Mad man walking
Mad man walking
Mit quietschenden Reifen kommt der Wagen zum stehen. Von der wilden Fahrt ist mir ziemlich übel geworden, ich kotz einfach die Sitze an, sind ja nicht meine. Mein höflicher Fahrbegleiter brummelt irgendwas dem Fahrer in den Bart, zieht mir die Kleidung aus und schubst mich aus dem Auto. Die zwei Schläger meiner Freundin, jetzigen Exfreundin, steigen wieder in die Eisen und ich stehe nackt auf der Landstraße, etwa vier Stunden Fußmarsch zu meiner Wohnung, zu meinem Kleiderschrank. War wohl doch keine so gute Idee, sie mit ihrer besten Freundin zu betrügen. Hat sich nicht mal wirklich gelohnt. Das Mädchen war nicht halb so versaut wie es aussah. Die Karre der beiden versifften, nach Alkohol stinkenden Kerlen ist übern nächtlichen Horizont hinweg und weit und breit kein Taxi oder eine andere Mitfahrgelegenheit. Mist. Ich steh hier, im Nirgendwo und sehe weit und breit kein ... Na Klasse, es fängt gerade an zu Regnen. Hätte mich eh noch duschen müssen. Ein Lastwagen rauscht an mir vorbei, rasiert um wenige Zentimeter meinen ausgestreckten Daumen ab. Mit schweren Schritten laufe ich in Richtung Stadt, meine nackten Fußsohlen schleifen über den rauen Asphalt, fangen sich Abschürfungen und Kratzer ein. Es schüttet als hätte Petrus, oder wer da oben auch immer für die Niederschläge zuständig ist, n Fass Freibier vernichtet. Alleine. Abermals nähert sich ein Wagen, diesmal eine Familienkutsche. Eine verschrumpelte, hässliche Frau sitzt am Steuer, hält ihren Kindern beim Vorrüberfahren die Augen zu um ihnen den Anblick eines splitterfasernackten, verzweifelten Ausgesetzten zu ersparen. Zur Strafe für diese Erregung öffentlichen Ärgernisses blendet sie noch kurz auf, so dass ich fast blind und orientierungslos stehen bleiben muss und schlägt mir die Fahrertüre hart ans Becken. Nachdem ich mich wieder aus dem Schlamm gesuhlt habe und die Faust drohend gen Himmel gehoben habe, setzte ich meinen Weg fort. In der Finsternis vor mir kann ich durch die vom fallenden Tropfen eine zitternde Leuchtreklame auf dem Dach einer Bar ausmachen: „Sit down, drink a beer and watch some shaking asses“ Hört sich gemütlich an. Als ich vor der Türe stehe sehe ich die schweren Motorräder, die auf dem kleinen, gepflasterten Parkplatz abgestellt sind. Eindeutig ne Gruppe Rocker. Das kann ja heiter werden, doch ich habe absolut keine Lust mir ne Lungenentzündung einzufangen. Ich öffne die Einganstüre, an der ein Schild hängt, das einen Männerabend verkündet, und spähe hindurch: Eine verrauchte Gaststube, eine schmutzige Theke und ein schmieriger Kellner. Keine Rocker. Weit und breit keine Rocker, was für eine Erleichterung. Vorsichtig trete ich ein, schleiche auf den Barkeeper zu, der mich misstrauisch beäugt, dann aber ein komisch verklärten Blick aufsetzt, fast als hätte er mich schon erwartet. Als ich an der Garderobe vorbei komme, sehe ich die etwa zehn Lederjacken mit dem Emblem, das auch die Höllenmaschinen auf dem Hof zierte. Verdammt, sie sind doch da. Kurz wäge ich ab, ob ich gehen und mich mit einer tödlichen Krankheit infizieren oder es riskieren sollte, nackt vor einem Haufen abgebrühter Rowdies auftauchen. Ich entscheide mich für letzteres, was sich jedoch als fatalster aller meiner Fehler (nach dem Seitensprung, der das Ganze ja erst in Gang gesetzt hatte) herausstellen sollte: Ein schneller Panoramablick durch den Raum eröffnet mir, dass die Rocker keineswegs irgendwo in einem der Hinterräume oder zusammen auf dem Klo sind. Sie stehen in zwei Reihen dicht an den gegenüberliegenden Wänden und wollten gerade