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Melanie

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18.12.2001
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Melanie

Melanie (überarbeitet)

„Noch heute werde ich sterben.“, flüsterte sie in kaum vernehmbarem Ton und lächelte, während ihre weit geöffneten, tiefdunklen Augen glänzten und die Unendlichkeit ihrer Seele widerzuspiegeln schienen.

Ihr Name war Melanie. Manche ihrer Freunde sagten auch einfach Melly zu ihr. Obwohl ihr das nicht so gut gefiel.

Sie wusste bereits vorher, dass sie sterben würde. Sie wusste es! Und sie sollte Recht behalten. Ich hatte schon früher geahnt, dass das passieren könnte. Sie sehnte sich nach ihrem Tod und führte ihn deshalb schließlich selbst herbei. Aber ich weiß es nicht wirklich.

Ich weiß auch nicht, weshalb sie mir damals noch gerade diese Worte mitteilte. Vielleicht, weil sie mir noch Zeit geben wollte, mich auf ihr Fortgehen innerlich vorzubereiten. Sie lag damals so friedlich neben mir, in unserem tags zuvor noch frisch bezogenen, großen Bett und schlief ganz ruhig. Das dachte ich zumindest. Ich war noch ganz verschlafen, konnte kaum ein Auge öffnen. Es war früher Morgen, die Sonne lugte gerade so hinter der gegenüberliegenden Häuserwand hervor und schien hell durch einige Zeilen einer goldgefärbten Jalousie vor dem Fenster. Man konnte einige Vögel draußen fröhlich zwitschern hören. Aber meine Freundin lag im Sterben.

Sie sollte Recht behalten: Ihr Inneres griff schon seit Monaten wild um sich, wollte befreit werden. Und so kam es dann auch. Aber trotz ihres zunehmend apathisch werdenden Körpers konnte sie, wie sie zuvor immer wieder betont hatte, dennoch einer friedfertigen und erlösenden Zeit entgegenblicken: Wenn sie erstmal die Grenze des Sterbens überwände, würde sie bereits im nächsten Augenblick wieder vollständig gesund werden. In einer alternativen, jenseitigen Daseinsform.

Ihre Eltern meinten einmal zu mir, Melanie sei schon als kleines Kind leicht beeinflussbar und überaus sensibel gewesen. Von Zeit zu Zeit schien es so, dass sie allein durch ihren Willen die unterschiedlichsten Krankheiten hervorrufen konnte. Jedenfalls behauptete sie, dass sie das könne. Manchmal. Oft war es ihr dann aber wieder egal, was all die anderen um sie herum, Mama und Papa, ihr Bruder und ihre beiden, ebenso um einige Jahre älteren Schwestern über sie dachten. Wichtig war ihr wohl immer nur, sich ungestört ihren phantastischen Ideen widmen zu können — ohne jeden Morgen in die für sie langweilige Schule gehen zu müssen.

Sie perfektionierte ihre ungewöhnliche Gabe mit zunehmenden Alter: Schließlich behauptete sie mir gegenüber, dass sie selbst ihren Tod von einem Moment zum anderen allein kraft ihres Willens selbst herbeiführen könne. Ich glaubte ihr nicht.

Ihr plötzlicher Tod, herbeigeführt durch ein schlichtes Herzversagen, ohne objektiv diagnostizierbare Ursache, ohne begleitende schwere Krankheit, liegt nun schon einige Monate zurück. Ich habe diesen Vorfall nie überwunden. Und auch nie wirklich verstanden. Wie konnte sie mich nur so zurücklassen? Ich fiel in schwere Depressionen.

Melanie sprach zuletzt wie in einem Wahn, die Grenze des Todes ohne Weiteres unbeschadet überschreiten und wenig später allein durch ihren Willen wieder zurückkehren zu können. Sie glaubte fest daran, dass sie das könne. Es war für sie nur eine Frage des gewissenhaften und festen Entschlusses. Aber irgendetwas Unvorhergesehenes schien vorgefallen zu sein. Oder sie wollte einfach nicht mehr zurück, nachdem sie diese jenseitige Welt erstmal berührt hatte. Ich weiß es nicht. Aber ihr sanfter, embryogleich zusammengezogener Körper neben mir blieb damals nach ihrem Tod leblos und erwachte nicht mehr. Ich bemerkte es noch nicht einmal. Ich glaubte, sie schliefe noch. Bis mir auffiel, dass sie nicht mehr atmete.

Ich erschrak mit einem Male so sehr, dass ich umherfuhr, meine Melanie packte und nach Leibeskräften schüttelte und anschrie, sie solle wieder aufwachen. Ich hatte solche Angst. Dann ohrfeigte ich sie. Einmal. Zweimal. Ein weiteres Mal. Ihre dunklen, langen Haare verdeckten nach jedem Schlag ihr erstarrtes Gesicht auf eine stets neue Weise. Ich stand auf, zog sie mit nach oben. Unsere gemeinsame Bettdecke fiel von uns. Ich fasste sie kräftig an ihren Armen, aber ich wusste nicht mehr, was ich hätte tun können. Völlig nackt standen wir uns gegenüber. Erst jetzt bemerkte ich in meiner Panik, dass ihr Körper bereits kalt und ihre Haut blass wie die einer Leiche geworden war. Meine Muskeln entkrampften sich langsam. Es war vorbei. Behutsam ließ ich sie wieder auf das Bett hinab und deckte sie liebevoll zu. Ich weinte jämmerlich.

Gegen Mittag des gleichen Tages rief ich die Polizei und berichtete ihr alles so sachlich ich dazu in der Lage war. Ich sagte ihnen nichts von ihrem geplanten Selbstmord oder einem etwaigen Versuch, wieder in das Leben zurückzukehren. Was hätte das auch für einen Unterschied gemacht?

Die folgende Zeit fiel es mir schwer, einzuschlafen. Ich machte mir Vorwürfe, dass ich ihre Ankündigung nicht ernster genommen hatte. Aber was hätte ich tun können? Ich bat sie immer wieder, von dieser gefährlichen, fixen Idee abzukommen. Den Tod nicht herauszufordern. Aber sie war wie besessen davon.

Ich war in der nächsten Zeit die Tage über ständig übermüdet. Die Erinnerung war mir vor allem kurz vor dem Einschlafen so gegenwärtig, dass ich dachte, Melanie würde wieder neben mir liegen und mir sagen, dass sie gleich sterben werde. In solchen Momenten des Halbschlafes schreckte ich regelmäßig auf und sah hastig um mich. Aber sie war nicht da.


