Was ist neu

Morgendämmerung oder Paranoid

Mitglied
Beitritt
27.08.2005
Beiträge
143
Zuletzt bearbeitet:

Morgendämmerung oder Paranoid

Der hohe, unangehme Piepston des elektronischen Weckers kam für ihn nicht überraschend. Er war seit vier Uhr sowieso nur noch in einem dämmrigen, halbwachen Zustand. Mehr noch, er hatte den lästigen Ton längst erwartet und war bereits unruhig und angespannt als dieser einsetzte. Die Penetranz des in kurzen Abständen piepsenden Weckers machte ihn wütend. Aber war das tatsächlich der Grund? Nein. Er war schon wütend, schon davor. Früher hätte ihn ein Wecker nicht gestört. Den kann man ausschalten. War es nicht viel mehr die Sehnsucht, die Erinnerung an eine Zeit, zu welcher er einfach schlafen konnte, richtig schlafen und morgens in den letzten, verschwindenden Traumfetzen schon den Wecker oder eine vertraute Stimme hören? War es nicht diese verlorenscheinende "Fähigkeit" aus einem offenbar früheren Leben, welches jetzt so fern und unfassbar schien als hätte es nie existiert, die den eigentlichen und andauerenden Groll in ihm verursacht?
Wars dieser Groll am Ende, der ihn um den Schlaf brachte? Ein Teufelskreis.

Die Wohnung war kalt. Er hatte die Heizung bereits am Abend zuvor abgestellt. Eigentlich wollte er auch gar nicht mehr hier sein, in der Kälte. Er hatte vielmehr geplant erholt in einem sauberen Hotelbett aufzuwachen, eine lange Dusche zu nehmen und anschließend gut zu frühstücken. Das wäre schön gewesen! Jedoch, es ist schon wieder schiefgegangen. Der Plan taugt nichts.
Wut: Wäre er doch schon am Abend losgefahren. Er war doch schon kurz davor gewesen aber dann, einem unvernünftigen Anruf folgend und einigen Drinks später wollte er nur noch ins Bett fallen. Ob in seines oder ein Hotelbett war nicht mehr wichtig. Er würde morgen einfach früher aufstehen und den Zeitvorteil den die Fahrt am vorherigen Abend gebracht hätte wieder aufholen. Doch nicht einmal der Alkohol konnte ihm die Anspannung nehmen die der Gedanke am nächsten morgen früh auzustehen, um nicht zu spät ins Büro zu kommen, in ihm auslöste. Fünf Stunden Schlaf und zwei Stunden Fahrt. Da ist man schon müde wenn man ankommt. Und dann beginnt der eigentliche Tag erst.

Das Packen der kleinen Reisetasche fiel unerwartet schwer. Alles ging langsam und zäh. Zu langsam. Schon wieder Anspannung: Hätte er es doch einmal auf die Reihe gekriegt bereits eine bequeme Zeit vorher alles fertig zu bekommen. Er würde auch seinen neuen Plan wieder nicht einhalten können. Rasieren, Zähne putzen, das war gestern Abend, wie bereits zu oft, nach dem Kneipenbesuch entfallen, mehr aus Faulheit denn aus Unfähigkeit mangels Feinmotorik durch die Wirkung des Alkohols wie er es vor sich selbst rechtfertigte, Haare waschen! Sie standen in alle Richtungen. Er wollte wenigstens einen einigermassen gepflegten Eindruck machen wenn er nachher schon zu spät ins Büro käme.

