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Marilyn Monroe und James Dean

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18.12.2002
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Marilyn Monroe und James Dean

Ich wache auf.
Bin von oben bis unten vollgekotzt. Mein schöner Anzug...
Durch das kleine Fenster fällt Sonnenlicht.
Für einen Moment fällt mir ein, warum ich in dieser kalten Toilette liege, doch dann entfällt es mir wieder.
Mein Kopf lehnt an der Wand, ich setze mich aufrecht hin und spüre sofort das ich mich anscheinend geprügelt habe.
Nein, falsch, anscheinend wurde ich zusammengeschlagen, die Schmerzen sind zu stark.
Meine rechte Hand ist fast komplett blau, ich kann sie kaum bewegen. Doch ich versuche es, meine Gier nach einer Zigarette lässt mich den Schmerz vergessen. In meinem Jacket finde ich eine verbeulte Marlboropackung, in meiner rechten Hosentasche ertaste ich ein funktionierendes Feuerzeug. Es hat schon etwas meditatives...in diesem Moment eine Zigarette zu rauchen.
Jetzt fällt mir ein wo ich gestern Abend war...eine Hochzeitsfeier.
Deswegen trage ich auch diesen schicken, vollgekotzten Anzug.

Ich stehe langsam auf, meine Beine zittern und mein Kopf fängt an zu dröhnen.
Ich suche die Poesie in diesem Moment, finde sie nicht und verfluche alle Hollywood Filme die diese Geschichten romantisch verklären.
Ich öffne die Toilettenkabine und, ja, ich befinde mich auf einer Bahnhofstoilette.
,,Na toll.", sage ich, wasche mein Gesicht und trinke gierig von dem schimmeligen Wasserhahn.
Ich bete das ich noch in der selben Stadt bin, muss dabei grinsen, weil ich denke mir einen guten Witz ausgedacht zu haben.

Als ich aus der Toilette herauskomme, erblicke ich einen leergefegten Bahnhof.
Schaue sofort auf die Uhr, 9:30, um die Uhrzeit sollte eigentlich schon Betrieb sein, auch wenn wahrscheinlich gerade Wochenende ist.
Ich werde nervös, mein Herz schlägt schnell und ich schlucke trocken.
Dann bekomme ich ein drückendes Gefühl im unteren Magenbereich und renne sofort zurück auf die Toilette.
Durchfall.

Ich gehe aus dem Bahnhof.
Auf den Strassen liegt Schnee, am Himmel scheint die Sonne wie im Sommer.
Ich finde in meiner Tasche eine Einladung.
,,Alena und Timo trauen sich.
Du bist eingeladen...."

Langsam, aber nur langsam mit einem gewaltigen Schmerz kommen die Erinnerungen wieder.
Ein Gesicht, ein Mädchen.
Ich muss lachen, es ist nicht das erste Mal das ich morgens nur an ein Gesicht erinnern kann.
Aber irgendwie habe ich ein gutes Gefühl, wenn ich an dieses Gesicht von gestern denke.
Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht, als mir auffällt, dass es in der Stadt still ist.
Ich bekomme wieder Durchfall, unterdrücke es aber mit aller Macht.


,,Ich bin Autor."
,,Bist du nicht!"
,,Doch, doch. Nur kein guter, ich bin zu ehrlich."
Sie lacht.
,,Aha, und? Schreibst du jetzt eine Geschichte über mich?"
,,Nein, dann würde ich mit dir abschliessen müssen. Sonst würde ich keine Geschichte schreiben können."

Die Autos auf den Straßen, die so verlassen da stehen, geben mir schonmal kein gutes Gefühl.
Die Sonne brennt auf meinem Kopf.
Ich gehe ein paar Schritte.
Das Gesicht in meinen Erinnerungen ist hübsch, jetzt fällt es mir ein, ich glaube Timo's Cousine...
Ja, es muss seine Cousine sein. Hatte ich Sex?
Ich balle mit der linken Hand eine Siegerfaust.

