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Mehr nicht

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22.02.2005
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Mehr nicht

Mit Plastiktragtaschen bepackt kämpfe ich mich durchs Raucherabteil und erreiche vor den anderen das Nichtraucherabteil. Ich kann mir einen freien Platz ergattern und stelle zufrieden die Taschen auf den Sitz neben mir. Ein Kapuzenpulli, eine Manchesterhose, ein Paar Schuhe und ein T-shirt habe ich heute auf meiner Shoppingtour erbeutet. Einkaufen macht ganz schön müde, muss ich immer wieder feststellen, meine Beine sind schon schwer. Trotzdem bin ich rundum zufrieden – ach ja, da ist ja noch die neue CD im einer Tasche. Ska-P. Geil. Eifrig hole ich sie hervor, packe sie aus und stecke sie in den Discman.

„...Estás en el planeta eskoria... bienvenido en el planeta eskoria... willkommen auf dem Planet der Schlacke..“ dröhnt es durch die Stöpsel.

Der Wagon füllt sich nach und nach. Ein junger Mann setzt sich mir gegenüber hin. Hm, den kenne ich doch. Vielleicht kommt der aus dem gleichen Provinzkaff wie ich. Auf der anderen Seite ein Banker im Anzug mit seinem Notebook, weiter vorne ein Asylbewerber mit seiner Frau. Jedenfalls sieht er so aus, so wie ein Obdachloser mit seiner schmuddeligen braunen Jacke. Die Frau neben ihm hat einen schwarzen Hut auf, wie ihn peruanischen Indiofrauen tragen. Ich schliesse die Augen und döse ein wenig.

„...Festejo criminal... vergüenza! ... Verbrecherisches Fest... Schande!“

Irgendjemand grölt laut durch den Zug, sodass ich es durch die Musik hören kann, es klingt nach einem Betrunkenen. Jetzt grölt er, lauter als vorher, als herrsche er jemanden an. Ich öffne meine Augen. Es ist der Asylbewerber, kein Wunder, denn auf dem aufklappbaren Tischchen stehen drei Dosen Bier. Er schreit seine Frau an, die sich demütig duckt und etwas in einer anderen Sprache wimmert. Er brüllt immer noch, aber niemand sagt etwas. Nur Blicke, kurze Blicke, die „Wir sind hier in einem öffentlichen Zug, beherrschen Sie sich bitte, es gibt hier noch andere Leute als Sie“ zu sagen scheinen. Doch die Blicke wenden sich schnell und diskret ab, man tut so, als ob nichts geschähe. Also wendet sich der Mann im Anzug wieder seinem Notebook zu, mein Gegenüber hat inzwischen auch den MP3-Player hervorgeholt und ich versuche weiter zu dösen.

„...Pasa la vida y todo sigue igual... igual... Das Leben vergeht und alles bleibt gleich... gleich...“

In der nächsten Station steigt eine junge Frau ein und setzt sich neben den jungen Mann, den ich von irgendwo kenne. Auch sie schaut kurz hinter, als der Mann wieder anfängt zu brüllen. Er ist ganz rot im Gesicht, nicht wie eine Tomate, eher wie ein Stück Rindfleisch und genauso unförmig. Irgendwie hat er einen irren Blick. Vielleicht liegt das daran, dass seine Augen blutunterlaufen sind, so rot wie sein Gesicht. Er schikaniert seine Frau vor allen Passagieren und schlägt sie, nicht fest, aber trotzdem. Sie versucht ihn zu beruhigen, aber er ignoriert ihre flehenden Worte. Er wirft ihr einen abschätzigen Blick zu und schnauzt sie an, mit den Armen herumfuchtelnd, die wie Propellerflügel gefährlich nahe am Kopf der Frau vorbeikreisen.
Langsam frage ich mich, wieso niemand etwas unternimmt, das kann doch nicht die ganze Zugfahrt so weitergehen! Schliesslich will ich meine Ruhe - ich ertappe mich dabei, wie ich in erster Linie an mich denke. Wie muss es den der Frau dort drüben in diesem Moment ergehen! Jemand muss doch mal was tun. Wieso tust du es nicht selber, fragt eine Stimme in mir. Ich? Ich soll dem Kerl meine Meinung sagen? Was geht mich das an? Und doch, mein Magen krampft sich leicht zusammen, mir ist nicht ganz wohl zumute.


