Messias
„Fühlst du dich stark genug?“, fragte Salomon und bedachte den geschundenen Mann auf dem Bett mit einem mitleidvollen Blick. Isaak hatten ihn seine Eltern vor 28 Jahren getauft, nun nannte man ihn in Kapernaum nur noch den Messias.
„Ja“, brachte der rothaarige Mann gequält hervor. Er war nackt bis auf ein Leinentuch, das seine Genitalien verbarg. Schweiß glänzte auf seinem abgemagerten Körper. Salomon hatte die Symptome als Fieber gedeutet, doch Isaak hatte sich geweigert, als er ihm schmerzlindernde Tees angeboten hatte.
Das Fieber käme von Gott und er habe nicht das Recht, sich dem Leiden zu widersetzen, hatte er geantwortet.
„Bald wird es gänzlich dunkel sein“, sagte Salomon. „Sie werden bald kommen, um dich zu holen. Josua, Nehemia. Noch ist Zeit, Junge.“ Salomon wusste, dass es vergebens war, Isaak umstimmen zu wollen. Schon als Kind hatte er einen ausgeprägten Willen besessen, was sein Vater nur allzu oft mit drakonischen Strafen gezollt hatte.
Salomon stieß einen lauten Seufzer aus und blickte dann durch das offen stehende Fenster seines bescheidenen Hauses. Die Dämmerung hatte eingesetzt und legte die weiten Wiesenflächen südlich des Dorfes in einen rötlichen Schimmer. Es war zwei Nächte her, da war eine Horde der Kriecher über dieses Stück Natur herangekommen. Die Schreie der Wachen hatten die Dorfbewohner aufschrecken lassen. Salomon hatte noch mitbekommen, wie eine der Wachen einen Schuss auf eine der dunklen Gestalten abgegeben hatte, bevor ihn eines der Wesen zu Boden geworfen und mit einem einzigen Biss die Hälfte seines Gesichts weggerissen hatte. Da war sein Partner – der gute Machlon – bereits nicht mehr als Fleisch für einen anderen Teil der Brut gewesen. Einen weiteren Toten unter den Dorfbewohnern hatte dieser letzte Angriff nicht gefordert. In Kapernaum war man sich der Gefahr stets bewusst, und so waren die Männer aus allen elf Häusern mit Gewehren in den Händen herbeigeeilt.
Sechs tote Kriecher hatte Salomon gezählt, als das Gemetzel vorüber gewesen war. Es war glimpflich abgelaufen, setzte man diese Nacht in Vergleich mit vorangegangen Angriffen, deren mörderischer Höhepunkt die Einwohnerzahl des Dorfs von 89 auf 61 dezimiert hatte.
„In der entgegen gesetzten Himmelsrichtung liegt Kreuz und Werkzeug bereit“, sagte Isaak und holte den Alten aus seinen schwarzen Gedanken in die nicht weniger finstre Gegenwart.
Aufgrund der Worte hatte Salomon Angst in den Augen Isaaks vermutet; als er sich nach ihm umdrehte, war es Vorfreude, mit der er konfrontiert wurde.
Er seufzte ein weiteres Mal.
„Es waren die Kriecher, an die du gedacht hast“, sagte Isaak im ruhigen Ton. Salomon nickte.
„Hast du auch Nehemia erzählt, was er denkt?“ Es klang fast abschätzig. Salomon war nicht beeindruckt von den angeblichen Wundern, wegen denen man Isaak in den Rang eines Gottessohns erhoben hatte. Der Junge hatte ohne Zweifel Außergewöhnliches geleistet und zugegebener Maßen war selbst für Salomon, der seit seiner 70 Jahre zurückliegenden Jugend die Bücher der Ahnen, die noch erhalten geblieben waren, studiert hatte, nicht alles von dem erklärbar gewesen, doch wie viel wissen war bei der Apokalypse verloren gegangen? Sie sahen die Wunder, weil sie mit ihrer ganzen Existenz daran glauben wollten.
