Mirela
13. Juni 2006, am frühen Morgen.
Wir haben Mirela den Behörden übergeben. Was nun mit ihr geschieht, kann ich nur ahnen; ich kenne die einheimischen Gesetze und Vorschriften nicht. Wann macht ein Tourist sich schon die Mühe, sie im Voraus in Erfahrung zu bringen, noch dazu, wenn er das heimatliche Europa nicht einmal verlassen will und in dem naiven Glauben abreist, die Bräuche und Sitten des fremden Landes werden sich schon nicht allzu sehr von den seinen unterscheiden?
In der abgeschlossenen Scheinwelt der Hotelanlagen mag das ja auch stimmen! Die oft gesuchte Originalität des Landes oder die Einheimischen aber trifft man dort nicht an, man bewegt sich als Gleicher unter Gleichen, und der Adriastrand unterscheidet sich von einem Freibad in der Heimatstadt oft nur noch durch den Geschmack des Wassers.
Aus diesem Grund beschlossen wir schon am dritten Tag unseres Aufenthaltes in K., einem Dienstag, den Einzugsbereich unseres Hotels zu verlassen. Wir hatten den Vormittag in der nahen Stadt P. verbracht, dort in der wabernden Hitze etwas gegessen und wollten die verschwitzten Körper am Strand etwas abkühlen. Ein altes Ehepaar, das am ersten Abend im Speisesaal an unserem Tisch gesessen hatte, hatte uns begeistert von einer kleinen felsigen Bucht erzählt, an deren Strand im allgemeinen nur wenig Gäste zu sein schienen und deren Idylle uns lebhaft geschildert wurde. Dorthin wollten wir!
Die Abzweigung von der Hauptstrasse fanden wir bald. Unsere beiden Autos (denn wir reisten mit immerhin neun Personen) parkten wir in einem kleinen Wäldchen so, dass sie selbst vom Wasser aus noch zu sehen waren. Wir trauten den Einheimischen nicht; wenigsten ein kleiner Teil von ihnen war sicher bereit, fremdländische Wagen aufzubrechen und auszurauben.
Die Bucht aber war menschenleer. Ein vielleicht vierhundert Meter langer Kiesstrand zog sich sichelförmig am Meer entlang und wurde an beiden Enden von hohen, tief ins Meer ragenden Felsen begrenzt. Zum Land hin schützte ein Gürtel aus hohen Pinien vor Blicken von der Strasse.
„Traumhaft!“, sagte Stefan kopfschüttelnd, der mit seiner Freundin Maja und dem gemeinsamen vierjährigen Sohn Nico schon ein Drittel unserer Gruppe ausmachte, und bestimmte eine Stelle, an der wir unsere Handtücher ausbreiten sollten.
Der helle, grobkörnige Kies konnte den Komfort eines Sandstrandes natürlich nicht bieten, doch die angenehme Abgeschiedenheit, der blaue Himmel und die Sonne, die sich im klaren Wasser vor uns brach, ließen uns über diese Mängel hinwegsehen. Lediglich der kleine Nico beschwerte sich von Anfang an über die Steine, die ihm beim Liegen in den Rücken stachen. Noch dazu erlaubte der Kies keine Sandburgen, nicht einmal das Graben eines einfachen Loches war möglich. Das Kind langweilte sich bald. Heute, Tage danach, frage ich mich, warum wir nicht gleich auf Nikos Gejammer gehört und den Strand verlassen haben. Kinder haben ein Gespür für derartige Dinge, sie ahnen Katastrophen schon Stunden vor deren Eintreffen, und hätten wir diese Ahnung (denn ganz offensichtlich war es eine solche) nicht als bloßes Gequengel belächelt, so wäre mir einiges erspart geblieben; ich würde heute nicht an jenen zernagenden Gewissensbissen leiden, die mich vor allem Nachts befallen, wenn mir ihr Gesicht im Traum erscheint.
Um das enttäuschte Kind etwas aufzuheitern, schlug Maja nach kurzer Zeit vor, mit ihm ins Meer zu gehen. Nico, der aus Angst vor dem Wasser zunächst nicht wollte, wurde durch die Aussicht auf Muschelfunde schließlich umgestimmt und tastete sich an der Hand der Mutter vorsichtig ins Wasser, wobei er bei jeder einrollenden Welle zunächst erschrocken kreischte und schließlich fröhlich kicherte. Wir anderen schauten den beiden von unseren Handtüchern aus einige Minuten zu und folgten ihnen dann. Ich wollte mein Buch nicht verlassen, wurde aber von L. an der Hand genommen und mitgezogen. „Du mit deinen Büchern! Wir sind um Urlaub!“, sagte sie und lächelte dann so schön, dass Widerspruch unmöglich war. Obwohl sie mit 21 nur ein Jahr älter ist als ich, hat sie seit Beginn der Reise eine Art liebevoll fürsorgende Schutzherrschaft über mir errichtet, die in den letzten Tagen nur noch gewachsen ist. Ich widerspreche ihr nie, genieße im Gegenteil ihr offensichtliches Interesse an mir.
