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Mein kleiner Bruder Benjamin

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13.09.2006
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Mein kleiner Bruder Benjamin

Ich fahre aus meinen Gedanken hoch, als das Telefon klingelt. Hastig ergreife ich den Hörer. Ein Mann meldet sich zu Wort. Es ist der Rezeptionist des Tanoa Hotels, der mir mit freundlicher Stimme mitteilt, dass er den ersten Flug am nächsten Morgen nach Sydney für mich Buchen konnte. Ich bin erleichtert. Keinen weiteren Tag könnte ich wohl auf dieser verfluchten Insel bleiben und die kommende Nacht werde ich vermutlich auch nur überstehen, weil ich mich zu betrinken gedenke. Ich gehe zum Fenster des Hotelzimmers. Die meisten Menschen wären zutiefst entzückt ob des Panoramas, den Palmen, die sich elegant in der Brise wiegen, den Wellen, die immer wieder über den feinen Sand des Strandes züngeln, der Sonne, die wie eine grosse Pampelmuse dort versinkt, wo sich Wasser und Himmel zu berühren scheinen, und den ganzen westlichen Himmel verfärbt. Der sanfte Wind trägt den Geruch von Gegrilltem, Gitarrenmusik und das Gelächter einiger Urlauber zu mir hoch.
Doch nichts mehr habe ich für ein solches Idyll übrig – das Meer ängstigt mich zutiefst und das allabendliche Naturschauspiel des Sonnenuntergangs ist jeweils nur der Auftakt zu einer langen und finsteren Nacht. Es würde nur noch wenige Minuten dauern, bis die Dunkelheit die ganze Insel von Osten her überzogen hat. Wie gebannt blicke ich aufs Meer hinaus. Die Brandung selbst scheint mir unheilige Worte in einer seit jahrtausenden nicht mehr gesprochenen Sprache zuzuflüstern. Immer wieder glaube ich im Spiel der Dünung Schatten zu erkennen. Sind da nicht eben kleine Äuglein in den Schaumkronen aufgetaucht, die zu mir hochstarren? Ein starkes Ekelgefühl regt sich in mir und ich kann gerade noch die Toilette erreichen, bevor ich mich übergebe. Zurück im Zimmer lasse ich die Jalusien runter und setze mich an den Tisch. Ich giesse mir ein Glas Rum ein. Wie viele Gläser werden es wohl noch sein, bis ich endlich das Unaussprechliche vergessen kann?

Der Albtraum hatte vor ziehmlich genau drei Jahren begonnen. Mein kleiner Bruder Benjamin hatte gerade seine Ausbildung zum Sportlehrer abgeschlossen und ich bekam ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub bei der Versicherungsgesellschaft, bei der ich mein tägliches Brot verdiente. Zusammen wollten wir uns einen Traum erfüllen, ferne Länder bereisen und unsere mittlerweile rasch schwindende Jugend geniessen. Wir erlebten eine wunderschöne Zeit in Thailand, Australien und Neuseeland. Meine Verlobte Carla begleitete Benjamin und mich während gut einem Monat in Australien und Neuseeland und ich kann sagen, es war wohl die glücklichste Zeit meines Lebens, voller Liebe und voller Lachen. Wir genossen jeden Augenblick, wir fühlten uns unbesiegbar.
In einem kleinen Bungalow inmitten des tropischen Regenwaldes von Queensland zeugten Carla und ich ein Kind – unseren Sohn Domenik. Carla verliess Neuseeland am 20. März, mein Bruder und ich wollten unbedingt noch nach Fiji. Nachdem wir nun während fünf Monaten so gut wie ständig unterwegs gewesen waren, wollten wir uns noch ein wenig «all inclusive» entspannen, bevor es dann wieder zurück nach Europa ging. Eigentlich hatte ich die Absicht, mit Carla in die Heimat zu reisen, schliesslich trug sie ja bereits unser Kind unter dem Herzen, doch sie selbst war es, die mich überzeugte, Benjamin noch nach Fiji zu begleiten.
Am Morgen des 25. März landeten wir auf Viti-Levu, der Hauptinsel von Fiji, gegen Mittag trafen wir dann in der Nananu Beach Lodge ein, einer grosszügig angelegten Bungalow-Siedlung direkt am Strand. Benjamin und ich verbrachten die Zeit mit Beach Volleyball, einigen Tauchgängen und mit ausgedehnten Strandspaziergängen. Auch auf ihn wartete eine liebevolle Freundin zu Hause, und er erzählte mir, auch er spiele mit dem Gedanken sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen. Ich liebte meinen Bruder über alles, seid seiner Pubertät war er immer wie ein guter Freund gewesen. Obwohl wir oft unterschiedliche Interessen hatten, verbrachten wir viel Zeit miteinander und konnten über alles Reden – erste Liebe, Sport, Politik, Sex, die bewegenden Dinge des Lebens eben.
«Bald wird auch ein Verlobungsring meinen Finger zieren», hatte er zu mir gesagt, als wir im Schatten eines Palmhains spazierten. «Ich werde meiner süssen, kleinen Danielle gleich nach meiner Rückkehr einen Antrag machen. Ich vermisse das Mädel tierisch. Sag mal, Dave, wie macht man eigentlich einen Antrag?»
Wir lachten beide. Ein grossartiger Abend auf Viti-Levu folgte, an dem wir beide ein bisschen zu viel tranken und Zukunftspläne schmiedeten. Ich bewunderte meinen Bruder, wegen seinem sonnigen Gemüt und seinem Lebensdurst. Er war der geborene Optimist. Auch hatte er sich stets eine Art jugendlicher Naivität beibehalten, um die ich ihn manchmal sogar beineidete, während ich immer als der Besonnene und Vernünftige galt.