Jetzt sitzen wir schon bald eine Stunde im Zug. Ich habe bewusst die Musik etwas lauter gestellt, um mich von diesem Mann abzulenken. Aber ich hasse es, wenn ich im Zug sitze und immer woanders hinblicke, nur nicht die Blicke der anderen Mensche treffen will. Wieso eigentlich? Ein paar Minuten bis zur Endstation. Einige Tobsuchtsanfälle vom Mann mit dem roten Gesicht. Einmal ist er sogar aufgestanden und hat sie von oben herab angebrüllt, als habe er das Gefühl König zu sein. König und Untertan, oder vielmehr Sklave. Seine Frau muss fürchterliche Angst haben, Angst davor, dass er ihr sonst Gewalt antut. Aber gerade jetzt, in diesem Augenblick, in dem sie sich fürchtet, genau da tut er ihr Gewalt an, die noch viel zerstörerischer ist. Wie würde ich an ihrer Stelle handeln, würde ich das Ende mit Schrecken oder das Schrecken ohne Ende wählen?
Inzwischen hat er zwei der Bierdosen umgestossen, die Flüssigkeit, die mich an Urin erinnert, ergiesst sich auf den grüngemusterten Boden und bildet eine schaumige Lache. Die Frau ist den Tränen nahe. Eine verzerrte, mechanische Stimme kündigt die Endstation an und bittet alle Fahrgäste auszusteigen. Ich packe meine Plastiktragtaschen und stehe auf. Der Zug holpert, als er über die Weichen fährt, so heftig, dass ich mich festhalten muss. Langsam schwanke ich voran und komme an diesem Mann vorbei.

„...no merece la pena, mujer, tu pasividad... no merece la pena, mujer, debes de actuar...
deine Passivität lohnt sich nicht, Frau... es lohnt sich nicht, du musst handeln...
violencia machista, violencia fascista... männliche Gewalt, faschistische Gewalt..“

Unsere Blicke kreuzen sich. Ich will etwas sagen, in meinem Kopf schreien tausend Stimmen.

„... defiéndete ... defiéndete ... wehr dich... wehr dich...“

Ich hole Luft und setze zu einem Satz an – was soll ich sagen – und schliesse den Mund. Alles, was ich aufbringen kann, ist ein zaghafter, hasserfüllter Blick. Mehr nicht. Der Mann grinst mich verächtlich an und entblösst seine gelben und schwarzen Zähne.

„...enséñale tus dientes mujer... zeig ihm deine Zähne, Frau..“

 
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Hallo sirwen,
erst mal Textkram:

„...Estás en la planeta eskoria
Cuidado, muchacha, planeta ist männlich: el planeta. :)
Die Frau neben ihm hat einen schwarzen Hut an
„auf“ finde ich passender
es hat hier noch andere Leute als Sie
vielleicht: es gibt? ("es hat" geht sicher, klingt aber ungewöhnlich)
Auch sie schaut kurz hinter
Da fragt man sich beim Überlesen, wohinter – vielleicht: nach hinten?
„Abre la puerta que llega el immigrante
inmigrante

Ska-P kenne ich leider nur vom Namen, aber ich habe mir die Texte angeschaut, weil ich es interessant fand zu sehen, aus welchem Kontext die Liedzeilen stammen.

