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Mein Faltmeerschweinchen
Ich habe es irgendwie geschafft im Körper eines Penners zu landen. Ich weiß auch nicht, aber die Umstände, der ganze Rest, das was übrig ist von mir, man muss es schon sagen, stinkt, verrottet. Kann ich zum Glück nicht riechen. Außerdem kenne ich keinen, den es stört. Sollen sie doch alle miteinander verrecken, mich eingeschlossen. Prost.
Die Fingernägel. Schwarz und lang. Meine Jacke. Richtig schwer vom Dreck. Ölig. Ich, neben den Einkaufswagen. Ölig. Die Haare. Die Einkaufswagen. Die Hitze. Über dem Asphalt flimmert es. Mein hohles Grinsen. Ich könnte mir jedes mal ins Gesicht schlagen, wenn ich es wieder hervorzaubere, dieses Grinsen. Es hervorzaubere, um nach dem übrig gebliebenen Kleingeld zu fragen. Es muss schlimm aussehen dieses Grinsen. Nicht nur wegen der Zähne, die Stümpfe sind. Nein, das schlimme am Grinsen ist wohl eher meine totale Kapitulation. Dieses Eingeständnis, ich bin der letzte Dreck, und würde gern etwas zum Trinken kaufen, bitte gib mir etwas. Meine Hoden jucken. Die Dinger sind auch zu nichts mehr gut.
Meine sonstigen Krankheiten sind meine Sache. Da lass ich nichts drauf kommen.
Ich, neben den Einkaufswagen, hungrig wie ein Schakal. Mülleimer durchsuchen ist das, was man einfach nicht machen kann. Das ist einfach unter der Gürtellinie. Ich schaue mal in dem hinter dem Matjesstand nach. Mülleimer sind Goldgruben. Ich zaubere ein halbes Brötchen mit paniertem Fisch hervor. Na also.
Manchmal gehe ich in den Wald. Jede wilde Erdbeere ist dann meine.
Warum ich so bin? Also, von der Familie her, die war eigentlich schon in Ordnung. Wir hatten ein Meerschweinchen damals. Braunweiß. Letztens habe ich in einer Illustrierten genau so eins gesehen. Über das komplette Format. Die ganze Doppelseite. Ein lebensgroßes Meerschweinchen. Ich habe es ausgerissen, zusammengefaltet und in meine Hosentasche gesteckt. Mein Faltmeerschweinchen. Es heißt Lutz. Genau wie das Meerschweinchen früher. Sonst aber gibt es nichts in meinem Leben. Sonst nichts. Nichts geschieht. Mein Atem im Moment muss das Letzte sein. Saufkumpanen sind mir zuwider. Man macht trotzdem den Banksitzsport mit. Und schlucken, und schlucken. Ich bin der Penner, der am Supermarkt steht. Ich stinke und du willst nichts mit mir zu tun haben, und ich will auch nichts mit mir zu tun haben. Das Faltmeerschweinchen in der Hosentasche.
Der Ortswechsel ist jetzt nötig. Außerdem sieht es nach Regen aus. Es haben sich Wolken gebildet. Da muss man in den Park. Muss man einfach. Ich bin ja ein polnischer Junge. Ein Landjunge. Außer ein paar Komplexen hat mir meine Polska aber nichts eingebracht. Das Wissen über Kräuter vielleicht, von Babka-oma. Daher jetzt auch das Kauen von Pfefferminze, wenn ich sie finde. Meine Art, die Zähne zu putzen. Der Weg in den Park. Vorbei an den Altglaskontainern. Jetzt immer mehr Platanengrün über mir. Ich pflücke ein Pfefferminzstengel. Babka hatte immer einen Rhabarberkuchen gemacht. Meine Herren, was würde ich jetzt für diesen Kuchen hergeben. Rabarbarowy. Den wird es aber niemals mehr geben. Niemals. Sag niemals nie. So ein schwachsinniger Spruch. Ausgespuckt. Die Pfefferminzreste auf dem Fahrradweg. Wer geht schon auf dem Fussgängerbereich, wenn es einen Fahrradweg gibt? Jetzt der Park und gleich die erste Bank. Es fängt dann auch schon an mit dem Regen. Die Flecken am Boden werden von Inseln zu Kontinenten, bis schließlich Deutschland alles eingenommen hat.
Schau ihn dir an den Bastard. Wie er grinst auf seiner Bank. Über seinen eigenen Witz. Der Trottel. Und wie er heiser lacht. Und klitschnass wird. Jetzt er aufsteht, mit erhobenen Armen, der Regen wäscht sein Gesicht. Fünf Minuten Göttlichkeit im Regen. Aus voller Kehle lachen.
Dann macht der da oben seinen Reißverschluss zu, die Wolkendecke geht auf und das Grün ringsumher wird hell. Plötzlich, von unter einem Blätterversteck, tritt hervor ein Pfau. Einer von den Städtischen, die sie Sommers aus den Käfigen lassen. Und was macht der Eitle? Er entfaltet seinen Fächer. Zeigt es mir mit seinem Schillern. Ohne was sagen zu müssen zeigt er es mir. Ich spüre es. Eine Gewissheit. Eine Rasur, eine Dusche sowie ein generelles Klarschiffmachen sind angebracht.