Es ist mir, als wären Benjamin und ich erst letzte Nacht vor unserem «Cottage» der Nananu Beach Lodge gesessen; alles was wir brauchten war ein gutes Gespräch unter Brüdern, ein Stapel Jasskarten, genügend Bier und und die Gewissheit, zu Hause von unseren Liebsten erwartet zu werden. Tränen rinnen mir über die Wangen und mein Hals und Unterkiefer ist verkrampft vom Weinen. Langsam komme ich wieder in die Realität zurück. Mein Glas ist leer. Ich brauche mehr Alkohol um zu vergessen. Es ist schon komisch, während drei Jahren habe ich das Geschehene verdrängt, dann komme ich zurück nach Fiji in der Hoffnung mich zu erinnern, und wünschte, ich hätte es nicht getan. Manchmal ist es besser, mit der Ungewissheit oder einem vagen Gefühl zu leben als mit der Wahrheit. Das Meer ist noch tiefer und dunkler als die Vorstellungskraft des Menschen, hatte Neill damals gesagt. Wie recht er doch hatte. Ich wische mir die Tränen aus den geschwollenen Augen. Mein Blick fällt auf den kleinen Gegenstand, der vor mir neben Glas und Flasche auf dem Tisch liegt. Es ist ein Anhänger in der Form einer Muschel, den ich bis vor kurzem noch selbst um den Hals getragen habe. Ich nehme ihn in die Hand. Ein kleiner, konchiformer Anhänger aus geschnitztem Holz an einem einfachen Lederband, nichts Besonderes, nichts Wertvolles. Und dennoch lastet ein Fluch auf diesem seltsamen Schmuckstück. «Mit dir hat alles angefangen», sage ich laut. Der Klang meiner eigenen Stimme reisst mich gänzlich zurück ins Hier und Jetzt.
Zorn packt mich. Ich nehme den Anhänger und stürme zum Fenster und ziehe die Jalusien wieder hoch. Mit aller Kraft und werfe ich ihn so weit wie nur möglich. Er verschwindet in der Dunkelheit der Nacht. Ich schreie ihm nach: «Nimm deinen verdammten Umhängegötzen zurück, du beschissene Hure!» Ich weiss nicht, ob ich den Anhänger bis zum Meer werfen konnte. Vielleicht liegt er nun auch im Sand, um morgen von einem unglücklichen Urlauber gefunden zu werden. Ich hoffe nicht. So lasse ich die Jalusien wieder runter und schenke mir das zweite Glas Rum ein.

Benjamin hatte sich den Anhänger in Rakiraki gekauft. Wir hatten einen Tagesausflug in diese Ortschaft an einem Freitag gemacht, der Mark dort wurde uns sehr empfohlen. Neill, der für die Nananu Beach Lodge die Gäste herumkutschierte, brachte uns an dem besagten Tag also nach Rakiraki an den Markt. Ich schoss einige fantastische Fotos von der Uferpromenade mit den Ständen, an denen die Fischer ihren Fang feil boten und die Obstpflücker duftende Mangos und allerlei andere exotische Früchte verkauften. Ich liebte das rege treiben in Rakiraki und Benjamin hatte ebenfalls sichtlich Spass daran. Plauderte mal munter mit einem Fischer oder schäkerte mit einer jungen Melanesierin. Als gerade die Mittagssonne im Norden stand und ich mich eigentlich nach etwas Schatten und einem erfrischenden Getränk sehnte, kaufte sich mein Bruder an einem Stand mit Souvenirs für Touristen den verhängnisvollen Muschelanhänger. Die alte Insulanerin, die ihm das geschnitzte Schmuckstück verkaufte, sprach so gut wie gar kein Englisch, und wiederholte immerzu die Worte «Roea Aluvua». Am Abend holte uns Neill wieder mit dem Kleinbus ab.
«Na, habt ihr beiden was Schönes gekauft, Mister?», fragte uns der dickleibige Melanesier und Benjamin präsentierte ihm daraufhin seine Errungenschaft, die bereits an dem Lederband vor seiner Brust baumelte.
Neill schmunzelte und sagte: «Herzlichen Glückwunsch, mein Freund. Du stehst jetzt unter dem Schutz der Fiji-Meerjungfrau.»
«Fiji-Meerjungfrau?», fragten Benjamin und ich wie aus einem Mund während Neill uns sicher die kurvenreiche Küstenstrasse entlang chauffierte.
«Kennt ihr die berühmte Fiji-Meerjungfrau etwa nicht? ‹Roea Aluvua Ko Viti›, wie wir sie in unserer Sprache nennen. Sie ist beinahe so etwas wie eine Nationalheldin hier auf der Insel. Sie wurde anfangs des letzten Jahrhunderts von einem Amerikaner gefangen und in einem Aquarium auf Jahrmärkten, Freak-Shows und bei Wanderzirkussen ausgestellt – bis das Aquarium eines tages platzte und die Meerjungfrau ums Leben kam. Danach wurden mehrere Kadaver von sogenannten Fiji-Meerjungfrauen in Amerika ausgestellt, keiner konnte jedoch einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten, und wurden als geniale Fälschungen entlarvt. Dieser Muschel-Anhänger ist das Symbol der Meerjungfrau. Solange du ihn trägst, stehst du unter ihrem Schutz und kein Leid wird dir zugefügt werden.»
«Ach ja, jetzt wo du's erwähnst kommt's mir wieder in den Sinn», feixte mein Bruder, «über diese Dame habe ich mal was bei ‹Akte-X› gesehen. Aber ich stehe leider nicht so auf Mädchen mit Flossen.»
Wir lachten alle drei. Dann sagte Neill immer noch lächelnd: «Ihr glaubt wohl, das sei nur ein Kindermärchen? Meerjungfrauen, Meermänner, Riesenkraken, Leviathan, Seeschlangen, Bunyips, Moby Dick, die Quallenprinzen und diese furchtbaren Ungeheuer, die Odysseus vernaschen wollten – woher kommen wohl all die Geschichten, Mister? Ist der Mensch mit soviel Fantasie begabt? Denkt ein bisschen darüber nach.»
«Vergiss nicht das grosse Monster von Loch Ness!», warf Benjamin vergnügt ein.
«Das Meer ist noch tiefer und dunkler als die Vorstellungskraft des Menschen, Mister», erwiderte nun Neill, und seine Stimme klang plötzlich ernst.
«Abergläubischer Eingeborener», flüsterte mir Benjamin zu.

