Mondsüchtig
Mondsüchtig
Eine klare Nacht. Keine Wolke am Himmel. Still. Windstill. Sie hört nur ihre eigenen Schritte. Immer langsamer werdend bis zum Stillstand. Wie ein langsam sterbender Herzschlag. Vollkommene Stille. Keine Bewegung kein Geräusch. Absolute Ruhe. Nur sie und der Himmel. Sie und die Sterne. Sie und der Mond. Sie schaut auf. Blickt in den Himmel. Blickt auf den Mond.
Eins mit den Sternen, eins mit dem Himmel, eins mit der Dunkelheit, eins mit der Nacht, eins mit dem Mond.
Mondsüchtig. Eine Nacht wie viele zuvor. In absoluter Stille. Nur sie und der Mond in der Nacht. Seit Jahren, seit einer Ewigkeit, seit Immer, für immer. Eins mit der Nacht. Mondsüchtig. Abhängig wie der Geist vom Glauben an Hoffnung. Abhängig wie ein Vampir vom Blut. Wie ein Lebenselixier. Ein geliebtes Lebenselixier, das sie nie missen will, nie missen kann, nie missen darf.
Mondsüchtig. Wie ein Wolf den Mond anheult, wie ein Gläubiger seinen Gott, betet sie ihren Mond an.
Der Mond, er hat diese unglaubliche Anziehungskraft auf sie. Sie kann sich nicht von seinem Bann befreien, ist gefesselt an Ort und Stelle, muss zu ihm aufschauen. Leid und Freude vermischen sich in Harmonie und erzeugen ein unbeschreibliches Gefühl in ihr, das sie alle Sorgen vergessen lässt. Nur in der Zeit, in der sie den Mond ansieht, lebt sie nur in der Zeit ist sie frei und doch Gefangen von seinem Bann. Mondsüchtig. Am Tage eine leblose Hülle wartet sie nur auf die Nacht und auf sein Erscheinen. Nachtgestallt. Sonderbar. Anders. In sich gekehrt. Unverstanden. Mondsüchtig.
Leidvoll ist das Leben des Tages, leidvoll. Leidvoll der Alltag. Leidvoll das Leben, dass keines ist. Leidvoll das Leben, dass einem vegetieren gleicht, einem Warten. Einem Warten auf Besseres, auf Veränderung, auf Glück. Ihr Warten auf den Mond.
Unverstanden. Mondsüchtig. Leidvoll das Leben einer Unverstandenen. Leidvoll das Leben einer Mondsüchtigen.
Unverständnis auch auf ihrer Seite. Unverständnis für das Leben. Unverständnis für die Menschen, für ihr Verhalten, ihre Gedanken, ihre Werte, ihre Auffassungen. Unwissend. Unverstehend. Erkennen sie nicht die Macht des Einen, des Mondes.
Er als Zeichen ewigen Wandels. Als Zeichen für Veränderung des ewig Gleichbleibenden. Veränderung nur als Sache der Wahrnehmung. Veränderung eines Ewiggleichen ohne Wiederspruch. Unter seinem Licht sind ihre Gedanken frei. Unter seinem Licht kann sie denken, kann sie hoffen, vertrauen und verarbeiten. Kann sie die härte der Welt vergessen. Kann so die Härte verkraften, verstehen, bewältigen, ändern? Kann sie Träumen, kann sie ihr Leben träumen, denn Träumen ist des Öfteren schöner als Realität vor allem wen man diese unsere Welt als Realität ansieht. Mondsüchtig also um nicht zu zerbrechen. Wie eine Süchtige in die Drogenabhängigkeit flüchtet sie in die Mondsucht. Flucht vor der Realität um diese zu verkraften.
Flucht ist besser als zerbrechen. Mondsucht besser als zerbrechen. Alles besser als zerbrechen. Das einzige was zerbrach sind ihre Träume. Zerbrachen an der Realität, an den Menschen. Existieren als ganze nur in der Nacht, in der Stille, der Dunkelheit, der Einheit, der Mondsucht. Sie hat schon lange die Verfolgung ihrer Ziele aufgegeben. Hat schon lange ihre Träume aufgegeben. Ist zur Pessimistin geworden. Zur Realistin. Zur Mondsüchtigen.