Das Wasser hatte die richtige Temperatur. Es war gerade noch kühl genug, um zu erfrischen und herrlich klar. Vom Strand aus winkte uns Stefan mit der linken Hand anheiternde Gesten zu; in der Rechten hielt er eine Literflasche des hiesigen blutroten Weines, die er zum Mund führte und aus vollen Zügen trank. Es verfehlte die Wirkung nicht. Nach zehn Minuten rief er laut nach seiner Freundin, nach zwanzig schrie er, sie solle sich ausziehen, und nach einer halben Stunde verlangte er grölend nach Sex, gleich hier am Strand, damit alle es sehen könnten. Maja beachtete ihn nicht, mied seinen Anblick gar und verlor kein Wort über ihn. In seltsam überspitzten Worten lenkte sie Nicos Aufmerksamkeit, der immer wieder fragend nach seinem trinkenden Vater sah, auf Algen, Treibholz und Schiffe am Horizont.
Ich schwamm alleine weit hinaus. In jeder anderen Situation hätten wir über Stefan gelacht, hätten selbst mitgetrunken, doch das Problem war von Anfang an Nico selbst gewesen. Niemand von uns ist über 24, und doch hatte die Reise von Beginn an etwas von einem mehr bürgerlich-spießigen Familienurlaub. Das Kind verlangte ständige Rücksichtnahme, es musste beschützt, überwacht und unterhalten werden. Eine kurze Freizeit entstand erst nach zwanzig Uhr, wenn Nico im Bett lag und wir für wenige Stunden in der Hotelbar oder am nächtlichen Strand sitzen konnten. Ich will auf die näheren Umstände seiner Geburt nicht eingehen. Es genügt, zu wissen, dass seine Mutter ihn zur Welt bringen wollte. Sein Vater nicht.
Mit größer werdender Entfernung zur Küste wurde das Wasser kälter und trüber. Von hier hatte ich die beiden den Strand begrenzenden Felsen gut im Blick und überlegte, ob man später eventuell von einem von ihnen ins Wasser springen könnte. Zumindest aus dieser Entfernung erscheinen sie nicht übermäßig hoch; in ihrer majestätischen Anmut geradezu grazil... ich hatte ja keine Ahnung!
Am Strand war inzwischen ein kleines Unglück geschehen. Als ich nach fast einer Stunde aus dem Wasser gestiegen und die wenigen Meter zu unseren Handtüchern gegangen war, saß Nico heulend auf dem Schoß seiner Mutter. Er war im Wasser auf eine Muschelscherbe getreten, und das salzige Meer hatte dafür gesorgt, dass die Wunde sofort entsetzlich gebrannt hatte. Wir hatten ein wenig Verbandszeug im Auto, die Verletzung war gut versorgt und blutete auch nicht mehr, aber Nico, dessen Stimmung durch das Baden nur kurzzeitig angehoben worden war, wollte jetzt endgültig zurück ins Hotel. Er schluchzte und brüllte, Maja versuchte ihn zu trösten, und wir andern standen etwas unschlüssig herum. Niemand von uns hatte Erfahrung im Umgang mit kleinen Kindern. Da ich nun aber nach ihm der jüngste in unserer Gruppe war, fühlte ich eine merkwürdige Verbindung zu ihm, eine Verantwortung für sein Wohlergehen. Stefan, der inzwischen vom Wein zum Rum übergegangen war, lag reglos auf seinem Handtuch und betrachtete die Szene grinsend, von Zeit zu Zeit kichernd. „Komm her, Schatz!“, lallte er mindestens dreimal in Richtung Maja, die ihn ignorierte.
Irgendwann begann ich also, vor Nicos Schoß einige Kiesel zu einem Berg aufzuschichten. Als Gipfelkreuz steckte ich eine Möwenfeder auf die Spitze, und Nico, der im Verlauf des Baus ruhiger und neugieriger geworden war, lachte fröhlich, als er auf den Berg einzuschlagen begann und mein Werk zerstörte. Immerhin war er wieder zufrieden.