Unwillig beugte er sich mit freiem Oberkörper über den kalten Rand seiner kleinen Duschwanne. Sein Rücken war zur Türe gewandt. Er hasste es mit der nackten Haut kalte Stellen in der Badewanne zu berühren. Das Wasser lief ihm jetzt spärlich und zu heiß über seinen Kopf. Das muß sehr unbeholfen auf andere wirken, dachte er. Wie ich hier knie. Irgendwie hilflos. Aber hier war ja niemand der ihn so sehen konnte. Sein Bauch legte sich durch die Krümmung in kleine Falten. Er war zu dick. Dick und hilflos, dachte er. Und doch könne er sich ja beruhigt von der Türe abwenden und beruhigt diese schutzlose Position vor der Wanne einnehmen, denn er war ja alleine hier. Diesen Gedanke mußte er sich förmlich aufzwängen. Keiner da, der seine Situation ausnutzen könnte. Wie ausnutzen? Zu heißes Wasser lief ihm jetzt auch den Hals hinunter. Er hasste das. Das passiert wenn man den Kopf nicht weit genug nach vorne beugt, dachte er.
Aber er hatte diesmal extra darauf geachtet. Er war weit nach vorne gebeugt. Am Anfang. Der Gedanke an seine Schutzlosigkeit und die Türe in seinem Rücken liessen ihn jedoch unmerklich seinen Kopf heben.
Wie ein Fluchttier wenn es wittert dachte er. Blödsinn.
So sehr er sich jetzt auch mühte, es gelang ihm nicht, sich wieder auf das Waschen seiner Haare zu konzentrieren oder an etwas anderes zu denken. Etwas Harmloses, Banales. Der Gedankenstrom welcher ihn hatte unweigerlich seine Kopf heben lassen formte sich nun vielmehr zu einem einzigen welcher seinen Befürchtungen zugrunde lag: Hoffentlich ist hinter mir niemand! Ist jemand hinter mir?
Spüren wir Menschen es aus einem noch nicht ganz verdrängten, verkümmerten im Kleinhirn angesiedelten Urinstinkt heraus wenn unser Leben in Gefahr gerät? Kann man diesen Urinstinkt, so er vorhanden ist, überhaupt ganz verdrängen oder kommt er nicht plötzlich in der Einsamkeit mit einer Allmacht über uns die uns betäubt und die Glieder reglos macht? Hatte er nur zuviele schlechte Filme gesehen und spann sich jetzt was zusammen? Er bekam eine Gänsehaut. Er spürte förmlich, daß jemand in seinem Rücken stand. Jemand der die ganze Zeit schon auf so eine Gelegenheit gewartet hatte.
Seine Sinne waren jetzt glasklar und sein Herz pochte bis zum Hals. Er wagte es nicht sich umzudrehen. Aber das war seine einzige Chance. Er könnte das heiße Wasser als Waffe benutzen. Nur für einen Überraschungsmoment, für die Flucht. Es dem Anderen ins Gesicht spritzen und dann den kleinen Vorteil nutzen. Er würde jetzt äußerlich härter erscheinen als er es innerlich war. Es ginge jetzt um alles. Um sein Leben. Jede Sekunde des Zögerns und der Angst könnte sein Ende sein. Denn der Andere kennt keine Gnade. Er war ja hier um ihn zu töten. Hier in seiner Wohnung. Sein Leben. Seine letzte Bastion. Wenn er sich hier nicht behaupten würde dann nirgendwo. Jetzt oder nie. Mit seinem ganzen Mut und einem Schrei drehte er sich todesverachtend um... und der Wasserstrahl spritzte ins Leere. Gegen die Türe.

Der Morgen war kühl aber versprach einen sonnigen und milden Tag.
Er wuchtete die schwere Tasche, seinen Aktenkoffer und die Müllsäcke durch das schmale, dunkle Treppenhaus und unten durch die Haustüre und machte dabei mehr Lärm als er beabsichtigt hatte. Der Horizont bereits ein rotgoldener, greller Streifen. Am Himmel noch die Sterne und die Nacht. Unzählige Vögel begrüßten laut und schrill den herannahenden, neuen Tag und als er die Müllsäcke zu der in einer Holzumfriedung stehenden Tonne trug erschien das Vogelgezwitscher ihm bereits zu laut. Ungewöhnlich laut. War es noch eine Nachwirkung der Anspannung und Verschärfung seiner Sinne? Der Lärm schwoll an. Er konnte sich nicht erinnern, den Gesang der Vögel jemals in einer solchen Intensität vernommen zu haben.
Das war unangenehm, nicht schön. All die Lieder und Gedichte welche die lieblichen Gesangstöne der Vögel anpriesen waren fern. Ein mächtiges und bedrohliches, alle anderen Geräusche unweigerlich verschlingendes dumpfes Meer von schrillen Lauten war nah. War da. Und das Rot der aufgehenden Sonne ließ es umso unheimlicher erklingen da der Tag für gewöhnlich das Böse in die Schatten verbannt. Heute nicht.
Er bemühte sich künstlich um Ruhe aber fand sie nicht. Er trug seine Tasche jetzt zügiger zum Auto. Die Vögel schienen plötzlich ferner und vereinzelter.
Er blickte nach vorne, Richtung Auto. Da stand ein Mann in einem langen, braunen Mantel. Für eine Sekunde. Für ein Augenzwinkern. Dann war es wieder der Zigarettenautomat...