In sich gekehrt. Einsam. Alleine. Unverstanden. Mondsüchtig. Eine logische Konsequenz für sie, unverständlich für die Anderen.
Doch wieso sollten sie sich für ihr Urteil interessieren? Hat sie den Glauben an sie doch längst verloren, als sie einige von ihnen kennerlernte und ihre grausame Gesamtheit verstand. Sie schämt sich. Schämt sich nicht Teil des Mondes, sondern Teil der Menschen zu sein. Doch des Nachts braucht sie sich nicht zu schämen ist sie doch nun eins mit dem Mond, Teil des Mondes. Glücklich. Mondsüchtig. Trauert um jede wolkenverhangene Nacht, in der sie, ihres Mondes beraubt, in der Dunkelheit steht. Fernab der Straßen und Häuser, tief im Wald, in vollkommener Finsternis ohne des Mondes leitendem Licht. Verloren. So ist sie und so fühlt sie des Nachts in der Dunkelheit und des Tages im Licht. Verloren, allein in der Masse, allein unter vielen, allein in Gesellschaft, immer allein. Allein mit ihren Gedanken, allein mit ihrem Wissen, ihrem Glauben, allein mit sich selbst. Überfordert. Wer kann überleben auf sich allein gestellt? So sehr sie es wünscht, so sehr sie es versucht zu leugnen, so bleibt sie was sie ist und kann nichts daran ändern. Sie ist dazu verdammt ihr Leben lang zu sein, was sie ist, was so viele sind, worauf so viele Stolz sind, was sie traurig macht, was sie beschämt, ein Mensch.
Die Krönung der Schöpfung oder ihr Tiefpunkt. Alles eine Frage des Betrachters. Alles eine Frage der Augen, durch die man sieht, oder des Gehirns, das wahrnimmt. Ihre Augen oder Ihr wahrnehmendes Gehirn sieht dies anders, anders als so viele, anders als die Menschheit im allgemeinen, anders, einfach anders. Vieles an ihr ist anders. So ist sie anders als viele Mitmenschen nicht darauf bedacht Aufmerksamkeit und Anerkennung zu finden durch andere Menschen. So unterscheiden sich ihre Werte von denen anderer. So unterscheiden sich ihre Prioritäten von denen anderer. So unterscheiden sich ihre Gedanken, ihre Taten sowie ihre Prinzipien von denen anderer. So unterscheidet sie sich von anderen. So ist sie Einzelgängerin. Einzelgängerin als Rudeltier zu sein bringt einige Nachteile mit sich. Gesellschaftlich sowie psychisch.
Gesellschaftlich wenig ansehen. Psychisch Depression hervorgerufen durch - wer hätte es gedacht - Einsamkeit. Vereinsamung, tritt sie doch häufig unfreiwillig bei älteren Menschen auf, ist bei ihr frei gewählt. Eine logische Konsequenz resultierend aus Menschenverachtung.
Welchen Sinn haben Freunde die einen nicht verstehen? So sehr sie wünscht einsam zu sein, so sehr wünscht sie, das Gegenteil. Ihr einziger Freund, der immer für sie da ist, Nacht für Nacht ihre Probleme anhört und Nacht für Nacht ihr Trost spendet, der Mond. Mondsüchtig aus Mangel an menschlichen Freunden. Wie jede Nacht, immer gleich. Kaum ist es dunkel, verlässt sie das Haus. Schnellen Schrittes verlässt sie die Zivilisation. Verlässt die Zeichen der Menschen, Zeichen der Unterdrückung der Natur, Zeichen des Bösen, Zeichen des Schlechten. Tritt ein in den Wald. Sieht den Mond durch die Zweige scheinen. Hell und rein leuchtet er ihr den Weg. Sie verlangsamt ihre Schritte, bleibt stehen. Stille. Ruhe. Eins mit dem Mond.
Allein mit dem Mond. Allein auf der Welt. Glücklich. Vollkommen. Gestört. Schritte. Rascheln von Laub. Unruhe.
