Mitglied
- Beitritt
- 05.09.2006
- Beiträge
- 14
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Mann auf dem Mond
Da man in jenem Zeitalter wusste, nichts zu wissen, und die menschliche Unzulänglichkeit in Kriegen und anderen Katastrophen ausfocht, hatten sich die Horizonte, die Regenbögen und die happy places soweit entfernt, dass sogar die lieblichsten Träume vorm garstigen Hier und Jetzt in die Säure der Unsicherheit gezerrt wurden.
Man spürte, wie alles egal war, denn es gab soviel zu tun, aber das änderte nichts am Tod. Es gab alles zu tun, doch man kam dem Glück nicht näher. Wer das Glück eigentlich haben musste, der schaute sich von einer gemütlichen Stelle danach um und kam zu dem Schluss, dass Krieg für sichere Verhältnisse sorgt.
Aber da das Umschauen weiter nichts nutzte und die Kriege sich immer woanders abspielten, erlegte die Keule der Langeweile in regelmäßigen Abständen die Menschen. Einmal von ihr erwischt, konnten sie wieder Sterne sehen, beim Sex, im Rausch oder in der Kirche. Aber nicht für ewig, denn die Langeweile zerstört alles, was sie anfasst.
Wem dieses Welt unser zu Kopfe stieg, der konnte schon mal meinen, das im Erdmittelpunkt ein Ding mit tausend Armen sitzt, das gestern noch an Hebeln, heute aber per touch screen alles Notwendige veranlasst, um den Insassen dieser Welt richtig auf Nerven zu gehen und ihnen das Leben vollends zu vergrämen. Auch die eigenen Gedanken trugen dann das okay dieses Dings und der eigene Kopf konnte so zu einem scheppernden Grab des eigenen Entwurfs werden.
In dieser Welt mit einem solchen Kopf konnte es ein Insasse nicht mehr ertragen, sich denken zu hören. Nicht, dass die Außenwelt schlecht und böse gewesen wäre, nein, er selber war ein willkommenes Rädchen bei der Entklärung der Welt. Irgendwann plötzlich nervten ihn aber die Farben, die Fragen, das Leben, der Regen, die Gunst, die Kunst, die Flora, die Fauna, das Tageblatt, das Fernsehen und alle Stimmen so sehr, dass er schließlich sich selbst für die Verdammung hielt. Ihm fiel damals auf, wie viel Zeit er im Kopf verbrachte, wie viel mehr Zeit er kein Bißchen dachte und vor allem wie schwer es war, sich davon auszuruhen.
Diese Welt und dieser Kopf jagten ihn. Die Enttäuschung darüber, der Überdruss und die Langeweile rieten ihm, er solle zu sich selber finden und die Jagd vergessen. Fast freute er sich über den Rat. Sein Plan stand also fest, er wollte alleine auf den Mond und dort viele die Gewohnheit erweiternde Drogen nehmen.
Auf seiner Station war er ein Wanderer im Reich der Drogen. Er nahm Tabletten und spritzte bis er anfing, zu schielen. Er hatte schon in jeder Ecke gelegen, als er beschloss, nach draußen zu gehen. Einen Weltraumtanz aufführen und Mutter Erde winken. Für gewöhnlich flatterten seine Nerven im Raum, aber darauf konnte er sich nicht mehr besinnen, und dafür war er gekommen. So stieg er im Raumanzug aus und betrachtete lange Mutter Erde.
Es schwankte so zwischen Krieg der Welten und Per Anhalter durch die Galaxis, was er da vor sich sah. Er staunte beklommen. Auf jeden Fall, und das wusste er, wurde die Erde, seine Erde, Mutter Erde, zerstört, ob nun im Ernst oder im Scherz. Sie war am Ende. Vor Schreck versteinert und von den Lichtern verblüfft, hielt er inne. Eine Sekunde lang fühlte er sich leer, so richtig leer. Als er gerade denken wollte, dass dies vielleicht einer Nahtodeserfahrung ähneln könnte, überkam ihn eine heftige Übelkeit, die ihn hin und her schweben ließ, ohne Aber, Wenn oder Ziel, begleitet von Bildern bekannter Heimatwärme.
Von Außen betrachtet sah es wohl wie tänzeln aus. Die Kür in der Schwerelosigkeit. Allein, es war nicht aus Freude daran. Ob er sich nämlich schüttelte oder ob es ihn schüttelte, hätte niemand zu sagen vermocht. So drehte es ihn und schwang von hier nach da. Ein Überlebenskampf als Kunstform. Endlich kotzte er in seinen Raumanzug und kam nicht mehr dazu, noch andere Einsichten zu haben.