„...Festejo criminal... vergüenza! ...“
Aus dem Lied “Vergüenza”, das sehr entschieden den Stierkampf verurteilt. Ist hier der grölende Mann der Torero, der seine wehrlose Frau in der Rolle des Stiers schlägt?
„...Pasa la vida y todo sigue igual... igual...“
“Eres Un@ Más”. Vom Überfliegen her ein Titel, in dem es um die unvermeidliche Eingliederung des einzelnen in die Gesellschaft geht – “Schizophrenie in Kollektivität”.
Die Liedzeile passt immer besser, je mehr ich darüber nachdenke, nicht nur, weil ja gerade in dieser Situation, in der alle wegschauen, alles gleich bleibt.

„Abre la puerta que llega el immigrante... que ha llegado sin dinero y no trae papel... abre la puerta que llega el immigrante... desobedece a la ley, la ley, la ley...“
Aus “Lucrecia”, scheint mir ein sehr bitteres Lied gegen strenge Einreisebestimmungen und auch gegen Faschismus zu sein, da steckt fast ein Hauch „Clandestino“ drin …
Abgesehen von der Erwähnung des Immigranten kommt diese Stelle mir fast ein bisschen zu sehr aus dem Zusammenhang gerissen vor.
„...no merece la pena, mujer, tu pasividad... no merece la pena, mujer, debes de actuar...
violencia machista, violencia fascista...“

„... defiéndete ... defiéndete“

„...enséñale tus dientes mujer...“
...

alles aus “Violencia Fascista”, das die Frau zum Widerstand auffordert. Diese drei Zeilen passen für meinen Geschmack am besten zur Handlung – gerade das Schlusswort: Zeige ihm deine Zähne, Frau. Und doch ist es der Mann, der seine Zähne zeigt – im höhnischen Lächeln.

Soweit also meine Betrachtung zu deiner Art, die kritischen Liedtexte mit der Handlung zu verknüpfen. Stellenweise finde ich das sehr gelungen. Allerdings wirst du sicher einige Leute überfordern, die des Spanischen nicht so mächtig sind. Und an anderen Stellen gelingt es weniger, eine direkte Verknüpfung zwischen Lied und Handlung herzustellen.
Die Geschichte an sich? Insgesamt lässt sie mich leider irgendwie unbefriedigt zurück. Das liegt nicht an der Grundidee. Die hat für mein Gefühl eine Menge Potential und gerade die hilflose Wut der Protagonistin – gegen den grölenden Mann, vor allem aber gegen sich selbst – ist mE eine Emotion, die den Leser sehr stark ansprechen, angreifen könnte.