Das Meer ist noch tiefer und dunkler als die Vorstellungskraft des Menschen. Ammenmärchen, hatten wir Empiriker damals gedacht, doch auf grausige Weise hatte Neill wohl recht.
Mein Glas ist schon wieder leer. Automatisch fülle ich nach. Randvoll. Mein Drittes. Der Alkohol zeigt noch immer nicht die gewünschte Wirkung und die Flasche ist bereits zur Hälfte leer getrunken. Wenn mein kleiner Bruder Benjamin damals diesen Anhänger nicht erstanden hätte, wäre vielleicht alles anders gekommen.
Ich wäre wohl längst verheiratet und glücklicher Vater und Benjamin Würde mit Danielle zusammen wohnen und an einem Gymnasium Sport unterrichten. Doch alles ist anders gekommen. Nach meiner Rückkehr aus Ozeanien, wurde ich schwer depressiv. Ich bekam nichts mehr auf die Reihe, zu gross war die Trauer um den Verlust und das erlebte Grauen, das ich wohl verdrängte, sich aber wie eine fette Spinne in meinem Unterbewusstsein eingenistet hatte, um mich des nachts mit kryptischen Albträumen zu quälen. Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren und war ständig gereizt. Die Experten vermuteten zuerst ein Burn-Out-Syndrom, dann Borderline-Syndrom, schliesslich Schizophrenie. Carla half und hielt zu mir, soweit es ging und wo immer sie konnte. Ich wollte keine Medikamente einnehmen und stürzte schliesslich trotz der Unterstützung Carlas und meiner Eltern endgültig ab. Ich verlor meine Anstellung bei der Versicherungsgesellschaft und begann zu trinken. Zwei versuchte Selbstmorde waren die Folge.
Als unser Sohn Dominik – dessen Zweitname Benjamin lautet – das Licht der Welt erblickte, befand ich mich nicht im Spital an Carlas Bett, sondern irgendwo in einer Bar in der Altstadt. Ich erfuhr von der Geburt durch eine Nachricht auf dem Mobiltelefon. Wir trennten uns darauf. Sie lebt jetzt mit einem übergewichtigen Webdesigner zusammen, der sich gut um sie und das Kind kümmert. Ich sehe Dominik Benjamin regelmässig. Dann fällt es mir nicht schwer, mich zusammenzureissen. Er sagt ‹Papa› zu mir und sein Charakter erinnert mich irgendwie stark an den meines Bruder. Dominik Benjamin, du bist wahrscheinlich der einzige Grund, dass ich noch am Leben bin. Ich nehme den ersten Schluck des dritten Glases.

Drei Tage nachdem Benjamin sein Amulett – wie er es nun selbst ironischerweise zu nennen pflegte – gekauft hatte, waren wir mit einem befreundeten jungen Ehepaar aus Holland, das wir beim Beach Volleyball kennen gelernt hatten, zum Nachtessen in einem Restaurant in Rakiraki verabredet. Das Essen mundete hervorragend. Leider mussten Greetje und Frank bald wieder zurück in die Lodge, da sie am nächsten Morgen früh abreisen würden. Benjamin und ich beschlossen noch ein wenig in dem beschaulichen Küstenstädtchen zu bleiben, zumal es in Rakiraki einige gemütliche Bars gab. Es war so gegen ein Uhr morgens, als wir den Heimweg antraten. Benjamin wollte die sechs Kilometer zu Fuss gehen. Reichlich berauscht wie ich war, war ich natürlich damit einverstanden, Wir hatten beide noch eine Flasche Bier mit auf den Heimweg genommen. Wir konnten alles dem Strand entlang gehen, zu unserer Linken die nächtliche Brandung, auf der rechten Seite die üppige Vegetation von Viti-Levu. Über uns leuchteten die Sterne, das Kreuz des Südens und ein beinahe voller Mond. Alles war friedlich, die Brandung rauschte leise, ab und zu Pfiff ein Tier im Gebüsch und manchmal kreuzte eine emsige Krabbe unseren Weg. Es war einer jener Momente, den man gerne mit seiner Geliebten teilen würde – ein Moment für die Ewigkeit.
«Du, Dave? Musstet ihr damals in der Schule auch Gedichte auswendig lernen?» fragte plötzlich Benjamin in die nächtliche Stille hinein.
«Aber sicher. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind. Er hat den Knaben wohl in dem Arm, er fasst ihn …», rezitierte ich mit doch etwas schwerer Zunge den Erlkönig. Goethe auf Fiji, wenn das meine Deutschlehrerin hören könnte, dachte ich und musste kichern.
«Nicht das. Das kann doch jeder», sagte Benjamin. «Ich musste mal was von Heine auswendig lernen. Das passt irgendwie eher hierhin. Soll ich?»
«Für den Erlkönig habe ich übrigens einen Sechser bekommen. Unsere Lehrerin bekam beinah' einen Orgasmus als ich ihn vortrug; wenn man bestimmte Wörter betonte, oder zwischendurch einen Tempowechsel einlegte fiel sie vor Entzücken fast vom Stuhl. Aber du bist jetzt am Zug. Also schiess los!»
«Okay.

Am einsamen Strande plätschert die Flut,
Der Mond ist aufgegangen,
Auf weisser Düne der Ritter ruht,
Von bunten Träumen befangen.
Die schönen Nixen, im Schleiergewand,
Entsteigen der Meerestiefe.
Sie nahen sich leise dem jungen Fant,
Sie glaubten wahrhaftig, er schliefe.

's geht noch irgendwie weiter, aber ich kann mich momentan nicht mehr erinnern. Schon komisch, dass mir das jetzt in den Sinn kommt.»
«Das liegt wohl an deinem Amulett», zog ich meinen Bruder auf, «Der Mythos von Fiji. Du stehst jetzt unter dem Schutz der allmächtigen Fiji-Meerjungfrau. Da darfst du ihr ruhig ein Bisschen huldigen.»
«Du lachst jetzt, aber ich hatte gestern Nacht in meinen Träumen Besuch von ihr, während du schliefst. Sie war ein Geschöpf von überirdischer Schönheit. Arielle ist ein Dreck dagegen! Dieser filigraner Körper, das lange, schwarze Haar, ihre zarten Hände, …»
«… und der supererotische Fischschwanz», zog ich Benjamin auf. «Und, hast du einen geblasen gekriegt, oder durftest du einfach nur ihren Laich befruchten, wie das unter Fischen so üblich ist?»

