im Schlafzimmer mein Freund, der von meiner Frau in einer mir zwar nicht bekannten, aber doch recht eindeutigen Stellung, den Dank entgegennimmt.
Etwas enttäuscht ob des Vertrauensbruchs meines Freundes, ziehe ich mich in mein Zimmer zurück.
Mein Blick wandert zum Schreibtisch, zu meiner Liste und schliesslich zu einem neuen Eintrag. Ich erkenne die Handschrift meines Nebenbuhlers:
„Prioritäten setzen, mein Freund! Prioritäten setzen!“

 

Hallo Herr Schoeneberger,

ich kann in dieser Rubrik selten was für mich erheiterndes finden, umso mehr freut es mich, wenn ich denn doch mal was entdecke, das meinen Humornerv trifft.
Deine Geschichte ist flüssig erzählt, pointiert, gelungen, mit einer angenehmen Leichtigkeit spielst Du mit Klischees, die nicht neu sind, doch gut serviert. Ich habe mich beim lesen amüsiert, auch wenn mir noch ein paar Kleinigkeiten aufgefallen sind :

Die Stunde ist um.
Höchste Zeit, sich mit Punkt Zwei zu beschäftigen (...)
Kein Problem. Triumphierend halte ich die Schlitz-Schraube A5664 in meinen Händen.Kurze Pause.
Ich betrachte die Arbeit der letzten drei Stunden. Keine Veränderung. Höchste Zeit für eine längere Pause.
Hier lässt Du in zwei Sätzen zwei Stunden mal eben so vergehen, das wirkt nicht übertrieben sondern so formuliert unglaubwürdig.

Ich schneuze mich, trockne eine Träne und breite die Bedienungsanleitung, welche die Grösse einer mittelalterlichen Schriftrolle hat, vor ihm aus.
Eine Schriftrolle wird ausgerollt, einen Plan breitet man aus, es kann doch z.B. auch die Größe des Stadtplanes von Berlin haben ?!

Ein kleines Rundliches (...)
Nachdem ich einer verdutzten Mutter ihr kleines Rundes zurückgegeben habe,
Ich würde dieses Detail mit dem gleichen Begriff bezeichnen und nicht variieren, "kleines Rundes" gefällt mir persönlich dabei besser :)

Und guter letzter Satz.
Mir hat's Spaß gemacht zu lesen !

Grüße,
C. Seltsem

 

Hallo Monsieur Seltsem

Freut mich sehr, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Eine fast uneingeschränkt positive Kritik tut richtig gut.

Deinen drei Kritikpunkten gebe ich recht. Werde ich anpassen. Eigenartig, dass man bei selbst geschriebenem auch beim zehnten Mal durchlesen nicht dieselben unlogischen Dinge erkennt, welche ein Aussenstehender bereits beim ersten, oder zweiten Mal lesen sieht.

Schön, dass dir der letzte Satz gefällt. An diesem einfachen Wortgebilde habe ich laaaange herumüberlegt. So viel Lebenszeit für ein paar Worte :)

Danke fürs Lesen und deine Mühe!

Gruss Rolf

 

Moin Rolf,

Ja, fand ich ganz witzig. Du greifst hier zwar ein wenig in die Klischeekiste (wovon ich eigentlich überhaupt kein Freund bin), aber zum Glück nicht so tief, wie der Titel evtl vermuten lässt. Und weil du die Klischess witzig rüberbringst und der Text schön geschrieben ist, hats mir trotz Klischees gefallen (eine, wie ich finde, ausgezeichnete Begründung :D)

Eine knappe Stunde dauert die Montage.
Sehen sie hier unser Beispiel.
Der Zeilenumbruch fühlt sich an der Stelle bestimmt nicht wirklich wohl.
Im Keller stehe ich nun etwas ratlos vor den ausgepackten Utensilien meines neu erworbenen Werkbanks
meiner Werkbank (oder Absicht, weil die Dinger grammatikalisch eigentlich weiblich sind?)

 

(gelesene Version noch vom ersten Tag)
Hey, Kollege!

Schön, mal wieder wat von dir in Humor zu lesen!

Sehen sie hier unser Beispiel.
Sie
Zwei Männlichkeitssymbole mit einer Klappe.
:D
Auf der Heimfahrt rezidiere ich immer wieder den letzten Satz des Verkäufers.
rezitiere
Die Stunde ist um.
schöner, leiser Witz :)
meinen Händen.Kurze Pause.
Leerstelle
Ich schneuze mich, trockne eine Träne und breite die Bedienungsanleitung
seit der :zensiert: Rechtschreibreform schnäuzen :(
"Was um Himmelswillen bedeutet "Gewindeplatte an die Halbrundniete und die Überwurfmutter befestigen?"
"Griffleiste...,
Laufschiene...,
Schliesszunge...,
Schliesskörper...!?
Bin ich Arzt??"
hier is was mit den " nich in Ordnung
Etwas enttäuscht ob des Vertrauensbruchs meines Freundes
:D

Na ja, war ganz nett, hat mich aber net vom Hocka gerissen. Sorry.

Tserk

 

Hallo gnoebel

Toll, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Ich liege ja häufiger nicht so auf deiner Humorschiene (in diesem Fall die Klischees), umso mehr freut es mich, dass du meinem Text trotzdem noch einiges Positives abgewinnen konntest.

Hoi tserk

Schön, mal wieder wat von dir in Humor zu lesen!
Schön, eine Kritik von dir zu lesen!

Na ja, war ganz nett, hat mich aber net vom Hocka gerissen. Sorry.
Schade. Vielleicht das nächste Mal.

Danke für's Fehler suchen und finden. Werde ich anpassen. Ein paar gelungene Stellen hast du ja trotzdem noch gefunden. Da nehme ich doch mal an, dass die Zeit für dich nicht ganz verloren war.

PS: Das nächste Mal wieder eine positivere Kritik, sonst überleg ich's mir noch mal. Du weisst schon was :D

Danke euch beiden und Gruss Rolf

 

hello Rolf,

eine amüsante kleine Geschichte, die reichlich Klischees bemüht - aber ich liebe Klischees. ;-)
Du verwendest recht häufig das Wörtchen 'welche(r)', eine Variation würde den Text sicher eine Spur lebendiger wirken lassen.

Viele Grüße vom gox

 

Hallo gox

Danke für's Lesen und deinen Hinweis!
Mann, als ich mich beim Lesen auf das von dir angesprochene Wörtchen "welche(r)" konzentriert habe, ist mir aufgefallen, dass ich scheinbar geradezu besessen bin von diesem Wort. Drei Stück habe ich (nicht ganz ersatzlos) eliminiert.

Danke und Gruss Rolf

 

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