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Monolog eines Pokerprofis

Beitritt
22.03.2005
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Monolog eines Pokerprofis

Ich habe so viele Männer ruiniert, so viele Ehen zerstört, so vielen Menschen alles genommen, was sie hatten… Es ist so leicht. Es ist immer das gleiche. Du stellst dich neben den Tisch und schaust dir die Spieler an. Es sind immer ein paar Gute dabei. Aber du suchst den Goldesel – und du findest ihn schnell. Leicht angetrunken, berauscht vom Spiel sitzt er da. Er ist leicht nervös und labert zu viel. Während der Dealer austeilt, funkeln seine Augen in freudiger Erwartung; seine Hände greifen gierig nach den Karten… Das Spiel hat ihn.
Es ist unmoralisch, einem Trottel sein Geld nicht abzunehmen, denkst du dir und kaufst dich ein.

Dann zeiht der Typ ein Foto raus.
„Das ist meine Kleine“, sagt er, „Sie geht in die vierte Klasse. Sie ist die Klassenbeste. Ist sie nicht süß?“
„Ja, Kumpel“, antwortest du ihm, „Du bist wirklich ein Glückspilz“, und weißt, dass die Kleine vielleicht nie aufs College gehen wird, weil ihr Daddy das College-Geld verspielt hat. Weil du es ihm abgenommen hast. Aber der andere Teil von dir, der rationale, der eiskalte, der Killer, reibt sich die Hände – Familienväter sind die leichteste Beute.

Eine Weile läuft es gut für den Goldesel. „Nice hand“, sagst du ihm ab und zu und klopfst ihm auf die Schulter. Er sitzt rechts von dir, da, wo er hingehört. „Danke, danke“, lächelt er dich an, „Vielleicht bin ich wirklich ein Glückspilz.“

Dann vergeht eine Stunde oder zwei – es spielt keine Rolle. Du lagst geduldig auf der Lauer und jetzt hast du ihn im Visier. Natürlich ahnt er noch nichts davon…
„Raise“, verkündest du und siehst seine Mundwinkel im freien Fall, „Raise all in“, sagst du und schiebst alles in die Mitte. Vierzig Tausend, zählt der Dealer nach.

Er schwitzt. Er zittert. Er kann nicht klar denken. Für ihn geht es um zu viel, als dass er klar denken könnte. Er schaut dich an, hilflos. Vergeblich will er dir Information entlocken. Wo ist der nette Typ hin, der links von ihm saß? Wer ist dieser Mann in der eisernen Maske?

Du bist ruhig. Für dich ist es nur ein Pott, einer von Tausenden. Und du hältst die Nuts. Für einen Moment denkst du „Du verdammter Idiot, willst du wirklich dein letztes Geld mit Top Paar verspielen? Geh nach Hause und küss deine schlafende Tochter!“

Aber dann freust du dich doch, als du von ihm einen leisen, heiseren „Call“ hörst. Und was seins war, ist deins. Hilflos muss er zusehen, wie seine Chips zu dir geschoben werden. Wortlos, regungslos, fassungslos sitzt er da. Dann steht er langsam auf. Torkelt benommen vom Tisch. Du weißt, wie es sich anfühlt – jeder Spieler weiß es. Als hätte dich ein Zug überrollt, als hätte ein Vampir den letzten Tropfen Blut aus dir ausgesaugt. Du schaust ihm kurz hinterher. Er tut dir leid.

Doch du kriegst schon die nächste Hand ausgeteilt. Deinen nächsten Fisch hast du bereits am Hacken.

 

Hallo Roland,
mit dieser Geschichte gehst du zumindest nicht in den dunklen Turm ein ;)

Nein, im Ernst, das ist wirklich ziemlich dünn und wirkt arg lieblos hingeklatscht. Da kommt keine Stimmung auf. Weder hat man einen der Pokerpartner vor Augen noch den Akteuer selbst oder das Spiel an sich.
Du sagst hier wird gepokert, aber das bekommt man absolut nicht mit. Zeig dem Leser etwas von der Atmosphäre einer Pokerrunde. Da du eh ein klassisches Setting hast, kannst du ja auch dabei klassisch bleiben. Verraucht, cool, Spannung in der Luft.
Störrisch ist auch deine gewählte Perspektive. Die zweite Person ist nur in den seltensten Fällen zu empfehlen. Hier finde ich sie ganz unangeraten. Zumal du einsteigst mit der ersten Person.
Was hier spannend sein könnte, ist der Konflikt zwischen Leid-tun und Gier deines Protagonisten. Daran solltest du dich noch mal setzen, wenn du es mit dem Text ernst meinst. So ist das in meinen Augen nüscht. :(

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Roland,

vielen dank für Deine Geschichte! Sie hat mir gut gefallen, obwohl sie ganz offensichtlich ein Klischee an das andere reiht (Familienvater/hat "Glücksstähne", wahrscheinlich von den Pokerfaces manipuliert/das Bild der Tochter und das College ...), aber es ist sehr gut gemacht. Klasse.

Lg, catlucy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi und danke für die Posts!

@catlucy. Freut mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Stimmt, ja, die Geschichte bedient viele Klischees, was mir während des Schreibens gar nicht so bewusst war. Aber diese Klischees stimmen leider allzu oft mit der Realität überein.

@weltenläufer
Danke für die Kritik, aber das, was du lesen wolltest, war absolut nicht das, worüber ich zu schreiben versucht habe. ;)

Du sagst hier wird gepokert, aber das bekommt man absolut nicht mit. Zeig dem Leser etwas von der Atmosphäre einer Pokerrunde. Da du eh ein klassisches Setting hast, kannst du ja auch dabei klassisch bleiben. Verraucht, cool, Spannung in der Luft.

Es war nicht meine Intention, diese Atmosphäre zu erzeugen. Ich will keine rauchenden pokernden Cowboys, die in jeder Hand vier Asse oder ein Royal Flush zusammen basteln. Es geht mir nicht um das Spiel und die "coole" Atmosphäre. Darüber gibt es zig Tausende Geschichten, die einander wie zwei Tropfen wasser ähneln. Meine Geschichte soll ganz bestimmt nicht dazu gehören.

Störrisch ist auch deine gewählte Perspektive. Die zweite Person ist nur in den seltensten Fällen zu empfehlen. Hier finde ich sie ganz unangeraten. Zumal du einsteigst mit der ersten Person.

Ich finde diese Form der Erzählung in der zweiten Person Präsens ist gut geeignet um Spannung zu erzeugen. Man ist quasi hautnah live dabei.

Was hier spannend sein könnte, ist der Konflikt zwischen Leid-tun und Gier deines Protagonisten.
Du hast es (fast) erkannt. Worum es mir geht, ist 1. das Verhältnis zwischen dem Jäger und dem Gejagten und 2. der innere Konflikt des Profis.
Alles andere wird deshalb bewusst ausgeschaltet, weil es meiner Meinung nach nur stören würde.

 

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