Sie hat wunderschöne Haut. Ohne Makel, glatt und rein.
Sie ist weiß, fast wie Porzellan. Meine Hand gleitet über ihre Beine.
Im Hintergrund höre ich laute Musik. Festmusik, langweilige Musik.
Mir ist schwindelig, ich habe zuviel getrunken, so wie immer.
Ich bin verliebt. In irgendwas. Nein, ich liebe irgendwen.
Als ich sie küsse, rieche ich Pfirsich.
Pfirsichgeruch, ihre Haut riecht nach Früchten.
Ihre Haare sind dunkelbraun.
Mir ist schlecht, muß die Augen offenhalten.

Mein Herz tut weh.
Ich habe Herzstiche.
Niemand ist auf den Straßen dieser Stadt, die Supermärkte sind offen und verlassen.
Kinderwagen stehen einsam in der Innenstadt.
Ich streife durch einen steingewordenen Friedhof.
Was ist passiert? Träume ich?

Meine Erinnerungen sind mittlerweile komplett.
Ich setze mich auf eine Bank, schiebe den warmen Schnee weg.
...warmer Schnee...
Öffne eine Packung Zigaretten, die ich im Supermarkt geklaut habe und rauche so schnell wie möglich.

,,Und Schriftsteller, denkst du die ganze Zeit an Buchstaben?"
,,Nein, eher daran wie ich meine Miete diesen Monat bezahlen soll."
Sie lacht.
,,Du bist also ein schlechter Schrifsteller."
Ich grinse.

Als ich meinen Kopf hebe, steht ein kleines Kind vor mir.
,,Wo ist meine Mama?"
Ich starre es an. Ein Mädchen, es hat ein rotes Kleid und lange Kniestrümpfe an.
An ihrem rechten Bein ist eine Beule, der Strumpf an der Stelle fast gerissen.
,,Deine Mama ist nicht da, Kleine. Geh nach Hause, ich muss nachdenken."
,,Was hast du da am Arm?"
,,Nichts."
,,Doch, schau mal hin!"
Mein Anzug ist direkt neben meinem Ellenbogen zerfetzt. Getrocknetes Blut umrandet das Loch.
Ich schlucke.
,,Was ist passiert?"
Das Mädchen lächelt. ,,Weiß ich nicht, ich such meine Mama, wo ist sie?"
,,Wieso schneit es?", ich ignoriere ihre Frage.
,,Weil Schnee alles bedeckt, grelles Weiß bedeckt den Scheiß", sie kichert.
Ich lächle.
,,Ja, da hast du Recht."
,,Ich glaube wir sind tot.", sie kichert wieder.
Ich schaue auf ihr rechtes Bein, aus dem Kniestrumpf sickert Eiter.
Angst überflutet mich.
Ich keuche und mache für einen Moment die Augen zu,
als ich sie wieder öffne, ist das Mädchen verschwunden.
Von weitem, an einer Kreuzung, sehe ich eine Frau stehen.
Ich weiß das es ihre Mutter ist.

Sie steht einfach nur da und schaut mich von weitem an.
Ich zünde mir eine Zigarette an und schaue zurück.
Ihr Körper ist voller Blut. Langsam fährt ein schrottreifes Auto an ihr vorbei.
Ich kann keinen Fahrer erkennen.
Ich verstehe und lache.
Habe mir selber einen Witz erzählt, die Pointe war Sherlock Holmes.


Ich denke an Timo.

,,Sie ist die Eine, Sebi."
,,Du bist 'n Spinner, der sein Leben wegwirft."
,,Nein, das verstehst du nicht."
,,Ach was? Das versteh ich nicht? Tu nicht so als hätte ich nie lange Beziehungen gehabt.
Ich kenn mich ein wenig aus."
,,Ja, aber es war noch nie eine dabei, die dich gehalten hat."
,,Mhm, weißt du was? Deine Cousine schaut mich schon den ganzen Abend an."
,,Bitte nicht, Sebastian, sie gehört zur Familie, das wird meiner Mutter nicht gefallen."
,,Deine Mutter ist ein gutes Stichwort, die schaut mich auch schon den ganzen Abend an."
Timo lacht.