Schon wieder leer, das Glas. Aber das ist gut so. Gestern ist mir wieder etwas bewusst Geworden. Ich bin vom Tanoa Hotel aus zu den Bungalows der Nananu Beach Lodge gegangen. Ich musste nicht lange suchen, um unsere Unterkunft von Damals zu finden – Cottage 24. Eine deutsche Familie logiert momentan in der «Twenty-Four». Jedenfalls habe ich die Bild-Zeitung und ein Paar deutsche Modemagazine herumliegen sehen. Ich habe mich reingeschlichen, als Familie Schmidt – oder wie auch immer – sich am nahen Strand vergnügte. Es war noch alles wie damals vor drei Jahren. Ich setzte mich auf die Liege, in der Benjamin zu schlafen pflegte und starrte auf den Boden, der aus grossen Keramikplatten bestand. Dann erinnerte ich mich plötzlich. Besuch von der Meerjungfrau. In der Nacht, in der Benjamin den Traum gehabt hatte, schlief ich wie ein Toter – wir hatten bis vier Uhr Karten gespielt und nicht wenige Flaschen Bier getrunken – wachte jedoch am nächsten Tag früh auf. Ich stellte Fest, dass der Boden an manchen Stellen nass war. Ausserdem fand ich eine seltsame Schleifspur im Sand, von unserer Hütte direkt bis zum Meer. Ich dachte damals, Benjamin hätte in der Nacht noch Lust auf ein nächtliches Bad im Meer bekommen und hätte die Luftmatratze mit an den Strand geschleift. Ich wollte ihn darauf ansprechen, hatte es aber vergessen. Als ich da gestern in der «Twenty-Four» auf Benjamins Liege sass, wurde mir alles wieder bewusst. Woher kam das Wasser? Was verursachte die Schleifspur im Sand? Ich kenne nun die richtige Antwort. Sie erscheint mir auch nicht mehr ganz so grausig, dem Rum sei dank. Mit Hilfe des hochprozentigen Alkohols, erscheint das ganze nicht mehr ganz so schrecklich. Ich mache mir nicht mehr die Mühe, mir ein Glas einzuschenken, sondern setze gleich die Flasche an meine Lippen.

Wir gingen also den Strand entlang, und waren vielleicht noch einen Kilometer von der Nananu Beach Lodge entfernt, als Benjamin plötzlich stehen blieb. Mit seiner rechten hand umfasste er den Anhänger.
«Sie ruft nach mir. Dave, es war kein Traum, sie ruft nach mir. Die Meerjungfrau.»
«Arielle? Was faselst du da», kicherte ich. «Du bist ja genau so berauscht wie ich. Wie viele ‹Frozen Daiquiri› hast du denn heut Abend gehabt, mein liebes Bruderherz?»
«Halt mal!», sagte Benjamin und drückte mir seine halbvolle Flasche Bier in die Hand. «Das Gedicht, ich kann mich wieder erinnern; wie es weiter geht:

Die Nixe tänzelt wohl hin und her
Und flüstert aus tiefem Gemüte:
‹O, dass ich doch dein Liebchen wär,
Du holde Menschenblüte!›
Sie küsst des Ritters Händ,
Mit Sehnsucht und Verlangen,
…»

Ich torkelte und fiel um, der Sand war ein anschmiegsames Bett für meinen Körper, ich trank einen Schluck aus Benjamins Flasche und lachte. Typisch mein Bruder. Er musste immer den Clown spielen. Ich hörte ihn noch eine Weile rezitieren, bevor ich wieder auf die Beine kam. Benjamin stand jetzt bis zur Brust im Meer. Ich bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, und schrie ihn einen Idioten; er solle gefälligst umkehren. «Komm, lass das! Komm aus dem Wasser!»
Benjamin drehte sich nach mir um. Ich blickte in seine Augen, dank des Mondlichtes zeichnete sich sein Gesicht klar vom Dunkel des Meeres ab. Es lag Furcht in seinem Blick, aber auch eine gewisse Neugier.
«Du verstehst das nicht, Dave. Die Meerjungfrau gibt es wirklich. Und sie lädt mich ein. Hörst du nicht, wie lieblich sie singt? Dave, sie lädt mich ein. Ich werde nach R'lyeh gehen, der verborgenen Stadt unter dem Meer. Mein Bruder, ich werde immer an dich denken.» – und dann – «Lebewohl!»
Das Wasser reichte meinem Bruder nun bis an den Hals. «Mach keinen Scheiss, Benjamin», schrie ich. Doch er beachtete mich nicht mehr und ging immer weiter in den Ozean hinein. Die Wellen umspülten seinen Kopf nun vollständig.
Ich rannte los. Ich dachte nur, Benjamin müsse betrunken sein, dieser ‹Spass› gehe zu weit. Ich rannte in die Brandung, Wasser umspühlte meine Beine. Dann rissen mich die Wellen um und drückten mich unter das Wasser. Ich verlor die Orientierung, wusste weder was oben noch unten war. Ich fiel, schluckte Salzwasser, kämpfte mich halb schwimmend halb gehend dem Punkt entgegen, an dem Benjamin untergetaucht war. Immer wieder schrie ich seinen Namen. Dann wurde das Wasser so tief, dass ich keinen Boden mehr unter meinen Füssen mehr spürte. Ich tauchte unter mit offenen Augen. Ich sah ausser einigen Sauersoffblasen – von meinen eigenen Schwimmbewegungen herrührend – absolut nichts. Dann plötzlich kriegte ich etwas zu fassen – den Knöchel meines Bruders Bein. Ich zog daran, hoffte, ihn nach oben ziehen zu können. Beinahe gelang es mir. Ich hörte ein gurgelndes Geräusch aus seinem Mund und widerholt die artikulierten Laute «R'lyeh» und «Roea Aluvua». Und ich war bereits zuversichtlich meinen Bruder an die Oberfläche ziehen zu können, als mich irgendetwas an meinem Laib traf. Es war wie ein Peitschenhieb. Ich schrie auf und salziges Wasser geriet in meine Lunge. Mein Körper reagierte auf den Schmerz, mein Gehirn war ausgeschaltet. Ich liess Benjamins Knöchel los. Ich war verletzt und tauchte auf. Mein Kopf stiess aus den Wogen hervor, ich würgte und hustete. Das Meerwasser brannte in meinem Hals.
Dann sah ich sie – die Fiji-Meerjungfrau! Grauenhaft! Ihr Kopf tauchte für kurze Zeit aus den Wellen auf und ich konnte sie im fahlen Mondlicht erkennnen. Mein Entsetzen war – und ist immer noch – unbeschreibbar. Sie war keine graziöse Arielle, keine sehnsüchtig auf das Meer blickende Figur von Hans Christian Andersen, sondern ein unbeschreibliches Monster. Ich sah milchige, pupillenlose Augen und blanke Fangzähne in einem unmenschlich entstellten Gesicht. Ihre grüngraue Haut war mit Muscheln bedeckt und allerlei Seegras wuchs aus ihrer pechschwarzen Mähne. Ein dürrer, geschuppter Arm tauchte aus dem Wasser auf und eine Hand mit Messerscharfen Klauen fuhr auf mich hernieder. Sie traf mich, schlitzte mich auf. Ich schrie und verlor das Bewusstsein.

