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Matschepampe
"Was für ein wahnsinnig toller Sonnenuntergang", sagt Sabrina und zieht mir die Kamera aus den Händen. "Und dann dieses Blau", plappert sie weiter, "ich habe solch ein irre schönes Meeresblau noch nie gesehen."
Wir schauen die Fotos an, die ich gerade ihr zuliebe gemacht habe.
"Du musst noch mehr Fotos davon machen. Guck mal diese tollen Wellen. Und jetzt noch ein Foto von mir." Sie zieht mich aus dem Strandkorb.
"Schau mal, ich stelle mich so, dass du diese wundervolle Sonne mit auf dem Bild hast."
Ihr ausgestreckter Arm weist auf die rote Scheibe am Ende des Horizonts. Ich hasse Kitsch. Als spucke die Sonne eine Ladung Zuckerrübensirup aus, so klebrig ist mir.
"Gut, dass du den Überblick hast, meine Süße. Ohne dich hätte ich die Sonne echt nicht gefunden."
Sabrina schaut mich überrascht an.
"Wirklich nicht?", sagt sie und ihrer krausgezogenen Stirn ist anzusehen, wie angestrengt sie nachdenkt, ob ich tatsächlich ihrer Hilfe bedurfte.
„Ach, du machst nur ‚nen Scherz, nicht wahr?“ beschließt sie ihre Überlegungen.
Das erinnert mich daran, wieviele Menschen keine Ironie verstehen.
Was hab ich mir bloß dabei gedacht, meine Zeit mit diesem dummen Ding zu verplempern?
Seit über einer Stunde hocken wir im Standkorb und ausser ein paar Küssen und ein paar Berührungen ist nix gelaufen. Dabei trägt sie einen Hauch von Bikininichts auf ihrem Körper, ihre üppigen Titten springen mich an und ihr wohlgeformter Po erwartet meine Liebkosungen. In meiner Hose beult sich die Erregung.
Ich bin seit über einer Stunde bereit, aber ihr dämliches romantisches Geplapper schiebt sich immerzu wie eine Wand zwischen uns.
"Steh ich so richtig?" Sabrina hat eine Hand an ihren Hinterkopf gelegt, den Kopf etwas geneigt und die andere Hand in die Hüfte gestemmt und mimt jetzt eine Strandschönheit im Retrolook.
Ich werde nachher alle Fotos löschen. Gelobt sei die digitale Fototechnik.
Das Theater, wenn meine Frau Susanne mitbekommen würde, was ich vor der Linse hatte, möchte ich mir nicht weiter ausmalen. Gottlob hat sie mich bisher noch nie erwischt.
Was hat mich bloß geritten, mit diesem Billigexemplar an den Strand zu fahren. Hätte ich gewusst, dass der geplante Zwischendurchhappen so umständlich ist, hätte ich es gelassen.
Aber was soll bitte ein Mann denn anderes denken, wenn ein großzügiger mit üppiger Oberweite gefüllter Ausschnitt säuselt:
"Ich würde ja so gerne mal mit dir im Cabrio an die Ostsee fahren."
Und nun rinnt mir der Sand durch die Finger. Statt im Hotelzimmer zur Sache zu kommen, verlangt Sabrina das romantische Drei-S-Programm, also Strandkorb, Sonnenuntergang, Sekt. Ich habe mich auf dieses Vorspiel eingelassen, damit sie besser auf Touren kommt. Aber das war bisher noch nicht sehr zielführend.
"Schau mal da hinten, das Kreuzfahrtschiff." An ihrem ausgestreckten Arm klimpern ein paar billige Silberarmreifen.
"Ist bestimmt auf dem Weg nach Helsinki. Hach, da jetzt mitfahren und ganz lange Urlaub haben. Das wär’s."
Sie seufzt und schmiegt sich wieder an mich im Strandkorb. Meine Hose beult sich erneut. Ich schöpfe Hoffnung und streichele über das Stoffresteprovisorium mit dem ihr Busen verpackt ist.
Jetzt nur nichts Falsches sagen. Wortlos rutsche ich mit einer Hand in ihren Slip. Sie ist rasiert. Mein Schwanz drückt kräftiger gegen den Badehosenstretch. Wenn sie jetzt auch noch feucht ist, dann ….
"Oh, bitte nicht." Sie zieht meine Hand aus ihrem Slip.
"Ich möchte die restlichen Sonnenstrahlen noch genießen und schau dieses fantastische Rot. Hast du so was schon mal gesehen?"
Ich kann auf einmal die Männer verstehen, die ihren Gespielinnen einen Mundknebel anlegen. Und Handschellen. Ich stelle mir Sabrina vor, mit den Händen irgendwo festgebunden, vorn übergebeugt, den Mund geknebelt stöhnend, während ich kräftig in sie hinein stoße. Bei diesem Gedankenspiel wächst mein Schwanz. Himmel, bin ich jetzt scharf auf sie.
