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Meine Freunde, die Toten

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23.03.2005
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Meine Freunde, die Toten

Guten Tag!

Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Sie in der richtigen Branche arbeiten? Ob Ihr Alltag ausgefüllt ist mit Freude und Herausforderung? Wenn nein, dann habe ich das Angebot Ihres Lebens, denn ich bin auf der Suche nach einem netten Kollegen als LEICHENBESCHAUER! Ich arbeite jetzt schon seit Jahren als Leichenbeschauer, und es stimmt mich frohlockend, alleine diese Berufsbezeichnung auszusprechen. Lassen Sie mich etwas mehr über meine spannende und entspannende Arbeit berichten:

Andere würden meinen, ich sei morbide oder mir ginge es nicht ganz gut, aber für mich hat es etwas Weihnachtliches. Tag für Tag öffne ich Leichensack um Leichensack wie Geschenke, und manchmal finde ich ein Gesicht, das ich schon immer dort sehen wollte. Sollte ich eines Tages einen Sack öffnen, und meine Frau blickt mir entgegen, wäre mein schönster Traum, weniger Angst davor zu haben in einen Raum voller Tod zu kommen als nach Hause, erfüllt.

Aber ernsthaft, mein Job ist ausgewogener als manch anderer. Viele meiner Freunde arbeiten in Büros und erzählen mir, wie lästig manche Gesprächsteilnehmer sind, wie geschafft und müde sie nach Hause kommen, und wieviel Stress sie doch nicht hätten. Seht mich an! Ich habe das geduldigste Publikum der Welt. Manchmal erzähle ich ihnen von meinen Problemen und Sorgen, und sie unterbrechen mich nie. Unter ihnen sind keine Besserwisser oder Alterhabenen. Sie sind genau das, was sie im Leben nie sein wollten, nämlich alle gleich. Keiner beschwert sich, dass die Temparatur im Kühlhaus zu hoch oder niedrig ist, dass der Nachbar nervt oder der Leichensack juckt. Es gibt Menschen, die würden diese Arbeit als gruselig bezeichnen. Neulich wurde ich gefragt, ob ich denn nie Angst hätte, wenn ich so ganz allein im Obduktionsraum meiner Arbeit nachginge. Meine Antwort war recht simpel: "Es werden heutzutage mehr Menschen von Lebenden ermordet als von Toten. Wenn Lebende meine Halle betreten steigt die Chance meines Ablebens exponential an!" Man hat mich auch einmal danach gefragt, ob ich denn nicht Angst vor Spuk hätte, bei all den Leichen. Auch darauf hab ich eine recht einfache Antwort gewusst: "Im letzten Jahr starben weniger Menschen durch paranormale Aktivitäten als durch Geschlechtskrankheiten!" Das leuchtet doch ein, oder? Anfangs fiel es mir zugegebenermassen schwer, einige Tatsachen zu ignorieren: Der Gestank des Verwesens, das Aufschneiden der Personen. Doch diese Dinge habe ich dann in den Griff bekommen, indem ich zum Vegetarier wurde. Nur vor so manch einem Gesicht hat es mich noch lange geekelt. Aber das sind die Züge, die einem das Leben verpasst und nicht der Tod. Nach dem Ableben werden sich die Würmer um eine Verschönerung kümmern. Es ist, als stellten sich die Menschen in meiner Leichenhalle an, um endlich all ihre Makel los zu werden, um endlich schön sein zu können. So habe ich auch diesen Ekel bekämpft. Nur einmal ist mir mein Auto eingegangen, und ich musste mit dem Bus zur Arbeit fahren. Was ich da so gesehen habe, hat mir den Angstschweiss ins Gesicht getrieben.