Gestört in dem einzigen Glück ihres Lebens. Wütend. Wut erfasst sie. Wut auf Menschen, auf den Menschen, der ihre Ruhe stört, der ihre Mondsucht stört, der ihr ihre Droge nimmt. Sie blickt sich um. Sucht den Gehassten mit den Augen ausfindig zu machen. Begegnung. Zwei Augenpaare begegnen sich in der Nacht, im Wald, im Mondlicht.
Gehasster Fremdling?: Sag, wer stört da meine nächtliche Ruhe?"
Verstört. " Sag mir erst, wer dort meine Ruhe stört?"
Verwirrender Fremdling?: was macht ihr hier zu später Stund draußen im Walde bei Mondlicht?"
"ich betrachte den Mond und würde dies gerne in Ruhe weiter tun"
Fremdling :"So tut dies ruhig ich möchte das gleiche."
"Ich wart schon immer hier gewesen und immer wart ich hier allein nie stört ein einzig Wesen
die Einsamkeit und Ruhe mein"
Fremdling:" nicht stören wollte ich nur bleiben und allein den Mond betrachten"
"so betrachten wir gemeinsam alleine den Mond"
Nie zuvor war dies Geschehen das sie des Nachts einen Menschen hier traf.
Ungewohnt den Mond zu teilen. Zweifel kommen. Fragen. Wünsche. Hoffnung. Hoffnung wen zu finden, der Versteht wen zu finden, der womöglich das Gleiche empfindet. jemand verständnisvolles, anders, mondsüchtig.
Aus Einsamkeit wird Zweisamkeit des Nachts im Mondschein unter dem Sternenhimmel.
Gemeinsam werden sie eins mit dem Mond. eins mit der Nacht, eins mit den Sternen.
Gemeinsam Alleine. Er kommt wieder. Nacht für Nacht, ein Jahr, eine Ewigkeit, immer schon ist er da gewesen, immer wird er da sein. Die eine Nacht, sie dauert ewig. Nie war sie so glücklich vereint mit dem Mond. Nie das Leid und die Sorgen so vergessen und nicht verdrängt. Nie war sie so eins mit dem Mond. Der Folgende Tag fast schon erträglich. Freude auf die Nacht fast schon unerträglich. Des Nachts verlässt sie wieder das Haus in der Dunkelheit. Schnellen Schrittes verlässt sie die Zivilisation. Tritt ein in das Märchen, den Traum. Auf der Lichtung im Mondschein, er steht schon da betrachtet den Mond.
Sie blickt ihn an. Ihre Augen treffen sich. Sie sieht Verständnisse sieht Mondsucht. Sie lächelt. Er lächelt. Sie heben den Blick zum Himmel, sehen auf zum Mond, zu den Tausenden von Sternen am dunklen Himmelszelt. Vereinen sich mit dem Mond. Verschmelzen mit der Nacht, mit der Unendlichkeit und vergessen eine Weile ihre menschliche Existenz. Nacht für Nacht.
Mondsüchtig zu zweit. Vereint ohne ein weiteres Wort zu wechseln. Still schweigendes Verstehen. Still schweigende Einheit.
stillschweigende Mondsucht. Wochen vergehen. Schnee überdeckt das Laub. Ihre schritte des Nachts in der Stille nun nicht mehr raschelnd, sondern knirschend. Öfter die Enttäuschung von mit Wolken verdeckten Himmeln. Verdeckter Sicht. Vergebliches Warten auf den Mond. Doch auch wen es aussichtslos ist, den Mond zu sehen, so kommen beide des Nachts um sich zu sehen und schweigend auf den Mond zu warten, vergeblich auf den Mond zu warten, bald nicht wirklich auf den Mond zu warten. Die Tage werden kürzer und doch länger. Die Nächte werden länger und sind doch immer zu kurz. Subjektives Zeitempfinden. Wolkenverhängte Nacht. Finsternis. Kein Licht dringt bis zur Lichtung. Den weg findet sie auch blind. Ist sie ihn doch schon Jahre lang gegangen. Jahre lang Nacht für Nacht den gleichen Weg. Sie kennt ihn auswendig.
Ihn wie den Mond am Himmel, den sie Nacht für Nacht zu sehen versucht. Eine Lichtung voll Kerzenlicht.