Eines Nachts aber, Monate später, erschien mir meine Melanie unerwartet in einem Traum. Sie sprach zu mir und ich freute mich so sehr, sie wiederzusehen. Sie fragte mich, ob ich nicht ebenso wie sie sterben und damit für immer meinen Körper ablegen wolle, damit wir wieder beisammen sein können. Sie fragte mich, ob ich es jetzt tun wolle. Sie sagte mir, dass sie mir dabei helfen würde. Jetzt gleich...

Plötzlich tat sich unmittelbar vor mir ein tiefschwarzer Abgrund auf. Er nahm die Form eines schneller und schneller um sich schlagenden Wirbels an und begann, alles um sich herum zu verschlingen. Bestand mein Traum gerade zuvor noch aus beinahe alltäglichen Kulissen wie jenem Elternhaus, in welchem ich aufwuchs und das in mir unwillkürlich Erinnerungen an meine jüngste Kindheit aufblühen ließ, verschwand jetzt alles in diesem erschreckenden, alles vernichtenden Abgrund.

Meine Mutter kam in diesem Traum gerade durch die Tür, die zum Wohnzimmer führte und wollte mich in ihre Arm nehmen, da ich zu schreien anfing. Aber ein Arm des kreisenden, dunklen Wirbels vor mir griff um sich und griff auch nach ihr. Noch ehe sie mich, am Boden liegend, erreichte, löschte dieser Wirbel beständig Teile ihres Körpers einfach aus: zunächst ihre Füße, denn er näherte sich von unten, dann ihre Beine, während sie noch auf mich zu ging; schließlich vereinahmte er in seiner schier alles verschlingenden Gewalt auch den Rest ihres Körpers, und noch während sie mich zu erreichen versuchte und ich immer lauter schrie, bildete ich mir ein, in ihrem Gesicht eine schreckliche und gespenstische Angst ablesen zu können.

„Melanie!“, schrie ich in meiner kleinkindhaften, hohen Stimme. „Siehst du denn nicht, dass ich schrecklich Angst habe?“ Doch sie verstand nicht, denn sie hatte nie Angst vor dem Tod.

„Du musst erst alles vergessen, was zuvor war“, rief sie. Ihre Stimme hatte etwas Flehentliches an sich.​

Plötzlich konnte ich nichts mehr hören. Der Wirbel verschlang selbst alles Hörbare.

„Der Tod ist so schwarz, weil erst beendet werden muss, was zu Ende geht“, sprach sie von der anderen Seite herüber. Ich konnte sie verstehen, obwohl ich sie nicht mehr hören konnte.​

„Aber was ist mit mir?“, versuchte ich zu schreien, aber der gähnende, allem gleichgültig gegenüberstehende, tiefschwarze Tod verschlang auch meine Worte.

Dennoch verstand sie mich: „Du brauchst keine Angst zu haben! Bald ist es vorbei. Es ist wie einschlafen!“​

„Aber ich schlafe doch bereits!“

„Ich weiß.“, sprach sie mit beruhigender Stimme.​

Meine schreckliche Angst vor dem abgrundtiefen Tod übermannte mich jetzt. Ich konnte nicht anders: Ich beschloss in einem plötzlich ausbrechenden Affekt davonzulaufen. So schnell und so weit mich meine kurzen Beine tragen konnten. Hastig warf ich all meine Spielzeugautos von mir, stand auf und versuchte zu fliehen. In eine Richtung, welche dem Ursprung des Abgrunds möglichst genau entgegengesetzt zu sein schien. Doch ich stolperte bereits nach wenigen unbeholfenen Schritten. Denn ich versuchte, mit der Motorik eines Erwachsenen Kinderbeine zu bewegen.

Daraufhin begann ich schnell auf allen Vieren zu krabbeln.

„Warum tust du das? Wollen wir nicht zusammen sein?“, rief sie mir unhörbar, aber doch vernehmbar hinterher.​

„Ich habe Angst!“, rief ich ihr mit heller Stimme zurück.

„Das brauchst du nicht!“​

Der Wirbel näherte sich mir immer weiter und mir wurde bewusst, dass ich für ihn zu langsam war. Und mit einem Male kam mir der Gedanke: Mein Gott, wohin sollte ich denn überhaupt fliehen? Wohin nur? Das Vergessen und der Tod dieses schwarzen Abgrunds würde mich am Ende ja doch einholen. Ich hatte keine Chance.

Dann aber fiel mir plötzlich ein: Ich musste wieder aufwachen. Raus aus diesem Albtraum. So schnell wie möglich.​


Und ich erwachte. Ich war wieder ein erwachsener Mann, meine Beine hatten wieder ihre gewohnte Länge und Stärke. Jetzt hätte ich schneller laufen können. Aber jetzt war es nicht mehr nötig. Ich war entkommen.


Seitdem bereite ich mich auf meinen eigenen Tod vor. Ich werde nicht ewig flüchten können oder wollen. Wenn ich sie in einem weiteren Traum wiedersehe, werde ich mich fügen um wieder mit meiner Melanie zusammen sein zu können.

Dies ist mein Abschied von Euch allen, die mir nahe stehen. Ich hoffe, ihr könnt jetzt verstehen, weshalb ich eines Morgens nicht mehr aufwachen werde. Lasst es Euch gut gehen. Wir werden uns irgendwann im Jenseits wiedersehen.


In Liebe,
Euer Dominik

 

Hallo!
Bis auf ein paar Kleinigkeiten fand ich Deine Geschichte echt toll. Die Idee ist noch nicht mal so außergewöhnlich, aber Du hast die Gefühle von Dominik so authentisch geschildert, dass mir die Geschichte wirklich nahe gegangen ist.
Gestört hat mich allerdings:

Völlig nackt standen wir uns gegenüber.
Der Protagonist steht vielleicht, aber Melanie wohl nicht mehr, oder?
Aber der gähnende, allem gleichgültig gegenüberstehende tiefschwarze Tod verschlang auch meine Worte.
Gähnend beschreibt zwar u.a. Leere treffend, aber auf den Tod bezogen, wirkt das Wort meiner Meinung nach eher unpassend.