Später wollte jemand einen der Felsen erklimmen, um die Aussicht, die man von dort wohl haben würde, zu genießen. Man folgte ihm, auch Maja ging mit. Sie glaubte ihren Sohn bei mir gut aufgehoben, und plötzlich war ich mit dem Kind und seinem besoffenen Vater, der jetzt in der Sonne döste, allein. Hatte ich nicht eine halbe Stunde zuvor noch überlegt, selbst den Felsen zu erkunden? Jetzt sah ich ihnen nach, wie sie auf dem von den Wellen feuchten Sand am Meer entlang gingen. Jemand schubste L. ins Wasser. Sie schrie und lachte, und meine Hoffnung, sie käme vielleicht zurück um mich wieder fordernd an der Hand zu nehmen und mitzuziehen, zerfloss vollends. Die Sonne brannte. Stefan schnarchte. Sonst war es still.
Das Kind aber wurde wieder unruhiger, es vermisste die Mutter und kletterte aus Langeweile auf seinen Vater, zog an dessen Badehose und warf schließlich kleine Steine auf Stefan. Dann begann er, laut und absichtlich falsch ein Kinderlied zu krächzen: „Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stumm! Es hat vor lauter Purpur ein Mäntlein um...“ Ich sagte nichts und schaute ihm abwesend zu. Meine Gedanken kreisten plötzlich um L.s Bikini, den sie am Vortag gekauft hatte und dessen Oberteil ihr viel zu eng war. „...sagt, wer mag das Männlein sein, das da steht im Wald allein...“ Vor meinem inneren Auge rissen die Nähte unter der Last ihrer riesigen Brüste; befreit quollen sie unter den zerberstenden Stofffetzen hervor und richteten ihre rosa Augen auf mich... Ich schwieg auch, als Stefan plötzlich schreiend herumfuhr und seinem Sohn ins Gesicht schlug.
War dieser Zwischenfall nicht der eigentliche Auslöser des Unglücks? Aber wo setzt man den Anfang? Wo beginnt eine Kette von Ereignissen? Verfolgt man sie konsequent zurück, über Stunden, Jahre, Jahrmillionen, so stellt man erschrocken fest, dass der Ursprung allen Seins der Zufall sein muss.
Natürlich heulte Nico wieder. Stefan torkelte verwirrt in den Pinienwald, um an einen Baum zu pissen. Mehr aus der Not heraus hob ich die Möwenfeder auf, die dem Kiesberg als Gipfelkreuz gedient hatte und steckte sie mir hinters linke Ohr. Dann warf ich mir mein rotes Handtuch über die Schultern und begann, mit Flügelschlägen und lächerlichen „Krah!“-Rufen um Nico herumzuhüpfen. Seine Backe glühte rot, die Tränen kullerten über sie, aber fasziniert von meinem seltsamen Vogeltanz beruhigte er sich wieder; fing sogar an, meine Vogelrufe nachzumachen und dabei in die Hände zu klatschen.
Als Stefan nach wenigen Minuten zurückkam und etwas über meine Verkleidung lallte, schlief Nico bereits. Sein Vater legte sich neben ihn.
Ich wollte mit Majas Fotoapparat ein Bild der beiden machen, kam aber nicht mehr dazu. Durch den Sucher der Kamera sah ich in einiger Entfernung eine fremde Person, eine Frau, die sich mit einem gewissen Stolz im Schatten der Pinienwälder über den Strand bewegte. Ich legte das Gerät beiseite. Die Frau war vollkommen in Schwarz gehüllt, ein dunkler Schleier bedeckte ihr Haar. Ihr aufrechter Gang strahlte eine Unverletzbarkeit aus, die mich gleichzeitig irritierte und anzog. Sie ging auf den linken der beiden ins Meer ragenden Felsen zu; L. und die anderen standen jetzt auf dem rechten, und aus irgendeinem Grund folgte ich ihr. ‚Du wolltest sowieso auf einen der Felsen klettern’, sagte ich zu mir - eine Ausrede. Ich verließ Stefan und Nico, die beide friedlich schliefen. Stefan hatte den Arm um seinen Sohn gelegt.
Im Nachbarzimmer liegt L.. Kein Tag vergeht mehr, an dem ich nicht ihr leises Stöhnen höre, keine Nacht, in der sie mich nicht einladend eindringen lässt. Ich denke beim Höhepunkt nicht an sie. Der Orgasmus gehört ganz der Frau in Schwarz, von der L. nie etwas erfahren wird.
