Was ist neu

Mami- Probleme

Mitglied
Beitritt
19.10.2001
Beiträge
3

Mami- Probleme

„Wie fühlt man sich denn so?“
Eine Frage, die Nadine verachtete- und fürchtete. Sie stand an diesem kühlen Herbstmorgen vor dem Spiegel und knetete verbissen in ihrem Gesicht herum. Eins...zwei... aha, die Falten gab es also auch schon. Fehlte nur, daß ihr Po schlagartig in die Breite ging und schwungvoll nach unten auslud.
„Dieser Morgen ist etwas Besonderes“- hatte er gesagt, und „ich wünsche dir einen schönen Geburtstag!“ Und was für ein Geburtstag das war. Ha!
Nadine ließ die Hände sinken. Sah sie da etwa Augenringe? Wo war das Funkeln in ihren Augen geblieben, wo das Glänzen ihrer Haare?
Sie wandt sich seufzend vom Spiegel ab und zwängte sich in die Jeans, die sie während der Hausarbeit immer trug. Dabei kam ihr ein Gedanke. Gab es da in ihrem Schrank nicht noch diese Strech- Hose aus der Zeit, in der sie Gerald kennengelernt hatte?
Sie lief wieder ins Schlafzimmer und durchwühlte die netten Mamipullis und Jogginghosen. Nein, die Hose mußte sie zu den aussortierten Sachen auf dem Dachboden gelegt habe. Also kletterte sie entschlossen die enge Treppe hinauf.
Als sie die Tür öffnete, bot sich ihr ein Anblick von Staub und Dämmerung. Vielleicht sollte sie- ach was. Heute war ihr dreizigster Geburtstag. Und sie würde sich bestimmt nicht auf den Dachboden stellen, um sich beim Fegen dusselig zu husten. Vielleicht konnte man diese Arbeit auf die Kinder abschieben...
Ein gemeines Lächeln huschte über ihr Gesicht. Gerald hatte ihr zwar immer versichert, daß Kinder eine Bereicherung seien. Doch erst bei dem Gedanken, wie sie sich hier oben abmühten, konnte sie ihm glauben.
Tatsächlich befand sich die Hose noch in einer der Kisten, völlig zerknittert, aber was solls. Wozu gab’s denn Bügeleisen.
Dabei erinnerte sich Nadine an ihren dritten Geburtstag, den sie zusammen mit Gerald erlebt hatte.
„Ein Bügeleisen... nein, wie lieb von dir, Schatz.“ Würg!
Das Jahr davor hatte er sie noch schön ausgeführt und eine Kutschfahrt organisiert- wie an ihrem ersten Jahrestag. Nun ja, Jahrestag ist eben nicht gleich Hochzeitstag oder Geburtstag. Nur schade, daß Jahrestage nach der Hochzeit irgendwie... naja aussterben.
Wieder im Schlafzimmer angekommen, betrachtete Nadine kritisch die Hose. Sie wollte sie wirklich gern anziehen, aber bestimmt nicht zerstören! Sie trat vor den Spiegel und hielt die Hose probehalber and ihre Hüften. Sie war beige und mit funkelnden Steinchen an den Taschen besetzt. Und unten hatte sie einen leichten Schlag. Ach ja, diese wundervollen Erinnerungen. Trug sie die Hose nicht auch, als Gerald und sie auf dem Rücksitz des Audis... hmm. Soviel dazu.
Gerald, der war schon toll. Ist er immer noch, dachte Nadine. Doch manchmal, ja manchmal schien er zu vergessen, wie sehr sie die alten Zeiten genossen hatten. Und wie verrückt sie sich verhielten. Doch man kann nicht ewig jung und verrückt sein.
Unwillkürlich wanderten Nadines Augen wieder höher und starrten das Ich im Spiegel an. „Wann bin ich eigentlich zu dieser netten kleinen Hausfrau geworden?“
Da war es wieder- dieser Anflug von Lebenslust und Kraft.
Oh ja, heute war der richtige Tag, um mal wieder zu sich selbst- oder zu einem früheren Selbst- zurückzukehren. Kurzentschlossen hüpfte Nadine einfach in die Strech-Jeans und...
„Mannometer, die paßt ja noch!“ Oder wieder?? Egal. Raus aus diesem ‚Laden’ und rein ins Vergnügen. Heute war sie nicht Nadine Werner, sondern wieder Dina. Die Dina, die einem jungen Schürzenjäger namens Gerald vor zehn Jahren den Kopf verdreht hatte.
Statt der üblichen Spange drehte sie sich die Haare zu einem frechen Dutt und befestigte diesen mit bunten Spangen ihrer Tochter Franzi.