Er schikaniert seine Frau vor allen Passagieren und schlägt sie, nicht fest, aber trotzdem.
Das ist deine Problematik und ich zitiere diesen Satz hier als zentralen.
Eigentlich ist die Geschichte sehr lebendig erzählt, das Ambiente im überfüllten Zugabteil gut eingefangen, es gibt viele bildhafte Details. Aber gerade bei dem Mann, der seine Frau schikaniert, fehlt mir diese Lebendigkeit, das Bild verschwimmt, da ist eine Distanz. Ich weiß nicht, woher das kommt, es ist nur ein Gefühl beim Lesen. Die Attacken des Mannes kommen mir so weit weg, so unwirklich vor, dass da sehr wenig Emotionen transportiert werden. So kommt das Unbehagen deiner Protagonistin für meine Begriffe nicht deutlich genug rüber, beziehungsweise ist es nicht in dem Maße nachzuvollziehen, in dem man es nachvollziehen könnte. Das finde ich schade, da könnte noch sehr viel mehr sein.
Dann hatte ich (aber vielleicht habe ich die Verbindung von Lied und Handlung zu ernst genommen) zwischendurch das Gefühl, dass du fast zuviel in den Text gepackt hast, bedingt durch die Tatsache, dass der Mann ein Asylbewerber ist. Betrachtet man das gemeinsam mit der Textstelle „abre la puerta“, scheint es, als gehe es dir auch um die Einwandererproblematik und die schlechten Bedingungen, unter denen viele Menschen – Clandestinos? – leben müssen. Man kann da vielleicht noch eine Verbindung zu dem Verhalten des Mannes herstellen. Seine Frau trägt einen Indiohut, also kommen die beiden vielleicht wirklich aus Peru oder Bolivien, und ich weiß von einer Freundin, dass in den Andengebieten die traditionelle Rollenverteilung noch extrem stark ausgeprägt ist, dass eine Frau sich u.U. wirklich derartig demütigen lassen muss. Von daher ist die Situation sehr real, aber: die Gewalt des Mannes gegen seine Frau, brutaler Machismo, ist bestimmt kein andines Phänomen oder eines, das nur fremden Kulturen entspringt. Nichts spricht dagegen, die Problematik an sich mit einer anderen zu koppeln, aber auf mich wirkt es irritierend. Denn so hat dein Text mehrere Anliegen. Er zeigt uns die gedemütigte Frau, aber auch die teilnahmslosen Mitreisenden. Auch ihr Verhalten stellt eine vergüenza dar, und zwar eine kollektive. Allein schon diese beiden Probleme – das allgemeine Fehlen von Zivilcourage einerseits und die Gewalt des Mannes andererseits – bieten an sich schon Stoff für eine Geschichte, für eine, die den Leser doch irgendwie angreift. Wenn man das Ganze mit der Einwandererproblematik kombiniert, mit dem Problem von Exotik, Fremdheit der Kulturen vielleicht – was man ja so sehen könnte -, wird es dadurch für meine Begriffe nicht unbedingt noch explosiver, sondern verwirrender, weil man sich fragt, worauf du noch hinweisen willst, wo dein eigentlicher Schwerpunkt liegt.
Insgesamt scheint mir der Text noch nicht dicht genug, gerade die Wutausbrüche des Mannes könntest du vielleicht noch mehr herausarbeiten, lebendiger machen und ihnen auch noch stärker das Unwohlsein deiner Prot gegenüberstellst.
Die Grundidee – nicht neu, aber bestimmt eine Geschichte wert – hat mir gefallen (wenn man das so sagen kann), und sprachlich fand ich den Text größtenteils auch sehr gut zu lesen. Aber, langer Rede, kurzer Sinn: ich glaube, dass du noch mehr daraus machen kannst.
Wobei das nur meine Gedanken sind, die mir so beim Lesen kamen. :)
Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Hallo Malinche!

Danke für deine Kritik! Sie hat mich erleichtert, denn ich wusste nicht, ob ich ein so abgegriffenes Thema überhaupt noch gut in eine Geschichte bringen kann.

el planeta, das vergesse ich wirklich immer (obwohl ich es wissen sollte ;)).

Ganz zufrieden war ich mit meiner Geschichte nicht, weil das gewisse etwas noch fehlt, gut, dass du auf die Gewaltausbrüche hinweist, da kann ich sicher noch mehr schreiben.

Aber gerade bei dem Mann, der seine Frau schikaniert, fehlt mir diese Lebendigkeit, das Bild verschwimmt, da ist eine Distanz.

Zur Story: Sie ist mehr oder weniger real erlebt, also nicht frei erfunden (deshalb der Indiohut und deshalb Ska-P auf Spanisch). :(
Du kannst dir vorstellen, wie unheimlich das war, die frisch gekaufte Ska-P CD zu hören, während sich das abspielte. Deshalb ist wahrscheinlich die Distanz da, weil ich ja selber nicht hinsehen wollte, was mich später zu dieser kg angeregt hat. Leider konnte ich zu wenig Fiktives hineinbringen, weil es eben real ist. Mit deiner Kritik kann ich ein bisschen Abstand nehmen und Sachen dazu erfinden. Darum hat meine kg eigentlich keine klare Aussage, ich war ein bisschen ratlos, weshalb ich sie dann schon gepostet habe...

Jetzt mache ich mich auf alle Fälle ran!

