Morgen Kinder wird's was geben!
Der 23.12., einen Tag vor Weihnachten.
Ich stieß einen Mann beiseite, der drauf und draf gewesen war, mir seine H&M Tüte mit voller Wucht ins Gesicht zu rammen. Im selben Augenblick trat mir eine andere auf die Füße. Wären es Turnschuhe gewesen, hätte ich mich vielleicht mit einem stillen, qualvollen Jauchzen zufrieden gegeben, aber die spitzen Absätze bohrten sich in mein Fleisch und ich jaulte auf. Im Hintergrund sang ein Knabenchor irgendeines dieser Harmonie-versprechenden Weihnachtslieder. Ich bahnte mir schweißgebadet einen Weg durch die Menschenmassen. Fast hatte ich mein Ziel erreicht, das Kaufhaus, das mir noch in letzter Minute das versprochene Geschenk beschehren würde. Ich musste nur noch ein paar Menschen aus dem Weg schubsen, ein Kind vielleicht und dessen Mutter, vor Alten nahm ich Rücksicht. Als ich die Glastür des Kaufhauses endlich erreicht hatte, schwang ich sie auf und traf beinahe eine Frau am Kopf. Sie schimpfte, aber das kümmerte mich nicht.
"Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft, einsam wacht...", drang aus den Lautsprechern. Welch ein Hohn, angesichts dieser wütenden Menschen, die eine Geschenkpapierrolle nach der Nächsten aus den Regalen zogen. Der Lärmpegel war kaum noch zu steigern.
"Mamaaaaaaaa! Ich will aber das haben!", schrie ein Kind mit hoch rotem Gesicht.
Die passende Musik dazu beschallte den Raum:
"Morgen Kinder wird's was geben, morgen werdet ihr euch freuen...", sah nicht so aus, als ob dieses Tomatengesichtige Kind jemals zufrieden gestellt werden könnte. Ich seufzte und setzte meine Ellbogen ein um zur Kasse vorzudringen.
"Bitte, wo ist hier die Elektronikabteilung?", schrie ich die Verkäuferin an. Mit vor Anstrengung glühenden Wangen, fauchte sie:
"Fragen Sie doch nicht so blöd!" Wütend kämpfte ich mich zur Rolltreppe vor,wobei mir wieder einer auf den Fuß trat.
Als ich die Elektronikabteilung gefunden hatte und die Meterlange Schlange an der Kasse sah, änderte ich meine Meinung.
Ich atmete tief ein und aus. Der einzige Ort im Kaufhaus an dem man halbwegs durchatmen konnte: Das Reisebüro.
"Was kann ich für Sie tun?", fragte mich die Dame hinter dem Schreibtisch und lächelte liebevoll. Ein Lächeln! Was für eine Abwechslung zu all den schlecht gelaunten und gestressten Menschen.
"Einen Flug nach Hawaii, bitte. Heute Noch. Ich brauche Ferien von Weihnachten", antwortete ich und lächelte.