Etwas Wimperntusche...etwas mehr, und Lidschatten. Lipgloss- ganz wichtig. Dann zog sie sich ein knallrotes Top über, schlüpfte in ihre Heels für besondere Anlässe und trat somit vor die Haustür. War doch nicht ihre Schuld, wenn Gerald arbeiten mußte und die Kinder in die Schule gingen. Sie würde sich auch allein amüsieren!
Da stand sie nun, aufgemotzt wie ein getunter Honda, zum bewundern, nicht zum anfassen. Den Kombi hatte Gerald heute ihr überlassen, damit sie den Einkauf noch vor dem Abend erledigen könnte und somit Zeit führ ihre Familie hätte.
„Im Auto sieht man gerade mal meinen Kopf...“ und mit der Bahn fahren dauert ewig... Moment mal. Wo wollte sie überhaupt hin?
War ja völlig schnurz. Aber auf keinen Fall ohne Auto, kommt besser an und man ist mobil- man muß ja schließlich Prioritäten setzen!
Daß das Einsteigen ein Krampf wird, hätte sie sich denken müssen. Die Hose paßte schon- irgendwie. Doch es lief sich mit ihr wie mit Hüftgürtel.
„Na wenigstens tue ich was für meine Haltung.“
Die Straßen waren enttäuschend leer, wie an jedem Donnderstag Morgen in diesem Kaff. Was tun, wenn man sich fühlt wie ein vergessenes Geburtstagskind und aussieht wie Barbie?
Klaro- Kaufrausch ausleben!
Von der Tochter ihrer besten Freundin wußte Nadine, daß es etwas außerhalb eine Straße mit netten kleinen Boutiquen gab, in denen es sich wunderbar bummeln ließ. Der Blick in die Geldbörse überzeugte Nadine zwar nicht wirklich, doch warum sollte sie sich vom Schlendern abhalten lassen? Man muß sich ja auch auf dem Laufenden halten. Außerdem würde Gerald ein neues Kleid sicher positiv überraschen.
Ob ihn die Rechnung auch so erfreuen würde? ...aber Schatz, es ist doch mein Geburtstag *blinzel blinzel*...
Den Kombi in einer Seitenstraße geparkt, ging Nadine in die erste Boutique auf ihrer Straßenseite. „Mal sehen...“ Minis, Hosen, alles in kleinen Größen. Hier gehörte sie nun wirklich nicht rein. Der nächste Laden sprach sie schon eher an- Bambinoklamotten.
Doch Nadine war nicht hier, und nicht in diesem Aufzug, um für Franzi oder die anderen neue Pullis zu kaufen. Also ab in den Modeschuppen.
Sie schob die Tops auf der Stange hin und her, und war sichtlich erstaunt über die gewagteren Teile. Vom trägerlosen Etwas zu einem Hauch von Nichts gab es hier wirklich alles. Und manches konnte sich sogar sehen lassen. Nadines kleines Mamiherz hüpfte höher und sie fühlte sich in ihre Jugend zurückversetzt. Damals folgte man mit Begeisterung jeder neu angebrochenen Mode, auch wenn sie noch so ausgefallen schien. Und wenn sie sich genau umsah, hatte sich wohl nicht viel verändert, nur sie selbst.
Moment mal! Diese beiden Gören lachten doch nicht über sie!?!
Erschrocken wandte sie sich wieder dem trägerlosen grünen Etwas vor sich zu und tat, als würde sie den Stoff befühlen. Da drang es auch schon an ihr Ohr.
Ein „Das ist doch wohl nicht ihr Ernst!“ und ein „die könnte meine Mutter sein, und dann dieser grauenhafte Pulli!“
Wahrscheinlich war auch ihr Gespür für den Trend eingerostet. Eigentlich wollte sie ja auch gar nicht auf diese zwei Minizicken –später wahrscheinlich die Zicken von Beruf- hören. Doch im Geiste sah sie sich selbst, wie sie dort stand, aufgedonnert und mit kneifenden Hosen. Und daß sie einen kleinen Bauch besaß, ließ sich nicht leugnen, ganz ehrlich.
„Guck dir doch mal den Busen von der an, wie der hängt“... flüster flüster...
Unwillkürlich wanderte Nadines Blick zu dem besagten Stück... naja, was erwarten die nach drei Kindern? Man könnte ja den Busen rausstrecken, dann soll er sich angeblich strecken und straffer wirken.