Ich erlangte im Krankenhaus von Rakiraki wieder das Bewusstsein, konnte mich jedoch nicht mehr an die Ereignisse jener Nacht erinnern, ich wusste nicht, was wirklich geschehen war. Der behandelnde Arzt meinte, ich wäre nur knapp einer Haifischattacke entkommen. Normalerweise schwämmen Haie um diese Jahreszeit nicht in diesem südlichen Gewässer, aber ab und zu könne es schon mal vorkommen …
Die Küstenwache von Viti-Levu, sowie sämtliche Fischer von Rakiraki und Lautoka, hatten acht Tage lang vergeblich nach dem Leichnam meines Bruders gesucht. Man fand lediglich Teile seines T-Shirts, eine Sandale und den Muschel-Anhänger, den ich an mich nahm.
Ich glaubte damals die Geschichte von der Haiattacke. Ich und meine Eltern und alle gemeinsamen Freunde trauerten um Benjamin, meinen kleinen Bruder; der Beni, der schon als Kind immer allen Freude bereitet hatte – ein Wonneproppen, ein Sorgenloskind. Es kam sogar in der Zeitung und man konnte online auf bbc.com einen Bericht über unverantwortliche Surfer aus Europa auf Viti-Levu lesen, die von Haien zerfetzt wurden.

Mittlerweile habe ich die Flasche Rum geleert. Es dauert noch zweieinhalb Stunden bis mich ein Taxi zum Flughafen von Suva bringt. In vier weiteren Stunden bin ich in Sydney und wiederum dreizehn Stunden später in unserem Alpenstaat, wo unser Militär in weiser Voraussicht Erdlöcher gebuddelt hat, um uns zu verschanzen, falls die Meere über ihre Ufer treten. Wir Helvetier hassen das Wasser, es ist nicht unsere Natur. Wir lieben satte Wiesen, Weiden, Fels und Wald. Ich habe im ‹P.M.› gelesen, dass wenn alle Gletscher der Welt schmelzen würden, wir immer noch eine Zufluchtsstätte in den Alpen hätten.
Das Meer ist noch tiefer und dunkler als die Vorstellungskraft des Menschen, hatte Neill gesagt. Was ich gestern Nacht gesehen habe ist unaussprechlich. Ich ging zu später Stunde noch zum Strand. In stiller Trauer um meinen kleinen Bruder, der vor drei Jahren von einem ‹Hai› gerissen wurde, ging ich das Ufer entlang. Ich war alleine. Einmal mehr kreuzten nur Krabben meinen Gang. Ich bewegte mich auf dem Sand fort und achtete darauf, dass das Wasser meine Füsse nicht berührte. Ich ging den Weg, den Benjamin und ich vor drei Jahren so oft gegangen waren.
Warum musste ich bloss zurück kommen, zurück nach Fiji – um herauszufinden, was meinem Bruder wirklich wiederfahren ist, um mich meinen Dämonen zu stellen, um Frieden zu finden. Ich, David Waldvogel, fand nur das, was kein Mensch zu finden wünscht – eine Wahrheit, die sein Weltbild aufs grausamste zerstört. Der Rum ist alle und ich kann immer noch nicht vergessen.

Letzte Nacht stand ich am Ufer, die Wellen brachen sich am Ufer und ich blickte hinaus in die Dunkelheit, wo vor drei Jahren einst mein kleiner Bruder Benjamin verschwand. Aus dem dunklen Wasser des Meeres tauchten Schatten auf. Zuerst einer, dann zwei, dann drei dann viele. Etwa zwölf Köpfchen tauchten aus dem Meer auf, jedes nicht grösser als eine Mangofrucht. Die Brandung sang ihre blasphemischen Psalmen; ein paar Krabben zu meinen Füssen klapperten mit ihren Scheren dazu im Takt. Es war die geschuppte Fratze der Fiji-Meerjungfrau, die ich dort im Wasser sah – doch nicht ganz. Irgend etwas war anders. Diese missgestalteten Geschöpfe öffneten ihre Münder, entblössten ihre Fangzähne und sprachen wie im Chor: «Komm mit uns nach R'lyeh, der versunkenen Stadt. Komm mit uns, Ohm.»
Dann erkannte ich, was ich schon längst hätte sehen sollen: Diese Fratzen im Meer, diese Kreaturen, die mich riefen, trugen die Gesichtszüge meines Bruders, die Physiognomie meiner Familie. Diese Monster, halb Fisch, halb Mensch, hatten die Nase, die Augen und die Lippen von ihrem Vater – von Benjamin. Meinem kleinen Bruder Benjamin.

