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Maigeschichte

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17.10.2001
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Maigeschichte

Die Geschichte gibt es schon einmal, unter dem Titel 'Gebrochenes Wasser'. Habe aber einiges geändert und sie in meinen Jahreszyklus mit eingebaut. Ein Hinweis zum besseren Verständnis (bisher weiß ich immer noch nicht, ob und wie ich das im Text erklären soll): Im ländlichen Irland ist es Tradition, am Vorabend zum ersten Mai die Felder mit Weihwasser zu segnen.


Als Kind lag ich oft in einer der Weiden zwischen hohen Gräsern und träumte von der Auferstehung Christi. Mir schien dann, als sähe ich kastanienbraune Rinnsaale und schattige Gabardine auf dem Schädel des Berges Bulben, als schaute ich zu, wie er zwischen den grasenden Charolais den Berg herunterwandelte.

Es war der Vorabend zum ersten Maitag, und ich ein von Druiden beauftragter Heiliger auf einem Botengang, obwohl es mich sehnte nach kühler Milch und gelben Butterplätzchen. Nur Murmeln weckten mein Interesse nicht, hatte ich doch Gott in einem zwei Pfund Marmeladenglas.
In Drumcliffe County waren sie alle Sünder – die Kühe, die Gräben, sogar die langbeinigen Spinnen im Bohnenbeet. Sie alle trieben die Nägel tiefer in Christi Hände. So lehrte es uns der Priester, der zur sonntäglichen Messe unter dem Abbild der heiligen St. Brighid von der Kanzel auf uns herabdonnerte. Mich zog es deshalb in die Kartoffelstrunken, deren lange Stiele Phiolen voll der lockendsten Sünden erblühen ließen. Dort fingerte ich Gott aus dem Glas und pustete ihn zu den reuigen Blüten. Doch er wurde gefangen im Nacken des Windes, getrieben den letzten Lichtstrahlen entlang hinauf und durchbrach schneidend den Himmel. Purpurn floss es abends aus der Wunde über dem Horizont, an den ich, kniend vor meinem Bett, verstört das Abendgebet richtete.

Im Juni dann ertrank ich völlig in meiner Sünde, eingedrückt vom Staub, der seine Mätzchen formte, dem Sonnenuntergang und dem Tod meiner Mutter. Die Charolais wanderten ins Tal hinunter, Bulbens Schenkel lag im violetten Rauch des Heidekrauts, als ich meinen Vater fragte: ‚Ist es passiert, weil ich Gott bluten ließ?’
Erschrocken sah er mich an. ‚Beim heiligen Sidonius, sei leise, Junge. Sieh lieber nach den Bohnen.’ Meine weißen Zeugen trabten durch Bulbens Gras heran, und in ihr Muhen duckten sich seine Worte.

 

hi rabenschwarz,

ich kann dir keinen guten lesespiegel geben, einfach, weil ich die szene nicht kenne. es formen sich keine bilder bei mir beim lesen.
so kann ich also allerhöchstens etwas über den schreibstil sagen, und der ist sehr schön. du verwendest schöne worte.

meine lieblingsstelle:

deren lange Stiele Phiolen voll der lockendsten Sünden erblühen ließen.

mit deser kritik kannst du nicht viel anfangen, ich hoffe einfach mal, dass andere leser die szene eher kennen, oder du musst deinen text ausarbeiten, und die bilder, die ein hintergrundsfremder leser nicht hat, mit einbauen.

bis dann

barde

 

Hallo rabenschwarz,

hmm, ja, wunderschöne Worte, ähem, bilden Sätze. Diese sind auch schön. Wo ist die Kurzgeschichte darin versteckt? Habe ich sie überlesen?
Du lässt mich ratlos zurück.