Liebe Grüsse
sirwen

 

hi sirwen,
hat mir gut gefallen, deine geschichte, sprachlich sehr angenehm und einfach zu lesen.
Auf alle Fälle könntest du, wie malinche bereits gesagt hat, das Verhalten des Mannes stärker rausarbeiten. Detailierter darstellen, was er genau macht, was er der Frau antut usw.
Das Thema mag abgegriffen sein, aber ich finde, du hast es gut umgesetzt, gerade durch die einfache Sprache. Auch die Gleichgültigkeit der Mitreisenden, auch wenn vielleicht die unwohlen Gefühle des Mädchens noch genauer dargestellt werden könnten, sind vorstellbar beschrieben.
Liebe Grüße,
Lily

 

Hallo sirwen,

mir ging es wie Malinche. Die Szene des schlagenden Mannes war für mich auch ganz weit weg. Da solltest du meiner Meinung nach noch dran arbeiten.
Leider kann ich kein Spanisch und bin - falls du mit dem Text die Intention herausarbeiten wolltest, wie Malinche sie interpretiert hat (danke dafür :) ) überfordert.
Auf deinen Prot war ich natürlich stinkesauer ;).
Aber die KG als solche ist lesenswert.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo sirwen!

Ich kann mich meinen Vorkritikerinnen eigentlich anschließen!
Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen, obwohl mich der spanische Text gestört hat, denn für Menschen die kein Spanisch können (oder erst im Sommer damit anfangen ;) ), fallen diese Textpassagen weg, und man hat nur noch die Missbrauchsgeschichte.
Diese ist finde ich gut beschrieben, den Mann fand ich gar nicht so farblos, und ichd enke jeder von uns hat etwas Ähnliches wohl schon mal erlebt.
Vielleicht könntest du die deutsche Übersetzung des Textes einfach unter deine Geschichte posten?

LG, bella.

 
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Hallo Lily, hallo bernadette, hallo LadyAvalon,

Danke für's Lesen! Jetzt muss ich wirklich was unternehmen... :dozey:
Die Szenen werden ausgebaut, versprochen!

@bernadette: ich war auch ziemlich sauer auf meine Prot ;) !

@LadyAvalon: deutsche Übersetzung kommt (wenn auch keine perfekte)! Sonst wendet euch mal an Malinche...

Grüsse
sirwen

 

Hi Sirwen,

das ist die zweite Geschichte, die ich von Dir lese - um einen Vergleichsmaßstab zu haben :)

Bei den Textpassagen und der Übersetzung hast Du gute Arbeit geleistet. Sie wirken geheimnisvoll, weil der "normale" Leser kein Spanisch versteht, und Südamerika weit weg ist.

Aber in Deiner Geschichte sitzt es einem ganz nahe gegenüber. Dass dieser Mann so unsympathisch wirkt, hast Du gut hingekriegt. Die Distanz ist vermutlich echt. Ich glaube auch, dass die Hemmschwelle sehr hoch liegt, mit so jemandem zu schimpfen, wenn diese Person körperlich überlegen ist, und einen die ganze Situation eigentlich anekelt.

Weil solche Szenen so oft vorkommen, finde ich gut, dass mal jemand darüber schreibt.
Den Zusammenklang der Lieder von CD und der Szene in der Wirlichkeit fand ich toll: So etwas muss einem erstmal einfallen! :)

Liebe Grüße,

Fritz

 

Hallo Sirwen,
meine Meinung zu deiner Geschichte hat Malinche gut zusammengefasst:

Die Grundidee – nicht neu, aber bestimmt eine Geschichte wert – hat mir gefallen , ...aber... ich glaube, dass du noch mehr daraus machen kannst.
und auch dabei kann ich ihm zustimmen
Die Attacken des Mannes kommen mir so weit weg, so unwirklich vor, dass da sehr wenig Emotionen transportiert werden. So kommt das Unbehagen deiner Protagonistin für meine Begriffe nicht deutlich genug rüber
Gerade diese Passivität bei Gewalt in der Öffentlichkeit ist ein hochaktuelles Thema, und die Unbehaglichkeit und Hilflosigkeit der Prot, aber auch ihre Reaktion zum Selbstschutz (Musik lauter) könntest du weiter ausbauen.

