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Meuterei im Kuhstall
Die Stalltür flog auf und herein rauschte der Tierarzt - sofort war Panik angesagt! Liese stotterte wie immer, wenn etwas sie aufregte (und das konnte schon ein wenig Stroh im Kraftfutter sein) "D-d-da k-k-kommt d-der T-Tierarzt!". "Ne, echt?" maulte Klara rechts neben ihr, die schon ein paar Melkzeiten mehr auf dem Buckel hatte und die so leicht nichts schocken konnte; "Das is‘ ja 'ne tolle Erkenntnis!" Liese war prompt beleidigt (wie immer) und fuhr fort, den Tierarzt mit großen Augen anzuschauen und mit dem Hintern hin- und herzuwackeln (ein toller Trick, wenn der Tierarzt näher kommt - meist geht er dann erst mal zur Nachbarin). Gegenüber stöhnte Elsbeth "Ohgottohgottohgott" - in Anbetracht der Tatsache, dass sie ihr letztes Kalb vor einem Jahr bekommen hatte und seitdem ständig vom Besamer gequält wurde, hatte sie auch allen Grund dazu - und Frieda zwei Plätze weiter brüllte "der kriegt mich nicht, das lass ich nicht zu!". "Der hat noch jede gekriegt!" brummte die abgeklärte Klara in ihren Bart. Immer dasselbe! Kaum kommt der Tierarzt, drehen die Kühe durch.
Ein langer, forschender Blick des HU-Knilches (der hatte seinen Namen weg, weil er sich, wenn er eine Kuh in den Melkstand treiben wollte, hinter sie stellte und mit einem lauten HU die Arme hochriss - dass Schock nicht besonders förderlich für die Milchabgabe ist, hatte dem wohl keiner erzählt!), der die Listen mit den zum Quälen Verurteilten in der Hand hielt, ging durch die Reihen. Elsbeth wimmerte vor sich hin und Liese blieb vor gespannter Erwartung jegliches Stottern im Halse stecken (der Tierarzt sollte öfters kommen). "DA (alles zuckte zusammen) fangen wir an..." spie er aus und grinste fröhlich Magda an, eine kleine Anderthalbjährige, die erst vor kurzem in den Stall gekommen war. Magda sah mit vor Schreck geweiteten Augen in die mitleidigen Gesichter der anderen und schluckte. Für sie war es das erste Mal und sie hatte von den anderen gehört, wie weh es tut, wenn der Tierarzt mit seinem dicken Arm im Hintern rumwühlt. "Kneif die Pobacken zusammen, Mädel!" rief Zenzi vom anderen Ende des Stalls, "mach ihm das Leben zur Hölle!" Sofort ging eine wilde Diskussion zwischen Liese und Frieda los, wie man dem Tierarzt die Arbeit möglichst schwer machen könnte. "Haltet die Klappe!" schimpfte Klara, die Lieses blödsinniges Gestottere von ihrer letzten Rektaluntersuchung nicht mehr ertragen konnte - immer dieselbe Geschichte, wie der Tierarzt bestimmt 10 Minuten in ihr rumgewühlt hatte und sie dann eine riesige Spritze in den Hintern bekommen hatte. Als wenn es den anderen besser ergangen wäre, und vonwegen 10 Minuten!
Währenddessen hatte der Tierarzt seinen langen Handschuh mit den scharfen Kanten angezogen und näherte sich bedrohlich Magdas Hintern. Er säuselte etwas von "Ganz ruhig, bleib ruhig stehen.". Der hatte Nerven! Ihm wurde ja kein Arm in den Hintern gerammt! Magda fing vor Panik schon an zu schielen und war einer Ohnmacht nahe, als der Tierarzt anfing, an ihrem Hintern rumzuwerken. "AU AU" jammerte sie in den höchsten Tönen und sackte mit dem Hintern nach unten. "Gut so, Kleine, brich ihm den Arm!" spornte Zenzi sie an. Magda schlug wild mit dem Kopf hin und her und versuchte, den Hintern ganz doll zusammenzukneifen, um dem Sadisten die Lust am Rumwühlen zu nehmen, doch leider hatte das noch nie funktioniert - der war echt hart im Nehmen. Die anderen Kühe beäugten das Geschehen mit wachsendem Entsetzen - nicht mal die Jungen wurden verschont. Harte Welt!
Als Magda die peinliche Prozedur hinter sich hatte, drückte sie sich mit ausdrucklosem Gesicht an die Wand. "Kopf hoch, der kommt so schnell nicht wieder." versuchte Klara sie aufzumuntern, aber von Magda kam keine Reaktion.