Liebe Grüße - Aqua

 

Moin San!
Im Vergleich zum Vorgänger um einiges verständlicher, auch wenn natürlich ein Teil der Sprachkraft verloren geht. Es bleibt immer noch genug übrig für drei Texte, keine Sorge. Was bleibt, ist das Gefühl, dass du es noch einen klitzekleinen Tacken besser schreiben könntest... ich weiß nicht wie und wo, aber irgendwie glaube ich, dass. :D
...para

PS:
Mein Internetzugang ist total hinüber, aber so schnell werdet ihr mich nicht los. In einer Woche funktioniert mein mail-Zugang wieder, schick mir mal was wg. deiner Adresse.

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getrieben den letzten Lichtstrahlen entlang hinauf
Hmm. "entlang hinauf"? Hört sich noch nicht so geschmeidig an.

 

Hallo rabenschwarz,

die geheimnisvoll- symbolische Ausdrucksweise paßt gut zum Text mit seiner Verquickung von keltischem Heidentum und christlichen Aussagen.
Wenn ich das recht verstehe, glaubt der Protagonist ein Unglück (Tod der Mutter) verursacht zu haben, weil das Weihwasser nicht das Sündige auf der Erde erreicht hat, sondern eine blutende Wunde am Himmel verursacht wurde.
Das verstörte Beten zu der Wunde am Abendhimmel (und ähnliche Bilder, die Worte, die sich in das Muhen ducken) sind sehr gelungen.
Einige Dinge sind mir noch aufgefallen:
„in einer der Weiden“ - zuerst hatte ich an die Bäume gedacht, muß es nicht `auf´ heißen, man sagt doch `ich liege auf einer Wiese´? (Oder ein Adjektiv vor „Weiden“ z.B. `grasgebärend´- `saftig´ wäre zu abgedroschen).
„wie er zwischen“ - hier ist wahrscheinlich Christus gemeint, doch fände ich die Ergänzung eines bezugsfähigen Substantivs hilfreich (z.B. `Erlöser´). Falls nicht die Art und Weise seines Gehens gemeint ist, muß es `als er´ heißen.
„Kartoffelstrunk“,“ lange Stiele“,“ Phiolen“ - von einem Strunk spricht man normalerweise bei Kohl (Strunk: Botanisch entblätterter dicker Stängel).

Die Stimmung der Geschichte und der Zwiespalt zwischen Aberglaube und Glaube haben mir gut gefallen.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

hallo San!

mir gefällt diese Version deutlich besser - sie ist um einiges klarer. Der Hinweis auf den Protagonisten als Kind, auf Bulben, das mahct es dem Leser einfacher, wenn auch nicht leicht. Auch der Schlussatz gefällt mir gut, er rundet ab. Die Sprache hat mir wieder einmal sehr, sehr gut gefallen...

schöne Grüße
Anne

 

@Wolto
Als Kind hab ich mich immer unter eine alte Trauerweide gesetzt. Die Zweige hingen bis auf den Boden und von außen konnte man mich kaum sehen.

So habe ich das hier auch verstanden: Der Junge sitzt innerhalb dieser überhängenden Weidenzweige im Gras.

 

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

@Barde & Aqua,
schade, dass die Geschichte für Euch nicht rüber kommt, was genau ist denn so unverständlich? Die Handlung?

@Para
'entlang hinauf' war eigentlich Absicht, aber hast schon Recht, so wirklich glücklich isses nicht...mal sehen, solche Änderungen kommen beim xten Überarbeiten. Mail kommt demnächst, Grüße nach P.

@Wolto,
genau richtig verstanden (da biste im Prinzip der Erste, 'Endlich!' hab ich bei mir gedacht :D). Auch dass Du das mit dem Zwiespalt gesehen hast, hat mich gefreut, ist ein wichtiger Aspekt. Eine Frage - ist auch klar, wofür die Antwort des Vaters stehen soll?

Wg. Weiden - ich meinte nicht die Bäume, sondern schon Weiden im Sinne von Wiesen. 'In' deshalb, weil ich das Bild so möchte, dass der P. quasi mit in die Wiese eingeschlossen ist, 'auf' klingt so abgegrenzt. Als nähme die Weide ihn in sich auf. Muss ich vielleicht anders machen.

