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Menstruation
Angstvoll blicke ich auf die Kammer mit dem letzten Tablettchen meiner empfängnisverhütenden Hormondroge.
Eine kalte Hand greift nach mir – es war also wieder soweit.
Morgen würde ich mich wieder knapp eine Woche lang von Dr. Jekyll in Ms. Hyde verwandeln.
Ich würde Bekannte, Freunde und Familie verlieren!
Ich bekomme meine Tage!
Sorgenvoll lege ich mich schlafen und harre der Dinge die da kommen mögen.
Am nächsten Morgen stehe ich nackt vor meinem Spiegel und beäuge mich misstrauisch. Meine Weiblichkeit ist mit einem Wattepropfen versiegelt, der in einem bestimmt fünf Meter langen babyblauen Bändchen endet.
Ich sehe aus wie ein Hampelmann der darauf wartet, dass man an seinem Bändchen zieht, um daraufhin alberne Turnübungen zu veranstalten.
Während ich noch so dastehe und hoffe, dass alles nicht so schlimm wird lässt mich ein gewaltiger Schlag in Form eines Unterleibkrampfes zu Boden gehen.
Die Spiele sind eröffnet.
Mich ständig in dem blauen Bändchen verheddernd krieche ich zu meinem Sofa und versinke dort in ein sechs stündiges Koma. Aus diesem werde ich durch permanentes Betätigen meiner Schelle unsanft geweckt. Wer wagt es!
Wankend gehe ich zur Tür um der ganzen Welt meinen Hass entgegen zu schreien und erblicke meinen Freund.
Manche Männer verreisen für eine Woche während ihre Frauen menstruieren, ein kleiner Teil überspielt diese Phase mit der Schatz-sollen-wir-ein-Handtuch-drunterlegen-Masche.
Doch die Mehrheit beobachtet uns einfach nur misstrauisch, nicht sicher ob wir wirklich menschliche Lebewesen sind, weigert sich uns körperlich zu Nahe zu kommen und erträgt diese Phase einfach.
So wie mein Schatz, der gerade probiert sich meinem Würgegriff zu entziehen.
Nächstes Mal erschieße ich ihn!
Er war gekommen um mich zu der Party heute Abend abzuholen, oder ob ich lieber daheim bleiben wolle?
Natürlich, und ihn kampflos der ganzen Schar Nymphomaninnen, die dort sicher lauerten, zu überlassen, nix da.
Was soll ich sagen, die Party war grauenvoll. Ich hatte es anscheinen geschafft an einem Tag zwanzig Kilo zuzunehmen, zumindest fühlte ich mich so.
Und natürlich waren alle Frauen auf dieser Fete hübscher als ich!
Habe ich schon meine Brüste erwähnt, die sich anfühlten wie Kuheuter, die seit drei Tagen nicht mehr gemolken worden waren?
Der Sonntag verläuft unbefriedigend, niemand ist da den ich anschreien kann und ich sehne mich nach dem gefühlskalten, frauenhassenden, exzentrischen Arschloch.
So oder so ähnlich hatte ich meinen Freund gestern der Tür verwiesen.
Also stopfe ich Süßigkeiten in mich hinein, denn bei den zwanzig Kilo kommt es auf eins mehr ja wohl auch nicht an!
Am Montag gehe ich in einem Kartoffelsack zur Arbeit. Erstens fühle ich mich wie einer und zweitens sehe ich in meinen anderen Klamotten eindeutig zu fett aus.
Den beiden ersten Kollegen, die es wagen mich länger zu mustern, als es zu einem flüchtigen Hallo bedarf, schreibe ich die fristlose Kündigung.
Als ich zur Mittagszeit in der Kantine erscheine, meidet das niedere Geschlecht meinen Tisch und ich kann mich ungestört meinem Schokopudding mit Senf hingeben.
Am nächsten Tag beschließe ich gar nicht mehr zur Arbeit zu gehen und verbringe den Rest der Woche damit aus Lebensmitteln Vodoopuppen zu basteln, die meinen Ex-Freunden ähnlich sehen. Diese koche, frittiere, grille, backe und verspeise ich.
Da meine Unterleibsschmerzen noch stärker werden, rufe ich auch gleich meinen Gynäkologen an und bitte um eine Überweisung in das Krankenhaus zwecks Totaloperation.
Meinen Spiegel schmeisse ich genervt aus dem Fenster, wohlweislich darauf achtend nur einen männlichen Passanten zu treffen und mein Hund ist jetzt kastriert. Ersatzbefriedigung!
Am Freitag erreiche ich den Höhepunkt meiner Odyssee.
Meine bessere Hälfte bindet mich unter Einsatz seines Lebens an einem Stuhl fest, um unausweichliche Gewalttaten und Morde an seinen Artgenossen zu verhindern.
Dieses Szenario muss wohl einer Teufelsaustreibung aus einem Horrorfilm gleichen, jedenfalls nagelt er alle Fenster zu und sichert die Tür mit einem Extraschloss.
Bei dem Versuch mir ein Kruzifix umzuhängen verliert er fast seine Hand.
Nun treibe ich allein auf meinen Stuhl durch meine Wohnung, getragen von den Wellen meiner Tränen, die ich kurz nach seiner Flucht zu weinen begonnen habe.
Langsam merke ich dass meine Schmerzen nachlassen, ich die 20 Kilo wieder abnehme und mich wieder in ein zurechnungsfähiges Menschenkind verwandle.
Ich hab´s überstanden und die meisten Männer in meinem Umfeld leben noch.
Auch mein Freund, der mich doch hoffentlich morgen früh wieder losbindet, das hat er bis jetzt immer getan.