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Man ist so alt wie man sich fühlt!

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20.11.2005
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Man ist so alt wie man sich fühlt!

Dass er nicht mehr der jüngste war, diesen Eindruck hatte Benno eigentlich immer erfolgreich verdrängen können. Doch in letzter Zeit wurde ihm immer öfter bewusst, dass seine Zeit unaufhaltsam fortschritt. Letzten Dienstag zum Beispiel. Da hatte Hannelore ihn ins Kino geschleppt, da der neue Film mit Tom Cruise anlief. Da Hannelore ein Faible für kleine, geistig verwirrte Männer hatte, war ihr Plan, sich an Tom scharf zu machen und anschließend ihr Bennolein im dunklen Kinosaal zu befingern. Doch Benno war danach nicht zumute. Nicht etwa, weil er Hannelore physisch abstoßend fand. Das war schließlich schon immer so gewesen. Nein, die Ursache von Bennos schlechter Laune die sich gegenüber Hannelore im Verweigern jeglichen Körperkontakts im Kinosessel äußerte, hatte ihren Ursprung am Kartenhäuschen.
Hannelore hatte nämlich bemerkt, dass über 60-jährige nur den halben Preis bezahlen müssen und Benno prompt als einen solchen Senioren ausgegeben. Normalerweise hätte sich Rotfuchs über eine solche Sparaktion gefreut, doch diesmal ging dies zu Lasten seines Altersempfindens. Und da hörte der Spaß auf.

Die folgenden Tage hatte Benno einen eiskalten Gesichtausdruck und fauchte Hannelore an, sie solle ja ihre Wurstfinger von ihm lassen. Sie war verwirrt, da sie sich nicht vorstellen konnte, dass Benno wegen der Sache im Kino einen derartigen Affen machen würde. Freitags saß sie dann wieder mal beim Proktologen im Wartezimmer, als ihr ein Heftchen des regionalen Rentnerverbands in die Hände fiel. Dort wurde ein kostenloser Ausflug im fünf-Sterne-Reisebus zur Weinverkostung angeboten. „Das ist genau das richtige!“ stieß sie hervor.
Benno war jedoch alles andere als begeistert, als Hannelore breitbeinig die Haustür durchschritt und ihm diesen tollen Plan für Sonntagnachmittag eröffnete: „Sachma bist du bescheuert oder was? Ich bin doch kein Oppa der Rheumadecken braucht!“ Hannelore knallte Benno eine, weil er sie so unverschämt angefahren hatte und quakte dann los, dass es gar nicht um Rheumadecken ginge und er bloß die Fresse halten und mitfahren solle, sonst, so führte sie weiter aus, würde ihm das „sehr, sehr leid tun!“

Also begaben sich Hannelore und ihr alterndes Bennolein am Sonntag gegen 11 zum Treffpunkt, wo bereits ganze Heerscharen von weiß- und grauhaarigen Tagesfreizeitlern auf ihre Abfertigung warteten. Benno wollte schnell das Gepäck im Bus verstauen und schubste die Rentner rücksichtslos zur Seite. Als er sich zur Verladeluke durchgekämpft hatte, geriet er jedoch an die Falsche. Eine Frau mit Krückstock schob dort im Schneckentempo ihre Tasche in den Bus, woraufhin Benno herummoserte, sie solle mal einen Zahn zulegen, er verbringe hier nicht seine Freizeit. Daraufhin drehte sich die alte Dame um und rammte dem vorlauten Benno ihren Krückstock ins Gemächt, dass dieser zusammensackte wie ein angeschossener Hirsch.
„Ohhh, diese Schmerzen!“ stöhnte Benno, als er schon längst im Bus saß. „Diese olle Nebelkrähe! Die mach ich lang!“ fauchte er, während er immer noch sein schmerzendes Körperzentrum umklammerte. Hannelore versuchte ihren aufgebrachten Freund von seinem Haßtrip herunterzubringen: „Ist ja schon gut Benno! Beruhig dich! In deinem Alter muss man auf seinen Blutdruck achten!“ Diese Aussage verfehlte jedoch das Ziel: Jetzt drehte Benno erst richtig am Rad und vergaß dabei sogar seine Schmerzen. „Was heißt hier in meinem Alter? Ich bin 56, verdammte Scheiße! ICH BIN NICHT ALT!!!“
Hannelore war das verhalten ihres Freundes äußerst peinlich. Sie fauchte: „Benno! Halt die Klappe!“ Doch dieser ließ sich davon nicht beeindrucken und brüllte weiter, dass der ganze Bus hersah: „Ich bin nicht alt! Diese Wehrmachtslegionäre hier, die sind alt! Aber nicht ich!“ Hannelore musste handeln. Sie holte aus und ballerte Benno derart eine, das dieser über die Sitzlehne auf den Gang fiel.