Als nächste war Liese dran, die schon im Voraus einen riesigen Aufstand machte. "W-w-weg d-da, l-l-laß m-m-ich in R-Ruhe!" stotterte sie aufgebracht, dabei hatte sie bei Magda nicht wirklich Mitleid gezeigt. So war Liese - wenn ihr etwas Schlimmes passierte, ging die Welt unter (und sie ließ es alle lauthals wissen!), aber zu dem Leid anderer hatte sie keinen Bezug. Sie wackelte beharrlich mit dem Hintern und versuchte ein böses Gesicht zu machen (was eher lächerlich aussah), aber trotz aller Anstrengung schnappte sich der HU-Typ Lieses Schwanz und drehte ihn ruppig über ihren Rücken. Sie schrie, als wenn sie abgestochen würde "M-mein Schw-w-wanz ist gebr-br-brochen, m-mein Schw-w-wanz ist gebr-br-brochen...", wofür sie von Klara nur ein "Krieg dich wieder ein!" erntete. Lieses Schwanz brach jedes Mal! Um die Dramatik auf die Spitze zu treiben, riss Liese den Kopf in die Höhe und schrie „Entehrung!“, wobei sie erstaunlicherweise nicht stotterte. Der Tierarzt grub seinen dicken Arm in ihren Hintern, wühlte genußvoll und schaute dabei angestrengt, weil Liese mit aller Kraft ihren Hintern zusammenkniff - sein Arm sollte alles Blut verlieren und dann langsam absterben, das hatte sie sich mit Frieda ausgedacht. Guter Plan, leider ist so ein Menschenarm härter als ein Kuhhintern. Nach HÖCHSTENS 2 Minuten zog der Tierarzt seinen Arm wieder heraus (er war noch dran) und ließ Liese links liegen. Die war puterrot ums Flotzmaul geworden und erging sich jetzt in den höchsten Tönen darüber, wie entwürdigend so eine Behandlung ist, und warum es immer sie treffen muss... Blablabla
Die Kühe hatten sich abgesprochen, Lieses Gejammer nicht länger zu beachten und schauten nun bedauernd Klara an - sie war die Nächste. Doch Klara zeigte keine Panik, wie die anderen, im Gegenteil! Klara stand ganz still, den Kopf nach vorne gerichtet, wie in Angriffsposition. Nur ihre Ohren waren nach hinten gewandt, in Richtung des Tierarztes. „Komm nur her, du!“ raunte sie bedrohlich. „Was hast Du vor?“ fragte Zenzi entgeistert, denn das letzte Mal, als eine Kuh sich gegen die grobe Behandlung gewehrt hatte, bekam der gesamte Stall für zwei Wochen nur die halbe Ration Futter, und die moppelige Zenzi konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen als noch mal so hart für etwas bestraft zu werden, womit sie nicht mal was zu tun hatte, „Tu nichts, was Folgen für uns haben könnte!“ „Den werde ich das Fliegen lehren - einer ehrbaren Kuh an den Hintern gehen. Das kann er sich für die nächste Zeit abschminken!“ lachte Klara leise. „Ich bitte Dich, tu nichts, was den HU-Knilch ärgern könnte! Wer weiß, was dem diesmal einfällt! Bitte, mach uns keinen Ärger!“ flehte auch Elsbeth. „Gerade du meckerst, Elsbeth! Weißt du, was mit Kühen passiert, die nicht jedes Jahr brav ein Kalb bekommen?“ Mehr musste Klara gar nicht sagen. Alle Kühe, die das Gespräch verfolgt hatten, wurden kalkweiß ums Flotzmaul - niemand konnte genau sagen, was mit solchen Kühen passiert, aber die Menschen, die dann kamen und sie abholten, rochen schrecklich - nach Gewalt und Tod. „Ihr seid solche Luschen! Wollt ihr Euch das auf Dauer gefallen lassen, Menschen, die euch im Hintern rumgraben, so dass ihr zwei Tage nicht wisst, wie ihr am besten liegen sollt? Ich weiß, wahrscheinlich bringt es nichts, sich zu wehren, aber ich werde mir nicht mehr alles von den Menschen gefallen lassen. Jetzt ist Schluss mit lustig!!!“ Klara schaute wild entschlossen in die Runde - und sah nur dumm-dämliche Gesichter! Keine, aber auch wirklich keine Kuh hatte den tieferen Sinn ihrer Rede mitbekommen - wahrscheinlich waren sie in Gedanken beim letzten Futter-Entzug. Klara seufzte tief „Gott, warum sind Kühe nur so einfach gestrickt!!!“.