"Komm Süße, wir gehen ins Hotel." Meine Stimme klingt unpassend heiser.
Sie schaut mich erstaunt an.
"Och, willst du schon? Ist doch so schön hier am Strand. Der warme Sand, die Wellen und die putzigen Möwen. Hör mal, wie irre die kreischen." Sie schippt mit den Zehen den Sand von sich weg und sagt dann:
"Ich wollte auch noch Muscheln sammeln."
Der Stretch meiner Badehose hat sich wieder entspannt. Sie ahnt nicht, wie sehr ich in Zeitdruck bin. Die Nacht werde ich garantiert nicht mit ihr verbringen. Susanne wartet zu Hause. In drei Stunden geht die Geburtstagsparty unseres Nachbarn los.
"Du kannst doch noch Morgen Muscheln sammeln", lüge ich so sanft wie nur möglich.
„Du machst dir keine Vorstellung darüber, wie rattenscharf ich auf dich bin. Ich möchte auf der Stelle mit dir …."
Ihr Zeigefinger legt sich auf meinen Mund und die rotlackierte Kunstkralle kratzt an meiner Nase.
Ich werde aufpassen müssen, dass sie mir beim wilden Liebesspiel keine verräterischen Spuren hinterlässt.
Sie seufzt vernehmlich, blickt mich schräge schmollmundig an und erhebt sich aus dem Strandkorb. Streckt sich lasziv und bei mir wird wieder was hart.
"Wenn das so ist", sagt sie gedehnt, "dann…", sie hält inne, "irgendwo brummt was, ist glaube ich dein Handy."
Ich greife nach meinem Jackett. Susanne. Ich lasse das Handy wieder in die Seitentasche gleiten.
"Mensch, du hier? Na, sach mal, das ist ja ein Zufall!" Vor mir steht Carola, Susannes beste Freundin und ich bin mir nicht sicher, ob das Rot der Sonne ausreicht, um meine eigene Röte zu übertünchen.
"Hallo Carola", es gelingt mir nicht, mein schiefgeratenes Lächeln schleunigst zu korrigieren, bevor es auf ihr Gesicht trifft.
Mein Gehirn ist leergelaufen.
"Was machst du denn hier?", frage ich endlich, aber in derselben Sekunde bereue ich schon diese Banalität. Carola’s Blick hat sich auf Sabrina geheftet.
"Und wer sind Sie", in ihrer Stimme liegt etwas Nassforsches.
"Ich bin die Sabrina und verbringe mit .…"
"Ja, entschuldigt, ich hab euch noch nicht einander vorgestellt", rausche ich geistesgegenwärtig dazwischen, "also, Carola, das ist Sabrina, Sabrina, das ist Carola."
"Und was machst du an einem Dienstag hier an der Ostsee?" hakt Carola nach. Mein Kopf hat sich zur wortfreien Zone erklärt. Carola wartet auf eine Antwort, während sie Sabrina missbilligend taxiert.
Ich blicke mich hilfesuchend um. Für Carola muss es so aussehen, als suchte ich jemanden.
"Ist Susanne mit den Kindern auch hier?", folgt dann unweigerlich.
"Wer ist denn Susanne?" Die Art wie Sabrina diese Worte betont, lassen nur den Schluss zu, dass sie die Antwort bereits kennt.
"Das ist seine Frau." Carola knallt diese vier Worte wie Peitschenhiebe raus.
"Verstehe", sagt Sabrina, schnappt sich ihre Badetasche, zerrt das Handtuch auf dem ich sitze unter mir hervor und wirft mir zum Abschied „verlogener Dreckskerl“ zu.
Wir blicken ihr nach, ich sollte jetzt etwas sagen, was der Situation einen anderen Schein gibt. Aber in mir ist nur noch lauernde Unbehaglichkeit.
Das sanfte Rot der halb im Meer abgesoffenen Sonne wirkt so deplatziert wie eine nach Kuhmist stinkende Rose.
"Na, dann will ich mal wieder weiter", sagt Carola, "ist doch kühl, wenn die Sonne untergegangen ist."
Und ich sitze nur da und fühle mich wie eingetrockneter Zuckersirup auf einem Kuhfladen.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Susanne brühwarm alles durch Carola erfährt.
Ich stapfe durch den Sand am Meeressaum entlang und versuche meine Gedanken zu ordnen.
"Matschepampe", sagt meine kleine Tochter immer, wenn sie ihr Essen zu einem undefinierbaren Brei zermanscht. Bisher fand ich das Wort lustig.
Im Grunde ist es egal, ob ich hier bliebe oder nach Hause fahre. Mich treibt es weiter am Meer entlang.