irgendein Spiel mit Gummibällen anfangen, was ich mit meinem gewaltsamen Anziehen der Aufmerksamkeit verhindert hatte. Mir schießt die Röte ins Gesicht, die Härchen in meinem Nacken sträuben sich. Muskelbepackte Männer in Ledermontur beäugen mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Cool bleiben, es gibt immer einen Ausweg. Verzweifelt sehe ich mich um, erkenne einen Hinterausgang am anderen Ende des Schankraumes. Ich erhebe mich aus meiner geduckten Position und marschiere auf den Fluchtweg zu, wie ein Roboter verberge ich alle emotionsverratenden Gesichtsausdrücke. Von der Kälte draußen sind meine Glieder ganz taub. Der Ausgang will einfach nicht näher kommen. Schweiß bricht mir aus. Plötzlich fühle ich eine kalte Hand an meinem entblößten Hintern, erschrocken drehe ich mich um. Der Rocker, dem die Hand gehört, grinst mich lüstern an und da überkommt mich mit einem Schlag, dass „Gay Night, Men only“ wohl doch nicht an fröhliche Saufkumpane gerichtet war. Verdammt, der Tag wird von Minute zu Minute schlimmer. Im Adamskostüm husche ich weiter auf meine Rettung zu, immer mehr Hände grapschen mich an, versuchen mich festzuhalten. Doch ich lasse mich nicht beirren haste weiter, schließlich renne ich, als ginge es um mein Leben. Naja, wenn mein Leben mit meiner homosexuellen Unschuld gleich zu setzten ist, ist laufe ich wirklich darum. Mit der Kraft des Verzweifelten breche ich durch die massive Türe, Splitter rieseln zu Boden und ich stürme ins Freie. Wie Vampire, die das Regenwasser scheuen bleiben die schwulen Rocker in dem Durchgang stehen, strecken ihre Arme nach mir, recken sich, aber ich bin schon zu weit weg. Weg, ja nur weg hier. Während die Lederbekleideten enttäuscht in die Bar zurücktrotten, die Miene zu missmutigen Grimassen verzogen, sprinte ich durch den Regen. Die kalten Tropfen zerspringen auf meinem Gesicht, das vom Adrenalinstoß noch ganz gerötet ist. Langsam aber sicher geht mir dennoch die Puste aus, ich bin doch kein Marathon Läufer. Schwer atmend bleibe ich in einer Pfütze stehen, die meine Füße kühlt. Hinter mir ist die der zwielichtige Schuppen nur noch als winziger leuchtender Punkt in der Nacht zu sehen. Nachdem ich wieder zu Luft gekommen bin, laufe ich weiter, halte mich an den Verlauf der Straße und hoffe, heute den Rest der Nacht nicht im Freien verbringen zu müssen. Macher würde eine solche Übernachtung unter einem sternenklaren Himmel vielleicht als romantisch auffassen, doch dieser jemand hätte sicher etwas Anzuziehen und einen Schlafsack. Ich nicht und deswegen will ich endlich nach Hause, in mein warmes, kuscheliges, weiches Bett. Leider vergesse ich über all das Nachgrübeln über bessere Orte, an denen ich jetzt sein könnte, auf die Straße hinter mir zu achten. Ein weiteres mal flitzen aufgeblendete Scheinwerfer heran und das freundliche Fräulein, jetzt ohne Kinder auf den Rücksitzen, verpasst mir eine zweite Gratisrunde mit ihrer harten Autotüre. Wahrscheinlich hat die alte Schachtel ihre Sprösslinge auf einer Autobahnraststätte an die Leitplanke gebunden. Abschaum. So was gehört sich doch gar nicht auf die Mitmenschen losgelassen, die sollte man einsperren und den Schlüssel tief in Neptuns Reichen versenken. Ich bin unsanft auf einem spitzen Stein gelandet, der nur um weinige Zentimeter meine Männlichkeit verfehlt und sich tief in meine Magengrube gebohrt hat. Lieber nichts mehr essen als um die Ecke pissen zu können. Eine weitere Stunde sinnloser Wanderung bin ich meinem Ziel noch nicht sichtbar näher gekommen. Der Regen fließt noch immer in Strömen und so beschließe