Ich lege mich hin. Alles dreht sich. Vielleicht finde ich noch eine Stunde Schlaf, bevor ich das Taxi zum Flughafen nehme, und diese gottverlassene Insel endlich verlasse. Ich weinte während den letzten Jahren um meinen Bruder in der Annahme, er sei tot. Doch nun hoffe ich, er sei es; denn jedes Schicksal ist besser, als an der Seite der Fiji-Meerjungfrau in einer versunkenen Stadt dahin zu vegetieren, und ihren eklen Laich zu befruchten.

 
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Hallo Rasselbock

Herzlich willkommen erst einmal.
Und ja, hab schon weit schlechtere Einstiegswerke gelesen: Die Fehler halten sich in Grenzen und im Wesentlichen ließ es sich recht flüssig lesen. Das ist schon mal ein Plus. Mehr Details zu einigen stilistischen Fehlern weiter unten.
Was den Inhalt betrifft: Also Horror kam bei mir nicht rüber. Das liegt zum einen daran, dass ich die Figuren ziemlich fade finde und zum anderen an der sehr durchschaubaren Story, die mir keine Überraschungen bieten konnte. Im Grunde ist ab dem Amulett-Kauf ziemlich klar was passieren wird (Ausser vielleicht das abgefahrene Schlussbild). Auch würde ich mir insgesamt mehr Tempo wünschen. Die Szenen in denen die Fiji-Meerjungfrau auftritt könntest du weiter ausbauen und detailierter die Gefühle und die Angst der Protagonisten hervorheben - denn das ist es was den eigentlichen Horror ausmacht, nicht das Aussehen des Monsters. Dafür kannst du einige andere Szenen noch stark von Überflüssigem befreien. So ließe sich die Spannungsdichte noch um einiges steigern.
Ich bin mir auch nicht sicher ob die gewählte Perspektive sehr sinnvoll ist. Wenn die Story selbst nicht besonders interessante Wendungen zu bieten hat, ist es denke ich nicht klug den Plot als reine Erinnerung des saufenden Protagonisten zu schildern. Zumindest bei mir erzeugt das von Anfang an eine starke Distanz zum eigentlichen, relevanten, Geschehen und das nimmt wiederum die Spannung aus den entscheidenden Szenen.

Textkram:

Keinen weiteren Tag könnte ich wohl auf dieser verfluchten Insel bleiben und die kommende Nacht werde ich vermutlich auch nur überstehen, weil ich mich zu betrinken gedenke.

Eine Sache die du öfters machst (und die mir selbst nicht fremd ist) :
du benutzt gerne das Wörtchen „wohl". Meist ist es nur ein sinnloser Einschub und kann getrost weggelassen werden.

Die meisten Menschen wären zutiefst entzückt ob des Panoramas, den Palmen, die sich elegant in der Brise wiegen, den Wellen, die immer wieder über den feinen Sand des Strandes züngeln, der Sonne, die wie eine grosse Pampelmuse dort versinkt, wo sich Wasser und Himmel zu berühren scheinen, und den ganzen westlichen Himmel verfärbt.

Viel zu langer und umständlicher Satz. Stört einfach den Lesefluss. Da kann man getrost mehrere Sätze draus machen, angefangen mit einem Doppelpunkt vor der Aufzählung.

Doch nichts mehr habe ich für ein solches Idyll übrig

Klingt ziemlich seltsam. Warum nicht einfacher: „Doch für ein solches Idyll habe ich nichts mehr übrig" oder so ähnlich

Immer wieder glaube ich im Spiel der Dünung Schatten zu erkennen. Sind da nicht eben kleine Äuglein in den Schaumkronen aufgetaucht, die zu mir hochstarren? Ein starkes Ekelgefühl regt sich in mir und ich kann gerade noch die Toilette erreichen, bevor ich mich übergebe.

Versteh ich nicht so ganz. Natürlich sind in den Dünen Schatten und was ist bitte ein „Spiel der Dünung"? Darüber hinaus ist seine Reaktion ein bisschen sehr heftig. Am Ende ist es einigermaßen klar, aber trotzdem finde ich ein paar Augen nicht ekelig genug um sich zu übergeben.

und ich bekam ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub bei der Versicherungsgesellschaft, bei der ich mein tägliches Brot verdiente.

Wortwiederholung. Besser währe „wo ich mein täglich Brot verdiente"


«Bald wird auch ein Verlobungsring meinen Finger zieren»,

Ich glaub du meinst an der Stelle eher: „Bald wird auch meinen Finger ein Verlobungsring zieren"

Es ist schon komisch, während drei Jahren habe ich das Geschehene verdrängt, dann komme ich zurück nach Fiji in der Hoffnung mich zu erinnern, und wünschte, ich hätte es nicht getan.

Kleinigkeit: Klingt vielleicht besser wenn er es „über" drei Jahre verdrängt hat

Wir hatten einen Tagesausflug in diese Ortschaft an einem Freitag gemacht, der Mark dort wurde uns sehr empfohlen.

Ihnen wurde ein Typ namens Mark empfohlen? Was wollen sie noch gleich auf Fitji? (kleiner Scherz - schon klar was gemeint ist) :)

Danach wurden mehrere Kadaver von sogenannten Fiji-Meerjungfrauen in Amerika ausgestellt, keiner konnte jedoch einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten, und wurden als geniale Fälschungen entlarvt.

Undeutliche Formulierung. Besser: „Doch sie konnten alle keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalten und wurden als Fälschungen entlarvt."

woher kommen wohl all die Geschichten, Mister? Ist der Mensch mit soviel Fantasie begabt? Denkt ein bisschen darüber nach.»

Ziemlich blödes Argument wie ich finde. Das geht noch besser.

Das Meer ist noch tiefer und dunkler als die Vorstellungskraft des Menschen. Ammenmärchen, hatten wir Empiriker damals gedacht, doch auf grausige Weise hatte Neill wohl recht.

