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Midnight in Chelsea

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09.02.2003
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Midnight in Chelsea

„Verdammte Weiber!“, Walter kickte die Tür mit dem Fuss hinter sich ins Schloss und steckte sich die erste Zigarette des Abends an. „So ein Schwachsinn, ‚Liebe ist doch nicht nur Sex ... uns verbindet Seelenverwandtschaft’ ... pah. Wenn diese Funsn nicht ganz mit mir zusammen sein will, hat sie eben Pech gehabt. Das wars- zum Reden brauch ich keine Frau.“

Der Rucksack flog in die Ecke zur Schmutzwäsche und die erste Stiegldose des Abends machte Klick-Zisch-Ahhhh.

„Kauf Mehrwegflaschen, ist besser für die Umwelt“ Ihr Gemahne klang ihm nervend im Ohr nach. Er brauchte wirklich dringend eine fixe Freundin, dann wäre Einkaufen generell nicht mehr sein Problem. Genausowenig wie das leidige Kochen. Im Grunde ging ihm der Fertigpampf mittlerweile eh auch auf die Nieren, von seinen Cholesterinwerten mal ganz abgesehen, aber wer schaffte es schon, Obst, Gemüse oder gar frische Zutaten für Selbstzukochendes logistisch so auf Vorrat zu haben, dass der Schimmel von der Mandarine im Kühlschrank NICHT auf die Paprika übergiff, bevor sie vertrockneten? Eine Frau musste her ...

Dose zwei: Klick-Zisch-Ahhhh.

Eine Frau? War da nicht schon was gewesen? Aso ja, die Dauergeliebte ... eine On-and-Off-Beziehung, wie das heutzutage so salopp genannt wurde. Seit Monaten ging es hin und her mit Streit-Sex-Versöhnung, Streit-Versöhnung-Sex oder auch Sex-Streit-Versöhnung je nach ihrer hormonellen Verfassung. In Bierlaune hatte er sich einmal sogar zu einer Verlobung im Schanigarten hinreissen lassen (vermutlich hatte sie ihn per Hypnose dazu gezwungen, Manipulation war ja eines ihrer Lieblingshobbies). Und die Funsn hatte dann tatsächlich geglaubt, es wäre ihm ernst ... so ein Schmarrn, am Ende hatte sie etwa noch gar auf einen Ring gewartet?

Überhaupt: Dass Frauen immer so materialistisch sein mussten. Aber echt, he ... nach fast vier Jahren war man doch noch nicht soweit, dass man der Frau BLUMEN schenkte. Blumen sind was fürs Grab, was brauch ich das Grünzeug im Zimmer rumstehen haben?
Ist das gleiche wie mit Geschenken generell: Ich bin da, das sollte doch reichen, was soll der Schmarrn mit Kleinigkeiten mitbringen, an Jahrestage denken, mal was leckeres für den anderen kaufen?

Einfach zusammensein, gemeinsamen Alltag, das war es was er gewollt hatte. Gemeinsam ein Bierli trinken gehen, ihr Auto mitbenützen können, sich ihr Packerl Tschick teilen, endlich wieder regelmässige Mahlzeiten, gemeinsam gemütlich Fernschauen ...
Aber sie: immer diese Anwandlungen, gemeinsam was unternehmen zu wollen ... da wurde er in Museen geschleppt, zu Ausflügen ins Umland gezwungen. Ja, sie ging sogar soweit, ihn ins Fitnesscenter mitzuschleppen. Ok, ein bisschen Ausdauertraining hätte ihm vielleicht nicht geschadet, aber doch nicht unter der Woche! Und: am Wochenende schwitzt man doch nur beim Sex, ist denn nicht alles andere Sünde oder so? Ok, vielleicht hätte er beim Sex ein bissl weniger geschwitzt, wenn er das mit dem Ausdauertraining vielleicht doch mal öfter als zweimal in einem Monat hingekriegt hätte, aber man hat ja so viele Verpflichtungen als geschiedener Vater, dem die fiese Ex die Kinder alle zwei Wochen lang für 48 h anhängt, so eine Zumutung aber auch.

Jetzt brauchte er mal ein Bier: Stiegldose drei: Klick-Zisch-Ahhhh.

