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Mein Zweibeiner ist rollig

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13.08.2005
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Mein Zweibeiner ist rollig

Er riecht anders heute. Ein wenig aufgeregt. Ein wenig, als habe er sich in Theos Markierungen gerollt. Das ist die Mischung, bei der ich aufpassen muss. Da will jemand in mein Revier.

Seit Stunden steht mein Zweibeiner in der Küche am Ofen. Normalerweise begnügt er sich damit, sein Essen in den kleinen Kasten mit der Klingel zu stellen, damit es dampft, wenn er es essen will. Mir gibt er es immer direkt aus dem Kühlschrank. Aber sämtliche Versuche, ihm klarzumachen, dass ich körperwarme Mahlzeiten genau wie er schmackhafter finde, sind bisher gescheitert.

Wir haben eine klare Regelung. Wenn er einen Dosenöffner braucht, um an das Essen zu gelangen, ist es für mich. Wenn es reicht, die Pappe abzureißen, ist es für ihn. Wenn es frisch aus der Einkaufstasche kommt und am Herd warm gemacht wird, ist es für eine Sie.

Frauen sind ein Problem. Sie dringen nicht nur in mein Revier ein, sie nehmen meinen Menschen auch mit in ihres. Er ist weniger zu Hause. Kann keine Türen aufmachen. Vergisst im schlimmsten Fall, mir mein Essen hinzustellen. Frauen kümmern sich nicht um Rangfolgen. Sie meinen, sie brauchen nur zu kommen, und schon sind sie der Liebling. Gegen Zweibeiner bin ich machtlos. Der Platz auf seinem Schoß, mein Platz, bleibt frei, damit sie bei Bedarf ihren Kopf darauf legen kann. Natürlich bleibt mir die Freiheit, mich zu verkrümeln oder ihn eine Weile nicht anzusehen. Aber das hilft nicht, sie zu vertreiben. Dafür habe ich einen anderen, effektiveren Trick gefunden.

Für den Moment bleibt mir nichts, als ich meinen Kopf an seinen Beinen zu reiben. Es ist gut, ein paar Marken zu setzen. Zwar glaube ich, dass Zweibeiner sie gar nicht riechen können. Aber mich beruhigt es, wenn er ein wenig nach mir duftet.

Jemand klingelt an der Haustür. Mein Zweibeiner verzieht sein Gesicht, als wolle er mit seinen Lefzen den Geruch des frisch angemachten Futters tief in sich einsaugen. Aber ich habe herausgefunden, dass Zweibeiner ihren Mund auseinander ziehen, weil sie nicht vernünftig schnurren können. Sie zeigen damit: alles in Ordnung, keine Gefahr – ich bin dir wohlgesonnen. Das ist wohl der Grund, warum Menschen so selten die Augen schließen, wenn sie zusammen sind. Sie würden nicht mehr erkennen, wer ihnen gut ist und wer nicht.

Vor der Tür steht eine Sie. Zwei Hinterläufe in leichten Hosen, kein Problem für meine Krallen. Europäische Langhaar, dunkle Mähne. Sieht nicht viel anders aus als die anderen Sies, die hier gelegentlich ihre Runde drehen. Mal sehen, wie lange es diesmal dauert.

Die beiden geben Köpfchen, ganz klassisch. Dass sie ihren Kopf schräg legen, ist ein Bluff. Ich habe es nachgeprüft: Zweibeiner haben überhaupt keine Duftdrüsen hinter den Ohren. Keine Chance, auf diese Art das Gegenüber zu markieren und so für einen gemeinsamen Duft zu sorgen.

Auch die Sie verzieht ihren Mund. Sie holt eine Flasche aus ihrer Tasche und überreicht sie ihm. Hat sich also rumgesprochen. Meinen Wassernapf vergisst er auch regelmäßig nachzufüllen.

Die beiden maunzen sich an, mit jenen gutturalen Lauten, die wohl nur für sie einen Sinn machen. Immer und immer wieder. Ich rechne fast damit, dass sie sich gleich auf den Boden rollt, aber vielleicht hofft sie, es kommen noch andere Zweibeiner, damit sie etwas größere Auswahl hat. Außerdem rollen Frauen meist erst über den Boden, wenn sie sich schon für einen Partner entschieden haben.

Mein Mensch holt das Essen. Ich werfe einen Blick in meinen Futternapf. War klar. Hey, werfe ich in das allgemeine Gemaunze ein. Denkt ihr bitteschön auch an mich? Oder geht das jetzt schon los mit dem Vergessen-werden?
Sie hat mich bemerkt. Manche Zweibeiner haben ein ausgeprägtes Revierverhalten. Kaum merken sie, dass eine Katze im Raum ist, schauen sie mir tief in die Augen und gehen auf mich zu. Aber so leicht lasse ich mich nicht vertreiben. Auch die Katzenmama-Nummer zieht bei mir nicht. Von wegen mit der Hand mein Fell putzen. Das erlaube ich nur meinem Mitbewohner. Andere, die es versuchen, bekommen dafür meine Krallen zu spüren.