Sie bemerkte mich nicht. Ich ließ genug Abstand und schlich langsam über den trockenen Boden des Pinienwaldes, immer parallel zum Strand, auf dem sie jetzt schlendernd lief. Ihr schwarzes Kleid wölbte sich im Wind, beulte sich bei jedem der lockeren Schritte aus. Unwissentlich näherte ich mich ihr. Ich sah, dass der schwarze Schleier über dem Kopf ihr Haar war. Ich sah, dass ihr Kleid transparent war, dass sich darunter die nackten Oberschenkel abzeichneten. Ich sah ihre Hüften, ihren Nacken, die schmalen Schultern, ihre Füße, die kleinen Zehen, die Schamlippen, die zwischen den Schenkeln hervorblitzten, das Kind in ihren Armen – ein Ast knackte unter mir. Ich war noch etwa zwei Meter von ihr entfernt. Sie blieb stehen. Ich konnte ihrem Atem hören. Der Säugling an ihrer Brust schmatzte.
Heute, eine Woche danach, ist mir klar, was mich derart angezogen hat. Es war diese ungeheure Melancholie, diese erschreckende Ruhe, die von der Mutter mit ihrem Kind ausging. Ich hätte ein Bild machen sollen von dieser Harmonie; eine stolze schwarze Linie auf grellem Stein; daneben ich, der voyeurhaft in einer dummen Vogelverkleidung durch den Wald schlich. Schon zu diesem Zeitpunkt hätte mir auffallen müssen, dass ich störte, dass ich in diese kleine Mutter-Kind-Welt nicht hineingehörte, dass ich bei dem betrunkenen Stefan und Nico hätte bleiben sollen.
Sie drehte sich nicht um. Mir war, als ob sie lauschte, aber sie ging weiter, und natürlich vergrößerte ich unseren Abstand wieder.
Einmal schaute ich zurück nach L. und den anderen. Ich meinte, sie zu erkennen.
Auf den linken der beiden Felsen führte im Gegensatz zum rechten, der nur durch Klettern zu besteigen war, ein schmaler Pfad. Der Pinienwald endete auf dem felsigen Untergrund. Nur trockenes Gebüsch und Sträucher säumten den Weg, und ich musste mich ducken, um dahinter verborgen zu bleiben.
Sie ging langsamer. Jeder Schritt des Aufstieges schien ihr schwerer zu fallen, auch legte sie jetzt bisweilen kurze Pausen ein, in denen sie das Kind tätschelte und tief Luft zu holen schien.
Oben angekommen bot die Höhe einen grandiosen Ausblick. Der enge Pfad ging in ein langgezogenes Plateau über, an dessen Ende sich der Himmel und das darunter rauschende Meer auftaten. Sie setzte sich auf die Mitte der Felsplattform. Ich blieb versteckt zurück hinter einigen rotblättrigen Sträuchern, die ihre Wurzel wie Krallen in den Stein gerammt hatten, und beobachtete.
Weit entfernt sprang vom anderen Felsen eine Person ins Wasser. Ich erkannte nicht, wer.
Das Baby – es war ein Mädchen, erkannte ich jetzt, nicht älter als einen Monat – lag sicher in den armen seiner Mutter. Mit schräg angewinkelten Beinen saß sie auf dem harten Untergrund. Ihr Gesicht war dem Meer zugewandt. Das schwarze Kleid floss durchsichtig auf den Fels; ich erkannte ein eingesticktes Blumenmuster, das ihre Nacktheit nur schlecht bedeckte. Ein Muttermal am Nacken. Die Sonne brannte. Ich schwitzte in meinem schlechten Versteck.
Wohl fünf Minuten vergingen, ohne dass sie sich regte. Einmal, glaube ich, streichelte sie ihrer Tochter durchs dünne helle Haar, ich bin mir nicht mehr sicher.
Irgendwann schnappte das Kind nach der Brust der Mutter, und als diese sich etwas in meine Richtung drehte, mit der linken Hand ein Bändchen am Hals löste und ihr schwarzes Kleid lautlos hinunterglitt, als ihre kleinen, aber festen Brüste sich mir offenbarten, da endlich gestand ich mir ein, dass ich sie attraktiv fand. Ich zog meine Badehose herunter und onanierte. Während das Baby gierig nach den abstehenden Brustwarzen schnappte, massierte ich meine Eichel, bewegte die hohle Hand abwechselnd langsam und schnell über meinen steifen Penis, der sich geil in ihre Richtung streckte.
Es wäre falsch, zu behaupten, ich hätte irgendwelche moralischen Zweifel gehabt. Ich fühlte mich herrlich. L. war plötzlich vergessen, und die Milchtröpfchen, die der jungen Mutter über die Brust zwischen die nackten Schenkel rannen, taten ihr übriges, meine Lust auf ein nie erlebtes Niveau zu steigern.