Als Leichenbeschauer nimmt man nie Arbeit mit nach Hause. Man zeigt keine Bilder von seinem Arbeitsplatz unter Freunden und man schildert nicht zu detailliert vom Geschehenen. Meine Frau zwang mich einst, einen Horrorfilm anzusehen, in dem die Eingeweide nur so herumspritzten. Wie unrealistisch! Tags darauf habe ich ihr ein paar echte Bilder gezeigt. Seitdem bestellt sie in der Videothek nur noch cinematographische Schonkost á là 'Die Schöne und das Biest'. Ich glaube, das war zu der Zeit, als wir begannen, uns auseinander zu leben. Wie gesagt, meine Klienten waren weitaus bessere Zuhörer als jeder andere ausserhalb meiner Arbeit. Also gab es für uns nicht mehr viel zu bereden. Ich machte immer mehr Überstunden und sie - was machte sie denn eigentlich? Was machen denn die Lebenden so heutzutage? Ich kann mich nur erinnern, dass ich meine Frau stundenlang beim Fernsehen beobachten konnte, aber sie war nie aus, sie las keine Bücher, und ihr Gesicht wurde immer mehr zu einem, dass meiner Meinung nach eine Schlammpackung verdiente - so 12 Kubikmeter. Seit einiger Zeit reden wir nicht einmal mehr, um uns zu grüssen oder zu verabschieden. Eigentlich kann ich mich kaum erinnern, ausserhalb meiner Hallen viel geredet zu haben. Wenn ich einkaufen gehe zeigt mir ein Computer an, was ich zu zahlen habe, meine Familie rührt sich kaum noch bei mir, seit ich beim grossen Familiengrill ausführlich von meiner Arbeit erzählt habe, und ansonsten verrate ich alles meinen Freunden, den Toten. Einer meiner Leitsprüche ist: "Zeig mir, was in dir steckt, und ich nenne dich 'Freund'!" Ich bin nicht verrückt! Okay, vielleicht ein bisschen, aber das ist nichts gegen alle anderen, gegen diejenigen, denen meine Klienten zum Opfer gefallen sind, die mit ihren seelenlosen Autos und Computern sprechen und sich zu jedem Tagesende wundern: "Wo ist bloss die Zeit hin, die ich mit meinen Liebsten verbringen wollte?" Seht mich an, ich verbringe die meiste Zeit mit meinen Liebsten! Oh, und ich habe sie alle gelesen, diese Werke wie "Das Parfum", aber so bin ich nicht, keine Angst. Ich töte nicht, das machen andere an meiner statt. Mein Job ist es heraus zu finden, weswegen diese Leute dieses Dasein verlassen mussten. Dass sie sich während ihres Aufenthalts bei mir von ihrer besten und gütigsten Art zeigen ist ein netter Bonus, und hilft mir, viele Bekanntschaften zu schliessen. Es gibt verhältnismässig nicht viele Leichenbeschauer auf dieser Welt, aber viele, die eines Tages beim Leichenbeschauer vorbeischauen - ob sie wollen oder nicht. Andere Leute gehen in die Disko oder in die Bar, wo sie neue Freunde kennenlernen können, mir werden sie jeden Tag mit 4°C im Dutzend angeliefert. Das ist nicht wirklich warm, aber wer sein Bett mit meiner Frau teilt, der weiss diese vier zu schätzen. Ich habe mir schon überlegt, mir nicht hier ein Bett aufzustellen, schliesslich bin ich hier unter Freunden, und ich wollte schon immer einer Pyjamaparty beiwohnen. Und wir würden uns freuen, auch andere Gäste aus dem Reich der Lebenden zu begrüssen!

Also, wenn Sie einen Job wollen, bei dem Sie jeden Tag den Herausforderungen des Alltags entgehen und im Umkreis von zuverlässigen Klienten arbeiten wollen, kommen Sie bei uns vorbei. Und vergessen Sie nicht: Wir sehen uns auf JEDEN Fall!

 

Hi!
Da ich derzeit in Rio bin, hatte ich kein deutsches Woerterbuch und kein scharfes s zur Verfuegung. Auch die Umlaute habe ich kompliziert einfuegen muessen. Fuer all diese Fehler entschuldige ich mich schon jetzt ;) Ich bessere alles aus, sobald ich wieder daheim in Wien bin!