Mein erster Gedanke, nachdem ich die Geschichte gelesen hatte, war "Wow", mein Zweiter "Warum steht das in Horror?".
Als ich allerdings darüber nachdachte, wie ich mich in Dominik´s Situation fühlen würde, war mir klar warum. Diese einerseits tieftraurige und doch andererseits auf skurile Weise Hoffnung weckende Liebesgeschichte beschreibt wohl eine (Ur-)Angst, die zumindestens ich auch nach hundert Horrorstorys nicht empfinden würde.
Daher von meiner Seite :thumbsup:
So, die Kritik in Bezug auf Ausdruck, Sprache, etc. überlasse ich den Personen, die da wirklich Plan haben. :D

Ugh

[Beitrag editiert von: Bibliothekar am 25.01.2002 um 00:32]

 

Danke für die Kritik!

Der Protagonist steht vielleicht, aber Melanie wohl nicht mehr, oder?
Doch! Denn:
Ich stand auf, zog sie mit nach oben.
Ich verstehe den Begriff "stehen" auch in einem passiven Sinne, solange eben jemand aufrecht vor mir "steht". Wenn ich eine Leiche auf einen Stuhl setze oder sie auf ein Bett lege, dann sitzt oder liegt sie doch auch eindeutig, oder?
Das heißt jetzt aber nicht, dass man es nicht noch besser beschreiben könnte (ich denk mal nach).
Gähnend beschreibt zwar u.a. Leere treffend, aber auf den Tod bezogen, wirkt das Wort meiner Meinung nach eher unpassend.
Gähnende Leere = OK, gähnender Tod dagegen nicht OK? Im hinduistischen Nirvana ist die absolute Leere und der Tod identisch. Eigentlich nur eine Frage der individuellen Assoziation des Lesers. Ich weiß nicht so recht, ob ich daran was ändern sollte.
Diese einerseits tieftraurige und doch andererseits auf skurile Weise Hoffnung weckende Liebesgeschichte beschreibt wohl eine (Ur-)Angst, die zumindestens ich auch nach hundert Horrorstorys nicht empfinden würde.
Wow! Das ehrt mich jetzt aber! :king:

 

Ha, in den finstren Archiven dieser Webseite hab ich doch tatsächlich eine Horrorgeschichte von dir entdeckt. Schade, daß sie schon etwas älter ist, aber vielleicht freust du dich ja, wenn sie nochmal aktuell wird.

Die Grundidee ist ja sehr interessant. Eine Frau, die sich mit Willenskraft selbst ins Jenseits befördert und dann ihren Lover mitholen will.

Stilistisch schwächelt es allerdings an allen Ecken und Enden. Hier ein paar Detailanmerkungen:

>und die Unendlichkeit ihrer Seele widerzuspiegeln
>schienen
Nicht, daß es wert wäre, sich zu lange an dieser Formulierung aufzuhängen, aber eine unendliche Seele?

>Manche Freunde sagten auch einfach Melly zu ihr.
>Obwohl ihr das eigentlich nicht so gut gefiel. Sie
>wusste bereits vorher, dass sie sterben würde.
Was nahe beieinander steht, konstituiert oft einen Zusammenhang, der aber, wie in diesem Falle, nicht gegeben zu sein scheint.
Wobei allein schon dieses "eigentlich nicht so gut" leicht seltsam klingt. So unnötig abschwächend.

>Sie wusste es! Und sie sollte recht behalten.
Sonst wäre es ja auch kein Wissen, sondern nur Glauben, oder?
Ansonsten: Spoilergefahr. Ich würde den zweitenSatz streichen.

>Ich hatte schon früher geahnt, dass das passieren
>könnte.
Was? Daß sie stirbt oder daß sie weiß, daß sie stirbt? Oder daß sie sich nach dem Tod sehnt?

>Sie sehnte sich nach ihrem Tod und führte ihn deshalb
>letztendlich selbst herbei.
Der zweite Teil ist wieder ein Spoiler.

>Aber ich weiß es nicht wirklich.
Dieser Satz befremdet mich jetzt. Er ergibt nicht recht Sinn. Ob es am Präsens liegt? Ich weiß es nicht.

Überhaupt ist das zu umständlich geschrieben. Wie wäre es denn hiermit:
Sie wusste bereits vorher, dass sie sterben würde. Sie wusste es. Und sie wollte es!

>Ich weiß auch nicht
Der Erzähler weiß schon wieder nicht. Das spricht nicht zu seinen Gunsten.

>Ich weiß auch nicht, weshalb sie mir damals noch
>gerade diese Worte mitteilte ...
>Sie lag damals so friedlich neben mir, in unserem
>tags zuvor noch frisch bezogenen großen Bett und
>schlief ganz ruhig.
Sie sprach im Schlaf?

>Vägel
Vögel

>zunehmend völlig apathisch werdenden
Entweder oder! Vorschlag:
zunehmend apathischen

>wie sie zuvor immer wieder betonte
betont hatte

>dennoch einer friedfertigen und erlösenden Zeit
>entgegenblicken:
erlösende Zeit?

>Ihre Eltern meinten einmal zu mir, Melanie sei schon
>als kleines Kind leicht beeinflussbar und überaus
>sensibel gewesen.
Weder vorher noch nachher finde ich für diese Attribute irgendeinen Hinweis.
hatten...gemeint

>Oft war es ihr dann aber wieder egal, was die anderen
>um sie herum, Mama und Papa, ihr älterer Bruder und
>ihre ebenso um einige Jahre älteren zwei Schwestern,
>dachten.
Jetzt wird es etwas zuviel. Die einzelnen Personen sind mir ziemlich egal. "Die anderen" reicht völlig.

>Wichtig war ihr wohl immer nur, dass sie sich
>ungestört ihren phantastischen Ideen widmen konnte -
>ohne jeden Morgen in die für sie langweilige Schule
>gehen zu müssen.
Füllwörter und überflüssiges "daß". Besser:
Wichtig war ihr nur, sich ungestört ihren phantastischen Ideen widmen zu können, anstatt in die langweilige Schule gehen zu müssen.

>Ihr plötzlicher Tod, herbeigeführt durch ein
>schlichtes Herzversagen, ohne objektiv zu
>diagnostizierbaren Grund, ohne begleitende schwere
>Krankheit, liegt nun bereits einige Monate zurück.
>Ich habe diesen Vorfall nie überwunden. Und auch nie
>wirklich verstanden. Wie konnte sie mich nur so
>zurücklassen? Ich fiel in schwere Depressionen.
Außer Spoilerei gibt dieser Absatz nichts an Handlung her. Er könnte ersatzlos wegfallen.

>einfach so unbescholten
Unbescholten? Heißt das nicht, daß sich jemand nichts hat zu Schulden kommen lassen? Meintest du nicht unbeschadet?
Das "einfach so" stört mich irgendwie.