Die Mutter ist weg und ich fange an zu weinen.
Die Frau von gestern, ich vermisse sie.
Ich würde sie jetzt gerne bei mir haben, aber es trennen uns Welten.
Ich denke an mein Leben. Spüre die pochenden Narben auf meiner Haut.
Spüre den warmen Schnee. Spüre Liebe im Herzen. Es pocht, sticht und schmerzt.
Ich bin der Unterwasser-Man. Ich bin wie unter Wasser. Kann schlecht sehen, nicht sprechen, nicht atmen, ich kann nur gut hören.


Sie steht vor mir.
Sie muss es sein.
,,Schriftsteller?"
,,Ja?", ich zünde mir eine Zigarette an, der Rauch wird vom Wind hinweggefegt.
Ihre Augen bluten fürchterlich. Ich muss in der Hölle sein.
,,Ja, was willst du?"
,,Dein Zug geht gleich."
,,Was für ein Zug?", ich atme den Rauch aus.
Ihre Haut ist vernarbt, sie hat eine Glatze, ihr Haut ist komplett verbrannt.
Sie kichert.
,,Scheiße, was für ein Zug?"
Sie hustet.
Ich werde ungeduldig. Öffne meinen Mund, um meiner Ungeduld Ausdruck zu geben. Da höre ich
eine Bahnhofsdurchsage. Es kommt von weit weg, es ist undeutlich, doch ich verstehe es.
Ich schnippse meine Zigarette weg,
stehe auf
und fange an zu rennen, denn ich muß meinen Zug kriegen.

Als ich nach rechts schaue, sehe ich sie.
Sie ist betrunken und wunderschön.
Der Autounfall ist so unwahrscheinlich, er ist ein Klischee. Ein Ereignis das es in dieser Welt nicht gibt.
Ich schaue sie weiter an, sie ist Marilyn Monroe und ich bin James Dean.
Die Scheinwerfer des anderen Autos bohren sich in die Fahrerkabine.
Ich schaue sie weiter an, sie ist so wunderschön.
Dann schaut sie mich an. Ich höre ein lautes Hupen.
Sie lächelt, ich bin erleichtert.
Dann tut alles weh, oder auch nicht.
Alles ist laut, oder auch leise.
Alles ist hell, oder auch dunkel.
Wir verbrennen in unserer Liebe.

 

Hallo Zaffback!
Auch wenn dir mein Kommentar zu deiner Geschichte wohl nicht viel hilft, wollte ich das loswerden ;-)

Und wie mir dein Beitrag hilft, vielen Dank für dein Feedback!
Ich wünsche einen guten Morgen! ;)

 

Hallo Zaffback.

Ich wache auf.
Bin von oben bis unten vollgekotzt. Mein schöner Anzug...
Durch das kleine Fenster fällt Sonnenlicht.
Das finde ich einen gelungenen Anfang, auch wenn es ein sehr Typischer ist, viele Besoffenen Geschichten fangen so an. Macht aber nichts, du erzeugst für mich mit wenigen Worten Atmosphäre.

Ich öffne die Toilettenkabine und, ja, ich befinde mich auf einer Bahnhofstoilette.

Warum "und, ja" ich finde das braucht es nicht, es hört sich an, als wenn du eine nicht gestellte Frage des Lesers beantwortest, dass tust du ím weiteren Text aber nicht mehr, würde es deswegen streichen.

Ich bete das ich noch in der selben Stadt bin, muss dabei grinsen, weil ich denke mir einen guten Witz ausgedacht zu haben.

Der Sinn dieses Satztes erschließt sich mir nicht. Wo ist der Witz, ich sehe nicht mal einen Ansatz und wenn du den Witz gar nicht erwähnst, würde ich alles aber der Stadt streichen, bringt finde ich keine Atmosphäre und verwirrt nur, da du dem Leser unnötig etwas vorenthälst

Ich muss lachen, es ist nicht das erste Mal das ich morgens nur an ein Gesicht erinnern kann.

es ist nicht das erste Mal,dassich mich...