Wg. Strunken - wie nennt man denn den kompletten, über der Erde liegenden Teil einer Kartoffel? Hab ich nirgendwo rausfinden können, vielleicht weiß es hier einer.

'er' im 2. Satz passt schon, hatte erst überlegt, groß zu schreiben, aber auf die Vermutung des Bezuges auf den ersten Satz muss man sich einfach einlassen.

@Maus,
danke, dass Du nochmal gelesen hast :)

Grüße,
San

 

Hallo rabenschwarz,

hab´ mir schon gedacht, dass Du „in“ verwenden wolltest, weil der P. dadurch in das Umfeld „in“tegriert wird, und man sich richtig hohes Gras vorstellt. Wenn Du `Viehweide´schreibst, dürfte alles klar sein.
Zur Kartoffel: Man spricht von Kraut. Vielleicht geht es so, oder ähnlich: Mich zog es deshalb zu den Kartoffelpflanzen, deren lange Stiele (Triebe) ...
Vor `Kartoffelpflanzen´ wäre ein Adjektiv nicht schlecht.

Viel Erfolg,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo rabenschwarz,

ach ja, die Bemerkung des Vaters: Sidonius ist der Bewahrer vor Trockenheit, Bohnen werden im Mai gesteckt...
Angst vor der Rache der Götter.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo nochmal Wolto,

yo, auch, aber da sollte eigentlich mehr dahinter stecken. Da muss ich wohl noch dran arbeiten, vielleicht den P. vorher schon mal über Sünde & event. Folgen sinnieren lassen, o.ä.

Trotzdem danke,
San

 

Hallo Rabenschwarz,

vielleicht war ich da zu kurz angebunden: Die Rache der Götter ist eine Folge der begangenen Sünde(n).

"Ist es passiert, weil ich Gott bluten ließ?" ist ja ein Hinweis, dass der P. über die Folgen seines Tuns nachdenkt.

Tschüß... Woltochinon

 

@Wolto,

yo schon, aber die Ironie, die in der Antwort des Vaters liegt, scheint wohl nicht durch. Ich werde den Sidonius ändern, der lenkt anscheinend ab.

Bis denne,
San

 

Hi San,
obwohl schon Juni, habe ich gerade Deine Maigeschichte gelesen. ;)
Sprachlich finde ich sie gut gelungen. Einige Ungereimtheiten wurden ja bereits diskutiert, z.B. die Kartoffelstrunken und die Weide am Anfang. Zweideutig ist auch

Nur Murmeln weckten mein Interesse nicht...
Ist hier die Rede von Glaskügelchen oder von dem Geräusch in den Bäumen und Gräsern etwa, das der Prot. ignoriert?

Mich stört das "völlig" beim Ertrinken in der Sünde. Es ist an dieser Stelle, mit Verlaub, völlig überflüssig.

Ansonsten habe ich den Eindruck, dass Du noch ein bisschen damit kämpfst, damit die schönen Worte und Sätze, an denen Du so liebevoll feilst, auch das ausdrücken, was Du sagen willst. Der im Vorspann angedeutete Segnungsakt wird meines Erachtens noch nicht deutlich. Und was hat der Erzähler in seinem Marmeladenglas? Das Weihwasser? Asche? Gar nichts, aber das von symbolischem Wert?
Den Schluss verstehe ich in dieser Form auch nicht ganz. Die Bohnen waren vorher im Zusammenhang mit den weißen, langbeinigen Spinnen erwähnt. Liegt da der Schlüssel?