Etwa eine Stunde später machte der Bus das erste Mal Rast. Benno hatte vorher noch über die schwachen Blasen der Rentner gelästert und sich königlich darüber amüsiert, die Toilette blockiert zu haben, um dort heimlich rauchen zu können, während sich vor der Tür die Senioren über die Klobenutzungsreihenfolge die Köpfe einschlugen. Nun aber hatte er die tolle Idee, die Zeit bis zur Alkoholaufnahme verkürzen zu können. Und zwar indem er zum Rasthof geht und erstmal ein paar Bierpullen organisiert.
Als er in den Tankstellenshop kam, standen dort auch der Busfahrer und der Reiseleiter. Benno dachte sich nichts dabei und marschierte schnurstraks auf das Regal mit den eiskalten Bierflaschen zu. Er griff sich zwei Sechserträger Jever herb und freute sich schon auf kühles, erfrischendes Bier, als ihm der Weg zur Kasse vom Reiseleiter, einem elegant gekleideteten, aber schmächtigen Mittvierziger verstellt wurde. „Na, wo wollen wir denn damit hin?“ fragte dieser in einem Ton, als ob er mit einem Kleinkind spricht. Benno stutzte: „Zur Kasse, was denn sonst?“
Das sah der Reiseleiter aber ganz anders: „Tut mir leid mein Herr, aber unsere Gäste dürfen keinen Alkohol mit in den Bus nehmen und erst recht keinen vor dem Ziel konsumieren!“ Benno konnte es nicht fassen. „Des stimmt!“ raunte da der Busfahrer dazwischen. „Ihr Rentner vertragt das nicht und dann kotzt ihr mir wieder den Bus voll! Ne, danke!“ Während diese Worte Bennos nach Hopfen gierende Synapsen erreichten, griff der Reiseleiter auch schon nach den Trägern. „Nix da!“ knurrte Benno wie eine in die Enge getriebene Wildkatze und trat einen Schritt zurück. „Ich bin kein Rentner und ich kotze von Bier bestimmt nicht!“ Doch der Reiseleiter ließ sich hiervon nicht beirren: „Kein Bier! Ich lasse sie damit nicht in den Bus!“ Der Busfahrer nickte zustimmend und Benno blieb nichts anderes übrig als mit Schmollgesicht den Weg zurück zum Regal anzutreten.
Er war sauer. Er hatte nur eine lausige Bierflasche in seiner Unterhose in den Bus schmuggeln können und nun musste er noch zwei Stunden in dem nach Kukident und saurer Milch riechenden Bus umherfahren bis er ordentlich zulangen könnte. Wein trank er zwar normalerweise nicht, aber Hauptsache knatter werden, dachte sich Benno.

Am Ziel angekommen, bemerkte unser genervter Benno dann diesen typischen Blick bei Hannelore. Das verhieß nichts Gutes. Das letzte Mal hatte sie diesen Blick bei der Besichtigung des Eiffelturms vor zwei Jahren aufgesetzt. Er hatte zur Folge, dass die beiden wegen Exhibitionismus und Erregung öffentlichen Ärgernisses eine Nacht in einem Original französischen Gefängnis verbringen durften. Oder im Klartext: Der Blick bedeutete, dass Hannelore ihren Benno wollte. Jetzt. Hier. Egal wie.
„Bennolein, wollen wir die alten Knacker nicht vorgehen lassen und uns in den Reisebus verziehen?“ gurrte Hannelore. „Bah, ne danke!“ antwortete Benno, obgleich er wusste, dass dieses keine Frage sondern ein Befehl war. „Los, komm schon!“ bohrte Hannelore weiter. „Ich will aber nicht!“ wimmerte Benno. In diese Idylle platzte der Reiseleiter, der bemerkt hatte, dass sich der aufmüpfige Rentner vom Rastplatz erneut von der Gruppe entfernt hatte: „Hören sie Freundchen! Ich behalte sie im Auge! Und ich weiß, dass sie gegen mein Verbot Bier in den Bus geschmuggelt haben! Das wird noch Konsequenzen haben!“ Benno zuckte mit den Schultern. Immer noch besser als von seiner Alten in den Bus gezerrt zu werden.
Die Rentnergruppe wurde nun über ein Weingut geführt, wobei die glühende Sonne dem ohnehin gebeutelten Benno stark zusetzte. Er hätte sich dafür ohrfeigen können, dass er sich wieder mal von Hannelore zu so einem Scheiß hatte überreden lassen. Er stakste vor zur Frau, die die Gruppe herumführte: „Wann gibt’s hier endlich Wein?“ Diese antwortete in einer zuckersüßen Stimme: „Da müssen sie sich noch ein bisschen gedulden mein Herr! Aber gleich nach den Verkaufsgesprächen!“ Benno stockte der Atem. Verkaufsgespräche? Ich habs doch gewusst! Jetzt war das Maß voll: „Sag mal, wollt ihr mich hier verarschen oder was? Ich geh zurück zum Bus! Ihr könnt mich alle mal!“
Hannelore war Bennos Szene überaus peinlich. Sie fühlte die verächtlichen Blicke der Rentner auf sich niederprasseln. Ebenso wie das Getuschel: „Ist das die Frau von diesem Rüpel?“, „Was ist denn das für ein Benehmen?“ oder „Boah ist die fett!“
Auch das im Anschluß an die Weingutbesichtigung folgende Verkaufsgespräch wurde zur Tortur für unseren Sahnetortenfriedhof. Obwohl sie partout nicht am Kauf einer Rheumadecke interessiert war, wie es ihr Benno prophezeit hatte, wurde sie damit stundenlang belästigt und durfte auch nicht aufs Klo gehen, obwohl ihr da mächtig einer quersaß. Sie fragte sich zwischen den Bauchkrämpfen, was Benno wohl gerade machte.