Viel Spass beim Lesen
le Philipp

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo le_philipp,

Ja, deine Geschichte hat mir an manchen Stellen gefallen und an manchen nicht. Grundsätzlich finde ich die Idee, aus dem Leben eines Leichenbeschauers, der einen an der Klatsche hat, zu erzählen ganz interessant.
Nur habe ich da dauernd "Six feet under" im Kopf, da kannst du gar nichts machen. Und das ist nunmal wesentlich origineller als diese Geschichte hier (weil auch wesentlich komplexer als eine Kurzgeschichte).

Details:

wäre mein schönster Traum, weniger Angst davor zu haben in einen Raum voller Tod zu kommen als nach Hause, erfüllt.
Wie?

und wieviel Stress sie doch nicht hätten.
Nicht hätten?

Manchmal erzähle ich ihnen von meinen Problemen und Sorgen, und sie unterbrechen mich nie.
Wenn du hier mit "ihnen" den Plural beschreibst, dann kann ich das nicht mit Publikum in Verbindung bringen und ich dachte tatsächlich, du würdest hier die Freunde meinen und nicht die Leichen...

Es gibt Menschen, die würden diese Arbeit als gruselig bezeichnen. Neulich wurde ich gefragt, ob ich denn nie Angst hätte, wenn ich so ganz allein im Obduktionsraum meiner Arbeit nachginge.
Zweimal "Arbeit"

und ihr Gesicht wurde immer mehr zu einem, dass meiner Meinung nach eine Schlammpackung verdiente
das meiner Meinung nach

Wir sehen uns auf JEDEN Fall!
Naja, wenn er sich um ungeklärte Todesfäle kümmert, dann sehen wir uns nicht auf jeden Fall. Hoffe ich zumindest.

In diesem Sinne
c

PS Ich hab den Tippfehler im Titel korrigiert.

 

Hi le_philipp!

Tja, tut mir Leid, aber dieser Text vermochte mich nicht ein einziges Mal zum Schmunzeln, geschweige denn zum Lachen zu bringen. Eher empfand ich an manchen Stellen Ekel ( vor allem beim Aufschneiden und den Würmern; aber ich bin wohl nicht sehr robust ).

Eigentlich finde ich auch, dass du das Kriterium "Geschichte" schon ein wenig arg strapazierst, denn eine echte Handlung und einen echten Konflikt gibt es nicht. Da monologisiert jemand nur lange über seine Arbeit, ihre Vorzüge und ihre Bedingungen. Auch die Entwicklung der Frau ist dem untergeordnet und kann kaum als Geschichte gelten.
Ich hätte Bedenken, den Text einfach durchzuwinken.

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo le_philipp,

ich fand es recht anstrengend, den Text zu lesen. Vielleicht solltest du mehr Absätze einbauen.

Zum Inhalt:
Die Idee, einen redefreudigen Leichenbeschauer recht sorglos über seine Arbeit plappern zu lassen ist ganz nett, vielleicht könntest du das ganze in eine reale Situation umwandeln, indem du zum Beispiel die Grillparty schilderst.
Dann könnte der Leichenbeschauer das alles einem Nachbarn erzählen und dessen Reaktion beobachten.

War nur grad so eine Idee von mir.

Grüße, Negra

PS: In Rio wär ich jetzt auch mal gern! Da schlittert man wohl nicht grad auf eisglatten Straßen rum... :cool:

 
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Hallo le_philipp,

Ich schließe mich da im großen und ganzen Megabjörnie und Negra an. Dein Text hat mich eher depressiv gestimmt, als mich zum Lachen zu bringen, außerdem ließt es sich Stellenweise wie ein autobiographischer Zeitungsbericht aus dem Spiegel.
Mutig finde ich, dass du aus dem Thema Tod und Sterben, was ja in unserer Gesellschaft noch immer tabuisiert wird, eine Geschichte machst und dann auch noch in Humor. ;) Versuch es doch einfach noch einmal und überarbeite deinen Text. Vielleicht baust du ja noch einen zweiten Protagonisten ein, so wäre dann ein Dialog möglich, der der ganzen Sache ein wenig mehr Würze verleiht. Möglicherweise klappt es dann auch mit dem Humor.

Liebe Grüße
Phoenix26

 

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