Mein Laster
Ich bin nicht im üblichen Sinne hübsch. Ich habe weder die perfekte Figur noch lange Haare oder ein umwerfend hübsches Gesicht. Ich bin ein Mädchen. Im Körper einer Frau, geplagt von Selbstzweifeln. Ich habe nur eines, eine gigantische Anziehungskraft auf Männer.
Woher sie kommt weiß ich nicht. Was es an mir ist, dass ihnen den Atem raubt, ist mir auch nicht klar. Aber so ist es eben. Und ich versuche gut damit zu leben. Mit meinen zwanzig Jahren fast ein zum scheitern verurteilter Versuch.
Es kommt selten vor, dass ich mich dann in einen dieser Männer verliebe, aber wenn es dann so ist, würde ich für ihn Barfuss durch die Hölle gehen.
Und so einen gibt es gerade. Er ist das was andere Frauen „Heiratsmaterial“ nennen. Für mich ist er einfach Matthias.
Matthias gehört zur normalen Mittelschicht, ein Job, eine Wohnung, kein Model aber ansehnlich, nett, fürsorglich, treu.
Früher hätte ich noch gesagt: „Ein netter Langweiler.“
Heute ist das anders. Ich bin anders. Weil ich einen Mann getroffen habe, der genauso ist wie ich. Er ist nicht im üblichen Sinne hübsch. Aber er hat eine gewaltige Anziehung auf Frauen. Der mein Laster wurde.
Wir begegneten uns damals in einer Bar. Funken sprühten und mein Temperament genau wie meine Leidenschaft brodelten. Er war mir gewachsen. Und auch er merkte schnell was für eine Frau ich war. Wir hüteten uns miteinander zu schlafen. Mein Gefühl sagte mir, es wäre ein fataler Fehler mich so einem zu öffnen. Damals lebte ich in einer Beziehung. Er hatte sie Stück für Stück zerstört in dem er meinen Freund gezielt Zweifeln ließ. Und das an mir.
Ich war ihm deswegen nicht böse, wenn er es nicht getan hätte, dann hätte eben ich die Beziehung sobald wie möglich in den Sand gesetzt. So ist das eben. Ich zerstöre was ich liebe. Unterbewusst. Weil ich niemals auf Dauer glücklich sein kann. Weil ich alles kann aber nichts auf die Reihe bekomme. Weil ich die perfekte Liebhaberin bin, aber total Beziehungsunfähig.
Weil ich reif und selbstständig bin, unerzogen und vorlaut.
Irgendwann kam es dann doch dazu. Es war ein kalte Februarnacht und wir feierten alle in einer Bar den Geburtstag einer Freundin. Er stand in einer dunklen Ecke an der Bar und starrte mich an. Ich konnte seinen Blick auf meiner Haut förmlich spüren. Ich wusste, dass ich in meinen engen Jeans sehr wohl ein Blickfang war und drehte mich langsam zu ihm hinüber. Ich musste einfach zu ihm gehen. Es war wie ein Zwang der mich zu ihm trieb.
Seine Hände strichen sanft über meine Wangen. Ich schloss die Augen und genoss die zärtlichen Berührungen. Er glitt weiter über meinen Hals, hinunter zu meinen Schultern, über meinen Arm und Rücken wo er plötzlich anhielt. Ich öffnete meine Augen wieder und sah ihn durchdringend an. Die Spannung zwischen uns war kaum noch zu ertragen.
Er zog mich zu sich heran und flüsterte mir ins Ohr: „Ich will dich jetzt und hier.“
Und das bekam er auch. Die ganze Nacht und den ganzen Morgen.
Ich hatte mich nie wieder ganz von ihm erholt.
Bis ich Matthias kennen lernte. Meine ganze Welt drehte sich nur noch um ihn. Aber mein Laster ließ nicht lange auf sich warten und weil er wusste wie er mit Frauen umzugehen hatte umgarnte er mich Tag für Tag.
Ich gab zwar nie wieder nach, aber er, mein Matthias verstand es nicht, konnte es nicht verstehen. Er war eben nicht wie wir.
Und so ging er fort.
Meine Welt brach zusammen. Denn den da habe ich wirklich geliebt. Mein Laster steht neben mir, die Hand in meiner hinteren Hosentasche, fast umarmend stehen wir da. Er lächelnd, weil ich wieder sein bin, ich weinend meiner letzten Liebe nach sehend.