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- 03.07.2004
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Mein Handy nervt
Wenn ich zurückdenke, begann die Geschichte, als meine Frau zu ihrem jährlichen Besuch bei ihrer Schulfreundin aufbrach. Diese Reise erfordert jedesmal umfangreiche Planungen. Und bis dann alles eingepackt und reisefertig ist, bleibt kaum noch genügend Zeit um in Ruhe zum Bahnhof zu fahren. Mich wundert es gar nicht , dass ich schon leichte Magenkrämpfe bekomme, wenn das Reisedatum näher rückt.
Auch dieses Mal verliefen die Vorbereitungen in der gewohnten Hektik. Bis meine Frau und ihr Gepäck glücklich im Auto verfrachtet waren, war es höchste Zeit, zur Eisenbahn zu fahren.
Kaum waren wir gestartet, klingelte mein Handy. Ich mag beim Autofahren nicht telefonieren. Nicht, weil es verboten ist, es lenkt mich wirklich ab. Aber meine Handynummer kennen nur wenige Menschen und so denke ich, wenn jemand anruft, ist es wirklich wichtig. Ich schaute kurz auf das Display, nahm aber gar nicht richtig wahr, was dort stand, sondern drückte gleich auf den grünen Hörer und sagte "Hallo".
Es rauschte ziemlich, eine tiefe Männerstimme sagte "Hallo."
"Wer ist denn da?"
Wieder Rauschen und dann kam die Antwort: "Wer ist denn da?"
Die Stimme war leicht nuschelig, vielleicht ein Ausländer dachte ich und sagte "Jablonski"
Wieder eine kleine Pause. 'Mein Gott ist der Typ langsam' dachte ich.
"Jablonski" fragte dann der Unbekannte. 'Der hat sich wohl verwählt', dachte ich. Warum sollte mich sonst jemand anrufen, der mich offensichtlich nicht kannte. Und die Stimme war mir unbekannt, auch wenn sie mich an irgendjemanden erinnerte. Vielleicht an einen Filmschauspieler?
"Was wollen Sie?" fragte ich.
Eine Pause und dann die verblüffende Antwort: "Was wollen Sie?"
Langsam wurde ich ärgerlich. Die Ampel war wieder Rot, ich stand zwar als erster in der Reihe, aber die Zeit, die wir noch hatten, um zum Bahnhof zu kommen, verstrich. Ich hatte keine Ruhe für dieses anstrengende Telefongespräch und überhaupt, was wollte der Kerl denn von mir? "Sie haben doch angerufen" knurrte ich.
Jetzt hatte ich am anderen Ende auch noch einen Choleriker erwischt. "Sie haben doch angerufen" knurrte der Unbekannte zurück und jetzt wurde ich wirklich sauer. "Blödmann" raunzte ich in den Hörer und trennte die Verbindung. "So ein Idiot, was muss der mich beim Autofahren stören."
Meine Frau meinte: "Bärchen, ich muss Dir was sagen."
Wenn sie mit Bärchen kommt, dann will sie was von mir und das ausgerechnet jetzt. "Fang Du nicht auch noch an, mir zu sagen, wie ich mich am Telefon benehmen soll. Wir sind ohnehin zu spät und ich kann nicht fahren, wenn Du immer dazwischenredet," nahm ich ihr den Wind aus den Segeln. Ich glaube, ich wurde dabei immer lauter, aber ich musste mich jetzt auf das Fahren konzentrieren. Die Ampel war endlich Grün geworden. Nach links abbiegen und jetzt konnte ich Gas geben.
Da stand doch eine Telefonnummer auf dem Display. Also schaute ich beim Fahren nach, welcher Idiot mich da angerufen hatte. Auf dem Display stand 'Mausi'. Ich bekam einen großen Schreck und hätte beinahe angehalten. "Da hat jemand dein Handy geklaut, und jetzt ruft der auch noch mich an. Wo hast Du Dein Handy denn schon wieder liegengelassen?"
"Du hörst mir ja nicht zu. Ich habe das Handy in meiner Jackentasche und ich weiß nicht, was geschehen ist, ob ich die Tastensperre nicht eingeschaltet habe, jedenfalls hat sich die Schnellwahl von alleine aktiviert. Und dann hat das Handy Dich angerufen und Du hast mit Dir selber gesprochen."
Ich habe mit mir selbst gesprochen und habe das nicht gemerkt? Nicht einmal meine Stimme habe ich erkannt? Misstrauisch sah ich auf mein Handy.