Dieser war schmollend zum Bus gelaufen und hatte diesem ein paar Minuten lang mit seinem Autoschlüssel den Lack zerkratzt, bis sein Blick auf die offenstehende Tür eines Kellergangs fiel. Da Benno von Natur aus neugierig ist, riskierte er einen Blick in das angenehm kühle Gewölbe. Dann realisierte er, was da herumstand: Hunderte Fässer voller Wein! „Von wegen nach dem Verkaufsgespräch!“ rülpste er verächtlich in den Raum und zog sein Schweizer Taschenmesser aus der Hosentasche. „Jetzt wird gesoffen bis ich kotzen muss!“ raunte er voller Begeisterung und machte sich an der Verplombung des erstbesten Fasses zu schaffen.

Drei Stunden später erblickte die erschöpfte Rentnergruppe mit mehreren Dutzend Rheumadecken für den Vorzugspreis von nur 299 Euro pro Stück wieder das Tageslicht. Auch Hannelore hatte sich in einem schwachen Moment dazu hinreißen lassen, eine der im Stile einer Leipziger Plattenbautapete gehaltenen Exemplare zu erwerben, da sie sich wohl anderenfalls in die Hosen gemacht hätte. Zurück beim Bus fragten sich Reiseleitung und Hannelore, wo wohl Benno steckt. Dieser war doch so wild auf die Weinverkostung. Nach kurzer Wartezeit begab sich auch die Reisegruppe in Richtung Kellergewölbe um ganz großzügig ein Glas Wein pro Nase spendiert zu bekommen.
Dem Reiseleiter stockte beim Betreten des Raumes jedoch der Atem: In einer riesigen Weinpfütze lag Benno und lallte den Text von „Es gibt kein Bier auf Hawaii“. Er hatte offenbar mehrere Fässer Wein ausgetrunken, davon zeugten zumindest die böse mit dem Schweizer Taschenmesser malträtierten Faßverplombungen und nun wußte er offenbar nicht mehr wo oben und unten ist.

Mithilfe einiger rüstiger Rentner, fast ausnahmslos frühere Kriegsteilnehmer, die dies bei der folgenden Aktion natürlich mehrmals betonten, gelang es, den völlig besoffenen Benno in den Bus zu bugsieren. Als er schon fast seinen Platz in der Waagerechten erreicht hatte, reiherte er noch mal eben über drei Sitzreihen, dass der halbe Bus aussah als hätte hier ein Blutrausch stattgefunden und schlief gleich darauf ein. Ein echt toller Tag im Weingut und das beste daran: Benno fühlte sich wieder jung – denn so besoffen war er das letzte Mal mit 18.

 

Hallo Onkel Horst,

was Du da als Schenkelklopfer servierst, könnte durchaus funktionieren - Humor muss ja nicht immer filigran sein und natürlich braucht es auch Geschichten, die erst nach dem dritten Pils witzig sind. Aber auch dafür müsstest Du sie für meinem Geschmack noch deutlich straffen.