Nadine hörte Zickengelächter hinter sich und mußte trotz Ärger mitkichern. Eine komische Figur gab sie schon ab. Wenn sie sich ihre eigene Mutter in die Rolle einer Barbie mit Bauch hineindachte... ok, Themawechsel!
Hier ließ sich also auch nicht einkaufen. Aber Kaffee war immer eine gute Idee. Da hatte dieser neue Italiener in der Altstadt eröffnet. Hmm... Cappucino, das Modegetränk überhaupt.
Das Bistro entpuppte sich als winzige Pizzeria mit Stehplätzen. Geradezu befand sich eine kleine Theke, über welche hinweg ein geklinkerter Steinofen zu sehen war. Die Tische waren länglich, na fast oval geschnitten und an den Wänden angebracht. Es roch nach kalter Asche und Öl. Seufz!
Gerade wollte sich Nadine wieder umdrehen und hinausflüchten, als sich ein untersetzter Italiener hinter der Theke meldete.
„Pizza? Pizza?“
„Nö, Kaffee,“ entgegnete sie. Der Kleine nickte etwas enttäuscht und wies auf einen „Platz“- naja auf die Fliesen zum draufstellen eben. Wenn man sich das ganze genauer betrachtete, sah es so neu gar nicht aus. Und ein Blick aus dem Fenster ließ Nadine gequält aufstöhnen. Auf der anderen Straßenseite befand sich doch tatsächlich ein Cafe und Rastaurant.
„Neueröffnung“
„Super Frau Werner!“ Der nette kleine Mann brachte den Kaffee und nickte ihr freundlich zu. Nun, ein kleines Lächeln brachte sie auch noch zustande, aber damit war es dann getan. Langsam bekam Nadine auch noch ein drückendes Gefühl in der Gegend der Zehen. Sie versuchte sie zu bewegen und gestand sich dann ein, daß sie wahrscheinlich eine Blae davontragen würde. Und schon im selben Moment knickte sie auf ihrem hohen Absatz um. Natürlich landete der Kaffee auf ihrem Oberteil... nein wie lustig. * Schrei !*
Mit einem Blick vergewisserte sich Nadine, ob der Italiener sie beobachtet hatte, doch er war im hinteren Teil der Küche beschäftigt und summte eine kleine- ja was eigentlich- Polka?
Nadine knallte das Münzgeld auf den Tisch und klapperte dann wie auf Stelzen nach draußen in Richtung Kombi, als ein Stimme hinter ihr rief...
„Frau Werner?“ oh Mann, klang das nun ungläubig oder doch eher (bitte bitte) erfreut? Wie das eben so ist, wenn schon alles schief ging, wieso nicht auch das? Als sie über ihre Schulter lugte, erkannte sie Daniels Lehrerin Frau Weidemann.
Ihr lief es kalt über... die Brust? Der Kaffee kühlte also ab, welche Erleichterung. Vielleicht konnte sie ja die Arme vor der Brust verschränken und so tun als ob...
Viel lieber hätte sie jetzt das Make up verdeckt. Man kann nicht alles haben. Außerdem war sie eine Mami, und die finden immer ausreden! Das lernen sie von ihren Gören...
Frau Weidemann kam näher und beugte dabei auf, objektiv gesehen, ungesunde Weide ihren Rücken, um Nadines Gesicht zu erkennen. Diese drehte sich trippelnd um und lächelte verlegen. „Guten Tag, Frau Weidemann.“ Hoffentlich blieb ihr jegliche Bemerkung über ihr Aussehen erspart. Sonst in Jeans und einer unauffälligen Bluse, stand sie nun wie ein mißlungener Versuch vor der Lehrerin ihres Sohnes- die Arme abwehrend vor der Brust verschränkt.
Die gute Frau streckte eine Hand aus und legte sie ihr auf die Schulter.
„Geht es ihnen gut, Frau Werner? Sie sehen so... so...“
„Bemalt aus? Nun...äh, ja. Das muß sie nicht weiter stören, ich war gerade bei...bei der Typberatung. Die Dame hat mich so richtig auf den Kopf gestellt, verstehen Sie?
„Nun, nein. Aber ich sehe schon, was Sie meinen.“
„Ich dachte, ich könnte etwas mehr aus mir machen. Haben Sie daran nicht auch schon mal gedacht?“ ...Ups....
Arme Frau Weidemann. Wenn man sich mal einen Pantomimen vorstellt, wie fließend sich seine Gesichtszüger verändern, kann man sich Frau Weidemanns Gesicht auch erklären. Volle Entgleisung!