ich, noch einem mein freundlichstes Gesicht auf zu setzten und den Daumen in Richtung Stadt zu halten. Kein einziges Auto hält an, obwohl ich mich sogar zu einem Lächeln durchringen kann und das fällt mir heute wahrlich nicht leicht. In etwa siebzig Fahrzeuge kreuzen in der nächsten Stunde meine Stellung, meistens bekomme ich nur einen geringschätzenden Blick entgegengeschleudert. Aber beim einundsiebzigsten quietschen die Reifen, Wasser spritzt mich an, was belanglos ist, das es sowieso keine Stelle an meinem Körper gibt, die nicht vom Regen trieft. Ein gigantischer Lastwagen hält vor mir und die mit Aufklebern aus der ganzen Welt übersäte Türe schwingt auf. Ein abstoßend hässliches Drei-Tage-Bart-Gesicht sieht mich an. „Wohin willst ’n Nackedei?“ „In die nächste Stadt.“ „Na dann spring rein.“ „Sie haben nicht nur gehalten, weil Sie vom anderen Ufer sind und mich unsittlich berühren wollen?“ „Nö, ich bin so schwul wie Bill Clinton. Nämlich nicht ein Stück“ „Dann ist ja gut, ich hatte schon das Schlimmste befürchtet.“ Mit einem Satz bin ich im trockenen Führerhaus, mache es mir auf dem gepolsterten Beifahrersitz gemütlich. Mit einem entspannten, laut hörbaren Ausatmen symbolisiere ich, dass mir die Wärme und die gemütlichen Sitzpolterungen behagen. „Jaaa, das ist es.“ Ich sehe mir die Gesichtszüge des fremden Truckers genauer an. Irgendwoher kommen sie mir bekannt vor... „Sie SIND Bill Clinton!“ „WAS? Na gut, Sie haben mich ertappt. Ich spiele die Rolle des heruntergekommenen Lastwagenführers wohl nicht so gut?“ „Was zur Hölle tun Sie hier?“ „Na, einen Expräsidenten über dem Verfallsdatum will doch keine Sau mehr haben. Nicht einmal die Rentner in den Altenheimen wollen meine Biographie vorgelesen haben und denen ist bekanntlich alles egal. Ich bin so am Ende.“ Beschämt dreht sich der ehemals mächtigste Mann der Welt weg, blickt traurig aus dem Seitenfenster in die Dunkelheit. „Es ist erniedrigend, in einem solchen Schrotthaufen Dinge durch die Gegend zu kutschieren, die die Menschheit nicht braucht. Sehen Sie sich doch die Transportliste an.“ Er drückt mir einen mit Kaffeeflecken übersäten Zettel in die Hände. „Vorletzte Woche altes Bratfett für McDonalds, heute Secondhand-Kondome für die Elfenbeinküste. Oder was denken Sie, wieso sich dort Aids so rasend schnell verbreitet?“ „Kopf hoch, es kommen immer wieder Zeiten, für die es Sich zu leben lohnt. Was ist denn zum Beispiel mit ihren ehemaligen Gespielinnen? Rufen Sie mal eine an und verabreden Sie sich.“ „Hab ich schon versucht, die lachen mich dann immer nur aus und legen auf.“ Ein Träne kullert über die aufgedunsenen Wangen. „Bill? Ich darf Sie doch so nennen, oder?“ „Nur zu, meine Autorität kann sowieso nicht tiefer sinken. Treten Sie mein Ehrgefühl nur mit Füßen, es liegt schon auf der richtigen Höhe.“ Die Unterlippe bebt, ein Schniefen ertönt. „Bill, mein Tag ist bis jetzt auch total beschissen gelaufen. Was halten Sie davon, wenn Sie für heute Feierabend machen und wir uns bis zur Besinnungslosigkeit betrinken?“ „Ok.“ Clinton wischt sich mit dem Ärmel seines Anzuges die geröteten Augen trocken und reicht mir einen zerschlissenen Blaumann, den ich mir überstreife. Er bietet zwar kaum Sichtschutz, geschweige denn Wärmeisolation, doch er gibt mir das Gefühl, nicht mehr ganz so nackt zu sein. Der Expräsident tritt heftig aufs Gas und bringt uns mit seinem 13-Tonner sicher zur nächsten Bar. Schäbige Innenausstattung, unfreundlicher Barkeeper, doch hier gibt’s nicht nur Schwule, sondern richtige Alkoholiker und kleine Preise. Mit meinem neuen Kumpel kippe ich mir möglichst viel möglichst Hochprozentiges in möglichst kurzer Zeit hinter die Binde.