Ein lärmendes Pärchen, das um Standkörbe hechtet, fällt mir auf. Ein hochgewachsener Latino verfolgt lachend eine Frau, die sich vor lauter Kichern kaum auf den Beinen hält und aussieht wie …. Es ist Carola. Nun küssen sie sich so ungestüm, dass diese geballte Erotik jeden Zuschauer sofort zum Voyeur eines Softpornos stempelt.
Ich gehe auf die beiden zu.
"Sag mal Carola, kürzlich auf der Gartenparty, sah dein Mann noch graumeliert und blass aus, hast du dir einen Neuen zugelegt?"
Carolas Gesichtszüge, eben noch glatt und sanft die einer Verliebten, verwandeln sich auf der Stelle zu denen einer mürrischen Kundin, die wutschnaubend ein faules Stück Fleisch reklamiert.
"Er weiß, dass ich verheiratet bin."
"Aha", sage ich, "aber DU hast es offensichtlich vergessen."
Ich fahre nach Hause.
Vor mir liegt etwa eine geschlagene Stunde Fahrtweg.
Wird Carola schweigen? Sie ist Susannes beste Freundin. Frauen sind so unberechenbar wie Börsenkurse.
Wenn Carola Kamikaze macht, ihrem Mann beichtet? Dann bin ich ausgeliefert. In rasendem Tempo gegen eine Nebelwand, welche zuvor einen LKW verschluckte. Nur auf welcher Fahrspur?
'Hold yer horses, young cowboy.' Bewahre jetzt Ruhe!
Carola wird schweigen. Sie hat selbst viel zu verlieren. Aber wissen nicht gute Freundinnen alles voneinander?
Susanne wird eine Szene machen. Theaterdonner. Sie wird mich löchern, wie ein Sprengmeister ihr Dynamit in die Bohrungen drücken.Und keine Antwort wird sie besänftigen, wird die Explosionsgefahr entschärfen. Sie wird in ihren Verhören darauf lauern, dass ich mich verrate, etwas anders darstelle als zuvor, etwas auslasse, hinzufüge, verändere. Sie wird meiner Stimme Verrat, meinen Augen Lüge, meinen Händen Zerstörung vorwerfen. Scheidung- Hausverkauf-finanzieller Ruin.
Ich bin ein Verdammter, der wach bleiben muss, um nicht der Straftat der tödlichen Ignoranz bezichtigt zu werden, wenn ihre Weinkrämpfe nachts meinen Schlaf zerstören. Vergeblich werde ich um Vergebung und Vergessen betteln.
Das gehört dazu, dass sie die Betrogene auf ewig bleibt und ich nie von meiner Schuld freikommen werde. Das ganze Eheleben lang in Sühne.
Ich werde all die Momente erdulden müssen, in denen sie mich mit einem Augenaufschlag an meine Schuld gemahnt, mir zeigt, wie erbärmlich ihr Leben geworden ist.
Sie wird ihre Märtyrerrolle mit ins Bett nehmen, mich mit ihrer Verweigerung geißeln.
Ich habe lange Glück gehabt. Wieso musste heute ausgerechnet Carola dazwischenfunken?
Und wofür? Verfluchte Weiber! Ich bin nicht in der Lage eine Beziehung in Treue zu führen. Dieses Wort, das sich perfide in T und Reue zerlegen lässt.
Von Anbeginn unserer Ehe war es wie Säure, die tropfenweise einen Wollmantel zerfrisst.
Soll sie doch. Soll Susanne ruhig alles erfahren.
Mir liegt an meinen beiden Kindern, Susanne ist mir im Laufe der Jahre so egal geworden wie eine Zeitung von gestern. Meine kleine Tochter, mein wonniger Sonnenschein und unser Sohn, ohne sie wäre ich schon lange fort.
Wenn Carola Susanne informiert, tut sie mir sogar einen Gefallen.
Das Handy klingelt und ich weiß, dass es Susanne ist.
„Na? Was gibt es?“
„Ich wollte mich eigentlich“, Susanne stockt, dann räuspert sie sich. „Ich wollte mich von dir persönlich verabschieden, aber mein Zug geht in einer halben Stunde.“
„Aha“, sage ich abwartend und denke ‚Na, da hat Carola ja keine Sekunde gewartet.’
„Ich habe einen anderen Mann kennen gelernt.“
„Aha“, sage ich und trete das Gaspedal durch.
„Was ist mit den Kindern?“, meine Hände krampfen sich um das Lenkrad.
„Die bleiben erstmal bei dir.“
„Aha“, sage ich und finde, das ist genau das passende Wort.
„Es tut mir leid“, sagt sie mit trauriger Stimme, „ ich wollte….“ Mein Daumen hat bereits die rote Taste gedrückt.
Dann trete ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch und hole alles aus den acht Zylindern raus.