Viele Grüsse vom gox

 

inwiefern? sind die gags zu lasch? oder die handlung zu flach? gebt mir tips wie ich mich verbessern kann!

bittö

 

Hallo Onkel Horst,

Dass er nicht mehr der jüngste war, diesen Eindruck hatte Benno eigentlich immer erfolgreich verdrängen können. Doch in letzter Zeit wurde ihm immer öfter bewusst, dass seine Zeit unaufhaltsam fortschritt.
Wortwiederholung "immer" (eigentlich immer hieße eben nicht immer, sondern nur meistens); seine Zeit schritt voran, fortschritt wäre hier mit weglaufen zu assoziieren, das Problem haben auch Jüngere, die sich zu viel vornehmen.
Da hatte Hannelore ihn ins Kino geschleppt, da der neue Film mit Tom Cruise anlief. Da Hannelore ein Faible für kleine, geistig verwirrte Männer hatte
drei Mal "da"
Doch Benno war danach nicht zumute. Nicht etwa, weil er Hannelore physisch abstoßend fand. Das war schließlich schon immer so gewesen.
Warum geht er dann mit ihr ins Kino? Und wenn sie so alt sind, wie lange kennen sie sich erst, dass diese Beziehungsebene nicht längst geklärt ist?
Nein, die Ursache von Bennos schlechter Laune die sich gegenüber Hannelore im Verweigern jeglichen Körperkontakts im Kinosessel äußerte, hatte ihren Ursprung am Kartenhäuschen.
Laune, die; Das Substantiv für verweigern ist Verweigerung, nicht "Verweigern"; die Ursache hatte ihren Ursprung? Das ist irgendwie doppeltgemoppelt, so wie: Der Grund lag in dem Grund, dass ...
Hannelore hatte nämlich bemerkt, dass über 60-jährige nur den halben Preis bezahlen müssen
Sechzigjährige besser ausschreiben
„Das ist genau das richtige!“ stieß sie hervor.
das Richtige!", stieß
als Hannelore breitbeinig die Haustür durchschritt
Hannelore Wayne?
Hannelore knallte Benno eine, weil er sie so unverschämt angefahren hatte und quakte dann los, dass es gar nicht um Rheumadecken ginge und er bloß die Fresse halten und mitfahren solle, sonst, so führte sie weiter aus, würde ihm das „sehr, sehr leid tun!“
wir sind die Flodders?; Leid tun
„Ohhh, diese Schmerzen!“ stöhnte Benno
Komma nach wörtlicher Rede (den Fehler hast du immer)


Ich höre hier mal auf. Straffen heißt: Kürzen.
Ich würde eher sagen, anders gewichten. Wenn dein Thema das Alter ist, mag es witzig sein, die Alten als randalierende Römer bei Asterix darzustellen, als prügelnde Proleten im Slang einer Straßengang. Mir fehlt dabei der Bezug, warum sie so sind. Es wirkt auch mich ein bisschen durchsichtig: Ich lass die mal ordentlich auf die Kacke hauen, das ist bestimmt witzig, weil so absurd. Aber irgendwie hast du diese Absurdität so übertrieben, dass es auf mich eher unglaubwürdig als witzig wirkt. Ich nehme deinen Protagonisten ihren Tonfall nicht ab. Vielleicht, weil mir das Bild zu ihnen fehlt. Wenn ich mir entsprechende Prollserien im TV anschaue, wie die schon erwähnten Flodders zum Beispiel, dann habe ich Figuren vor Augen, weiß, wie die aussehen, kenne das Umfeld, in dem sie sich bewegen, die Häuser, in denen sie leben und deren Reinheitsgrad. All das fehlt bei dir. Der Hintergrund sozusagen, der den Witz erst witzig macht. Prügelnde und pöbelnde Rentner allein sind noch nicht witzig, jedenfalls für mich nicht. Und das Thema (sich mit dem Alter nicht abfinden können) geht bei dir darin unter.
Weiter stören fehlende Informationen über die Beziehung. Warum bleibt Benno mit der ihn misshandelnden Frau zusammen, warum ist er überhaupt mit ihr zusammengekommen, wenn er sie doch von Anfang an abstoßend fand?

Auf mich wirkt die Geschichte ein bisschen wie von einem Witzeerzähler, der permanent die Pointe verlacht. Zu deutlich schreit sie "Achtung, ich bin witzig". Das ist allerdings in erster Linie ein Gefühl, das ich nicht textlich begründen kann, insofern kannst du es vernachlässigen.

Lieben Gruß, sim

 

Danke für diese ausführliche Antwort!

Ich werde in Zukunft die Handlung ein wenig mehr konzentrieren und Hintergründe dazufügen...war hier schwierig, da die Person tatsächlich in groben Zügen ein reales Vorbild hat, da habe ich mir irgendwie schon gedacht, dass ich das Ganze wahrscheinlich weitaus witziger finde, als die übrigen Leser.

Dennoch Danke

 

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