„Ja, das habe ich tatsächlich, Salomon“, sagte Isaak. Und bevor der weise Mann, dem für den er wie einen Vater empfand, noch etwas erwidern konnte, störte ein lautes Pochen gegen die Tür die Ruhe dieses Abends. „Messias!“, rief eine aufgeregte Stimme. „Messias! Es ist gerichtet, Herr!“
In der Mitte des Weizenfelds, das sich östlich des Dorfes erstreckte und dann in ein Waldgebiet überging, hatte man eine Lichtung geschaffen. Dort hatte sich ganz Kapernaum versammelt. Mit gebührendem Abstand bildeten sie einen fast gänzlich geschlossenen Kreis. In ihrer Mitte lag das Kreuz, gefertigt aus bestem Eichenholz. Einige in der Menge trugen Fackeln, wohl wissend, dass die Dunkelheit zu dieser Jahreszeit rasch hereinbrach, wenn einmal die Dämmerung eingesetzt hatte. Sie alle blickten andächtig zu Boden, als Josua, der Schmied, und der kräftige Hiob sich ihnen von Süden her durch eine Schneise näherten. Hinter ihnen ging der Messias. Seine Erscheinung hatte nichts von einem Helden, dazu war er zu schmächtig und seine Gesichtszüge zu weich, doch ließ er nicht ein Anzeichen von Furcht oder Zweifel erkennen.
Salomon folgte ihnen mit einigem Abstand. Es war ihm zuwider dieses Schauspiel, doch konnte er sich nicht der morbiden Faszination erwehren, die es mit sich brachte. Als Kind hatte er öfters in den Wäldern weiter östlich gespielt. Eines Tages hatte er gut verborgen hinter hohen Büschen ein Reh entdeckt, das sich auf dem Rücken liegend in einer Lake seines eigenen Blutes windend dem Tod erwehrt hatte. In seiner Bauchdecke hatte ein armsdicker Ast gesteckt. Es hatte bis zum Einsetzen der Dämmerung gedauert, bis auch der letzte Muskel des Tiers das Zucken eingestellt hatte und das gnädige Ende erreicht war.
Salomon hatte sich während dieser Zeit zwei Mal übergeben müssen und hatte Mitleid empfunden, dennoch hatte er seine Augen nicht abwenden können.
So ähnlich fühlte er sich auch jetzt und er hätte beinahe Grinsen müssen über die Erkenntnis, dass man auch mit 70 Jahren nicht reifer war, als ein kleiner Junge. Ein böses Urteil über das Wesen des Menschen. Und vielleicht, vielleicht hätte es in dem schicksalhaften 58. Jahr des 3. Jahrtausends seit der Geburt des Gottes Sohns ein Ende finden sollen. Vielleicht wäre es besser gewesen.
Damals vor 161 Jahren, als die Mütter…
Ein heftiges Husten unterbrach seinen Gedankengang und als er erloschen war, fühlte Salomon Scham über seinen schwachen Willen, der ihn immer wieder den Pessimismus huldigen ließ.
Du darfst so nicht denken, schrie er sich innerlich an. Das sind die Gedanken des Versagers, der Angst vor seiner eigenen Existenz hat, die bald erlöschen wird. Doch um dich sind noch mehr Menschen und um ihrer Zukunft willen wirst du nicht so denken!
Er warf einen Blick zum Himmel, wobei sein Nacken ein widerliches Knacken von sich gab und bat Gott, dass es ein schnelles Ende finden würde, und dass er im Unrecht war und es doch einen Nutzen gab. Diese Zeremonie, diese Tage, ihrer aller verdammter Existenz.
„Die Stunde ist gekommen, Gemeinde. Wie lange... Wie lange warteten wir darauf?“ Noah sprach mit fester zorniger Stimme, so wie es dieser erhabene Moment gebührte. Er war der Zweitälteste nach Salomon.
„Doch der Herr hat seine Herde nicht im Stich gelassen!“ Er hatte zum scharlachroten Himmel empor geschaut, nun richtete er den Blick auf die Menge.
„In all den Jahren des Leids, der Krankheit und des Hungers hat uns der Glaube nicht verlassen, und wie das auserwählte Volk Israels, so werden auch wir Lohn empfangen. In den dunklen Stunden sandte er uns das Licht, das uns erlösen und uns aus dem Tal der Tränen führen wird.“ Er breitete die Arme aus und sah Isaak an, der einige Meter vor ihm stand. Der umstehenden Gemeinde entfuhr ein einheitliches Seufzen. Auch Salomon konnte nicht verhindern, dass die pathetischen Worte des Dorfoberen ihn berührten. Obwohl er Noah aufgrund seines egozentrischen Wesens nicht wohl gesonnen war, konnte er nicht leugnen, dass er der ideale Zeremonienmeister war.