>Sie glaubte fest daran, dass sie das könne.
Das wissen wir inzwischen. Kann wegfallen.

>Es war nur eine Frage der gewissenhaften
>Vorbereitung. Aber irgendetwas ging anscheinend
>schief.
Das "anscheinend" kann weg.
Und was genau wären das für Vorbereitungen gewesen? Wenn du das nicht näher ausführen willst, laß es besser ganz aus dem Spiel.

>sie wollte nun doch nicht mehr zurück
Das "nun doch" kann weg.

>Ich weiß es nicht.
Schon wieder.
Aber der Leser weiß, daß er es nicht weiß.
Kann daher weg.

>neben mir in unserem gemeinsamen Bett blieb
Daß es im Bett war, weiß der Leser auch schon.

>blieb damals nach ihrem Tod leblos und erwachte nicht
>mehr.
Das "damals" kann weg (wann sonst?), und der zweite Teil des Satzes wiederkäut überflüssig den ersten. Also auch weg damit.

>Ich erschrak mit einem Male so sehr
"mit einem Male" kann weg. Erschrecken ist inhärent plötzlich.

>dass ich umherfuhr
Mit welchem Fahrzeug?

>Mehrmals
Warum kursiv?

>Ihre dunklen, langen Haare verdeckten immer wieder
>ihr erstarrtes Gesicht.
Relevanz/Sinn dieser Information?

>Völlig nackt standen wir uns gegenüber.
Wohl eher "Völlig nackt standen wir zusammen."

>Erst jetzt bemerkte ich in meiner Panik
In der Panik sicher nicht.
Aufgrund meiner Panik bemerkte ich erst jetzt

>dass ihr Körper bereits kalt und ihre Haut blass wie
>die einer Leiche geworden ist
"war", nicht "ist"!
wieso "wie die einer Leiche", sie war doch eine echte Leiche? Kann weg.

>Meine Muskeln entkrampften sich
Soo erleichternd ist das nu aber auch nicht...

>Ich machte mir Vorwürfe, dass ich ihre Ankündigung
>nicht ernster nahm.
Genommen hatte.

>Aber sie war wie besessen davon.
gewesen

>Melanie würde gerade eben wieder neben mir liegen
"gerade eben"? weg!

>In solchen Momenten des Halbschlafes schreckte ich
>regelmäßig auf und sah hastig um mich.
Zuviele Wörter.
Dann schreckte ich auf.

>Plötzlich tat sich vor mir ein tief schwarzer Abgrund
>auf. Er hatte die Form eines immer schneller um sich
>schlagenden Wirbels.
Ein Abgrund in Form eines Wirbels?
Wirbel, die um sich schlagen?
Die darauffolgende Beschreibung des "Twisters" wirkt wenig überzeugend. Unscharf, beliebig - und letztlich auch überflüssig.

>und in mir unwillkürlich Erinnerungen an meine
>jüngste Kindheit aufblühten
Das ist inmitten des Überflüssigen sogar noch besonders überflüssig.

>Meine Mutter kam in meinem Traum gerade durch die
>Wohnzimmertür
Die wohlgemerkt schon gar nicht mehr vorhanden war...

>Plötzlich konnte ich nichts mehr hören. Der Wirbel
>verschlang selbst alles hörbare.
Jetzt fällt auch die Tonspur aus... - klingt unfreiwillig komisch bzw. konstruiert. Wie soll der Leser sich DAS noch vorstellen?

>Aber der gähnende, allem gleichgültig
>gegenüberstehende tiefschwarze Tod verschlang auch
>meine Worte.
Ach, der Wirbel ist ein Tod? Soso. Hm...

>Ich versuchte, mit der Motorik eines Erwachsenen
>Kinderbeine zu bewegen. Wie es schien, waren diese
>jedoch schnell überfordert und das Missgeschick war
>somit vorprogrammiert.
Arrh, was ist denn das jetzt für ein pseudowissenschaftlicher...? - Und vor allem: Geht einem in einem Traum, wo man vor dem Monster davonläuft, wirklich derlei durch den Kopf? Das glaub ich eigentlich weniger.

>Das Vergessen dieses schwarzen Abgrunds würde mich ja
>doch einholen.
Erst Wirbel, dann Tod, jetzt Vergessen.
Erinnert mich an das Nichts aus der unendlichen Geschichte.
Ich habe gehört, daß Erinnerungen einen einholen können, aber Vergessen?

Apropos: Melanie wollte, daß er alles vergißt, was vorher war. Nun, wenn er das täte, welche Wert hätte es dann noch, wieder mit ihr zusammen zu sein?

>Jetzt hätte ich schneller laufen können. Aber jetzt
>war es ja nicht mehr nötig.
:D

>Seitdem bereite ich mich auf meinen eigenen Tod vor.
>Ich werde nicht ewig flüchten können und wollen.
Einmal schlecht geträumt, schon Todessehnsucht?

Ich hab noch nicht ganz rausgekriegt, warum er sich in seinem Traum in ein kleines Kind verwandelt hat.

r

 

Wow, jetzt hast du dich aber beeilt eine von meinen Geschichten zu lesen.

Die versprochene Ironie blieb dafür aber anscheinend aus, was? ;)


Also, deine Einwändungen hab ich jetzt schon mal durchgelesen und diese mit meinem Text verglichen. Manche besseren Formulierungen von dir werd ich wohl direkt übernehmen. Besonders jene, wo du mich auf diverse Füllwörter aufmerksam machst (eine mir selbst hinlänglich bekannte Stilschwäche).

Bei vielen von dir angeführten Punkten bin ich dagegen anderer Ansicht - wobei mir teilweise noch nicht ganz klar ist, inwieweit diese vielleicht auf eine unvermeidliche "Betriebsblindheit" meinerseits gegenüber meinem eigenen Text zurückzuführen ist.

Mir schien auch, dass du es vielleicht kaum oder gar nicht berücksichtigt hast, dass dieser Text als (Abschieds-)Brief des Erzählers verstanden werden will (daher jenes "In Liebe, Euer Dominik" am Ende). Damit erklären sich mAn die von dir angeführten Spoiler sowie die eingestreute Unsicherheit des Autoren einigermaßen plausibel. "Dominik" schreibt einen Abschiedsbrief (der oder die Empfänger bleiben unbekannt, da es zu Beginn keine Anrede gibt), der zu Beginn vielleicht nur als persönliche Aufzeichnung geplant war, im Verlauf des Schreibens aber sukzessive zu seiner Entscheidung für einen Selbstmord führte. Da er diese gerade geschriebene Aufzeichnung im angesicht seines kurz bevor stehenden Todes nicht mehr benötigte, entschied er sich dazu, diesen gewissen nahestehenden Mitmenschen (vielleicht den erwähnten "Mama und Papa", dem Bruder und der Schwester?) zu hinterlassen.