„Weich“ ist das nächste, was zu meinem Gehirn vordringt. „Sehr weich“. Meine Augen bleiben geschlossen, woraus ich folgere, dass sie das vorher schon waren. Ich habe also geschlafen. „Weich“ Es lässt mich nicht mehr los. Ich versuche meinen Kopf um wenige Zentimeter zu liften, doch ein unglaublich schmerzhaftes Pochen in meinem Schädel lässt mich zurückfallen. Es fühlt sich an, als ob jemand mir eine Katze in die Gehirnhöhle gesetzt hätte und dann ihren Schwanz in Flammen aufgehen lassen hätte. „Weich“. Verdammt, das soll endlich aufhören. Ich muss herausfinden, was mir diese Empfindung aufdrängt. Mit Schwung reiße ich die Augenlieder in die Höhe. Ein kurzes Zucken, die ganze Körper vibriert und das Schmerzzentrum ist überladen. Ich könnte mir gerade einen Arm absägen und würde wahrscheinlich nur wegen des vielen Blutes in Ohnmacht fallen. Gut und jetzt die Lage abchecken: Weiches Bett mit vielen nackten Frauen mit weicher Haut. Aha, daher also „weich“. Naja, die Fragen „Wieso?“ und „Was tue ich hier, verdammte Kacke?“ verschiebe ich auf später. Ich muss wegen der Morgensonne, die durch die halb heruntergelassenen Jalousien fällt, blinzeln. Noch eine Gestalt liegt im Bett. Nach genauerer Betrachtung: Es ist der wahrhaftige Bill Clinton. Auch er im Adamskostüm. Fragen kommen in wenigen Minuten. Gemütlich hebe ich die Beine aus über den Rand der Matratze. Es ist eigentlich angenehm nicht alles zu hinterfragen, Neugierde richtet den Menschen zu Grunde. Ich nehme mir vor, dass ab heute meine Philosophie so aussieht, doch schon breche ich meinen Vorsatz: Der Fußboden auf den ich trete ist mit Geldscheinen gepflastert. Gestern Abend muss es ziemlich abgegangen sein. Eine der Frauen erhebt sich, packt ihre Kleidung und sieht mich an. Eine Hand voll Bargeld wandert unter meinem kritischen Blick in ihre Handtasche. „Wofür ist n das?“, frage ich mit leicht lallendem Tonfall. „Na, die Nacht war sicher nicht umsonst, Süßer.“, antwortet sie und setzt mit einem neckischen Augenschlag hinzu: „Soll ich deinem kleinen Freud auch beim Aufstehen helfen? Die Hälfte des Preises, da ich mit euch ja längst genug verdient hab.“ „Ne, lass gut sein. Aber sag mal, ich kann mich an gar nichts mehr erinnern. Könntest du mir erzählen, was so los war? Den Teil, für den ich bezahlt habe, kannst du weglassen.“ „Ihr Beide, du und dein faltiger Freund da auf dem Bett, seid um etwa halb drei in der Früh mit einem dicken Mercedes, beladen mit Taschen gefüllt mit Geld, gegen eine Laterne gerast. Ihr wart beide stockbesoffen. Wir haben euch aufgegabelt, in ein Hotelzimmer verfrachtet und euch dabei geholfen euer Geld auszugeben.“ „Ja, vielen Dank auch. Ich fühl mich jetzt um einiges besser. Schnapp dir bitte deine Kolleginnen und mach dich vom Acker.“ „Geht klar, du Arsch. Ich hau schon ab und nehm alle Kolleginnen und Kollegen mit.“ „Langsam bekomme ich so das Gefühl, dass ich gar nicht wissen will, was passiert ist.“ Verärgert über meine Ungehaltenheit bedient sich die Prostituierte ein weiteres Mal an meinem Vermögen, weckt den Rest ihrer Mannschaft und gemeinsam verlassen sie mit finsteren Mienen das Zimmer. Bill Clinton schlummert wie ein kleines Baby, mit dem Finger im Mund schmatzt er behaglich, streckt sich und zieht die Decke über seinen Kopf. Mit dem ist im Moment wenig anzufangen. Der Kater kommt langsam zurück und wie gewöhnlich in dieser Situation will ich mir einen oder mehrere Schlucke starken Kaffe einverleiben, begebe mich torkelnd dorthin, wo ich die Küche