Und dann kamen weitere Erlebnisse. Zunächst recht harmlos. Unsere beiden Handys schienen mit der Zeit ein Eigenleben zu entwickeln. Es klingelte, das Display zeigte einen Anruf des Lebensgefährten an, aber es meldete sich niemand. Nachdem wir beide einige Male ins Handy geschrien hatten und erschrocken waren, dass sich keiner meldete, haben wir herausbekommen, dass die Handys einfach von alleine anriefen. Auch die Tastensperren verhinderten diese Fehlfunktion nicht. Wir gewöhnten uns an, gleich aufzulegen, wenn nur Rauschen oder Stimmen im Hintergrund zu hören waren, bis ich eines Abends mit ein paar Freunden nach einer langwierigen Schulung noch einen trinken gegangen war.
"War deine Schulung anstrengend," fragte meine Frau, als ich spät abends nach Hause kam.
"Ja, sehr, wir sind dann noch ein Bier trinken gegangen."
"Und habt euch Männer-Geschichten erzählt. Die waren so seicht, dass ich mir schon gedacht habe, ihr müsst völlig erschöpft sein, dass ihr über solchen Schwachsinn noch lachen könnt."
"Ja, aber wieso, woher weißt Du, worüber wir gesprochen haben?"
"Dein Handy hat mich angerufen und ausnahmsweise war alles deutlich zu verstehen."
Mir war das doch recht peinlich. Unsere Geschichten waren sehr freizügig und kamen nach meinen Erfahrungen bei Frauen gar nicht gut an. Ich war beinahe meinem Handy böse, dass es mich so hereingelegt hatte, aber diese Vorfälle nahmen zu. Anscheinend haben unsere Handys jetzt auch eine Babysitterfunktion. Wenn sie alleine anrufen, rauscht es nicht mehr, sondern wir können die Unterhaltung des Partners mithören. Zunächst habe ich immer gleich aufgelegt, aber dann siegte doch meine Neugier und nach einiger Zeit habe ich mir ein Headset gekauft, um jederzeit lauschen zu können.
Ungefähr nach zwei Wochen hörte ich ein Gespräch in einer mir jedenfalls peinlichen Situation mit. Meine Frau war zum Tee bei einer Freundin, es waren auch noch einige andere Freundinnen dabei und mein Handy schaltete mich live dazu, als die Damen gerade anfingen, über ihre Männer zu sprechen. Sie tauschten sich schnell über sehr intime Erfahrungen aus. Es wurden keine Größen verglichen, das hätte ich ja verstanden, nein sie berichteten sich in aller Ausführlichkeit besondere Erlebnisse. Sehr stimulierende Erlebnisse, ich hörte ganz gebannt zu.
Und dann erzählte meine Frau von einem Urlaubstag in Irland, bei strömendem Regen in einer mit Heu gefüllten Scheune. An den Tag konnte ich mich erinnern, aber was sie dort erlebt hatte, da war ich nicht dabeigewesen. Ich mochte meine Frau gar nicht darauf ansprechen, mit wem sie dieses unvergeßliche Erlebnis im Heu gehabt hatte und überlegte sogar, die Schnellwahl zu löschen oder sogar mein Handy ausgeschaltet zu lassen. Aber ich habe es nicht getan, ich konnte es nicht. War ich von diesem kleinen Apparat abhängig geworden?
Wir leben in einer guten Beziehung und verschweigen uns nichts und mein Schweigen machte mir sehr zu schaffen. Nachdem ich mich mal wieder in die Nesseln gesetzt hatte und sie sich über unsere Männerphantasien amüsierte, sprach ich sie auf Irland an und sie erzählte mir dann, wie ihre Phantasie die Realität überlagert und das sinnliche Erleben vertieft. In der Theorie war mir das alles bekannt, steht ja schließlich in jeder Männerzeitschrift. Aber ich hatte nie den Bogen zu meiner sanften, ruhigen Ehefrau geschlagen, wir sprachen zum ersten Mal über dieses Thema und gingen auch zu praktischen Übungen über, die uns beiden viel Freude machten.
Jetzt bin ich meinem Handy ganz dankbar, dass es mir da auf die Sprünge geholfen hat und bin ganz gespannt, was den beiden Handys als nächstes einfällt. Vielleicht sind Handys ja elektronische Ameisen - alleine recht dumm aber wenn sie erst einmal lernen, gemeinsam zu handeln ...