Was mich etwas gestört hat: woher weißt du, dass es ein Asylbewerber ist? Das finde ich sowieso schwierig, politisch nicht korrekt auch negative Verhaltensweisen von Ausländern zu schildern. Bei Asylbewerber schwingt dann noch etwas mit, dass dieser Mensch von uns und unserer Gesellschaft etwas (Unterstützung) will. Ist das beabsichtigt?

Gruß, Elisha

 

Hallo Fritz, hallo Elisha!

(verdammt, jetzt habe ich eine soooo lange Antwort geschrieben und der Computer ist abgestürzt!! :xxlmad: )

Danke fürs Lesen!

@Fritz: Wie gesagt, die Geschichte trägt stark autobiografische Züge und das mit der CD ist mir nicht eingefallen, sondern wirklich passiert!

@Elisha: Im Text steht, dass die Prot nur aufgrund des Aussehens vermutet, dass es sich beim Mann um einen Asylbewerber handelt. Das soll zeigen, wie schnell wir uns Vorurteile bilden und Menschen in eine Schublade stecken.
Die Kritik in meiner Geschichte richtet sich einerseits an die Gewalt von Männern Frauen gegenüber und an die Passivität der Zuseher, andererseits greift es die Thematik der Asylbewerber auf. Das ist das Problem, da ich unbewusst so viel in die Geschichte verpackt habe und nun keinen Fokus setzen kann.
Der Text soll nicht als ausländerfeindlich aufgefasst werden, denn das Verhalten des Mannes zeigt uns, dass wir uns in unseren Vorurteilen bestätigt fühlen und die Asylbewerber es deshalb nur noch schwieriger als sonst schon haben. Aber das Verhalten dieses Mannes gilt ja nicht pauschal für alle Ausländer. Doch viele Menschen sehen dann nur das Negative.
Ich weiss allerdings nicht, wie ich das klarer herausarbeiten sollte.
Übrigens bin ich selber Ausländerin und schon einigen Menschen mit Vorurteilen begegnet...

(Ach ja, und Malinche ist eine sie ;) )

Liebe Grüsse
sirwen

 

Die Feigheit des Protagonisten, der sich für Musik begeistert, die zum Aufstehen, zur Zivilcourage aufruft, hast Du deutlich herausgearbeitet. Feigheit, vermischt mit einer egoistischen Bequemlichkeit. Und dem Denken, daß man selbst ja nicht betroffen ist, solange man nicht selbst das Opfer ist.

Gerade deshalb gefiele es mir besser, wenn der Protagonist gar kein schlechtes Gewissen, kein laues Gefühl bekäme. Oder wenn Du deutlicher herausstellen könntest, wie er vor seiner eigenen Feigheit kapitulieren muß.

Insgesamt bin ich gespalten. Gerade ob der Tatsache, daß der Text sich in dieser Hinsicht nicht so wirklich entscheiden zu können scheint, und schließe mich Malinche an: das Potential der Thematik schöpfst Du nicht aus, da geht noch mehr.

Und noch einige Detailanmerkungen:

  • Wagon - Wird von meinem Wahrig als orthographische Variante von "Waggon" angeboten, ist also korrekt, was mich sehr verwundert hat.
  • Auch sie schaut kurz hinter, als der Mann wieder anfängt zu brüllen. - Im ersten Teil stimmt irgendetwas nicht. Und im zweiten Teil gefiele mir "zu brüllen beginnt" besser.
  • Einige Tobsuchtsanfälle vom Mann mit dem roten Gesicht. Einmal ist er sogar aufgestanden und hat sie von oben herab angebrüllt, als habe er das Gefühl König zu sein. - Irgendwie stechen die beiden Sätze heraus, fügen sich nicht so gut in den Kontext (stilistisch). Lies vielleicht noch einmal drüber.
  • Seine Frau muss fürchterliche Angst haben, Angst davor, dass er ihr sonst Gewalt antut. - Wie erklärt sich das "sonst"?
  • Der Zug holpert, als er über die Weichen fährt, so heftig - Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob die Kommata korrekt sind, ich würde sie (instinktiv) weglassen.