Wieder das „wohl". Total überflüssig, „sollte Neill recht behalten" klingt glaub ich netter.

Ich bekam nichts mehr auf die Reihe, zu gross war die Trauer um den Verlust und das erlebte Grauen, das ich wohl verdrängte, sich aber wie eine fette Spinne in meinem Unterbewusstsein eingenistet hatte, um mich des nachts mit kryptischen Albträumen zu quälen.

Sehr seltsamer Satz. Mach lieber zwei draus.

Wir konnten alles dem Strand entlang gehen, zu unserer Linken die nächtliche Brandung, auf der rechten Seite die üppige Vegetation von Viti-Levu

Mit „alles" meinst du sicherlich „den ganzen Weg über". Würd ich dann aber auch so schreiben.

«Du lachst jetzt, aber ich hatte gestern Nacht in meinen Träumen Besuch von ihr, während du schliefst.

Moment mal: Er hatte im Traum Besuch - Woher will er dann wissen das sein Bruder zu dem Zeitpunkt schlief?

Letzte Nacht stand ich am Ufer, die Wellen brachen sich am Ufer und ich blickte hinaus in die Dunkelheit, wo vor drei Jahren einst mein kleiner Bruder Benjamin verschwand.

Wortwiederholung von „Ufer" und „einst" klingt in einer Kombination mit einer genauen Zeitangabe ein bisschen komisch.

Diese missgestalteten Geschöpfe öffneten ihre Münder, entblössten ihre Fangzähne und sprachen wie im Chor: «Komm mit uns nach R'lyeh, der versunkenen Stadt. Komm mit uns, Ohm.»
Dann erkannte ich, was ich schon längst hätte sehen sollen: Diese Fratzen im Meer, diese Kreaturen, die mich riefen, trugen die Gesichtszüge meines Bruders, die Physiognomie meiner Familie. Diese Monster, halb Fisch, halb Mensch, hatten die Nase, die Augen und die Lippen von ihrem Vater – von Benjamin. Meinem kleinen Bruder Benjamin.

Ha,ha,ha,ha - Sehr cool, echt, aber spätestens hier war bei mir aller Horror dahin und ich fand es hauptsächlich lustig.


Also, lass dich nicht entmutigen und mach dir ruhig die Mühe die Geschichte noch mal zu überarbeiten. Da kann man durchaus noch was draus machen.

Ps. Den Verweis auf Akte-X fand ich lustig, war in dem Moment auch das erste woran ich denken musste.

Gruß, Skalde.

 

Hi Rasselbock,

auch von mir ein herzliches Willkommen in diesem Forum! :)

Im Großen und Ganzen kann ich die ausführliche Kritik von Skalde unterstreichen und deshalb nicht mehr viel Neues schreiben.

Ich fand deine Geschichte schon ganz interessant, auch aufgrund der Idee. Irgendwo im Internet hatte ich mal ein Bild von einer Monster-Nixe eines Hobby-Künstlers gesehen, daran hab ich mich beim Lesen sofort erinnert. Die Akte X-Folge kenne ich leider nicht.

Sicher, die Handlung an sich ist ab dem Kauf des Amuletts schon etwas vorhersehbar, aber gelangweilt habe ich mich dennoch nicht. Immerhin kam bei der Szene, in der Benjamin ins Wasser geht, durchaus auch Spannung auf. Auch das Ende mit den Nachkommen fand ich gar nicht mal so schlecht, wobei ich mich schon frage, wie gut man nachts die Gesichtszüge des Bruders in einer fernen Monsterfratze wiedererkennen kann. (Naja, das nur am Rande. ;) )

Deinen Stil fand ich an manchen Stellen wirklich gut, z. B.

Die Brandung sang ihre blasphemischen Psalmen;

aber manchmal – wie Skalde ja schon dargestellt hat – auch etwas zu umständlich.

Noch ein paar Kleinigkeiten zum Schluss:.

genügend Bier und und die Gewissheit,
an den meines Bruder.
Bruders
Reichlich berauscht wie ich war, war ich natürlich damit einverstanden, Wir hatten
Punkt
Dieser filigraner Körper,
filigrane
Gestern ist mir wieder etwas bewusst Geworden.
geworden
einigen Sauersoffblasen
Sauerstoffblasen


MfG
Travis

 

Heja Skalde und Travis!

Vielen Dank für die ehrlichen Worte und für das aufmerksame Lesen meines Textes! Ich hatte schon befürchtet, dass man mir an dieser Stelle rät, ich solle das Schreiben ein für alle Mal sein lassen.

Es ist mir schon klar, dass das Ganze doch sehr vorhersehbar ist. Ich bediene mich schliesslich auch dem klassischen Warnung-von-Einheimischen-verachtende-törichte-Touristen-Klischee. Das war mir schon bewusst. Ich werde eure Ratschläge bei meinen nächsten Geschichten auf jeden Fall beherzigen und auch den Text besser korrekturlesen, da sind mir ja auch einige blöde Fehler passiert.

Diese Meerjungfrau wollte mir tatsächlich (seit ich vor 13 Jahren die besagte Akte-X-Folge gesehen hatte) aus dem Kopf. Ein solche «Meerjungfrau» wurde tatsächlich in amerikanischen Freak-Shows ausgestellt, wohl (das «wohl» ist wohl eine Krankheit von mir) eine aus Fisch und Affe zusammengefrankensteinte Figur.

 

Die wesentlichen Dinge zu dieser Geschichte wurden schon gesagt, so bleibt mir nicht viel mehr, als noch zu bemerken, dass sie mir recht gut gefallen hat. Es stimmt zwar, dass einen beim Lesen wenige Überraschungen erwarten - du hast dich ja offenbar nicht nur bei besagter Akte-X-Folge, sondern auch beim Cthulhu-Mythos bedient ("ins Meer gehen", R'lyeh" und die Sache mit den Nachkommen Benjamins) - dafür fand ich den Stil, zumindest was einige beschreibende Passagen betrifft, hervorragend. Auch die vermeintliche Kompliziertheit mancher Sätze sollte dich nicht dazu bewegen, sie zu ändern, schließlich vermögen sie ja gerade erst durch ihre Länge ein vollkommenes Gesamtbild zu erzeugen.
Weiter so!