So in Fahrt geredet war Klara nicht aufgefallen, dass der Tierarzt sich den Handschuh zurechtgerückt hatte (derselbe wie am Anfang - der Typ nahm sich tatsächlich heraus, mit dem selben Handschuh in alle Hintern zu greifen!) und gefährlich nah herangeschlichen war. Er erzählte irgendwas und der HU-Knilch lachte laut. Klara erschrak, als sie das Lachen genau hinter sich hörte - sie wandte sich um und sah den Tierarzt genau in ihrer Schusslinie stehen. Doch so blöd war der nicht, dass er ins offene Messer gerannt wäre - er blieb außer Reichweite, während er mit dem HU-Knilch scherzte („Noch kannst Du lachen, Wicht!“ dachte sich Klara). Was tun, damit er unaufmerksam wird, wenn er an mich ran will, grübelte sie, und die Lösung gefiel ihr gar nicht - Liese!
„Liese, hör mal zu.“ „Hm?“ Diese war immer noch in ihrer „Ich-armes-Tö“-Welt, wo ja nur sie existierte, und war vom extrovertierten Gejammere zum stillen Leid über-gegangen (was allgemein begrüßt wurde). „Liese, willst du einmal in deinem Leben etwas Sinnvolles tun?“ AUTSCH, das hätte sie nicht sagen sollen - sofort war Liese auf 180. „Ich t-t-tue jeden T-tag etwas S-s-sinnvolles - ich un-terhalte euch mit m-m-meinen Geschichten, damit die Stimmung n-nicht noch trüber wird a-als ohnehin schon. ICH bin hier n-nicht die Sp-sp-spielverderberin, die auf a-alles immer eine sch-schlaue Antwort hat und uns a-alle hier d-d-dauernd ru-runterzieht. ICH ha-ha-habe i-immer ein offenes Ohr f-f-für die anderen, w-während DU nur meckern k-k-kannst - wie sch-schlecht der Stall ist, und dass ich m-m-meine K-Klappe halten soll... Immerhin ha-habe ICH etwas zu sagen und...“ Liese schaukelte sich in Rage und fing an, mit den Klauen wild auf den Boden stampfen und den Schwanz hin- und herzuschlagen. Klaras‘s Überzeugungstaktik war zwar komplett daneben-gegangen, aber das Ergebnis war ideal! Liese führte so einen Affentanz auf, dass der Tierarzt, der sich seinen Weg in Klaras Hintern graben wollte, nicht mehr auf Klara achtete, sondern nur aufpasste, dass er von Liese keine gewischt bekam. Beide Augen auf Liese geheftet, kam er langsam näher - Klara nahm ihn ins Visier, spannte die Muskeln und holte weit aus ...sie erwischte ihn mit Karacho am Bein (mit dem Frust der letzten Jahre) und der Tierarzt klatschte an die Stallwand!
Alle Kühe hielten den Atem an - das hatte keine erwartet! Davon hatten sie schon immer geträumt, und nun war es wahr! Langsam rutschte der Tierarzt die Wand runter und blieb leise wimmernd im Dreck sitzen. Keine sagte ein Wort - alle waren wie vernebelt von Klara‘s Heldentat. Der HU-Knilch stand mit milchweiß-bebendem Maul da und sah den Tierarzt aus schreckgeweiteten Augen an. Klara blickte dem Tierarzt fest ins schockstarre Gesicht: „Ich hatte dich gewarnt!“ Alle Kühe schauten Klara ehrfurchtsvoll an und konnten vor Stauen kaum das Maul zu bekommen. Der Tierarzt kam langsam wieder zur Besinnung und gelangte mit Hilfe des HU-Knilches wieder auf die Beine - im Schneckentempo humpelte er auf den Knilch gestützt aus dem Stall und sah nicht so aus, als würde er bald wiederkommen.
Sie hatten sich gewehrt! Ein Sieg, klein, fürwahr, aber ihr Sieg! Noch lange, nachdem der Tierarzt das Weite gesucht hatte, standen die Kühe wie gelähmt vor Ehrfurcht und Zukunftsvisionen da und konnten es kaum fassen! Ein Zeichen an die Menschen, dass sich etwas ändern wird - dass die Kühe so nicht mehr mit sich umspringen lassen. An die Konsequenzen mochte in diesem Moment keine denken - die Vorstellung, ab sofort ihr Schicksal selber bestimmen zu können, war zu schön!
Der Tag ging zuende und noch lange hörte man euphorisches Gemuhe aus dem Stall...