 

Hallo sirwen!

Die Feigheit des Protagonisten, der sich für Musik begeistert, die zum Aufstehen, zur Zivilcourage aufruft, hast Du deutlich herausgearbeitet. Feigheit, vermischt mit einer egoistischen Bequemlichkeit. Und dem Denken, daß man selbst ja nicht betroffen ist, solange man nicht selbst das Opfer ist.

Gerade deshalb gefiele es mir besser, wenn der Protagonist gar kein schlechtes Gewissen, kein laues Gefühl bekäme. Oder wenn Du deutlicher herausstellen könntest, wie er vor seiner eigenen Feigheit kapitulieren muß.

hier muss ich mich cbrucher absolut anschließen. die Raktion des Prot ist nicht Fisch, nciht Fleisch. Insgesammt macht sie mich wütend. Mangelnde Zivilcourage, mittem im vollbesetzten Zug.... :sick:
Was mich ebenfalls gestört hat: man nimmt einfach mal an, er ist Asylbewerber. Einfach so, nur wegen der Jacke am Anfang. Dann ist man sich sicher, redet von "dem Asylbewerber", weil er Bier trinkt, seine Frau schlägt, brüllt? Vorurteile ... mag sein, er ist es wirklich. Aber es gibt auch tausend andere Möglichkeiten.

Kleinkram:

Ich kann mir einen freien Platz ergattern und stelle zufrieden die Taschen auf den Sitz neben mir.
das erste mir kann raus, damit vermeidest Du die Widerholung
Irgendjemand grölt laut durch den Zug, sodass ich es durch die Musik hören kann, es klingt nach einem Betrunkenen. Jetzt grölt er, lauter als vorher,
grölen könnte einmal ersetzt werden (schreien, keifen, lallen ...)
In der nächsten Station steigt eine junge Frau ein und setzt sich neben den jungen Mann
jung jung. ... eine etwa zwanzigjährige Frau ... z.b.

Insgesamt eine Geschichte, die bewegt.

schöne Grüße
Anne

 

Hallo cbrucher, hallo Maus!

Oh, jetzt wird's wirklich Zeit, dass ich die Geschichte total überarbeiten muss. Ich hoffe, ich bringe da etwas zu Stande.

Danke für die Kritiken, ich werde mich bemühen.

Liebe Grüsse
sirwen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi sirwen!

Spanisch kann ich leider nicht, und es ist spät, also fasse ich mich kurz.

insgesamt hat deine geschichte mir gut gefallen.
das unwohlsein des prot hast du gut herausgearbeitet. ich weiß nicht, ob das schlechte gewissen unbedingt wegfallen muss, das ist vielleicht in bisschen sehr "holzhammer" - und dass trotz schlechten gewissens nichts getan wird finde ich viel "alltäglicher" als dass es erst gar kein schlechtes gewissen gibt.

viele grüße!
Seaman

 
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Hallo Kristin, hallo MisterSeaman!

Danke für's Fehlerheraussuchen und Kommentieren!

@Kristin: Werde mich um die Wortwiederholungen kümmern und auch sonst noch einiges ändern.
Und in der Schweiz besteht ein freier Platz aus mindesten zwei Sitzen ;).

@Seaman: So hatte ich die Geschichte ursprünglich gedacht, dass die Protagonistin keine Heldin ist ... aber jetzt haben das so viele bemängelt. Ich will klarer herausarbeiten, dass die Prot keinen Mut hat, was sie selber weiss und deshalb ein schlechtes Gefühl bekommt.

Liebe Grüsse
sirwen

 

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