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Max und Hermann
„Ich muss mal. Ich suche mir ein Klo. Hier muss es ja irgendwo eins geben?“
„He? Sag mal spinnst du? Halts auf oder geh´ dort in die Ecke.“
„Kann ich nicht. Ist mir peinlich. Und außerdem…
„Und außerdem?“
„Und außerdem geht’s um die DNA. Also der Nachweis der DNA im Urin wäre möglich.“
„Meinst du?“
„Ja. Habe ich gelesen. Nee, im Fernsehen gesehen. Oder doch gelesen? Jedenfalls gehen immer wieder Zellen mit ab. Und die schwimmen weiter lustig im Saft.“
„Im Saft! Wie redest du denn?“
„Normal. Also, ich kann gleich nicht mehr. Ich verschwinde mal.“
„Aber pass auf. Ich bin gleich drin. Also beeile dich.“
Max und Hermann kennen sich schon aus dem Kindergarten. Sie sind zusammen erwachsen geworden. Doch es gibt Stimmen, die das bestreiten. Hedda, die ehemalige Freundin und große Liebe von Max sagte, als sie mit ihm Schluss machte, dass sie seine Verantwortungslosigkeit nicht mehr ertragen könne und sich jemanden suchen würde und auch schon gefunden habe, der das Kriterium „erwachsener Mann“ erfülle. Ohne es zugeben zu wollen, nagte dieser Vorwurf an Max, und er beschloss, etwas zu unternehmen. Natürlich musste Hermann dabei sein.
Max hatte drei Semester Informatik studiert. Schon als zehnjähriger hatte er Programme geschrieben, mit denen es möglich war, Simulationen bestimmter Automarken gezielt gegen simulierte Wände knallen zu lassen. Doch das Studium war nicht sein Ding, wie er sagte. „Alles Wichser da, “ sagte er zu Hermann, „nee, die sind so was von uncool, da fahre ich lieber Taxi oder so was.“
Trotzdem saß er jeden Tag am Rechner und bastelte an Dingen, die Niemand verstand außer Hermann.
Hermann studierte immer noch, mehr oder weniger, Mathematik. Er hatte sich schon immer für Kosmologie interessiert und hatte zu Max gesagt, als sie wieder einmal beim sechsten Bier in ihrer Lieblingskneipe saßen und nebenbei nach Frauen Ausschau hielten: „ Der ganze Scheiß da oben, verstehst du, ist alles nur dann Wirklichkeit, wenn du es durch Mathematik beschreibst. Sonst ist es nur eine gigantische Täuschung.“ „Abgefahren, Alter. Mensch, hast du gerade die Frau gesehen? “, hatte Max darauf gesagt.
Der neue Freund von Hedda heißt Wenzel von Steinwachs und hat nach seinem Studium in Betriebswirtschaft sehr schnell einen Führungsposten in einem großen Versicherungsunternehmen erhalten. Max hatte Hedda und ihn zufällig auf der Straße getroffen. Gequält musste Max die Vorstellungsprozedur über sich ergehen lassen, die Hedda, wie er fand, unnötig ausdehnte. Im Weggehen hatte dieser Wenzel laut genug, so dass Max es noch hören konnte, gesagt: „ Ich bewundere es, dass du dich auch mit Loosern abgegeben hast. Das zeigt ein hohes Maß an sozialer Kompetenz.“
Das Internet findet Max zwar langweilig aber es bietet Vorteile und gewisse Möglichkeiten. Hermann sagte: „ Solche Typen wie dieser Wenzel, die fahren total ab auf so´n Zeug wie Internet und Intranet. Der denkt es ist cool mit `nem Laptop rumzulaufen und sich überall anzudocken. Wenn du mich fragst, ich finde das irgendwie schwul.“
Das brachte Max auf eine Idee. „Sag´ mal, hast du nicht Lust auf ein kleines Experiment? Wir könnten sozusagen Platons Höhlengleichnis beweisen.“
„ Mann, das ist geil. Ich weiß was du meinst. Ist das geil. Wir manipulieren seine Wirklichkeit.“ Hermann klatscht vor Aufregung in die Hände. „Endlich wieder ´ne richtige Aufgabe. Ich bestell noch mal zwei Bier. Ist das geil.“
Die nächsten Wochen verbrachten die Beiden damit, am Computer Programme zu schreiben. Max und Hermann konnten sich wunderbar ergänzen. Max entwickelte die Programmstrukturen und Hermann lieferte die Algorithmen und Iterationen für komplexe Berechnungen.
„Eigentlich schade, damit könnten wir richtig Kohle machen, wenn wir so was an die bekloppten Computerfreaks vertickern würden. Ich meine, wir sind richtig gut.“ Hermann war schon etwas betrunken. Der Kasten Bier, den sie sich täglich neben den Computer gestellt hatten, war bereits halb leer. „ Hast du bock darauf, dich mit diesen Marketingärschen abzugeben?“, fragte Max. „ Nee, aber diese Marketingfrauen, die haben so eine ordinär, dümmliche Erotik, weißt du? Das hat was.“
„ Ja, stimmt.“, meinte auch Max.