Für eine Umkehr war es schon lange zu spät.
Als ich mich dem Höhepunkt näherte und die Hand etwas langsamer bewegte, um das Unvermeidliche hinauszuzögern, nahm sie das Kind von der Brust, schaute es lange an und küsste es dann, küsste es wie rasend, übersähte das kleine Babygesicht mit den feuchten Abdrücken ihrer roten Lippen. Das Gebüsch hinter mir raschelte im Wind, die Wellen unter uns rauschten, ein dumpfer Schrei (war es ein Lachen?) drang vom anderen Felsen herüber. Ich war schon zu nah am Höhepunkt, um noch etwa zu hinterfragen, warum sie weinte. Denn sie küsste das Kind weinend, schluchzend; von Zeit zu Zeit atmete sie jaulend aus und japsend wieder ein, das Kind fest an sich gepresst. Ich erhöhte meine Frequenz. Meine Hände flogen über den Penis, das Gefühl steigerte sich und mündete schließlich im Orgasmus. Es spritzte in die Büsche.
Das Messer muss sie im Kleid verborgen gehabt haben, versteckt in irgendeiner kleinen Tasche. Kurz vor meinem Höhepunkt hatte sie es herausgezogen und hielt es jetzt ihrer Tochter an die kleine Kehle. Das Mädchen, die Gefahr wohl erkennend, begann zu heulen. Seine Mutter ließ es hart auf den Boden fallen und betrachtete es einige Sekunden keuchend. Dann kniete sie, immer noch völlig nackt, vor ihre Tochter, umklammerte das Messer mit beiden Händen und hielt es starr über das Kind. Das Mädchen schrie. Die junge Mutter hob beide Arme in die Luft, schluchzte noch leise, und als sie die Klinge nach unten rammen wollte, schrie ich: „Nein!“
Ungeschickt stolperte ich über die Büsche und schritt auf die Frau zu. Sie war sehr jung, erkannte ich plötzlich, wohl noch keine achtzehn, auf jeden Fall jünger als ich.
Natürlich erschrak sie und kreischte kurz. Noch immer hatte ich die Möwenfeder hinterm Ohr, meine Badehose schleifte am rechten Fuß über den Boden, mein noch halb erregierter Penis hing schräg hinab. Nur meine Schulter war bedeckt von meinem roten Handtuch.
Sie nahm ihre Tochter in den rechten Arm und sprang auf. Mit der linken Hand hielt sie das Messer weit vom Körper und versuchte mich damit auf Distanz zu halten. Sinnlos schnitt sie in der Luft herum, ging dabei wenige Schritte zurück und rief laut: „Go!“ Sie musste mich als Ausländer erkannt haben. „Go!“, schrie sie in schlechtem Englisch. Als ich mich dennoch näherte, wich sie verstört zurück. Keine Sekunde ließ sie mich aus den Augen. Natürlich heulte das Kind immer noch.
Irgendwann war sie an der Kante des Felsplateaus angekommen. Erst jetzt verstand ich, erst jetzt ahnte ich. Sie ließ das Messer fallen, hielt das Kind mit beiden Armen in die Höhe, küsste es auf die Stirn und sagte feierlich: „Mirela!“ Dann setzte sie das Mädchen behutsam auf den Boden und ließ sich rückwärts in die Tiefe fallen.
Das Kind schrie.
Wir haben Mirela den Behörden übergeben. Ich habe den anderen erzählt, ich hätte sie im Wald gefunden, eingewickelt in ein Laken. Was nun mit ihr geschieht, kann ich nur ahnen; sie wird wohl in ein Waisenhaus gebracht werden – wenn es hier so etwas gibt – und vielleicht eines Tages adoptiert.
Die nackte Leiche wurde gefunden, sie trieb gestern Vormittag vor einem belebten Touristenstrand. Vor mir liegt die Zeitung, in der respektlos ein Foto ihres Gesichtes abgedruckt ist. Ich schaue es an. In den vom Wasser aufgequollenen Zügen erkenne ich den Ausdruck, den sie Sekunden vor ihrem Fall gehabt hat; jenen anklagenden, gleichzeitig flehenden letzten Blick, den sie abwechselnd mir und Mirela zugeworfen hat, gerade so, als ob das Kind von mir sei.
Im Nachbarzimmer liegt L.. Sie trägt ein schwarzes, transparentes Kleid, in das ein filigranes Blümchenmuster gestickt ist.