"Seit gegrüßt". Seit der ersten Begegnung nun die ersten Worte, die er zu ihr spricht. Noch immer weiß sie nicht, wie er heißt und noch immer kennt er nicht ihren Namen. Sie schaut sich um Kerzen erleuchten die Lichtung, die sonst im Dunkeln läge.
Der Himmel ist behängt mit dicken Wolken, keine Chance den Mond heute zu sehen.
"Guten Abend" die ersten Worte seit ihrer ersten Begegnung, die sie zu ihm spricht.
"Ich kenne noch immer nicht deinen Namen" die zweiten Worte die sie spricht.
"Mein Name ist nicht von Bedeutung, ist er doch nichts weiter als eine Bezeichnung, die nur dazu dient damit ich weiß wann ich angesprochen bin. Doch ist hier außer uns niemand. Mit wem außer mir solltest du also reden wollen?"
"Steckt im Namen nicht auch ein Teil der Persönlichkeit?"
"ich gab mir meinen Namen nicht selbst und meine Eltern gaben ihn mir bevor sie mich kannten so kann dies nur stimmen, wen ich nach meinem Namen geworden wäre. Hälst du dies für möglich?"
"möglich ja, doch halte ich es nicht für wahr"
"nun dann sind wir uns wohl einig, dass ein Name nicht weiter von Bedeutung ist?"
Sie nickte Stumm.
"eine mondlose Nacht, wie sie in nächster Zeit wohl öfter vorkommen wird. Was tust du in Nächten, in denen du den Mond nicht sehen kannst?"
Sie überlegte kurz und entschloss sich dem Namenlosen ehrlich zu Antworten.
"Ich bin verloren"
"Wie am Tage"
"Wie am Tage"
Er verstand sie, sie verstand ihn, sie verstanden sich. Stille. Verzweiflung.
"Muss das sein?" fragte er sie mitfühlend, fast hoffend auf ein nein und eine Lösung ihrer Seits.
"Ich weiß nicht. Ich glaube, ja ich hoffe nein doch eine Lösung kann ich dir nicht sagen"
"es gibt keine Lösungen"
"es gibt keine Lösungen aber umso mehr Probleme, die einer Lösung bedarfen"
"bist du sicher, dass es keine Lösung gibt?"
"Nein"
Schweigen. Minuten lang herrscht Stille. Beide gucken gedankenverloren vor sich hin.
Er bricht das schweigen. redet leise fast zu sich selber
"Tod"
"also Lösung?"
"vielleicht"
"wahrscheinlich. Zumindest als Lösung von existenzgebundenen Problemen. doch womöglich auch Anfang neuer Probleme"
"ich glaube an den Tod als Erlösung, das macht es einfacher auf ihn zu warten. und was sonst ist das Leben wenn nicht ein Warten auf den Tod?"
"Das Leben ist ein Mysterium, ein ständiges sich Fragen, ein ständiger Wechsel. Der Tod ist einfach nur das Ende"
"Hast du schon Antworten?"
"Worauf?"
"auf die ständigen Fragen"
"Nein, es gibt doch keine Lösungen oder auch Antworten nur Probleme oder auch Fragen"
"was könnte ich dagegen sagen wo es doch von mir stammt" er lächelte.
Sie lächelte. Er war ihr Mond. Ihr Freund. Er hörte ihr zu, Nacht für Nacht und zugleich war sie sein Mond, seine Freundin, sie hörte ihm zu, Nacht für Nacht. Und war es noch so kalt, sie trafen sich draußen auf der Lichtung zum Reden, zum Mondgucken.
Gemeinsam Mondsüchtig. Gemeinsam zusammen. Die Tage wurden erträglich. Die Sorgen geringer. Die Depression verflog fast. Nur eine kleine pessimistische Grundeinstellung. eine kleine Verzweiflung vor der Welt blieb weiterhin zurück. Sie war schon ein Teil von ihr geworden, den sie nicht mehr Ablegen würde, nicht mehr ablegen wollte.
Sie fing an die nächtlichen Gespräche zu lieben. Sie so zu lieben, wie sie den Mond liebte. Er war ihr Mond. Sie war sein Mond. beide waren sie Mondsüchtig.
