Was ist neu

***Micky***

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30.09.2001
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***Micky***

Es war ein heisser August . Wir hatten wenigstens 35 Grad im Schatten. Meine Besitzerin liess mich auf dem Balkon stehen , ein Tuch auf dem Käfig schützte mich vor der heissen Sonne. An das Türchen machte sie ein kleines Badehäuschen fest. Aber leider nicht richtig. Und wie ich da so schön plätscherte und meine Flügelchen ins Wasser tauchte, fiel mit einem Mal das Häuschen runter. Plumps, fürchterlich erschreckte ich mich. Ich fiel mit dem Köpfchen ins Wasser und entfleuchte so schnell ich konnte in die Freiheit.

Aber alles war so grenzenlos gross. Ich kannte ja nur meinen Käfig und das kleine Zimmer indem ich abends stundenlang fliegen durfte. Ich wusste garnicht wohin, hatte keine Orientierung. Stundenlang irrte ich durch die Lüfte. Ich setzte mich auf einen Ast und da kamen ganz viele Spatzen , eine Horde, die mich misstrauisch beäugelte. Und dann fingen sie an auf mir rumzuhacken. Ihre spitzen Schnäbelchen zerfetzten mein Gefieder und meinen Schwanz. Voller Angst flog ich weiter , immer weiter in die Ungewissheit. Mein Flug war abenteuerlich schwankend, schliesslich hatten sie mir die Flugfedern am Schwanz ausgerupft.

Müde, hungrig und vor allen Dingen durstig war ich. Ich flog in die Dämmerung hinein, konnte nichts mehr richtig sehen. Ich hatte Todesangst und Heimweh nach meinem Frauchen. Da auf einmal flog ich in ein Netz. Es hielt mich fest und liess meine Krallen nicht mehr los. Eine Frau schrie ganz laut *da fliegt was* , *schnell , Papa, im Wohnzimmer*. Dann wurde die Stimme leiser und eine ganz dunkle Stimme sagte *Mach schnell das Fenster zu, da hängt ein Sittich in der Gardine*.

Eine grosse Männerhand umschlang mich sanft aber fest. Mein Herz schlug behende, ich wäre vor Angst fast gestorben. Sachte wurde ich in einen grossen Einkaufskorb gesetzt. Ein Schälchen mit Wasser dazu und ein paar Krümelchen Brot. Ein kariertes Tuch bedeckte mein neues Gefängnis. Ich war von den Ereignissen des Tages so erschöpt, dass ich erstmal in einen ganz tiefen Schlaf fiel.

Am anderen Morgen wurde ich von den Sonnenstrahlen geweckt. Kinderstimmen um mich herum *Ist der süss, och ist der süss, oh guck mal der hat ganz viele Federchen verloren*. *Das waren die Spatzen* sagte die dunkle Männerstimme und die grosse Hand nahm mich liebevoll auf und versuchte mich mit Brot zu füttern. Ich wollte nicht fressen, kannte den Geruch seiner Hand nicht. Ich hatte schreckliches Heimweh.

Die beiden Kinder, 2 kleine Mädchen, versuchten den ganzen Tag mich zu füttern und zu tränken. Aber ich traute mich nicht. Nur einen Schluck Wasser und dann sass ich traurig in dem Korb. Das kleinere der beiden Mädchen redete stundenlang mit mir. *Du bist ja so niedlich, friss doch was, sonst musst du sterben*. Ich wusste nicht, dass das kleine Mädchen schon mal ein Spätzchen gefunden hatte, was ganz elendig vor ihren Augen starb, weil es zu klein zum Fressen war. Aber ihre Stimme war so lieb und mitleidig. Ich fasste mir ein Herz und flog eine Riesenrunde durch das Zimmer. Überall eckte ich an, konnte die Masse des Raumes nicht abschätzen. Mein Herz begann zu pochen, wo sollte ich landen? Und so landete ich in meiner Verzweiflung auf dem Kopf des Mädchens.