Natürlich ärgert es mich, dass er ihr zu Essen gibt. Gut, wenn er meint, sie könne sich nicht selbst ernähren, meinetwegen. Ich bringe ihm ja auch gelegentlich Selbsterlegtes vorbei, um ihm zu zeigen, dass Jagen ganz einfach ist. Aber er ist ein hoffnungsloser Fall. Dosen treibt er immer wieder auf, aber selber Beute erlegen gelingt ihm einfach nicht. Wenn ich ihm einen Vogel oder eine Maus anschleppe, gewöhnt er sich vielleicht an den Gedanken, dass Essen nicht notwendigerweise in Dosen gehört.

Aber warum will er sie, die noch nie hier gewesen ist, unbedingt füttern? Traut er ihr nicht zu, allein für ihre Ernährung zu sorgen? Ich bin nicht sicher, ob sie das als Kompliment versteht.

Mein Zweibeiner und sie maunzen sich weiter an. Ihre Stimmen sind leiser geworden. Seine ist tiefer als sonst, mit einem warmen Timbre, so, als würde er gleich anfangen zu schnurren. Sie macht abwechselnd helle und dunkle Geräusche, fast eine Art Schnattern, als habe sie einen Vogel vor dem Fenster entdeckt. Sonderbar.

Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Lage zu klären. Mit einem gezielten Sprung lande ich auf den Oberschenkeln meines Mitbewohners. Dieser Schoß ist besetzt, Frau. Ich bin sein Partner, ist das jetzt klar?

Sie scheint nur bedingt beeindruckt zu sein, lässt ihn nicht aus den Augen. So gefährlich ist er nun auch nicht, dass jede seiner Regungen zählte. Aber sie ist angriffslustig. Zeigt ihm die Zähne und erwidert seinen Blick.

Ich rechne jeden Augenblick damit, dass er mich vom Schoß wirft, um den Tisch geht und ihr zärtlich in den Nacken beißt. So würde das Theo jedenfalls machen, der grau getigerte Kurzhaar, der hinter der Mauer wohnt. An ihrer Stelle würde ich jetzt ein paar Mal fauchen, nur pro forma, damit sich mein Zweibeiner nicht zu sicher ist. Wer von den beiden springt jetzt zuerst auf, wer weicht zurück?

Ich beschließe, die Initiative zu übernehmen. Ich wechsle auf die Beine der Sie. Zögere einen Moment, aber ich habe das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Bäuchlings lasse ich mich nieder, fahre die Krallen aus. Schon habe ich ihre Aufmerksamkeit. Geht doch.

Es gibt zwei Arten von Menschen. Die einen fangen an, mich zu streicheln, wenn ich auf ihrem Schoß lande. Das wäre jetzt OK. Immerhin habe ich ja den ersten Schritt getan. Die anderen versuchen mich vom Schoß zu schubsen. Das wäre besser. Mit denen habe ich leichtes Spiel.

Diese Frau versucht zögerlich, mich von meinem Platz zu vertreiben. Aber es reicht schon, ein wenig zu fauchen, um ihr diese Idee zu vermiesen. Mein Zweibeiner nennt mich beim Namen, in einem Tonfall, der mich vorsichtig werden lässt. Aber erst, als er mich packt und von ihrem Schoß hebt, gebe ich nach.

Nach einer kurzen Pause, in der mich die beiden links liegen lassen, setze ich mich der Sie zu Füßen und beginne mich zu putzen. Völlig harmlos, nicht einmal mein Zweibeiner kann etwas dagegen haben. Genüsslich fahre ich mit der Pfote durch mein Fell, immer schneller, dass die Haare nur so fliegen. Warte einen Moment. Lege mit einer neuen Haarwolke nach.

„Hatschi.“

Ich habe es gewusst. Pech gehabt, Lebensgefährte. Diese Sie wird die Nacht nicht hier verbringen. Da mag er noch so rollig sein. Notfalls komme ich zu ihnen ins Bett und kuschel mich an ihre Nase. Spätestens, wenn sie mitten in der Nacht einen Niesreiz bekommt und ihre Augen anfangen zu tränen, wird sie mein Revier verlassen. Es gibt zwei Arten von Zweibeinern. Die, die mit uns Katzen leben können und die anderen. Diese Frau gehört definitiv zu den anderen.

 

Hallo Ennka,

Katzengeschichten funktionieren eigentlich immer. So auch deine. Ist aber auch wirklich nett erzählt und ganz gut beschrieben.

Ein paar Kleinigkeiten:

"Europäische Langhaar" - hat mir sehr gefallen in diesem Kontext. Gut kätzisch gedacht.