"Gibt es wohl irgendwann, wenn man lange genug darüber Nachdenkt, eine Antwort auf all die Fragen?"
"Ich will es hoffen"
er schaute ihr in die Augen
"Ich will es wirklich hoffen"
"aber glaubst du es?"
"Nein"
"Ich glaube auch nicht daran. Ich glaube an gar nichts, was in irgendeiner weise besser wäre als das Schlimmste so werde ich niemals enttäuscht" sie versuchte ein lächeln was ihr nicht so recht gelang.
"Immer vom Schlimmsten auszugehen ist deprimierend. Nun frage ich dich ist es wirklich gut deprimiert zu sein?"
"es ist.."
"halt" er unterbrach sie. Bestimmt jedoch nicht unfreundlich "halt denke erst ein wenig darüber nach bevor du antwortest"
er erhob sich vom Boden und ging. lies sie stehen, alleine auf der Lichtung. Sie wollte ihm hinterher rufen, ihn aufhalten doch konnte sie sich nicht bewegen. Sie blieb. Sie blieb lange doch war sie sich nicht sicher.
Es war spät als sie nach hause kam. Sie war müde, viel ins Bett, schlief, träumte. träumte von einer Reise zum Mond. Träumte, wie es wäre auf dem Mond anzukommen. Er erwartete sie auf dem Mond. Er gab ihr die Hand und gemeinsam gingen sie über den Mond. Leicht, unbeschwert, glücklich. Jäh wurde sie aus ihrem Traum geweckt. Ihr Wecker klingelte laut und unbarmherzig. Es war spät gewesen, wie immer hatte sie zuwenig geschlafen. Wie immer kam sie unausgeschlafen in die Schule. Wie immer war sie genervt durch die Menschen, genervt durch ihre Blödheit, ihre simple Lebensart.
Und doch beneidete sie sie um ihre Unbekümmertheit. Wie einfach es war sich zu verschließen und nur vor sich hin zu leben.
Sie sah die Menschen an und wusste Depression war nicht gut doch wollte sie deswegen nicht ihre Sichtweisen aufgeben.
Der Tag zog sich. Sie freute sich auf die Nacht, freute sich auf ihren Mond.
Doch er kam nicht. Diese Nacht war ihr Mond nicht da. Er erwartete sie nicht auf der Lichtung und kam auch nicht später.
Er kam gar nicht. Trauer. Einsamkeit. Eine Träne der Verzweiflung, eine Träne der Angst, eine Träne der Angst vor dem Verlust lief über ihre Wange. Schnell wischte sie sie fort. Freundschaft macht verletzlich musste sie einsehen. Sie saß lange alleine, verloren, ohne Mondlicht, ohne Mond, ohne ihren Mond. Sie schlief schlecht des Nachts wachte öfter auf traurig, ängstlich, sorgte sich. Fragte sich, was wäre wen er nie mehr kommen würde. Sie könnte ihn nicht finden. Es war so selbstverständlich, dass sie sich jeden Abend dort auf der Lichtung trafen. Doch war er nicht da gewesen. Vielleicht war er krank immerhin war Winter und sie beide saßen Abend für Abend lange Zeit in der Kälte draußen. Sie klammerte sich an den Gedanken, dass er nur eine Erkältung hätte und bald gesund wiederkommen würde, dass sie ihn bald wiedersehen würde. Sie verdrängte Gedanken an Schlimmeres, doch kamen sie immer wieder in Form von Zweifeln in ihr Bewusstsein eingedrungen.
Vielleicht war es eine freiwillige Entscheidung von ihm? Vielleicht wollte er sie nicht mehr sehen? Vielleicht hatte er eine andere Beschäftigung gefunden, mit der er seine Nächte verbringen konnte? Vielleicht verschwant er so plötzlich und unerwartet wie er erschien. Sie sehnte sich nach dem Mond und so stand sie mitten in der Nacht erneut auf und ging zu der Lichtung. Und obwohl sie den Mond nicht sah, wusste sie, dass er da war. Sie sah mit ihren Ängsten, Nöten und Wünschen durch die Wolkendecke und auf den Mond. Er war immer noch für sie da. Er hörte ihr Leid und ihre Sorgen und er machte sie unwichtig, löste sie auf, befreite sie. Und sie war glücklich, war wieder vereint mit dem Mond. Mondsüchtig. Erneut Mondsüchtig. Immer noch Mondsüchtig. Nach dem sie sich mit dem Mond vereint hatte, schlief sie gut. Ihre Sorgen waren fort. Zuversichtlich blickte sie auf die kommende Nacht und auf das Wiedersehen mit dem Mond, mit ihrem Mond.