vermute. Unterwegs werfe ich mir noch einen herumliegenden Bademantel über, ich war in letzten Tagen zu oft nackt. Auch der Ofen, alle Schränke, Lampen und die Fenster sind mit Scheinen bedeckt. Auf der Herdplatte steht ein Wassertopf, doch als ich ihn befüllen will, weiche ich nur Papier auf. Also kein Koffein um meinen Schädel rein zu waschen. Mit einer zielsicheren Bewegung findet mein Finger den Power-Knopf des uralten Fernsehers, der nächsten Möglichkeit ein Gehirn von unnötigen Dingen wie Geburtsdaten und Kindheitserinnerungen zu säubern. Ein dürrer Nachrichtensprecher eines Bundesweiten Senders brabbelt lustlos irgendwelchen Nonsens von Sturmfluten, Kriegen und Grippekatastrophen dahin. Sein Mund bewegt sich auf und ab, die Lippen und Kiefer harmonieren in ihrer Bewegung, doch ich nehme Nichts wahr. Bis am Ende der Sendung, ich bin leicht weggenickt, sein halbkahler Kopf zur Seite ruckt und eine fette Hand ihm einen gelben Zettel auf sein Pult legt. Nickend ließt er diesen schweigend durch und blickt abermals in die Kamera. „Gerade eben ist eine höchst aktuelle Mitteilung reingekommen: Gestern kurz vor Schließung der National Bank stürmten zwei betrunkene, maskierte und schwer bewaffnete Männer die Filiale in der Hauptstadt und raubten den Tresor aus. Der eigentlichen Entwendung der geschätzten 7 Millionen Dollar ging ein Feuergefecht mit dem Wachpersonal voraus, bei dem acht Unschuldige und zwei Zeugen Jehovas getötet wurden. Die Täter sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Amateure, was sie jedoch nicht ungefährlicher macht. Mit aller Gewissenhaftigkeit wird zur höchsten Vorsicht aufgerufen, meiden Sie Straßen und andere öffentliche Plätze, da sich die Beiden noch auf der Flucht befinden. Zum derzeitigen Zeitpunkt gibt es keinen Anhaltspunkt für ihren Aufenthaltsort. Bitte verstecken Sie sich möglichst tief in ihrem Keller und ... halt ... noch eine Nachricht?“ Die fette Hand erscheint wieder und bringt eine weitere Notiz. „Der Leiter der betroffenen Bankkette hat soeben verkündet, dass demjenigen, der ihm die leblosen Köpfe der Verbrecher serviert, die Hälfte des entwendeten Geldes steuerfrei überschrieben wird. Und was heißt das?“ Mit einem boshaften Lächeln beugt sich der Moderator so nah an die Linse, dass das Glas von seinem Atem beschlägt. „Das Heißt, dass ihr Beiden, wo auch immer ihr steckt, von allen gejagt werdet. IHR SEID GELIEFERT! So ein bisschen Zuschuss kann doch die ganze Welt brauchen.“ Lachend greift er unter sein Pult und zieht eine Schrotflinte hervor, entsichert sie und hält eine Schachtel mit Munition in die Luft. „Ich hab hier 30 kleine Freunde, die können alle schneller laufen als ihr.“ Dann wird dem Kameramann diese Farce sichtlich zu bunt, er schwenkt das Bild und schaltet das Gerät aus. Ein gräuliches Flimmern bedeckt den Bildschirm. Im Geiste kann ich noch den sabbernden Ansager sehen wie er durch Kamera, Leitungen, Glas auf mich deutet. Obwohl ich noch immer nicht genau weiß, was ich betrunken angestellt habe, ich habe doch eine Theorie: Es hat mit viel Blut, Blei und etwa 7 Millionen Dollar zu tun. Ich bin mir ziemlich sicher, muss nicht einmal die im Zimmer verteilten Scheine durchzählen um zu wissen, dass der Betrag übereinstimmt. Anscheinend haben die übrigen Hotelgäste auch ferngesehen, ich höre das Schlurfen von löchrigen Schlappen am Flur, es bewegt sich auf unsere Eingangstüre zu. Eine Faust hämmert an das Holz, ich kann die Gefahr riechen. „Guten Morgen, die Herren, wenn ich darf, bringe ich ihnen das Frühstuck herein.