Ohne Anspruch auf Vollständigkeit noch ein paar Widerlegungen auf deine Fragen / Einwände:

>Ich weiß auch nicht, weshalb sie mir damals noch
>gerade diese Worte mitteilte ...
>Sie lag damals so friedlich neben mir, in unserem
>tags zuvor noch frisch bezogenen großen Bett und
>schlief ganz ruhig.
Sie sprach im Schlaf?
Ich zitiere:
Sie lag damals so friedlich neben mir, in unserem tags zuvor noch frisch bezogenen großen Bett und schlief ganz ruhig. Das dachte ich zumindestens.
Offensichtlich scheint er sich wohl geirrt zu haben. ;)
>dass ich umherfuhr
Mit welchem Fahrzeug?
Man spricht zB. auch von einer fahrigen Körpersprache oder Gestik. Genauso kann ich etwa sagen: "Ich fuhr mit meinem Körper umher."
>Mehrmals
Warum kursiv?
Als Verstärkung.
>Ihre dunklen, langen Haare verdeckten immer wieder
>ihr erstarrtes Gesicht.
Relevanz/Sinn dieser Information?
Atmosphäre.
>Ich versuchte, mit der Motorik eines Erwachsenen
>Kinderbeine zu bewegen. Wie es schien, waren diese
>jedoch schnell überfordert und das Missgeschick war
>somit vorprogrammiert.
Arrh, was ist denn das jetzt für ein pseudowissenschaftlicher...? - Und vor allem: Geht einem in einem Traum, wo man vor dem Monster davonläuft, wirklich derlei durch den Kopf? Das glaub ich eigentlich weniger.
Während des Traumes sicher nicht. Aber dieser Text wurde natürlich auch nicht während diesem geschrieben. Im Nachhinein (Tage oder gar Wochen später) war diese Erklärung dagegen eine Folge der einsetzenden Reflexion des Autoren über die vergangenen Ereignisse (in diesem speziellen Fall, seinen Traum).
>Das Vergessen dieses schwarzen Abgrunds würde mich ja
>doch einholen.
Erst Wirbel, dann Tod, jetzt Vergessen.
Erinnert mich an das Nichts aus der unendlichen Geschichte.
Ja, mich auch. :D
Ist aber nicht beabsichtigt.
Ich hab noch nicht ganz rausgekriegt, warum er sich in seinem Traum in ein kleines Kind verwandelt hat.
Das ist eines der kleinen, süßen Rätsel, die ich in diesen Text mit eingebaut habe. :D

Welche Bedeutung mag Melanie für Dominik wohl gehabt haben?

 

Ein faszinierender Gedanke, beliebig zwischen Diesseits und Jenseits wechseln zu können. Aber ob Melanie das konnte, werden wir nie erfahren. Entweder war das Jenseits zu schön, um wieder zurückzukehren, oder es hat nicht geklappt. Die Traumerscheinung von Dominik muss ja nicht unbedingt "echt" sein, solche Dinge träum ich auch manchmal. So richtig gruselig war das eher nicht.

Arry

 

Hallo Philo-Ratte!

Erst einmal, mit ein paar Stunden Verspätung, alles Gute zum Geburtstag! :)

Daß Du auch eine Geschichte in Horror hast, ist mir bisher ja komplett entgangen. Obwohl: Es ist ja ein sehr softer Horror. ;)

Welche Bedeutung mag Melanie für Dominik wohl gehabt haben?
Also, beim Lesen dachte ich mir schon was, hab es aber dann verworfen, mir gesagt, nein, laß das… Aber wenn Du schon so die Frage stellst, dann fühl ich mich doch ein wenig herausgefordert und versuche es mal, auch auf die Gefahr hin, daß ich mich damit blamiere, aber ich hab es immerhin versucht :):

Eigentlich sagst Du es hier ja schon ganz deutlich:

Ihr Inneres griff bereits seit Monaten wild um sich, wollte befreit werden. Und so kam es dann auch.
Es war nicht sie, die gestorben ist, sondern nur ihre äußere Hülle, das anerzogene Ich, von dem man sich erst lösen muß, wenn man sich selbst finden will. Dabei geht es erst einmal tief hinunter, man muß verarbeiten, was zu verarbeiten ist, bevor man dann richtig zu leben beginnen kann.
die Sonne lugte gerade so hinter der gegenüberliegenden Häuserwand hervor und schien hell durch einige Zeilen einer goldgefärbten Jalousie
Diese goldenen Jalousien sollten, denke ich, diese Fassade verdeutlichen.
Melanie sei schon als kleines Kind leicht beeinflussbar und überaus sensibel gewesen. Von Zeit zu Zeit schien es so, dass sie allein durch ihren Willen die verschiedensten Krankheiten hervorrufen konnte.
Leicht beeinflußbar = es konnte ihr leicht ein fremder Wille aufgezwungen werden, deshalb sind Dir vermutlich auch die älteren Geschwister wichtig…
Die Krankheiten sollten wohl psychosomatisch sein, wo sich das innere Ich meldet und auf sich aufmerksam macht.
ihr sanfter, embryogleich zusammengezogener Körper neben mir in unserem gemeinsamen Bett
Vermutlich ein Zeichen, daß sie mit ihrer Kindheit beschäftigt war.

Melanie macht nun ihre Erfahrungen, merkt, wie gut es ihr tut, sich selbst zu finden, nachdem sie aus dem Abgrund der unendlich tiefen Seele wieder auftaucht und ihr Leben findet, und überzeugt den Protagonisten, dies ebenfalls zu tun.
Seine Träume, in denen er vor dem Abgrund davonläuft, bzw. dem Wirbel, der auch die Mutter einnimmt (die ihn ja erzieht), zeigen ihm seinen inneren Tod, den er als Kind mitgemacht hat.
Interessant finde ich da auch die Betrachtung der kindlichen Beine, die er mit erwachsener Motorik bewegen will; das könnte zeigen, daß er viel zu früh erwachsen werden mußte, seine Kindheit nicht ausleben konnte.

