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Mein Papa
Mein Vater ist ein ganz Lieber, glauben Sie mir. Er hat einen guten Charakter und ist ganz schön schlau. Wenn man ihn fragt, weiß er alles. Seine Freundin war meine Mama.
Sie war auch in Ordnung. Noch dazu, sah sie gut aus ... glaube ich. Zumindest sagte sie das öfter, wenn sie in den Spiegel sah und sie sagte auch, dass ihr das viele schon gesagt hätten.
Und wenn viele andere das gesagt haben, dann stimmt das wohl auch.
Was gutaussehende Frauen angeht, war sich mein Vater nie ganz sicher was zu tun sei. Er hat sich einmal zu mir gesetzt, ich war gerade Gameboy am spielen, und hat mir das erklärt, das mit sich und den Frauen und so. Zumindest hat er versucht es mir zu erklären. Das ist jetzt schon ein paar Monate her, ich weiß nicht mehr so genau.
Damals war ich noch etwas kleiner, ungefähr einen Meter und 26cm, und habe noch nicht alles so richtig verstanden. Aber von dem was Papa gesagt hat, habe ich einiges verstanden, denn Papa hatte sich bemüht so zu reden, dass ich es auch wirklich verstehe. Das tut Papa immer. Und deswegen verstehen wir uns auch so gut.
Das Wichtigste ist aber ist: Ich habe mir alles gemerkt was er über Frauen sagt.
Er sagte: „Mein lieber Sohn, ich sage dir nun einmal etwas über Frauen.“ Während er das sagte, machte er ein sehr ernstes Gesicht, so wie wenn er morgens Zeitung liest. Da habe ich sofort gewusst, dass es um was Ernstes geht.
Papa kann ganz gut ernst schauen. Ich glaube das macht er beruflich. Dann haben alle anderen angst vor ihm und tun was er sagt. Deswegen ist Papa der Chef.
Er erklärte weiter: „Es gibt solche Frauen, die glauben, dass sichtbare Schönheit alles ist ... und dann gibt es noch die anderen.“ Woran die anderen glauben, das sagte er nicht, an diesem Nachmittag. Aber ich glaube zu wissen was er damit gemeint hat, denn ich habe viel darüber nachgedacht.
Ein anderes Mal, ich sah gerade fern, da setzte sich Papa wieder neben mich und sagte einfach so: „Frauen die denken, dass sie zu wenig zeigen, zeigen, dass sie zu wenig denken.“
Das habe ich sicher einhundertmillionenmal vor mich hinsagen müssen, bis ich es kapiert hatte.
Zwischendurch bin ich immer durcheinandergekommen und musste Papa auffordern es noch mal zu wiederholen. Das tat er, während ich die Simpsons guckte und den Satz wiederholte. Er sagte es immer wieder, und weil Papa ist ein geduldiger Mensch ist, sagt er das noch heute.
Und er hat recht damit ... immer wieder. Denn als ein wenig später meine Mama ihn verließ, da tat sie das nicht wegen der inneren Werte ihres neuen Freundes, sondern wegen seines Geldes und so. Zumindest sagte Papa das und ich glaubte ihm. Warum sollte er lügen?
Vor kurzem habe ich ein Gespräch belauscht und Papa hat am Telephon zu einem seiner Freunde gesagt: „Aber Peter, du weißt doch, dass ich lieber Frauen mag, die Tiefgang haben.“ Ich weiß nicht genau was das heißt, aber wenn ein Schiff Tiefgang hat, dann hat es viel geladen.
Das weiß ich aus meinem Schiffsbuch. "Tanker und Kreuzer der Weltmeere" heißt das und ist furchtbar dick. Ich habe mir gedacht, vielleicht ist das bei den Frauen genauso und die Ladung ist das Denken. Und wenn Frauen nicht viel geladen haben, dann gehen sie vielleicht zu anderen Männer die Geld haben...
Wenn ich groß bin, werde ich auf jeden Fall einmal Kapitän. Dann brauche ich mir um solche Dinge keine großen Gedenken zu machen. „Die Braut des Seemanns ist das Meer.“ Das habe ich aus dem Fernsehen und ich finde den Spruch prima, darum sage ich ihn ständig.
Papa lacht dann und behauptet im Fernsehen laufe viel Käse.
Obwohl aber viel Käse kommt, hat Papa "der weiße Hai“ und „Moby Dick“ mit mir zusammen angesehen. Papa sagt nie Worte wie „Scheiße“ oder so was. Er ist ein sehr anständiger Mensch und gut erzogen. Darum kann ich auch nicht verstehen, warum Mama ihn verlassen hat.
Vielleicht mochte Mama auch einfach Lucy nicht so gerne leiden. Lucy ist seit einem Jahr Papas Sekretärin. Sie kommt uns seit Mama weg ist noch öfter besuchen und wir trinken dann Kaffee zusammen und essen Streuselkuchen den Papa kaufen muss, weil Lucy nicht gut backen kann. Vielleicht können nur Mamas richtig gut backen. Meine Mama hatte immer Plätzchen gemacht, die wir zum Kaffee gegessen haben. Ich vermisse sie ein wenig und dann heule ich manchmal auch ein wenig. Nicht nur wegen der Plätzchen.
In letzter Zeit bleibt Lucy auch oft länger und trinkt mit Papa abends dann auch Wein. Als Mama noch da war, ist Papa immer sehr spät nach Hause gekommen und konnte kein Wein mit Mama trinken. Jetzt kann er früher freimachen, weil nicht mehr so viel Arbeit zu tun ist, glaube ich. Es kommt manchmal vor, dass Lucy dann nicht mehr nach Hause fahren kann, weil sie schon so viel Wein getrunken hat.
Dann darf sie bei Papa schlafen, weil der hat das riesige Ehebett für sich ganz allein. Seit Mama weg ist, hat er ja einen leeren Platz frei. Und das Stück gibt der Papa dann an Lucy ab. Mein Papa ist eben ein Lieber.