"ausgecheckt" - dieses Wort finde ich hier ein wenig fehl am Platze. Tiere schnüffeln, lecken oder was weiß ich ... aber "checken" tun sie nicht.

"ich bin sein Partner" - eher "er ist mein Mensch" oder ähnliches. Dann passt es auch zu Titel und sonstigen Text.

"Auch diese neue Sie ..." - ohne "auch", eventuell ohne "neue". Zu lang, zu wenig Revierverhalten.

"Du gehörst definitiv ..." - Die ganze Zeit wird korrekterweise in der beobachtenden dritten Person erzählt, doch hier wird gewechselt. Warum? Macht m.E. keinen wirklichen Sinn.
Mit dem letzten Absatz habe ich überhaupt Probleme. Nicht nur, dass er faktisch jeder zweiten Person Katzenallergie unterstellt ("Es gibt zwei Arten von Zweibeinern"), außerdem erscheint er mir im Unterschied zum restlichen Text recht schnell heruntergetippt und verliert so die (in Katzenart) gemächlich aufgebaute Stimmung.

Genug von mir. Wie eingangs erwähnt, auf alle Fälle ein netter und sympathischer Text.

lg
lev

 

Lieber Lev,

danke erst einmal fürs Lesen. Freut mich natürlich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Bei den meisten Korrekturen gebe ich dir Recht. Wird geändert. Bei dem "Partner" bin ich nicht so sicher, in wie weit da Mutterersatz-Vorstellung und narzistische Partnerphantasien ineinander übergehen. Ich habe da so meinen Verdacht, wenn mir meine Katze begehrlich den Po entgegen streckt, während ich sie abbürste. Aber vielleicht überinterpretiere ich da auch.

Mit dem letzten Absatz habe ich überhaupt Probleme. Nicht nur, dass er faktisch jeder zweiten Person Katzenallergie unterstellt ("Es gibt zwei Arten von Zweibeinern"), außerdem erscheint er mir im Unterschied zum restlichen Text recht schnell heruntergetippt...
Es mag vielleicht an meinem Bekanntenkreis liegen, aber dort ist die Allergiequote mittlerweile tatsächlich fast bei 50% angekommen. Vielleicht ein Großstadt-Phänomen, keine Ahnung.

Was den letzten Absatz angeht: stimmt schon, er sprengt den gemütlich reflektierenden Ton des Textes. Für mich war es gerade diese direkte Ansprache, die die Pointe hervorhebt. Aber vielleicht ist das gar nicht nötig. Werde ich noch einmal drüber nachdenken. Vielen Dank auf jeden Fall für dein Feedback.

Herzliche Grüße,
Ennka

 
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hallo Ennka,

Geschichten aus Sicht der Katze mit Mensch als Dosenöffner sind als Idee natürlich nicht mehr so wirklich innovativ - aber Du hast sie wirklich hübsch umgesetzt.

Sehr schön:
Wenn er einen Dosenöffner braucht, um an das Essen zu gelangen, ist es für mich. Wenn es reicht, die Pappe abzureißen, ist es für ihn. Wenn es frisch aus der Einkaufstasche kommt und am Herd warm gemacht wird, ist es für eine Sie.

und auch:

Zwei Hinterläufe in leichten Hosen, kein Problem für meine Krallen.

Die zwei 'geben Köpfchen' ist ein nettes Bild, aber ich mußte an das amerikanische 'giving head' denken, was ja etwas anderes meint. ;-)
Etwas eintönig finde ich das häufige 'sie' für die Besucherin, ein wenig Abwechslung könnte nicht schaden.

Insgesamt eine runde und auch amüsante Geschichte, ich habe sie sehr gern gelesen!

Viele Grüße vom
gox

 

Hallo gox, hallo Basti,

danke euch beiden, dass ihr euch des relativ langen Textes angenommen habt. Und natürlich habt ihr Recht: die Perspektive ist nicht neu (und die Ansprache als Dosenöffner mag 1989 originell gewesen sein, als Pirinçci damit auftauchte - heute ist sie sicherlich nicht mehr als ein Gähnen wert).

Basti, du hast meine Idee ganz gut auf den Punkt gebracht:

...wie seltsam wir doch auf unsere Vierbeinigen Mitbewohner wirken müssen, wenn sie dies wie im Text analysieren könnten.
Was es bis jetzt noch nicht wirklich gab (falls doch, bitte ich um Literaturangaben!), ist eine Art Katzen-Papalagi. So wie Scheuermann durch den Blick eines angeblichen Südseehäuptlings seine eigene Gesellschaft reflektiert hat, wollte ich einmal aus der Sicht einer Katze die Verhaltensweisen meiner Wenigkeit spiegeln. Dies schien mir eine ganz hilfreiche Übung, ein wenig Abstand zu sich zu gewinnen. Wenn ein Text dabei herausgekommen ist, der euch beiden Spaß gemacht hat, freut mich das.

Herzliche Grüße,
Ennka

 

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