So, jetzt warte ich mal, was Du dazu sagst.
Wenn Du wirklich dieses Thema so verpackt hast (auch, wenn ich vielleicht den Nagel nicht ganz getroffen habe), finde ich das eine tolle Leistung. :)

Ein paar Anmerkungen noch:

»"Noch heute werde ich sterben." flüsterte sie«
– sterben“, flüsterte

»während ihre weitgeöffneten tiefdunklen Augen glänzten und die Unendlichkeit ihrer Seele widerzuspiegeln schienen.«
– weit geöffneten
– würde »widerzuspiegeln versuchten« schreiben

»Und sie sollte recht behalten.«
Recht (zwei Absätze weiter auch noch einmal)

»Das dachte ich zumindestens.«
– zumindest ohne -ens

»Man konnte einige Vägel draußen fröhlich zwitschern hören.«
– Vögel – finde die »Man konnte«–Formulierung aber nicht so schön, Vorschlag: Draußen zwitscherten fröhlich die Vögel, aber meine Freundin lag im Sterben.

»Hatte sie ersteinmal die Grenze des Sterbens überwunden,«
– erst einmal auseinander

»ihr älterer Bruder und ihre ebenso um einige Jahre älteren zwei Schwestern,«
– nachdem Du ja schreibst, daß die Schwestern ebenso einige Jahre älter waren, könntest Du »älterer« vor »Bruder« streichen; statt »zwei« würde ich evtl. nach »ihre« »beiden« schreiben – lange Rede, kurzer Sinn: ihr Bruder und ihre beiden, ebenso um einige Jahre älteren Schwestern

»Langsam ließ ich sie wieder auf das Bett herab«
– hinab

»Ich weinte jämmerlich.«
– »jämmerlich« klingt so abwertend, finde ich, würde die Stelle aber überhaupt ein bißchen mehr ausführen, zum Beispiel: Dann konnte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten. Meine Seele brach wie eine Nuss entzwei, deren Inneres nichts als Tränen hergab.

»Später rief ich die Polizei und berichtete ihr alles so sachlich ich in der Lage war.«
– das »ihr« würde ich streichen, und meiner Meinung nach müßte es heißen: so sachlich, (wie) ich dazu in der Lage war – anderer Vorschlag: so sachlich ich konnte

»Die folgende Zeit fiel es mir schwer einzuschlafen.«
– schwer, einzuschlafen

»damit wir wieder beisammen sein konnten.«
– könnten

»Er began nun, alles um sich herum zu verschlingen.«
– begann

»aus beinahe alltäglichen Kulissen wie jenem Elternhaus, in welchem ich aufwuchs und in mir unwillkürlich Erinnerungen an meine jüngste Kindheit aufblühten,«
– irgendwas stimmt mit dem Satz nicht, ich versuchs mal: Kulissen, wie jenem Elternhaus, in welchem ich aufwuchs und das unwillkürlich Erinnerungen an meine jüngste Kindheit aufblühen ließ, …

»während sie noch nach vorne auf mich zu ging - ; schließlich«
– keine Leertaste zwischen Gedankenstrich und Strichpunkt: ging –; schließlich

»denn sie hatte nie Angst vor dem Tode.«
– würde das e wegnehmen: Tod

»"Du musst erst alles vergessen, was zuvor war" rief sie. Ihre Stimme hatte etwas flehentliches an sich.«
– die Beistriche hast Du bei glaub ich allen direkten Reden ausgelassen: war“, rief
– etwas Flehentliches

»Der Wirbel verschlang selbst alles hörbare.«
– alles Hörbare

»"Aber was ist mit mir?"«
– insgesamt folgen hier vier »Aber« mit wenigen Sätzen Abstand, vielleicht kannst Du die noch dezimieren. ;)

»so weit mich meine kleinen Beine tragen konnten.«
– wäre eher für meine kurzen Beine

»Hastig warf ich all meine Spielzeugautos von mir, stand auf und versuchte in eine Richtung, welche dem Ursprung des Abgrunds möglichst genau entgegengesetzt zu sein schien, zu fliehen.«
– da würde ich zwei Sätze draus machen: … stand auf und versuchte zu fliehen. In jene Richtung, welche dem Ursprung des Abgrunds möglichst genau entgegengesetzt war.

»Folglich begann ich schließlich auf allen Vieren zu krabbeln. Besser das als dauernd zu stolpern,«
– wenn Du »Folglich« schreibst, ist das »schließlich« überflüssig
– schöner fände ich: Besser so, als dauernd zu stolpern.

»rief sie mir unhörbar, aber doch vernehmbar hinterher.«
– könntest Du das irgendwie klarer, weniger widersprüchlich definieren?

»"Ich habe Angst!" rief ich ihr mit heller Stimme zurück.«
– ohne »ihr«

»"Das brauchst du nicht!" kam von ihr wider.«
– würde hier die Aussage alleine stehen lassen, ohne »kam von ihr wider«, dann wirkt das viel mehr und daß sie es sagt, ist klar.

»Der Wirbel kam mir immer näher und ich wusste, dass ich zu langsam bin.«
– statt »kam mir immer näher« würde ich »kam immer näher zu mir« schreiben
– zu langsam war

»Beim nächsten Kontakt in einem Traum mit ihr werde ich mich fügen um wieder«
– klingt holprig, evtl. »Beim nächsten traumhaften Kontakt mit ihr, werde ich mich fügen, um …«, oder ganz anders, zum Beispiel »Wenn ich sie in einem neuen Traum wiedersehe, werde ich …«

Den Editiervermerk vom 24.01.2002 könntest Du beim Korrigieren auch gleich rauslöschen. ;) (Irgendwie ist das bei den alten Geschichten nicht sehr schön, wenn das immer so groß dasteht. :shy: )

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi,

tja, so kann's gehen, wenn man nicht aufpasst und so wie ich jede Benachrichtigung über neue Themenbeiträge inkl. der eigenen Geschichten ausgeschaltet hat. Und mehr als eineinhalb Jahre nach dem letzten Posting zu dieser Geschichte habe ich eine weitere Antwort naheliegenderweise nicht mehr erwartet.

Nur weil ich vor kurzem eine meiner Geschichten in einem Beitrag verlinkt habe ist mir überhaupt aufgefallen, dass am Ende einer Zeile meiner Geschichtenliste ein Datum mit der Jahreszahl "2005" endet und nicht wie sonst mit "2003" oder höchstens mit "2004". Es war also keine Absicht, dass ich deinen Beitrag bis jetzt übersehen habe, ich wusste nur ganz einfach nichts davon. :(

Aber danke noch für deinen Geburtstagsgruß! :)


Deine orthografischen und stilistischen Vorschläge habe ich weitgehend, wenn auch nicht vollständig übernommen. Vielen Dank dafür.