Salomon hatte sich einen Platz in dem Menschenkreis gesucht. Nun stand er zwischen Jesaja und Maria einem Ehepaar mittleren Alters, die sechs Kinder in die Welt gesetzt hatten, von denen nur noch zwei den heutigen Tag erleben durften. Ein Junge und ein Mädchen, 12 und 5, beide im Gesicht missgestaltet, wie es bei den Geburten der letzten beiden Jahrzehnte Regel gewesen war.
Dieses schien jetzt überwunden. Jedenfalls kamen die vier letzten Kinder ohne Behinderungen auf die Welt und dafür hatte Salomon Gott gedankt. Aufgrund seiner medizinischen Kenntnisse war er bei den meisten Geburten als Helfer tätig gewesen, und es hatte in seinem Leben kaum schlimmere Situation gegeben, als die, in denen er in den Augen der Mutter die Abscheu über das Aussehen ihres Neugeborenen gesehen hatte.
„Die letzten Jahrzehnte – Sie waren Gottes Prüfung und wir haben sie bestanden, Brüder und Schwestern. Zuerst kam die Hungersnot, dann kam die Zeit der Missgestalteten…“
Salomon warf bei diesem Wort unwillkürlich einen Blick zu dem Geschwisterpaar, das vor ihrer Mutter stand – der Junge mit einer aufgequollenen rechten Wange, auf der sich ein Netz blauer Äderchen abzeichnete, und das Mädchen, dessen linkes Ohr nicht mehr als ein Knubbel war und dessen Mund eine Hasensparte aufwies. Ihre Augen waren leer. Sie verstanden nicht, was sich hier abspielte, weil sie ohnehin nicht sehr viel verstanden. Wie die meisten Kinder aus der Zeit der Missgestalteten waren auch sie geistig zurückgeblieben.
„…und in den letzten zwei Jahren – Die Kriecher. Vielleicht die härteste Prüfung, das größte Unheil. Der Teufel hat sie erschaffen, um Gottes letzte Herde zu bekämpfen. Aus dem Schlund der Hölle kamen sie heraufgestiegen. Gott hat sie wallten lassen, wissend, dass wir uns als würdig erweisen werden. Und mit diesem Abend wird er uns erlösen.“ Noah ließ die Worte wirken. Er schaute in ihre Gesichter. Sie alle waren ernst. Keiner murmelte etwas oder summte etwas vor sich hin. Auch nicht eines der missgestalteten Kinder.
„Er sandte uns seinen Sohn!“ Die Menge blickte auf Isaak, ihren Messias, in den sie all ihre Hoffnung setzte.
„Vor mehr als zweitausend Jahren hat er sein Leben gelassen für das Seelenheil seiner Kreaturen. An diesem heiligen Tag wird sich das Wunder wiederholen. Die neue Generation – wir sind ihr Anfang – wird an einem Ort leben, so himmlisch wie der Garten Eden einst war, bevor der Teufel die Schwäche in den Menschengeist einflößte. Vor 161 Jahren…“ Den Dorfbewohnern entfuhr ein Stöhnen. Sie wussten um die grauenvollen Geschichten die dieser Zeitnennung unweigerlich folgten.
„Vor 161 Jahren“, wiederholte Noah um die Wichtigkeit seiner Worte zu unterstreichen.
„Hatte der Herr genug und er machte dem Treiben der Wollust und Maßlosigkeit ein jähes Ende. Die Ahnen unsres Geschlechts, welche sich der Sünde hingegeben und Gottes Wort missachtet, ja seine Werte entweiht hatten – das gerechte Leid brach über sie herein. Ihr wisst es, Brüder und Schwerstern!“
Zustimmendes Gemurmel setzte ein. Vereinzelte Ja-Rufe.
„Die Frauen der alten Generation brachten keine Kinder mehr zu Welt. Nicht atmende Missgeburten flutschten aus ihrer Furche, so grässlich anzusehen, dass sie den Wahnsinn in die Augen ihrer gottlosen Eltern pflanzten. So erstarb das Sündergeschlecht und nur ein Dorf im Süden des Landes, das die Schriften als Deutschland überliefern, wurde verschont. Mertefels, so wurde es genannt, bis Gottes Schwert her niederfiel. Die neue Generation, wir Brüder und Schwestern, haben ihm den Namen des biblischen Kapernaum gegeben. Wir sind die letzten, des Menschengeschlechts, wie weite Wanderungen unserer Eltern durch verdorrte Landschaften gesät mit verfaulenden Toten bewiesen haben.“ Er senkte den Kopf und nahm das metallene Kreuz, das an einer massiven Kette auf seiner Brust ruhte.