Man hats nicht leicht als geschiedener Vater, das ist klar, aber geschiedene Väter halten zusammen und so muss es wohl ein geschiedener Vater gewesen sein, der die Playstation erfunden hat. Und würde ich ihn kennen, ich würde ihm die Füsse küssen, dachte Walter. Wenn seine Kinder der Karate-SpaceWapon-Skaterspielorgie nach fünf, sechs Stunden dann doch überdrüssig waren, ging er seine Standardrunde mit ihnen: McDonalds, Einkaufszentrum, Kino. Irgendeinen neuen Disneyfilm gab es immer und das bedeutete zwei Stunden mehr nicht ihr Gelaber anhören zu müssen. Irgendwie kriegte er die Kinderwochenenden auf diese Art rum, ohne sich allzutief in das Leben seiner Kinder involvieren zu müssen. Er war ganz erstaunt, als er eines Tages rausfand, dass sein Sohn seit über einem Jahr eine Zahnspange trug. „Ich bin ein guter Vater“, sagte er gern „Ich kann mir durchaus vorstellen, mehr mit meinen Kindern zu unternehmen, jetzt sind sie halt noch zu klein dafür.“ Und irgendwann würden sie hoffentlich auch so gross, dass sie an den Wochenenden lieber eigenes unternahmen.

Wann sind Kinder eigentlich alt genug, um Bier zu holen? Klick-Zisch-Ahhhh.

Ja, die Wochenenden ... eh immer total stressig ... obwohl, die Wäsche hatte er im Griff, seit er gemerkt hatte, dass man T-Shirts auch drei, vier Tage anziehen konnte, Socken sowieso ... und wenn man Bettwäsche mit Muster hat, braucht man eigentlich eh nurmehr die eine Garnitur. Der Putzfimmel hatte ihn schon an seiner Exfrau gestört, da brauchte ihm nicht auch noch seine Freundin mit Flecken auf seinem Bademantel kommen. Wer ausser ihr sah ihn denn schon im Bademantel? Und: vor dem Weggehen in der Früh duschte er doch eh meistens, wozu dann noch am Abend VOR dem Schlafen bitte? Wenn man einen Menschen liebt, dann auch ungeduscht, basta.

Egal, jetzt würde er sich mal ein paar Tage GARNICHT duschen, sollte ja angeblich auch gut für die Haut sein. Aber als allererstes war ihm nach etwas Seelenhygiene: Ganz im Inneren war es schon irgendwie ungewohnt, dass jetzt alles vorbei war. Gottseidank nicht sehr tief innen und so griff er auf sein Standardrezept zurück, nach dem er verlässlich immer wieder der alte war: Ein Döschen Stiegl (Klick-Zisch-Ahhhh) und die Stereoanlage auf Repeat und bis zum Anschlag aufdrehen:

Midnight in Chelsea

Im Grunde war ja eh alles so einfach: Man löscht eine Telefonnummer, dann muss man keine SMS mehr schreiben. Ein, zwei Anrufe wird man ignorieren müssen, vielleicht ein, zwei Mal gepresst „Ich kann jetzt nicht reden“ ins Telefon stammeln müssen (selbstverständlich ohne später anzurufen und kurz die Gründe zu erklären). Man löscht die Mailadresse, vielleicht sollte man sicherheitshalber auch noch „Block Sender“ aktivieren, wer weiss, vielleicht checkt die Funsn nicht, was Sache ist. Das Miteinanderreden hat man ihr über die Monate hinweg ohnehin bereits abgewöhnt, es gibt doch nichts lästigeres, als Frauen, die nach dem Ende einer Beziehung befreundet bleiben möchten. Und wenn sie es dann noch immer nicht kapiert hat, wendet Walter seine Spezialtaktik an: Nachdem man sich ein Treffen ausgemacht hat – möglichst unverfänglich, etwa fürs Kino – kommt man einfach nicht und geht auch nicht ans Telefon ... dann checkt auch die dümmste Ignorantin, was Sache ist. Ist bei Frauen oft effektiver, als einfach zu sagen „Ich möchte dich nicht sehen.“


So- ein Bierli hamma immer noch getrunken: Klick-Zisch-Ahhhh ...

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