Diese Nacht brachte sie zur Lichtung eine schwarze Rose mit. Sie brach früh auf, es dämmerte grade erst. Sie hatte Kerzen dabei. Er war noch nicht da. Sie beeilte sich. Stellte die Kerzen auf und wartete mit der Rose in der Hand auf der Lichtung stehend umringt von Kerzen im Mondlicht des Nachts. Es war Still. Windstill. Absolute Ruhe. Sie hörte nichts bis auf ihr Herz und ihr Atmen und.... Schritte. Ihr Herz machte einen Sprung vor Freude. Schritte. Schritte des Nacht, hier, das musste er sein.
Er war es. Er kam mit einer schwarzen Rose in der Hand. Als er sie sah, wie sie dort auf der Lichtung stand, umringt von Kerzen im Mondlicht mit einer schwarzen Rose in der Hand musste er lachen. Er lächelte und übergab ihr die Rose. Sie lächelte und übergab ihm die Rose. Sie lächelten sich an.
"wo warst du nur? Ich befürchtete schon dich zu verlieren" sie war erstaunt über ihre eigene Offenheit ihm gegenüber.
Er schien weniger erstaunt jedoch etwas erfreut, dass sie sich um ihn sorgte.
" Verzeih mir, dass ich nicht kam. Ich war krank, doch geht es mir schon besser"
"Schau, der Mond, er ist wieder zu sehen"
"Ja, seit langem wieder"
"Ich sah ihn auch gestern Nacht, durch die Wolken hindurch, ich konnte ihn spüren. Er war für mich da als ich ihn brauchte."
"Ein Freund. Nacht für Nacht hört er sich Sorgen und Nöte an. Nacht für Nacht ist er für einen da, spendet Glück, vertreibt Sorgen macht sie unwichtig, vergessen."
"Mondsüchtig"
"Mondsüchtig"
"ein Geständnis?"
"ein Geständnis und mehr als das. Ein Glauben, eine Offenbarung"
"Verständnis"
"gegenseitiges Verständnis"
"Mein Mond" Und wieder ist sie erstaunt über sich selbst. Ihre Offenheit. Ihr Name für ihn. Sie spricht ihn einfach damit an.
Er blickt in ihre Augen und lächelt
"Mein Mond"
"Ich bin Mondsüchtig" sie lächelt
"Auch ich bin Mondsüchtig" er lächelt.
"Und ich habe nachgedacht"
"über meine Frage?"
"über deine Frage"
"und? deine Antwort?"
"sie ist nicht gut. Doch Glücklichkeit nicht um jeden Preis. Ich werde mich nicht selber verraten um glücklich zu werden"
"was heißt dich selber verraten?"
"Ich werde nicht verdrängen, ich werde mich nicht ändern, ich werde meine Gedanken nicht abstellen"
"Wärst du dann glücklich?"
"Ich weiß es nicht. Man muss einfach glücklicher leben, wen man sich keine Gedanken macht, wen man sich integriert wen man "normal" ist wen man einfach nur Lebt."
"aber wärst DU glücklich?"
sie überlegt kurz "Nein, nein ich wäre nicht glücklich. Ich kann nicht anders als so zu leben und so zu sein wie ich bin. Ich kann meine Gedanken nicht aufgeben und ich glaube nicht, dass ich ohne sie glücklich wäre"
"hat es sich gelohnt nachzudenken?"
