Mitglied
- Beitritt
- 13.06.2006
- Beiträge
- 16
Missbrauch (beinahe ein Tatsachenbericht)
Mareikes Mutter erzählt:
Es war wundersamer Sommertag. Früh morgens fiel Nebelniederschlag. Am Mittag brannte die Sonne auf unser Haus. Abends glühte der Himmel rot.
Spät am Abend wurde es kühl.
„Mama, mir ist heiß, darf ich hinaus?“
„Ja Mareike, lauf kühl dich ab.“
Sie rannte fröhlich in den Garten hinaus. Dort stand ein Freund wie ein düsterer Baum. Er breitete weit seine Arme aus. Mein Kind lief lachend hinein. Er nahm es auf seinen Schoß und hat es missbraucht.
Seither schweigt Mareike, sie ist stumm. Ich habe mit vielen Leuten darüber gesprochen und niemand hat mir’ s geglaubt.
---------
Mareike wurde mürrisch, weinte viel, konnte keine normale Schule besuchen. Weil sprachlos geblieben, waren ihre Leistungen nicht messbar. Gelegentlich arbeitete sie schriftlich mit, doch meist saß sie abwesend in ihrer Bank.
Die anderen Kinder standen ratlos vor dem schweigenden Mädchen.
---------
Die Therapeutin berichtet:
Zwei Jahre hat es gedauert, bis das Kind Zeichen gesetzt hat.
An diesem unvergesslichen Tag, kam Mareike fröhlich in ihre Stunde, lächelte ihre Mutter an und schob sie zur Türe hinaus. Im Spielzimmer brachen Dämme. Mareike spielte ihr Trauma wortlos, Haar genau mit meinen Marionetten nach.
Ich war geschockt und brauchte mehrere Tage, bis ich mit den Eltern sprechen konnte. Danach habe ich, die ärztliche Schweigepflicht gebrochen und den Missbrauch angezeigt. Die Eltern waren froh, dass ich es wagte, sie hatten nicht mehr den Mut es selbst zu tun.
Nun war ich ihr ausgeliefert, meiner Angst und meiner bangen Frage: wird man mir glauben?
Das Gericht schwieg 6 Monate. Ich hielt die Spannung nicht länger aus und machte eine Meldung an das Jugendamt.
Jetzt bewegte sich etwas:
Mareike kam zur Diagnostik in eine Klinik
Sechs Monate lang Panik bei mir und den Eltern. Endlich, Mareike begann dort zu sprechen, zuerst mit den Kindern, später mit den Betreuern und zuletzt mit ihrer Mutter.
Am Wochenende war sie zu Hause. Die Mutter hatte Anweisung, ihr Kind so normal wie möglich zu behandeln. Mareike sollte an einem solchen Besuchstag Geschirr abwaschen und wollte nicht. Da sprach sie nach langen Jahren den ersten Satz: „Du hast mich nur geboren, damit ich dein Geschirr abwasche.“
Die Eltern waren glücklich
Wir gingen einen unbarmherzigen Weg und danach war Mareike bedingt frei. Sie blieb zur weiteren Therapie in der Klinik und kam erst nach dem Prozeß wieder zu mir. Der Missbraucher bekam vier Jahre Gefängnis. Ein mutiger Richter ließ ihn nach der Urteilsverkündung im Gerichtssaal verhaften.
Bis heute habe ich Kontakt zu Mareike, es geht ihr gut, sie hat einen süßen zweijährigen Sohn. Als ich sie nach der Entbindung besuchte sagte sie: "Ich bin so froh, dass es ein Junge ist."
Heilung ist nicht unmöglich. Doch Wundmale bleiben, ein Leben lang.