„Lasset uns beten!“
Isaak hatte sich auf das Kreuz gelegt, und die Menge war ein paar Schritte weiter davon zurückgetreten. Er hatte seine dünnen Arme ausgebreitet und die Augen waren in den Himmel gerichtet, der die Farbe des Blutes angenommen hatte. Im Osten kam die Dunkelheit bedrohlich nahe. Die Fackeln entfachten nun ihre ganze Wirkung und verliehen der Szenerie zusätzliche Magie.
Josua und Hiob hatten jeweils zur Rechten und Linken Stellung genommen. In Ihren Händen lagen Hammer und Nägel bereit. Sie warteten nur noch auf das Zeichen Noahs. Er stand am Kopfende des Kreuzes. Mit seinem langen weißen Bart und dem Haar, das ihm bis auf die Brust fiel, hatte er auch die Optik eines Zeremonienmeisters. Er hatte die rechte Hand erhoben und ließ sie fallen, just in dem Moment, als der schrille Ruf eines Vogels vom Osten her verklungen war.
Die beiden Männer warfen ihm einen fragenden Blick zu, und Salomon hatte für einen Moment die Hoffnung, das Ganze würde doch noch verhindert werden. Noahs Nicken ließ sie ersterben.
Die Helfer knieten nieder, ergriffen Isaaks Unterarme, knieten sich auf ihn und fixierten ihn somit auf dem Holz. Die Maße passten. Johannes, der Säufer, bei dem es kein Geheimnis war, dass eine seiner Freizeitbeschäftigungen, das Schlagen seiner Frau war, hatte ganze Arbeit geleistet.
Eisen durchbrach Fleisch und verkrampfte Muskelstränge, schließlich Holz. Zuerst war es die rechte Hand, die durchbohrt wurde. Doch noch eher Isaaks entsetzter Aufschrei verklungen war, ließ auch Josua den Hammer nieder sausen.
Salomon nahm das Geschehen wie ein Träumender auf. Zu surreal war die Inszenierung – anders als damals bei dem Reh. Der einzige klare Gedanke, der sich aus dem Wirrwarr in seinem Kopf herauskristallisierte drehte sich darum, wie es sein konnte, dass zwei so verdammt große Nägel nur so wenig Blut fließen ließen.
Isaak wand sich auf dem Kreuz, sein Kopf schoss hoch und schlug dann wieder nieder, wobei er jedes Mal ein schrecklich dumpfes Geräusch machte, dass Salomon glaubte, seine Schädeldecke würde brechen. Seine Beine traten wild aus und fanden doch kein Ziel.
Nun war der große Auftritt für die kleine Maria gekommen. Das erste Kind seit einer langen Periode, das gänzlich unbeschadet den Mutterleib verlassen hatte, torkelte in einem hellgrünen Kleid auf den am Kreuz genagelten Isaak zu. In ihren kleinen Händchen hielt sie die Nachbildung der biblischen Dornenkrone.
Sie konnte kaum richtig sprechen und es war ihrem Gesicht anzusehen, dass sie zu jung war, um zu verstehen und sich somit von den Leiden des keuchenden Mannes aufhalten zu lassen. Isaaks Kopf lag ruhig und so schaffte es das kleine Mädchen ohne längeren Anlauf, ihm die Krone, die ihre Mutter geflochten hatte, aufzusetzen.
Isaaks schmerzverzerrtes Gesicht bannte die Menge so sehr, dass sie ein anderes, das einem jungen Mann gehörte, der sich gerade robbend einen Weg durch den Weizen auf die Lichtung erkämpft hatte, zunächst nicht wahrnahm.
Der Herr wusste, wo der Ursprung seiner Reise lag. Äußerlich unterschied er sich nicht von den Einwohnern Kapernaums, weder durch seine Hautfarbe noch durch seine Kleidung. Er hinterließ blutige Spuren an dem Getreide. Das Blut stammte vor allem aus dem Stumpf, in dem sein rechter Arm endete. Aber auch der Rest seines Körpers war mit Wunden übersät; eine teilte seine linke Gesichtshälfte und verlief vom Mundwinkel bis zu seinem Ohr.