Was mich auch ein wenig irritiert hat, war der Titel Maigeschichte, wo die Pointe - der Tod der Mutter und das Schuldgefühl - eigentlich im Juni kommt. Kann die nicht schon im Mai passieren? Aber das ist nur eine kleine Spitzfindigkeit am Rande. Insegesamt hat mir die Lektüre Deines Textes Freude bereitet. Sie weckt die Erwartung, mehr davon zu lesen, in der Hoffnung auf größere Zusammenhänge und einen festen Handlungsrahmen. Meinst du, du schaffst es, dass Deine Zeilen hier eine Seite in einem Buch oder einer längeren Geschichte bilden, die ihre Leser genauso fesselt? :comp:

Liebe Grüße,
Nyx

 
Zuletzt bearbeitet:

„Cast an old eye
On life, on death,
Horseman, pass by!”

Hallo Rabenschwarz,

bei meinenWanderungen durch KG.de bin ich auf drei Miniaturen von Dir gestoßen, deren Titel Monate bezeichnen. Die „Maigeschichte“ handelt am Vorabend des Mais und hat einen „Vorläufer“ im „Gebrochenen Wasser“. Dieser Text ist dunkler als sein „Nachkomme“ und unterscheidet sich nicht nur durch den Schwierigkeitsgrad, sondern auch durch eine andere Form der erzählten Zeit: ist das „Gebrochene Wasser“ gegenwärtig, so scheint die „Maigeschichte“ vergangen und Erinnerung. Aber obwohl die Maigeschichte einfacher, will sagen: verständlicher gestrickt ist, bleibt sie mehrdeutig und lässt manchen, was sag ich, die meisten Leser ratlos zurück, selbst wenn man die wundervolle Sprache bewundert – wie auch ich.

Woltochinon hat eine Deutung, die wohl Deiner Intention nahe kommt, selbst wenn Du mit seiner Deutung des „Erschrocken sah er mich an. ‚Beim heiligen Sidonius, sei leise, Junge. Sieh lieber nach den Bohnen’“ nicht einverstanden zu sein scheinst. Dem Satz aus der Maigeschichte korrespondiert ein gänzlich anderer, drohender in der älteren Fassung: „Weiße Zeugen rücken bedrohlich über Bulbens Gras heran, und seine Worte ducken sich in das Muhen der Tiere. ‚Sei leise, Junge, und halte die Tauben aus den Beeten raus.’“ Dazu gesellt sich dann eine frühere Passage wie „Nur Murmeln weckten mein Interesse nicht, hatte ich doch Gott in einem zwei Pfund Marmeladenglas“, denn Gott spielt keine Murmeln, würfelt nicht - selbst nach Einstein - und selbst wenn ein schottischer Barde singt, „God is playing marbles with the planets and the stars …“* Ein Verstoß gegen die Ordnung wird sanktioniert, denn hier ist ein heiliger Ort:

Am Fuß des Ben Bulben liegt seit 1948 William Butler Yeats begraben. Manche behaupten von der Grabinschrift, es stünde dort die Zeile „Cast an old eye“ (s. o.). Die von ihm verfasste Grabinschrift stammt vom 4. September 1938 aus dem Gedicht „Under Ben Bulben“ und lautet tatsächlich „Cast a cold eye/ On life, on death/ Horseman, pass by!" Und so ist auch Dein Ton geheimnisvoll und neblicht, wie er hier halt gedeiht. Da leben Götter, die vielen und doch nur der einzige, da gibt’s Elfen und Gnome und Unweit von hier hat Heinrich Böll sein „Irisches Tagebuch“ geschrieben -

aber es ist doch inzwischen und zugleich ein unheiliger, weil nüchterner und der Globalisierung verbundener Ort: in den Gewerbegebieten machen sich HP, IBM, Yahoo, Amazon und Bill Gates breit. Sollte Mr. Leitch* doch Recht behalten?

So viel oder wenig für heute.

Gruß und ein schönes Wochenende trotz oder gerad' Emmas wegen

von

Friedel

* Donovan „Cosmic Wheels“, aus dem Gedächtnis zitiert. Hätt’ ich nie gedacht, dass ich Mr. Leitch mal in einem Zitat unterbrächte.

 

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