Wahrscheinlich mußte Nadine einen wunden Punkt getroffen haben, denn die Gute fingerte nervös in ihrem wirren Schopf und rückte die dicke Brille zurecht. Was soll man dazu auch sagen?
„Bitte entschuldigen Sie, Frau Weidemann. Ich...ich...muß los! Auf Wiedersehen.“
Schnell stahl sich Nadine davon. Im Kombi angekommen, ließ sie ihren Kopf aufs Lenkrad fallen. Dabei lösten sich einige Spangen. Strähnen ihres langen blonden Haars glitten herunter und umrahmten Nadines hochrote Wangen.
Tja, Gerald, dachte sie, viel Spaß bei zukünftigen Elternabenden, aber sicher ohne mich.
Sie hörte schon das Geschwätz über ihr Verhalten. Wenn mal bloß nichts an die Ohren ihrer Kinder kam... Seufzend ließ sie den Motor an und parkte aus. Und bloß nicht in den Spiegel sehen.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie befand sich doch nicht etwa in einer Midlife Crisis? Benahm sich wie eine irre Mum aller Peggy Bundy. Damit mußte sie schnellstens aufhören! Am liebsten wäre sie während der Fahrt mit dem Kopf unter der Sichtlinie des Amaturenbretts verschwunden. Doc niemand schien den Kombi weiter zu beachten- wenigstens darin hatte sie einen Glücksgriff getan. In diesem Aufzug in der Bahn sitzen? Mit einem Frau Weidemann- Verschnitt? Nö.
Nach endlosen zwanzig Minuten bog Nadine in ihre Auffahrt und entdeckte Geralds Fahrrad vor der Garage. Er war zu Hause, um diese Zeit?
Nadine zog die Schlüssel ab und musterte sich ein letztes Mal mutlos. Heels, Hosen mit Hüfthalterfunktion, knallrotes Top mit Kaffeedeko. Nein, in den Spiegel zu sehen, wäre dann doch zu viel. Also wackelte sie unsicher zur Haustür ihres hübschen Vorstadthäuschens.
Doch noch bevor sie die Klinke erreichte, riß ein völlig aufgelöster Gerald die Tür auf und starrte sie entsetzt an.
„Ich bin’s.“ ...Stille...
„Jetzt wo du’s sagst.“
Der angstvollen Miene folgte ein hämisches Grinsen, und dem wiederum ein liebevolles Lachen. Gerald stand lässig in der Tür, in Jeans und Muskelshirt. Und das stand ihm unverschämt gut. Schon wollte sich Nadine am liebsten verkriechen, so sehr schämte sie sich.
„Nicht lachen, bitte. Ich wollte nur mal wieder bummeln gehen...“
„Ich verstehe. Und hat dein Aufzug vielleicht etwas mit deinem Geburtstag zu tun?“
„Du warst nicht zu Hause. Ich sitz’ doch an meinem Geburtstag nicht hier rum und bügele deine Wäsche!“
Ah ah, die Anspielung aufs Bügeleisen tat seine Wirkung. Plötzlich bekam Geralds hübsches Lächeln viele Knitter. „Das solltest du auch nicht. Ich kam extra früher nach Hause, um dich zu entführen. Mensch Nadine, ich hab mir vielleicht Sorgen gemacht.“
„Ich hätte einen Zettel dalassen sollen. Tut mir leid.“
Gerald trat auf sie zu und legte seine warmen Hände um ihr Gesicht, das tat so gut!
„Nein, ist schon gut. Du sollst dich heute an deinem Geburtstag nicht ärgern. Jetzt zieh dich um und dann verschlepp’ ich dich.“ Nadine horchte auf.
„Wirklich? Wohin denn?“ –grins.
„Ich möchte noch einmal diese romantische Kutschfahrt mit dir machen... um dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe.“ Gerald gab ihr einen warmen Kuß, und sein Schnurrbart kitzelte. „Ich liebe dich, Dina!“ Hmm... kribbelte es da etwa im Bauch?
;)

 

Hallo,
nette Geschichte. Schade nur, dass sich die weibliche Midlife Crisis hier in einem ausgedehnten Einkaufsbummel erschöpft. Aber im wirklichen Leben ist's wohl meist auch so...

 

eben. natürlich hätte ich nadine noch so manches andere anhängen können- eine affäre mit einem jüngeren mann vielleicht- doch dazu ist sie mir einfach zu schade. im großen und ganzen fühlt sie sich wohl, es mußte ihr nur mal wieder gezeigt werden, daß jemand sie liebt. :)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom