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Machtwechsel
Hinter dem Mond, also von der Erde aus nicht zu beobachten, lauerte schon seit langem ein Späher-Raumschiff einer fremden Zivilisation. Schon oft hatten dessen Insassen versucht, Agitatoren auf dem blauen Planeten einzubürgern, um die Denkfähigkeit von Menschen durch chemische Substanzen so zu beeinflussen, dass sie eine Invasion der Fremdlinge nicht bemerken würden. Bis jetzt war dieses Vorhaben immer gescheitert. Einmal wurde der eingeschleuste Agent einfach in einen Zoo gesteckt, in der Annahme, er sei ein entlaufener Schimpanse. Dieses Unglück war Folge einer offensichtlich ungenauen Informationsgewinnung, man hatte das menschliche Aussehen mit dem von Affen verwechselt, und deshalb dem Saboteur diese tierische Gestalt verliehen.
Ein anderes Mal kam der Eindringling zwar mit dem richtigen Äußeren, fiel aber in ein schrecklich schwarzes Kanaldeckelloch, ein Objekt, von dem er sich noch nicht einmal vorstellen konnte, warum es überhaupt existiert - nun, das Universum ist voller Wunder. Beim Sturz zerbrach sein Agitations-Chemikalien-Behälter, der Spion konnte also nichts mehr ausrichten (so dachte der Arme), er arbeitet inzwischen irgendwo im Bundestag.
Die machtbesessenen Aliens überlegten natürlich, wie sie unsere Erde trotz der bisherigen Misserfolge doch noch beherrschen könnten. Sie gründeten einen Ausschuss, folgende Empfehlung für den Machtwechsel im Bereich der Erde wurde gegeben:
„Die Menschen dominieren die Erde. Menschen kann man in zweierlei Sorten einteilen, Gartenbesitzer und Nicht-Gartenbesitzer. Gartenbesitzer lassen sich wiederum in zwei Gruppen aufteilen, in Unkraut ignorierende (‚ach, ich lass der Natur halt ihren Lauf’) sowie Unkraut vernichtende Gärtner (‚Dominierer’). Letztere haben es natürlich schwer, sie wollen entschlossen einen Kampf aufnehmen, der eigentlich nicht zu gewinnen ist, beziehungsweise noch nie zu gewinnen war - jedenfalls bis zum heutigen Tag. Wir überirdisch klugen Aliens werden für eine scheinbare Änderung dieser Misere sorgen und damit unser Ziel erreichen: Die Eroberung der Erde.
Das gewissermaßen hinterhältig agierende, Samen verschießende Springkraut, auch den heimlich fast außerirdisch aussehende Ausläufer aussendenden Giersch werden wir vernichten. Der fliegende Invasoren verteilende, gemeine (gemeine) Löwenzahn, außerdem die Samen und Ausläufer zum Angriff gegen geordnete Garten-Geranien ausschickende Vogelmiere kämpfen nach unseren Maßnahmen ohne jede Chance.
Unsere Antwort auf alle Schwierigkeiten heißt G.v.n.s.U.f.i.H.K.! Hierbei geht es nicht um eine neue Herbizidgruppe: Unkrautvernichter schaden meistens den erwünschten Pflanzen, eine zusammen mit schönen Blaukissenpolstern wachsende Vogelmiere kann man nicht mit Gift besprühen. Die Lösung des Problems bietet das instinktiv, nur selektiv vorgehende G.v.n.s.U.f.i.H.K.: Das gentechnisch veränderte, nur spezielle Unkräuter fressende, irdische Haus-Kaninchen! Dieses Tier werden wir passend für die Erde kreieren.
Wie der Name schon sagt, wird es derart gezüchtet, dass der Vierbeiner zum Beispiel lediglich Vogelmiere als Nahrung akzeptiert. Ganz gleich, wo diese wächst, sich tarnt oder versteckt, angenagt wird sie auf jeden Fall. Dies hat eine außerordentliche Entlastung des Gärtners zur Folge. Allerdings muss ständig Futter für die fürchterlich fressenden, freundlich hilfreichen Kaninchen zur Verfügung stehen. Auch im Winter. Dies ist ein Teil von unserem teuflischen Plan. Im Sommer können die Menschen die vierbeinigen Unkraut-Terminatoren bei Futtermangel an Freunde verpachten. In der kalten Jahreszeit braucht man einen Trockenfuttervorrat. Wollen die irdischen Feinde die benötigte Vogelmiere nicht in der Natur sammeln (es ist mühsam), bleibt ihnen nur der Anbau in ungenutzten Bereichen des Gartens. Eventuell ausreißende Pflanzen fallen bald den fleißig mümmelnden Mäulern kuscheliger Kaninchen zum Opfer. Die Futtererzeugung ist also organisatorisch leicht beherrschbar.
Neue, durch Simulation gewonnene Studienergebnisse zeigen jedoch, dass die zur Fütterung notwendig gewordenen Vogelmiereflächen mehr von diesem Unkraut beherbergen, als vorher im Garten vorhanden war. Außerdem hat diese Pflanzenart seit dem von uns provozierten Chemikalienunfall die Eigenschaft, gewisse Duftstoffe auszusenden, wodurch menschliche Gehirnnerven (zum Beispiel der Nervus cunicuphilus) stimuliert, beziehungsweise gehemmt werden.
Bei allen virtuellen Versuchspersonen entstand dadurch das zwanghafte Verhalten, G.v.n.s.U.f.-irdische Hauskaninchen züchten zu müssen. Hieraus ergibt sich natürlich die Notwendigkeit, Vogelmiere ähnlich einer Futterpflanze anzubauen. Diese Tätigkeit versklavt letztlich unsere Gegner: Sogar das Leben nicht gärtnernden Erdlinge wird gänzlich vom hoffnungslosen Kampf gegen das Unkraut bestimmt.
Wie gesagt: Noch wird die Erde von den Menschen dominiert, aber wenn die Vogelmiere die Erdenbürger beherrscht, werden wir mit Leichtigkeit die nun unaufmerksamen Menschen unterwerfen und damit ihren ganzen Planeten beherrschen.“
Karl Decklich schnaufte. Nee ... der Schluss seiner Geschichte gefiel ihm doch nicht, die Menschen als Verlierer ...
Er überlegte sich einen weiteren Schlussabsatz, in letzter Minute kamen Hilfstruppen vom künstlich erschaffenen Netrag-Planeten mit crunchenergetischen Herbizid- und Anti-Alien-Waffen, damit wurde der Machtwechsel verhindert.
So, jetzt noch schnell losgehen, Kaninchen füttern ...