*Mama, Mama guck mal* rief sie und streckte ganz vorsichtig ihre kleine Hand nach mir aus. Wie ein Frühstücksbrettchen so flach hielt sie ihre Hand mit den bis zum Rand abgekauten kleinen Fingernägelchen hin. Ganz stille hielt sie und wartete , ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und hüpfte auf die kleine Hand. *Mama, Mama* ganz aufgeregt wurde die Stimme des Mädchens. *Er ist zahm, den gebe ich nie mehr wieder ab*. *Bitte , bitte , darf ich ihn behalten?*

*Nein, das geht nicht, wir fahren doch morgen in Urlaub* sagte die Mutter des kleinen Mädchens*. Ich sollte in die Volerie des Arbeitskollegen von ihrem Mann. Und da sollte ich auch bleiben. Schliesslich war ich ja nur zugeflogen. Und sie hatten ja auch schon einen Hund.

Das Mädchen ging, bevor ihr Papa nachhause kam, so schnell sie konnte zur Sparkasse und holte den letzten Fünfzigmarkschein vom Sparbuch ab. Dann lief sie in die Stadt und kaufte einen weissen Käfig. Den billigsten , den sie hatten, denn sie musste ja auch noch Futter und Sand kaufen. Bepackt mit dem riesigen Käfig ging sie wieder nachhause. Ihr Papa war auch gerade von der Arbeit gekommen. *Papa, wir können den Vogel nicht mehr abgeben*. Der Vater erkannte schnell, was geschehen war. Von ihrem mühsam gesparten Taschengeld hatte sie dem Sittich ein neues Zuhause gekauft.

Eigentlich war der Vater des Mädchens recht streng. Und wenn er mal nein gesagt hatte, dann hiess das auch nein, aber in dem Fall brachte er es nicht übers Herz. *Na gut, dann darf er nach dem Urlaub zu uns*. Ein Freundengeschrei brach aus. Und ich kam mit dem neuen Käfig noch abends in die Volerie.

3 lange Wochen vergingen. Ich hatte Angst, weil die Spatzen mich so gehackt hatten. Aber eines Tages wurde ich von dem Mann mit den starken Händen abgeholt. Das kleine Mädchen und auch das andere warteten schon auf mich. Ganz viele Leckereien hatten sie für mich gekauft. Kolbenhirse und Sprechperlchen.

Und so sass ich dann jeden Abend allein in der dunklen Küche mit dem karierten Tuch abgedeckt und sollte schlafen. Ganz langsam verlor ich die Angst vor dem Unbekannten und fing an.......Ja ich konnte sprechen, leise machte ich die ersten Geräusche, die mein ehemaliges Frauchen mir beigebracht hatte. *Micky, Micky, komm*. Ganz leiserte gluckerte ich vor mich hin. Abends kam das Mädchen immer wieder zu mir in die Küche und schaute nochmal nach mir. Ganz erstaunt hörte sie mich reden. *Mama, er spricht* . Ganz klar, dass ich einige Tage später wieder umgetauft wurde. Ich war nicht länger ein *Bubi*, durfte wieder ein Micky sein.

Ich verlebte einige Jahre glücklich und zufrieden bei dieser mich über alles liebenden und verwöhnenden Familie . Besonders liebte ich das Lachen des Mädchens nachzumachen. Und wenn sie trank , rief ich *Gluck, gluck*.

Dann eines Tages bekam ich furchtbare Schmerzen. Meine Füsschen taten mir so weh. Kleine Knübbelchen hatten sich daran gebildet. Der grosse starke Mann ging mit mir zum Tierarzt. Ich wurde lange untersucht, ich war so schwach. Und der Arzt erzählte etwas von Gicht, Schmerzen und das dauert nicht mehr lange.

Der grosse Mann sah ganz traurig aus, und das kleine Mädchen , mittlerweile eine junge Dame, weinte bitterlichst und die Frau auch. Ich glaube Susi , der Hund , hatte auch Tränen in den Augen. Ich hatte so furchtbare Schmerzen , konnte kaum sitzen. Jeden Abend nahm mich der Mann in seine grosse starke warme Hand. Und ich legte mein Bäuchlein in die Wärme. Das nahm mir ein wenig die Schmerzen. Der Mann redete den ganzen Abend mit mir und umschloss mich feste mit seiner Hand. Er streichelte mich und hielt ganz stille.

Nach sieben Tagen bin ich in der Hand des Mannes eingeschlafen. Er hat mich festgehalten bis ich für immer einschlief. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann und irgendwo alle wieder.

 

Wirklich süß, die Geschichte. Das Schönste ist, daß der Vater sich so intensiv um den Vogel kümmert, ich weiß nicht wieso, aber das gefällt mir am besten.
Die Welt der Sittiche beschreibst Du ganz nett, auch, wenn man noch merkt, daß es die Sicht eines Menschen ist.