Davon abgesehen habe ich auch noch einige von relysiums Vorschlägen, die ich bisher ignorierte, umgesetzt und die Geschichte auch optisch ein wenig aufpoliert. Inhaltlich habe ich nur in wenigen Details etwas verändert.

Jetzt zu deiner Handlungsanalyse. Ich muss gestehen, dass ich mir damals, zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Geschichte, weitaus weniger psychoanalytische Gedanken um die beschriebene Handlung gemacht habe, als du es hier getan hast. Meine Absicht war es in erster Linie eine so tragische wie romantische Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen zu schreiben, die außerdem das Themenfeld Grenzüberschreitung behandelt. Deine beschriebene Analyse passt daher nur mehr oder weniger zufällig — jedenfalls aus meiner Sicht.

Nichtsdestotrotz finde ich sie aber interessant und zum Teil frage ich mich ein wenig, wie weit damals mein Unterbewusstsein die virtuelle Feder bei dieser Geschichte wohl geführt haben mag. Ich glaube zB. nicht groß darüber nachgedacht zu haben, weshalb Melanies Geschwister allesamt älter als sie selbst sind oder weshalb sich unter diesen ausgerechnet ein einziger Bruder befindet. Es war eher eine Art Selbstverständlichkeit (soweit ich das im Nachhinein noch sagen kann).

Zwischen innerem und äußerem Ich von Melanie und dem Ich-Erzähler bzw. Dominik habe ich während des Schreibens kaum unterschieden — trotz „goldgefärbter Jalousie“ und „embryogleich zusammengezogenem Körper“.
Über den Satz „Ihr Inneres griff bereits seit Monaten wild um sich, wollte befreit werden.“ versuchte ich eine Ursache für Melanies Handeln anzugeben. Ich laste es mir allerdings als erzählerische Unzulänglichkeit an, dass ich diese Angabe nicht weiter ausgeführt habe und vielleicht auch nicht glaubwürdig weiter ausführen konnte. Möglicherweise hätte das der Geschichte auch einiges an Tempo genommen oder wäre zu ausschweifend geworden.

Zur Frage

Welche Bedeutung mag Melanie für Dominik wohl gehabt haben?
spielte ich mit folgenden Gedanken: Melanie sollte tiefenpsychologisch gesehen Dominiks Mutter ersetzen. Dazu war es nötig, die Bedeutung der Mutter — weniger die Erinnerung an diese — in Misskredit zu bringen. In Dominiks Traum sieht sich dieser einer erheblichen Gefahr ausgesetzt, der er, zudem im Körper eines kleines Kindes, nur durch Ohnmacht und hoffnungslosem Davonlaufen begegnen kann. Dabei macht er die Erfahrung, dass ihn seine eigene Mutter vor dieser Gefahr nicht nur nicht zu bewahren imstande ist, sondern weiterhin auch noch selbst von dieser vor seinen Augen verschlungen wird. Für ein Kleinkind in der Regel eine traumatisierende Erfahrung.

Es sollte also kein Zufall sein, dass Dominik in seinem Traum, in der ihm seine Freundin begegnet, ausgerechnet in seinem eigenen Elterhaus landet und dabei seiner Mutter begegnet. Auch der Begriff des Todes will hier nicht nur im rein physischen Sinne verstanden werden, sondern genauso im Sinne einer Trennung zwischen zwei Menschen (hier: Mutter und Kind) oder einem Vergessen eines anderen Menschen (eine Person ist dann für eine andere "tot", sobald diese vergessen ist). Es ist für mich daher nicht nur eine Geschichte um Liebe, sondern ebenso eine Geschichte um die (erworbene) Macht eines Menschen über einen anderen. Vor diesem Hintergrund wählte ich auch die Namen der beiden Protagonisten: Dominik, der nicht mehr länger dominierende, sondern am Ende dominierte (in diesem Zusammenhang ist dieser Name ironisch zu verstehen). Und Melanie, "die Schwarze", die Dominik den Tod und damit letztlich seinen Untergang in ein ungewisses Jenseits bringt.


Ich gebe zu, dass ich manche dieser Inhalte vielleicht zu wenig ausgeführt habe, so dass man als gewöhnlicher Leser gar nicht erst auf diese stößt. Für relysium etwa scheint in dieser Geschichte nicht viel mehr zu stecken, als eine Frau und ihr "Lover" und eine Reise ins Jenseits. Da stellt sich mir die Frage, wie weit das übliche Gebot des "Show, don't tell!" eingehalten werden sollte, wenn manche Leser die Zwischentöne einer Geschichte ohne Erklärungen nicht wahrhaben können. Vielleicht liegt es aber auch an dieser Rubrik "Horror/Grusel", in der man so etwas wie Tiefe einfach nicht erwartet?

philo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ratte,

naja, also vielleicht hat sich ja auch der Grad der Grusel/Horror-Abstumpfung in den letzten Jahren weiter erhöht, aber ich wäre doch für eine Verschiebung in "Seltsam." :D (By the way)

Ich habe noch einen neuen Gedakenanstoß für dich, der mir beim Lesen deiner Geschichte kam - zwar recht esoterisch, aber nichtdestotrotz interessant und vor allem: plastisch! ;)

Aber ihr sanfter, embryogleich zusammengezogener Körper neben mir blieb damals nach ihrem Tod leblos und erwachte nicht mehr.

Wichtig war ihr wohl immer nur, sich ungestört ihren phantastischen Ideen widmen zu können


Tarot. Die erste Karte ist "Der Narr" - oft als Kind dargestellt, das seine Reise durch die "Große Arkana" antritt, durch das Leben, das Leid und den Tod an sich. Es kommt aus dem Nichts und wird in die Welt "hineingeboren".

Was wäre, wenn der Narr (Melanie) den umgekehrten Weg zurück ins Nichts antritt? Und ihr Freund später nachfolgt, ebenfalls in der Gestalt des Kindes...


Hier lose Google-Brocken:

Die Reise tritt an der Narr, der wie ein kleines Kind offen für alle und alles ist, aber sich auch um Gefahren noch keine Gedanken macht.