Durch den Mund des jungen Mannes drang ein Keuchen, das wenig von einem Lebenden hatte.
Das letzte, was er in dieser Welt sah, bevor er in eine andere abtrat, war das missgestaltete Gesicht eines kleinen Mädchens.
Salomon zuckte zusammen, als das Mädchen neben ihm einen abgehakten, schrillen Schrei ausstieß. Als er ihrem Blick folgte, entdeckte er den reglosen Körper, der zur Hälfte aus dem Brusthohen Weizen auf die Lichtung hinausragte.
Weitere Schreie ertönten in seiner unmittelbaren Umgebung, doch Salomon nahm sie wie in einem Traum wahr. Ein einziger Gedanke hämmerte in seinem Kopf: Das Ende des Menschengeschlechts… das Ende des Menschenge…
Und dann brachen sie durch das Getreide. Die braun-schwarzen Körper der Kriecher zeichneten sich vor dem milden Gelb des Weizens ab.
Mindestens zwei dutzend, dachte Salomon. Eine wohlgenährte Frau rempelte ihn an der Schulter, als sie versuchte dem nahenden Tod zu entkommen und hätte ihn dabei beinahe umgeworfen. Er registrierte es kaum, wie er zuvor den Schrei kaum registriert hatte. Zu stark brannte der Gedanke in seinem Hirn und zu gebannt beobachteten seine Augen, wie immer mehr der schlanken, sehnigen Körper auf die Lichtung huschten. Eine wahre Flut.
Kriecher nannte man sie, da sie sich mit extrem nach vorne gebeugtem Oberkörper fortbewegten. Man hätte ihnen einen anderen Namen geben sollen, dachte Salomon, als er sich ihrer flinken anmutigen Bewegungen bewusst wurde.
Einen Augenblick später wurde Matthäus angefallen und fiel zu Boden. Ein Biss ins Genick bereitete seinem 34jährigen Leben ein geräuschvolles Ende. Ein weiterer Kriecher stieß hinzu und Salomon konnte im schwachen Licht die gelben, nach innen gebogenen Zähne des breiten Mauls sehen, bevor es diese in den Nacken grub und den Kopf des Armen abriss. Aus dem Stumpf quoll das dunkle Blut, wie aus einer Bachquelle. Um den Schädel entwickelte sich ein Bruderstreit.
Mehr und mehr Menschen rannten an Salomon vorbei. All ihre Gewehre lagen in ihren Häusern; man hatte beschlossen, dass dieser Abend zu feierlich für…
Ein Schrei übertönte alle anderen und direkt vor Salomons Füßen kam ein abgetrennter Arm zum Liegen. In einiger Entfernung sah er einen menschlichen Körper unter den behaarten Körpern von Kriechern. Schmatzgeräusche gingen von ihnen aus, und als sie kurz von ihrer Beute aufschauten, waren ihre Mäuler blutbefleckt und Fleischstränge hatten sich in ihren Zähnen verfangen. Sie fraßen ihr Opfer durch den Rücken auf.
Salomon spürte endlich Panik aufkommen. Der Zustand der Agonie, in dem er geschwebt hatte, war auf einmal überwunden. Er warf noch einen letzten Blick auf das Kreuz, das in der Mitte des Gemetzels thronte. Ihr Messias wand sich über ihren Köpfen und Tränen flossen an seinen Wangen hinab. Das war das Ende! Hatte es je einen Zweifel gegeben…
Lauf!, schrie der Teil in ihm, der unbedingt überleben wollte hysterisch.
Er drehte sich um, nahm aus den Augenwinkeln Schatten war, die an ihm vorbei huschten. Es gab kein Entkommen. Um ihn herum Körperteile, Blut, Gedärm, Schreie.
Im Getreide vor ihm loderten Flammen, die nicht lange brauchen würden, um das ganze Feld zu vernichten. Auf der Flucht mussten sie ihre Fackeln weggeschmissen haben.
Salomon setzte zum Laufen an, da hielt ihn ein Widerstand an seinem rechten Knöchel zurück. Als er hinab sah, war es Noah.
„Wir müssen… bleiben! Wir… müssen…!“ Er verstummte und sein Gesicht sank auf den Boden.
Das Ende des Menschengeschlechts, dachte Salomon, dann spürte er einen bohrenden Schmerz in seinem Rücken.