Max und Hermann waren gezwungen in den Server des Versicherungsunternehmens einzudringen, in dem Wenzel arbeitet. Das hätten sie auch von ihrem Computer tun können. Aber aus Abenteuerlust hatten sie beschlossen, direkt vor Ort tätig zu werden. Also haben sie sich in das Gebäude geschmuggelt und Max sitzt vor seinem Laptop und manipuliert die entscheidenden Daten. Hermann kommt gerade vom pinkeln zurück.
„ Mann, Bier treibt. Ich sage dir. Ich habe übrigens Hautschuppen und Haare, die ich gefunden habe in die Toilette geworfen. Wenn die DNA suchen, dann werden sie `ne Menge finden und können sich die Zähne dran ausbeißen. Wie weit bist du?“
„ Fertig. Los lass uns abhauen.“
Alles was nun Wenzel am Computer machte lief gleichzeitig über den Rechner von Max. Ein kleines, aber raffiniertes Programm tauschte einige Wörter der durchlaufenden Mails aus. Die Wörter, die stattdessen eingesetzt wurden waren ähnlich aber nicht gleich. Das ganze lief auch auf umgekehrtem Weg.
Natürlich betraf es auch die Informationen, die Wenzel im Internet abrief. Das ganze natürlich in Echtzeit.
Wenzel schrieb eine Mail an seinen Chef, um Ihn über den Stand der Dinge zu informieren. Am Schluss schrieb er:
„Insgesamt gehen die Dinge gut voran.“
Sein Chef las:
„ Insgesamt gehen die Dinge prachtvoll voran.“
Chef:
„ Das scheint mir etwas übertrieben.“
Wenzel las:
„ Das scheint mir etwas aufgebauscht.“
Wenzel:
„ Ich kann Ihnen die Zahlen schicken.“
Chef las:
„ Ich kann Ihnen die Zahlen todschicken.“
Chef:
„ Was soll ich mit toten Zahlen?“
Wenzel las:
„ Was soll ich mit entseelten Nummern?“
Wenzel:
„ Die Kundendaten sind aktuell.“
Chef las:
„ Die Abnehmerangaben sind modisch.“
Chef:
„ Ich möchte mit Ihnen sprechen. Kommen Sie sofort in mein Büro.“
Wenzel las:
„ Ich möchte mit Ihnen plaudern. Kommen Sie fristlos in meine Schreibstube.“
Einige Wochen nachdem Max und Hermann die Manipulationen begonnen hatten, befand sich Max in einer sehr schicken Lokation. Max ging dort üblicherweise nicht hin, doch hatte er die Hoffnung, Hedda und Wenzel dort zu treffen. Nachdem er sich schon über eine Stunde gelangweilt hatte, sagte er zu Hermann, der selbstverständlich dabei war: „ Das wird nichts mehr. Komm lass uns gehen.“
„ Nee, nee, guck mal wer da kommt.“
Hedda und Hermann setzten sich an einen Tisch. Max wartete einen Moment und ging dann zu ihnen an den Tisch.
„ Hallo, Hedda, hallo, äh? “
„ Wenzel. “, sagte Hedda.
„ Ja, klar natürlich. Wie geht’s denn so?“
„ Gut “, sagte Hedda, „ aber im Gegensatz zu dir, hat Wenzel einen 13 Stundentag hinter sich und wir freuen uns auf einen ruhigen Abend.“
„ Das verstehe ich. Ich habe ja noch nicht soviel beruflich Erfahrung. Du hast bestimmt einen stressigen und verantwortungsvollen Job, Wenzel? Mein Gott, dass würde ich auch gern können. “ Max war neugierig.
„ Wenn ich mir vorstelle, dass solche Typen wie du, mir jeden Tag begegnen würden, hätte ich bestimmt keine 13 Stundentage. “ In Wenzels Stimme lag eine gewisse Schärfe.
„ Hör zu Max, “ Hedda sprach mit beruhigender Stimme, „ Wenzel hat in letzter Zeit sehr viel zu tun. Umstrukturierung, du verstehst. Und er muss das ganze leiten. Er trägt die Verantwortung. Und dort hat er natürlich auch idiotische Mitarbeiter, die nicht immer alles begreifen, was Wenzel will. Wenzel meint, dass selbst sein Chef nicht geeignet ist. Ich kann es verstehen, dass er etwas gereizt ist. “
„ Aber ich doch auch. Ja, natürlich. Ich will euch auch nicht länger stören. Habt noch einen schönen Abend. Und übrigens, Hedda, ich habe nachgedacht. Ihr Beide passt viel besser zusammen als wir.“
Max ging wieder zu Hermann. Von dort aus konnte er sehen, dass Hedda und Wenzel offenbar eine starke Auseinandersetzung hatten.
„ Es wirkt. Ich denke, der macht´ s nicht mehr lange. Er ist ein Idiot. “ Max prostete Hermann zu.
„ Der würde niemals zugeben, dass er plötzlich die Welt nicht mehr versteht. Mann, was für ein Trottel. “ Für Hermann war das alles schon lange nicht mehr interessant und sah sich nach Frauen um.
„ Du Hermann, “ Max sah in sein Glas, „und wenn wir jetzt doch mal versuchen würden, mal so richtig, meine ich, Geld zu verdienen. Mit allem, was dazu gehört. Disziplin und so´n Scheiß. “
„ Daran habe ich auch schon gedacht. Vielleicht macht es sogar Spaß. Ich bestelle noch mal zwei Bier. “