“, säuselt eine hohe Stimme mit spanischem Akzent. „Wir sind nicht hungrig und möchten gleich abreisen.“, antworte ich möglichst ruhig während ich Bill Clinton schüttle bis seine Zähne klappern. „Es ist aber extra lecker, für unsere Lieblingsgäste. Mit Ei und Speck.“ „Kein Bedarf!“ Langsam wird die dumme Kuh aufdringlich. „Mit Orangensaft.“ „Nein.“ „Und viel Liebe.“ „Nein, verdammt.“ „Na gut, aber machen Sie sich auf was gefasst: Ich komme wieder.“ Noch einmal Schritte, diesmal entfernen sie sich. „Bill“, rufe ich meinem neuen Partner zu, bekomme jedoch kein einziges Lebenszeichen. Der hat den Schlaf eines Toten. „Wir müssen hier verschwinden sonst lynchen die uns und prügeln sich um unsere abgeschlagenen Schädel.“ Plötzlich steht der ein Page, erkennbar an seiner blauen Uniform, in der geöffneten Türe. Ein Ausdruck des Hasses flitzt über sein Antlitz, er lässt den Zimmerschlüssel achtlos auf den Teppich fallen und reißt einen alten Säbel über den Kopf. Aus seiner Kehle dringt ein verachtendes Knurren. „Abschaum“, zischt er mir entgegen und fixiert meine Augen. „Die Belohnung gehört schon so gut wie uns!“, schreit er und deutet mit ausgestrecktem Zeigefinger auf meine Brust. Durch das splitternde Glas eines der Fenster schwingt sich eine mollige Südländerin, eindeutig die Frühstücksdame. Mit ihrem zarten Händen umfasst sie den Griff eines schweren Maschinengewehres. Die erste Salve aus dessen Lauf bereitet Bill Clinton, der sich inzwischen alarmiert aufgerichtet hat, sichtbare Kopfschmerzen. Graue Haare getränkt mit rotem Blut regnen durch die Luft, schwingen wie gerupfte Federn zu Boden. Mit jedem Schritt den ich mache wirbeln ein paar von ihnen auf und umschweben meine Fußgelenke. Kraftvoll ringe ich den Mann, der meine Flucht behindert, zu Boden und stoße ihm seine eigene Klinge in die Brust. Bleikugeln zerfetzen neben mir die rissige Tapete, Betonbrocken streifen meine Haut. Endlich ist der Durchgang frei, ich sprinte so schnell mich meine nackten Füße tragen an die frische Luft. Hell bescheint die erst vor kurzem aufgegangene Sonnenscheibe den vor mir liegenden Parkplatz. Keine Deckung in Sicht, ich haste einfach um mein Leben ohne meine Chancen abzuwägen. Hinter meinem Rücken verlässt die junge Frau das Haus, schreit unverständlich und legt an. Als stünde ich neben ihr, würde ihr über die Schulter sehen, wie der Lehrer dem Schüler, beobachte ich wie sie den Finger krümmt. Sie schmiegt die Wange an die Stütze, saugt die Luft in ihre Lungen und lässt sie nicht mehr frei. Mein Körper hastet weiter, stolpert als ein Patrone sich ihm in den Rücken bohrt. Er reißt die Hände hoch und fällt zu Boden. Mist, diese Schlange hat mich getötet. Jetzt lächelt sie, holt das Schert ihres Kollegen und hack meinem ehemaligen Behälter das Haupt vom Rumpf. Sauerei. Aber das wird ein Nachspiel haben, so leicht lass ich die nicht davon kommen. Doch schon werde ich gen Himmel gesaugt, Gott holt Schwung und schleudert mich direkt in seine brennenden Vorgärten, die Hölle. Tja, und jetzt sitze ich hier über der offenen Flamme dieses hässlichen roten Bastards und schwitze wie ein Schwein. Ihr denkt, diese Geschichte hat weder Sinn noch Moral? Fast richtig, aber eben nur fast. Schließlich sitze ich hier auf dem glühenden Rost, weil ich eine Bank ausgeraubt, den Tod von acht Menschen und zwei Zeugen Jehovas zu verantworten und einen amerikanischen Expräsidenten zur Mittäterschaft getrieben habe. Sie sehen also, ich büße für meine Sünden auf des Teufels Grill und werde hier wohl auch die Ewigkeit verbringen. Also dann, meine Haut auf dem Rücken wirft Blasen, ich muss mich umdrehen.