Ich bekomme wieder Durchfall, unterdrücke es aber mit aller Macht.

Ist sicher Ansichtssache, aber ich verbinde, mit Durchfall bekommen, dass es schon zu spät ist.

Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht, als mir auffällt, dass es in der Stadt still ist.

Wieso streicht er sich die Haare aus dem Gesicht? Kann man sicherlich machen, aber warum gerade dann wenn ihm auffällt, dass es still ist in der Stadt? Die beiden Satzteile haben für mich keinen Zusammenhang. In zwei eigene Sätzte aufgeteilt fände ich es besser.

Ich streife durch einen steingewordenen Friedhof.

Ich finde das Bild komisch, erstens ist doch die Stadt nicht völlig aus Stein und mit einem steinernen Friedhof verbinde ich eher ein Trümmerfeld.

Habe mir selber einen Witz erzählt, die Pointe war Sherlock Holmes.

Spielst du hier auf etwas in den Holmes Romanen an? Wenn nicht, würde ich diesen Satz aus den oben genannten Gründen streichen.

Ich bin der Unterwasser-Man. Ich bin wie unter Wasser.
Ich würde die beiden Sätze vertauschen, erst der Zustand, dann das Resultat. Kann aber sicher auch so gelassen werden.

So, dass wären die Detailanmerkungen. Insgesamt hat mir dein Text gefallen, nichts was ich ewig im Kopf behalten werde, aber nette Unterhaltung. Wie camelothian sehe ich keinen tieferen Sinn in ihr, was aber nicht schlecht ist. Der Schreibstil gefällt mir und passt wunderbar zu der Geschichte. Allerdings bleibt dein Protagonist etwas flach, da ich nicht viel über ihn erfahre, könntest da sicher noch ein wenig punkten.

So, dass wärs Eldrad

 

Tja, das ist wohl das erste Mal, dass ich ziemlich ratlos bin: Ich kann diese Geschichte kaum deuten. Doch sie hat was. Sie ist in sparsamer, gedrängter Sprache geschrieben und der Protagonist ist zur Selbstironie fähig, und das ist etwas, was mir immer gefällt.

Er wacht betrunken auf der Bahnhofstoilette auf und glaubt, verprügelt worden zu sein. Aber als er hinausgeht, bemerkt er Merkwürdiges: Zügen fahren nicht, es schneit im Sommer, Geschäfte stehen offen und es gibt außer ihm keine Menschen. Dann taucht doch ein kleines Mädchen auf, ihre Mama suchend.

Alles deutet auf eine nukleare Katastrophe hin, doch der Betrunkene und das Mädchen erinnern mich an die einzigen Überlebenden in Andromeda, einen Film nach einem Roman von Michael Chrichton.

Ich schätze, Zaffback, du hast das Motiv hier verwendet und verfremdet – die Anspielungen auf die Hochzeit und die möglichen Geschehnisse dort sind nur zur Verwirrung da. Aber auch die haben ihre Berechtigung, denn woher soll ein Besoffener auch wissen, was in der Zwischenzeit passiert ist. Seine Gedanken zum Hergang ergeben sich aus Erinnerungsfetzen und seiner Biografie.

Ja, so könnte das Ende der Welt ausschauen.

Auf jeden Fall hast du es geschafft, mich trotz der Konfusion des Prots bei der Stange zu halten – einmal angefangen, will man einfach sehen, wo das alles endet bzw. was wirklich passiert ist.

Was mir besonders gut gefallen hat:

- Es hat schon etwas meditatives...in diesem Moment eine Zigarette zu rauchen.

- Ich suche die Poesie in diesem Moment, finde sie nicht und verfluche alle Hollywood Filme die diese Geschichten romantisch verklären.

- Sie steht vor mir.
Sie muss es sein.

Wenn du die wenigen Rechtschreibfehler beseitigst (Beispiele: dass anstelle von das, Meditatives, Schriftsteller, schonmal (getrennt und Mal groß), schnippse ohne s) würde diese Geschichte noch besser als sie ohnehin schon ist.

Dion

 

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