Der Narr
Wen Du diese Karte ziehst,dann zeigt sie dir eine große kreative Kraft die in Dir ruht.Die Möglichkeit der Wiedergeburt sowie der Weiterentwicklung auf allen Ebenen sind gegeben. Du hast Möglichkeiten dich auf der Sprituellen,der Mentalen,der Interlektuellen,der Emotionalen und der Physichen Ebene weiter zu entwickeln.Du solltest die Qualität deiner Beziehungen neu bewerten und überprüfen.Jetzt wo du die Möglichkeit hast alte eingefahrene Konditionierungen zu durchbrechen,solltest du die Möglichkeit nutzen.Überlege wo muss ich mich abgrenzen,und wo liegen meine Ängste.Folge der Stimme deines Herzens.

0. Der Narr
beginnt wie das neugeborene Kind unbelastet sein Leben. Alle Chancen und Risiken liegen noch offen vor ihm. Ab jetzt beginnt seine Entwicklung.

Trieb: Neugier, Experimentierfreude, Suche nach Veränderung
Ziel: Aufbruch ins Leben
Leitbild: Mystische Vereinigung
Licht: Positive Auflösung von Strukturen und Zwängen, selbstloser Idealismus, grenzenlose Fantasien, kosmische Sensibilität
Schatten: negative Auflösung von Strukturen und Zwängen, Zielverschwommenheit, Tagträumerei, Infantilität, Verantwortungslosigkeit
Qualität: Vorurteilslosigkeit, staunende Offenheit

Archetyp: Das Weltei, der Uroboros oder die Zahl 0 als Symbol ursprünglicher Ganzheit oder des Paradoxons, das Nichts etwas ist.
Hebräischer Buchstabe: Aleph = A


Liebe Grüße!

Dante

 

Hi Dante!

Danke für's Lesen und deine interessante Anregung!

naja, also vielleicht hat sich ja auch der Grad der Grusel/Horror-Abstumpfung in den letzten Jahren weiter erhöht, aber ich wäre doch für eine Verschiebung in "Seltsam." :D
:dagegen:


Mit deinem Bezug zum Tarot trägst du so etwas wie Eulen nach Athen. Spiele schon seit einigen Jahren sporadisch mit diesen Karten und hab auch ziemlich viel darüber gelesen. Aber das kannst du nicht wissen und das soll auch deinen Google-Auszügen keinen Abbruch tun.

Was wäre, wenn der Narr (Melanie) den umgekehrten Weg zurück ins Nichts antritt? Und ihr Freund später nachfolgt, ebenfalls in der Gestalt des Kindes...
Naja, im Tarot folgen die Karten "Die Welt" und "Der Narr" unmittelbar aufeinander. Eine allzu weite Reise bzw. Geschichte würde daraus dann wohl nicht unbedingt entstehen. :hmm: :D

Aber für eine Art eigenständige Fortsetzungsgeschichte wäre dein Einfall vielleicht interessant. Und die Beschreibungen der beiden Protagonisten als "embryogleich" bzw. als Kind legen dies ja auch durchaus nahe. Nur der psychologische Aspekt ginge damit wohl vollends verloren, da zu phantastisch. Aber das wäre kein wirklicher Hinderungsgrund. Ich überleg mir das mal.

Also, nochmal Danke für alles!


Die Tarot spielende Ratte

 

hi,

Sorry, aber deine Geschichte hat mir nicht so gut gefallen...
Ich kanns wirklich nicht in dieses Genre Horror/Grusel einordnen. Wer hatte noch nicht diesen Traum mit dem schwarzen Loch?
Es fehlt der Höhepunkt... etwas überraschendes... schade, hättest du mehr draus machen können

 

Danke für deine Antwort.
Schade, dass dir die Geschichte nicht so gut gefallen hat. Damit trifft sie wohl einfach nicht so ganz deine persönlichen Erwartungen und deinen Anspruch.

Merkwürdig finde ich, dass du die (vermeintliche) Zuordnung für ein bestimmtes Genre wie in diesem Fall "Horror/Grusel" offensichtlich als Qualitätskriterium für eine Geschichte einstufst. Habe ich das so richtig verstanden?

Dass schon so gut wie jeder einen Traum wie in dieser Geschichte hatte wage ich stark zu bezweifeln. Wie kommst du darauf?
Außerdem scheinst du diesen Traum auf jenes "schwarze Loch" reduzieren zu wollen. Das halte ich für ungerechtfertigt. Dieses "Loch" (ein Wort, dass im gesamten Text übrigens gar nicht vorkommt) verstehe ich lediglich als Mittel zum Zweck des Themas dieses Traumes. Dabei ist dieser Zweck der Vorgang des Vergessens bestimmter Erinnerungen für Dominik. Der um sich schlagende Abgrund ist dafür eine Art lebendiges Symbol.

Dass die Geschichte für dich keinen "Höhepunkt" aufweist, kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Was erwartest du?
Oder ist die Bezeichnung "Höhepunkt" für dich gleichbedeutend mit "Überraschung"? Dann hast du einen weitaus engeren Begriff dieser Beschreibung als ich.
Für mich weist die Geschichte sogar gleich zwei Höhepunkte auf, einen in der Realität und einen während des beschriebenen Traumes.

 

hey ratte,

wahrscheinlich hast du recht wenn du sagst, ich erwarte etwas anderes in dieser rubrik.
ich habe mich auf etwas anderes eingestellt und habe das nicht bekommen, ist schwierig in dieser position positiv zu urteilen.

stilistisch war allerdings alles ziemlich perfekt

 

Hallo pRatte,
eine gute Geschichte, die mir gefallen hat. Du verzichtest auf überflüssigen Schnickschnack wie weitausholende Beschreibungen und das tut deiner kg auch gut. Durch die Konzentration auf deinen Prot und seine Gedanken wird die Nahtoderfahrung noch intensiver. Irgendwie macht der Text auch traurig. Vielmehr hab ich auch gar nicht zu sagen.
Gern gelesen...
eine Sache ist mir aber noch aufgefallen:

die zum Wohnzimmer führte und wollte mich in ihre Arm nehmen, da ich zu schreien anfing. Aber ein Arm des kreisenden, dunklen Wirbels
- zweimal Arm; ist zwar nicht so schlimm, liest sich aber ein wenig störend

Einen lieben Gruß...
morti

 

Hallo morti,

jede zu erzählende Geschichte braucht wohl nicht nur ihre passenden Autoren, sondern ebenso ihre passenden Leser. Wenn dich diese Geschichte "irgendwie traurig" gemacht hat habe ich damit ein beabsichtigtes Ziel erreicht: Emotionen im Leser erwecken - und zwar weit abseits von der Lust nach dem Spektakel oder dem intellektuellen Spiel.

Danke für's kommentieren!

 

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