Das erinnert mich daran, wie meine Tante unseren Kanarienvogel ermordet hat. Da muss ich so siebzehn gewesen sein. Sie hat ihn in die Hand genommen, um ihm die Krallen zu schneiden - immerhin war sie ja Pferdeärztin - ha! Jedenfalls blieb das Herz des Vogels stehen und seitdem kann ich sie nicht mehr so dolle leiden... :mad:
Die Geschichte auf jeden Fall ist rundum süß und nett zu lesen, ein bisschen wie "Micky, der Sittich - mein Leben" oder so.

Aber können Sittiche echt sprechen? :confused: Ich dachte, daß ist nur so papageienartigen Tieren vorbehalten. Weiß ich aber nicht.

 

@baddax
Ja, Wellensittiche können sprechen!Zumindest manche! Ich hab das selbst erlebt... Der Wellensittich ("Bubi" --- hihi) meiner Nachbarin, der konnte sprechen. Ich war damals noch klein und ein Kind, aber auf jeden Fall kann ich mich daran noch genau erinnern! Hab ihn immer besucht und mit großen Kinderaugen angeguckt. Wenn er dann auf meiner Hand Platz nahm, war ich außer mir vor Freude... ;)

Tiergeschichten nehmen hier zu, wa? GUT SO!!! hihi... Ich lese die nämlich immer mit einer Hingabe, Leute, das könnt Ihr Euch kaum vorstellen!!! :D Jedenfalls ist mein "Pratscher" jetzt nicht mehr ganz so alleine... *freuuuu* :cool: :D

Super Geschichte! Naiv geschrieben - genau der Stil, der mir so gefällt!!!!! <IMG SRC="smilies/thumbs.gif" border="0">

Griasle
stephy

 

Danke, ich hatte schon Angst sie einzustellen. Bis jetzt habe ich das nur in einem Forum gemacht, aber da wird grundsätzlich gut bewertet, was mir natürlich auch nicht weiterhilft. Will ja schliesslich wissen, was ich verbessern könnte.

Wellensittiche können sprechen.:)))

 

Hallo September,

in der Tat eine ziemlich nette Geschichte, die du da geschrieben hast. Aufgrund des weichen Schreibstils ließ sie sich gut lesen und bildhaft vorstellen.
Zu bemängeln habe ich auch nicht viel herausfischen können, bis auf folgendes vielleicht:

Das Mädchen ging, bevor ihr Papa nachhause kam, so schnell sie konnte zur Sparkasse und holte den letzten Fünfzigmarkschein vom Sparbuch ab. Dann lief sie in die Stadt und kaufte einen weissen Käfig. Den billigsten , den sie hatten, denn sie musste ja auch noch Futter und Sand kaufen. Bepackt mit dem riesigen Käfig ging sie wieder nachhause.
Zumal du aus der Sicht des Vogels schreibst, der seine Erlebnisse und Beobachtungen schildert, klingt diese Textstelle etwas zweifelhaft und unpassend.
Erstens kannst du gar nicht wissen, wohin das Mädchen geht bzw. was sie während ihrer Abwesenheit macht; zweitens klingt das gegen Schluss so, als ob du das Mädchen während ihrer Abwesenheit begleitet bzw. beobachtet hättest "...ging sie wieder nachhause.".
So verfällst du allzuleicht kurz einem paradoxen Erzählstil, der gedreht und gewendet dem Sinn des ganzen entgeht.

Bis auf diese Ausnahme eine schöne Geschichte!


Gruß, Hendek

 

Sorry, ich hasse die Vieher. Da ich dadurch also befangen bin, und keine faire Kritik schreiben kann, lass' ich es lieber.

@Stephy
Bevor Du aufschreist... Hunde mag ich ! :D

 

@ Hendek: Ha! Von wegen paradoxer Erzählstil, tote Vögel sind allesamt im Himmel und wissen allesamt alles! :)
Nö, stimmt schon, außerdem sind so Wörter wie "Sprechperlen" nichts, was ich einem kleinen Piepmatz zutrauen würde.
Ansonsten: Eine Geschichte von einem toten Vogel geschrieben... irgendwie unheimlich, wenn man so drüber nachdenkt...

 

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