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Maskenball
Maskenball
Ich dreh’ mich im Kreis und laufe ziellos in eine unbekannte Richtung, durchbreche die Grenzen meiner kleinen Welt und bin jemand anders. Auf der Straße bin ich eine von allen, nur wenn ich jemanden treffe, der mich ansieht als würde er mich nicht zum ersten Mal ansehen, bin ich der Mittelpunkt. Für einen kurzen Moment. Und das tut weh, denn ich selbst erkenne mich nicht wieder, kann meine Augen nicht im Spiegel sehen. Fremde Blicke verfolgen mich durch den Tag; die Nacht bietet mir kaum Schutz, denn hier verschmilzt der Mond mit den Lichtern und scheint wie eine Sonne am helllichten Nachmittag.
Jeder Tag ist anders, die Gesichter fließen ineinander wie die Farben eines Chamäleons; starrende Blicke ziehen stillschweigend an meinen Füßen vorüber. Bis sie mich wiederentdecken und von meinen Gedanken nicht mehr losgelassen werden. Jeder Blick schreibt eine Geschichte in mein Hirn, wird Teil meiner eigenen und hilft mir sicher auf die andere Seite der überfüllten Strassen. Der Rhythmus der Stadt lässt mich nicht los, verwandelt mich in eine Künstlerin; balancierend, schwankend, schwebend tanz’ ich durch den Strom, der nur hier lebendig ist.
Dann bleibt der bunte Alltag einfach stehen. Ich erwache aus dem tristen Traum, der sich in mir verirrt hat. In meinem Kopf klingt eine Melodie, die mir neu erscheint. Ich blicke auf und reagiere fragend auf die Stimme, die meinen Namen nennt. Strahlendgrüne Augen lachen mir ins Gesicht; ich bin verwirrt, erstaunt, erfreut. Wir fallen uns in die Arme, eine Ewigkeit verpasst, vermisst wie alte Freunde. Die Geräusche der Stadt verschwinden, Stimmen verstummen, die Zeit steht still. Uns gehört der Tag, die Nacht, die bald dunkel auf uns stürzt. Endlich bin ich ich, verstelle mich nicht mehr, brauch kein Versteck und keine Maske. Wir kennen uns und lernen uns neu kennen. Die Zeit hat uns verändert, doch die Gespräche sind vertraut und wollen niemals enden. Das Lachen ist das alte und hält uns ewig wach, den Morgen ignorierend.
Dann ist er da; blaue Luft dringt durch das offene Fenster, erhellt den rauchdurchtränkten Raum und lässt uns blinzeln. Sekunden, die uns die Welt geniessen und vergessen lassen. Die Stadt hält ihren Atem an, die Menschen lauschen der Stille, Träume werden wahr, Gedanken erwachen und schreiben neue Geschichten von diesem Augenblick, der festgehalten werden will. Schon vorbei. Der Puls schlägt weiter, inspiriert den Morgen und das Leben, füllt die Strassen mit der altbekannten Einsamkeit, die nur hier von Zeit zu Zeit vergesslich ist.