- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Manchmal kann auch die beste Freundin nicht helfen
Manchmal kann auch die beste Freundin nicht helfen
Sorgfältig breitete ich die alte blaugrüne Decke auf dem Rasen unseres Gartens aus, während meine beste Freundin Anne eine Zigarettenschachtel aus ihrer Hosentasche fischte und sich eine davon ansteckte.
Lässig warf sie mir die halbvolle Schachtel und das Feuerzeug zu, setzte sich auf die Decke und schloss die Augen, um ihr Gesicht der Sonne zudrehen zu können.
Ich tat es ihr gleich und so saßen wir stumm rauchend, mit geschlossenen Augen und genossen die ersten Sonnenstrahlen.
„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du die Zigarette nicht bis zum Filter rauchen sollst? Das ist widerlich…und ungesund.“, Anne versuchte streng zu klingen, doch ich wusste, auch ohne sie anzusehen, das sie amüsiert lächelte.
„Och komm. Eine Zigarette ist nun mal durch und durch schädlich. Da ist es auch egal bis zu welcher Stelle ich sie aufrauche. Außerdem ist heute der erste Ferientag, da darf man das.“, grinsend stupste ich sie an.
„Ja, endlich! Länger hätte ich es auch nicht ausgehalten. Nicht zu glauben, dass die uns in verschiedene Klassen gesteckt haben!“, wütend schmiss Anne den Zigarettenstümel in die Hecke und legte sich auf den Bauch. Ihr langes, dunkel gefärbtes Haar glänzte in der Sonne.
Um das Thema, was uns missfiel, zu wechseln, sprang ich auf und machte mich auf den Weg in die Küche. Auf halber Strecke rief ich Anne zu, dass ich Apfelsaft holen wollte.
Sie murmelte irgendwas Unverständliches und drehte sich auf den Rücken.
Ich wusste, dass sie traurig darüber war, dass wir das zwölfte Schuljahr nicht zusammen wiederholen würden. Begeistert war ich auch nicht, aber was sollten wir tun? Die Lehrer saßen nun mal am längeren Hebel.
Barfuss und mit einem Tablett mit Apfelsaft, zwei Gläsern und einer Packung sündhaft leckerer Schokokeksen beladen stolzierte ich zurück zu Anne, die grade ihre zweite Zigarette rauchte. Ich verkniff mir jeden Kommentar.
„Hast du dich jetzt eigentlich entschieden, ob du Stefans Einladung zum Essen annimmst? Er ist doch meganett…und er sieht gut aus, außerdem ist er romantisch.“
Anne sah mich jetzt direkt, ihre blauen Kulleraugen blitzten.
Um Zeit für meine Antwort zu gewinnen goss ich extrem langsam und konzentriert Apfelsaft in unsere Gläser. Dummerweise kippte ein Glas um und der Inhalt ergoss sich über meine Jeans: „ Verdammt!“, schnell wischte ich mit einem Taschentuch über die Hose.
„Du liebst ihn immer noch!“ Annes Stimme klang besorgt.
„Wen?“, ich traute mich nicht sie anzugucken, stattdessen wischte ich ununterbrochen über meine Hose.
„Du weißt ganz genau wen ich meine! Tu doch nicht so blöd und leg bitte das Taschentuch weg!“
Ich wusste, dass sie es ernst meinte. Widerstand war zwecklos, also fing ich an zu reden. Alle meine Gefühle, die ich seit Monaten unterdrückt hatte flossen aus mir raus: “Ja, ich liebe ihn noch. Und ja, ich weiß wie dumm das ist. Aber was soll ich tun? Die Gefühle sind zu stark um sie von einem Tag auf den anderen abzustellen. Du weißt gar nicht, wie oft ich in der Nacht wach liege und versuche mir einzureden, dass ich ihn nicht mehr lieben würde. Dabei wird die Liebe die ich für ihn empfinde von einem Tag zu anderem nur noch größer. Du hast Recht, wenn du sagst, dass Stefan nett, gut aussehend und romantisch ist, aber er ist nicht Tobias. Und er wird nie die gleiche Sehnsucht in mir wecken können, wie Tobias das nun mal tut.“
Anne war überrascht über meinen Ausbruch. Lange Zeit schwieg sie, dann zündete sie sich ihre dritte Zigarette an. Man konnte sehen, dass sie nachdachte.
Meine Hände zitterten, als ich meinen Apfelsaft trank. Zwar hatte ich keinen Durst mehr, doch trotzdem goss ich mir ein zweites Glas ein, während Anne immer noch über die Antwort die sie mir geben sollte nachdachte.
„Du musst ihn vergessen! Ich habe auch schon eine Idee wie. Du schreibst einen Roman, und zwar über euch. Du wolltest das doch schon lange tun. Und damit schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe: du hast einen Roman und du wirst so über ihn hinwegkommen und kannst dich voll und ganz auf Stefan konzentrieren.“
Danach sah sie in mein ausdruckloses Gesicht, seufzte und schob mir die Zigarettenschachtel rüber.
In diesem Moment wurde mir klar, dass sie nichts von dem was ich ihr versucht hatte zu sagen, verstanden hatte.