"ich denke schon"
"gut dann hat es ja einen Sinn gehabt dich zu unterbrechen. Es tut mir übrigens leid das ich so plötzlich gegangen bin aber wäre ich geblieben wärst du versucht zu schnell zu antworten. ich dachte du würdest Zeit brauchen, um darüber nachzudenken"
Sie blickte ihn an
"Ich bin Mondsüchtig"
"Auch ich bin Mondsüchtig"
Lange saßen sie noch still beisammen und schauten sich in die Augen.
"Es ist spät, ich muss gehen"
"verlass mich nicht"
es sah sie fast bittend an
"Ich muss. Ich muss schlafen"
"Musst du wirklich?"
"leider"
"dann schlaf gut"
"Gute Nacht"
Sie entschwand leise seinen Blicken.
Kaum hatte sie ihn verlassen fehlte er ihr und sie ihm ebenfalls.
Gedankenversunken lief sie nach Hause. Sie war Müde ihre Augen ließen sich kaum offen halten Zeitweise machte sie sie ganz zu. Sie fand den Weg auch ohne Augen.
Diese Nacht konnte sie kaum einschlafen. Sie musste immer wieder an ihn denken.
Der Tag zog sich ins unerträgliche. Es schien als wolle es nicht dunkel werden. Als wolle die Zeit einfach nicht vergehen. Es schien ihr fast als wolle die Zeit sie foltern. Sie war ungeduldig. Sie wartete. Unerträgliches Warten. Es war eigentlich noch gar nicht dunkel als sie sich auf den Weg in den Wald machte. Sie freute sich ihn wiedersehen zu können. Sie wartete. Sie setzte sich auf der Lichtung auf den Boden und wartete auf die Dunkelheit, wartete auf den Mond, auf ihren Mond. Die Zeit verging, es wurde düster, die Nacht brach herein und es war still. Der Mond ging auf und sie wartete. Kaum war es dunkel erschien er auf der Lichtung.
Er strahlte als er sie sah. Sie strahlte als sie ihn sah.
"Guten Abend"
"Guten Abend"
"Du hast mir gefehlt"
"Du mir auch. Die Tage werden immer kürzer und doch immer länger."
"und immer unerträglicher. Ja"
"Immer unerträglicher das Warten auf die Nacht, das Warten auf ein nächtliches Wiedersehen"
"Warum quält mich die Zeit tagsüber nur so?"
"Es ist nicht die Zeit, die dich quält, du selbst bist es. Denn schließlich empfindest nur du die Zeit so langsam. Anderen geht es vielleicht anders. Somit kannst nur du es sein."
"Und wie höre ich auf mich zu quälen?"
"Ich habe keine Ahnung. Würde ich es wissen, wären meine Tage weniger qualvoll denn auch ich quäle mich durch den Tag in Erwartung auf die Nacht"
"Wäre die Nacht nicht so schön, nichts wonach ich mich so sehnen müsste, wäre der Tag nicht so schlimm"
"Wie recht du hast."
"Doch will ich die Schönheit dieser Nächte um keinen Preis hergeben"
"Du hast deine Wahl getroffen und ich habe meine Wahl getroffen. Wir beide wissen was wir wählten."
"Mondsucht"
"Mondsucht"
"Sag gibt es irgendwen am Tage der dich versteht? Ich fühle mich Tagsüber immer alleine wie in einer Welt unter Fremden"
"Und so geht es mir. Ein Leben unter Fremden"
"Mein ganzes Leben war so. Ich kannte nur Fremde, nur Unverstehende und Unverständliche bis ich dich traf"
"Und so ging es mir. wir sind uns sehr ähnlich"
"Es ist schön"
"das ist es"
"Von dir fühle ich mich das erste mal von einem Menschen verstanden. Du kannst eigentlich gar kein Mensch sein."
"Und doch bin ich einer, genau wie du einer bist. Einfach nur anders als andere"
"einfach nur Mondsüchtig" sie grinst ihn an
"Du schaffst es immer mich glücklich zu machen egal wie schlimm mein Tag war. Ich muss dir dafür danken aber kein Dank könnte dem gerecht werden"
"Du bist mir Dank genug"
"danke" er lächelt.
"Sag, warum kamst du damals auf diese Lichtung? Ich muss wissen wem ich dich verdanke"
"Ich kam weil ich Mondsüchtig war und ich blieb weil ich Mondsüchtig wurde"