Gruß,
Abdul

 

Hallo Rasselbock,

Ich habe auch noch nie eine Horrorgeschichte gelesen, in der das eigentliche Geschehen als Erinnerung präsentiert wird. Horror ist ein Erlebnis, kein Ach-so-war-das. ;) Dennoch muss ich dir bescheinigen, dass etwas Spannung schon rübergekommen ist, denn sonst hätte ich das bestimmt nicht fertiggelesen.

-- floritiv.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ratlor,

dass er den ersten Flug am nächsten Morgen nach Sydney für mich Buchen konnte.

dass er den ersten Flug am nächsten Morgen nach Sydney für mich buchen konnte.

Dünung

Gibt's das Wort?

Sind da nicht eben kleine Äuglein in den Schaumkronen aufgetaucht, die zu mir hochstarren?

Ich finde, das Schlaflied-Vokabular macht hier die düstere Stimmung kaputt.

Ich giesse

Ich gieße

schliesslich
schließlich

grosszügig

großzügig

Alte Rechtschreibung oder gibt’s kein ß da, wo du schreibst?

Auch auf ihn wartete eine liebevolle Freundin zu Hause, und er erzählte mir, auch er spiele mit dem Gedanken sesshaft zu

süssen

;)

wegen seinem sonnigen Gemüt
wegen seines sonnigen Gemüts. Dasselbe gilt für den Lebensdurst.

mein Hals und Unterkiefer ist verkrampft

sind

«Nimm deinen verdammten Umhängegötzen zurück, du beschissene Hure!»

Für jemanden, der vorher Sachen sagt wie „Ich vermisse das Mädel tierisch.“ ist das ein bisschen theatralisch ...

das rege treiben

das rege Treiben

Sie wurde anfangs des letzten Jahrhunderts

Sie wurde Anfang des letzten Jahrhunderts ... oder Absicht, weil ein „Ausländer“ spricht?

bis das Aquarium eines tages platzte

bis das Aquarium eines Tages platzte

Danach wurden mehrere Kadaver von sogenannten Fiji-Meerjungfrauen in Amerika ausgestellt, keiner konnte jedoch einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten, und wurden als geniale Fälschungen entlarvt.

Danach wurden mehrere Kadaver von ("sogenannten" raus, weil schon diverse Male erwähnt wurde, wie sie genannt werden) Fiji-Meerjungfrauen in Amerika ausgestellt, aber keiner konnte einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten. Nach und nach wurden sie alle als Fälschungen entlarvt.

«Abergläubischer Eingeborener», flüsterte mir Benjamin zu.

Ich fänd’s cooler, wenn sie sich bloß wissend zugrinsen würden.

und Benjamin Würde

und Benjamin würde

Nach meiner Rückkehr aus Ozeanien, wurde ich schwer depressiv.

Nach meiner Rückkehr aus Ozeanien wurde ich schwer depressiv.

Ich bekam nichts mehr auf die Reihe, zu gross war die Trauer um den Verlust und das erlebte Grauen, das ich wohl verdrängte, sich aber wie eine fette Spinne in meinem Unterbewusstsein eingenistet hatte, um mich des nachts mit kryptischen Albträumen zu quälen.

Ich bekam nichts mehr auf die Reihe. Zu groß war die Trauer um den Verlust und zu quälend die Erinnerung an das erlebte Grauen, das ich vergeblich versuchte zu verdrängen.
Sonst klingt es, als würde er um das erlebte Grauen trauern.

Als unser Sohn Dominik

Ich glaube, irgendwo weiter oben heißt er Domenik.

damit einverstanden, Wir hatten

damit einverstanden. Wir hatten

ab und zu Pfiff ein Tier im

ab und zu pfiff ein Tier im

Ich stellte Fest

Ich stellte fest

Mit seiner rechten hand

Mit seiner rechten Hand

I

ch torkelte und fiel um, der Sand war ein anschmiegsames Bett für meinen Körper, ich trank einen Schluck aus Benjamins Flasche und lachte.

Ich torkelte und fiel um. Der Sand war ein anschmiegsames Bett für meinen Körper. Ich trank einen Schluck aus Benjamins Flasche und lachte.

Ich bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, und schrie ihn einen Idioten;

Ich bekam es plötzlich mit der Angst zu tun und schrie ihn einen Idioten;

Ich und meine Eltern

Meine Eltern und ich :D

ein Wonneproppen, ein Sorgenloskind.

Beides raus, unfreiwillig komisch.

Ich war alleine.

Ich war allein.

Ich, David Waldvogel

:rotfl:

Diese Geschichte ist sehr düster, deshalb ... Gib’ dem Mann bitte einen weniger bekloppten Nachnamen :) .

Letzte Nacht stand ich am Ufer, die Wellen brachen sich am Ufer

Diese missgestalteten Geschöpfe öffneten ihre Münder, entblössten ihre Fangzähne und sprachen wie im Chor: «Komm mit uns nach R'lyeh, der versunkenen Stadt. Komm mit uns, Ohm.»

Im Chor sprechen hat immer irgendwie was Albernes ... Lass das mal nur einen sagen.

Also, bis auf die üblichen Problemchen eines Debüts (viele unnötige Rechtschreibfehler, stilistische Verhauer etc.) fand ich diese Geschichte echt klasse. Ich steh’ drauf, wenn der Horror von jenseits der friedlich dahin plätschernden Oberfläche des Meeres kommt. Dass der Inhalt aus Akte X und Lovecraft zusammengeklaut ist, trübt den Unterhaltungswert nicht im Geringsten. Und wie gesagt: Die Stimmung, die du erzeugst, ist wunderbar finster.

Stilistisch ist mir besonders aufgefallen, dass du Alltagssprache mit dichterisch anmutendem Schriftdeutsch von 1598 vermischt. Entscheide dich da mal für eine Variante.


Grüße

Jan-Christoph

 

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