 

Hallo Felix-Florian,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de!

Wie der Titel deiner Geschichte schon sagt ist der Mann offensichtlich paranoid. Oder ist etwa doch alles real? Ich persönlich tendiere eher zu Ersterem, aber schön ist, dass du dies der Interpretation des Lesers überlässt.

Ob ich alles kapiert habe, weiß ich nicht. Zum Beispiel ist mir nicht ganz klar geworden, warum es für die Geschichte wichtig ist, ob der Prot. sich in seinem eigenen oder einem fremdem Bett befindet. Meiner Meinung nach lenken solche Informationen die Aufmerksamkeit des Lesers von den wichtigen Dingen ab. Am Besten überprüfst du deinen Text nochmal nach solchen Infos, die die Geschichte nicht voran bringen. (Ein Unterschied wäre es, wenn der Prot. diese Ängste nur hätte, nachdem er in fremden Betten übernachtet hätte.)

Stilistisch ist mir noch aufgefallen, dass du die Wörtchen "dann", "jetzt", oder "eigentlich" verwenderst. In den meisten Fällen sind das nur Füllwörter und in ihrer Häufung sehr unschön zu lesen. Auch hier solltest du versuchen, einige zu streichen.

Fehler sind mir bei der Kommasetzung aufgefallen, wenn du z.B. schreibst
Ich denke,
Ich meine,
Ich glaube,
folgt danach immer ein Komma.

Ebenso ist es, wenn du schreibst:
Ich kann das nicht verstehen, (komma) denke ich.
In deiner Geschichte hast du das meistens ohne Komma geschrieben.

Insgesamt fand ich die langen Sätze, die du teilweise verwendest, etwas mühsam zu lesen. Ich persönlich bevorzuge kürzere Sätze, da sie den Lesefluss vereinfachen und dadurch oftmals bessere Spannung aufkommen lassen. Vielleicht könntest du darüber nachdenken, diese "Monstersätze" zu teilen.

Hier noch ein paar Textanmerkungen:

Aber war es tatsächlich der Wecker?

Im Zusammenhang mit den vorangegangen Sätzen hört sich das so an, als würde der Prot. sich fragen, ob es wirklich der Wecker ist, der da piepst. Es ist aber doch so, dass er sich fragt, ob der Wecker der Grund für seine Laune ist. Das solltest du dahingehend umformulieren.

War es nicht viel mehr die Sehnsucht, die Erinnerung an eine Zeit zu welcher er einfach schlafen konnte, richtig schlafen und morgens in den letzten, verschwindenden Traumfetzen schon den Wecker oder eine vertraute Stimme hören, war es nicht diese verlorenscheinende "Fähigkeit" aus einem offenbar früheren Leben, welches jetzt so fern und unfassbar schien als hätte es nie existiert, die den eigentlichen und andauerenden Groll in ihm verursachten?

Hm... Ich musste diesen Satz jetzt mehrere Male lesen. Er ist einfach viel zu lange. Außerdem verhedderst du dich mehrmals und es fehlen einige Kommas. Solche langen Sätze solltest du vermeiden. Sie sind sehr schwer zu lesen und auch sehr schwer zu schreiben.

Eigentlich wollte er auch garnicht mehr hier sein, in der Kälte.

gar nicht

Eigentlich wollte er heute in einem sauberen Hotelbett erholt aufwachen, eine lange Dusche nehmen und gut frühstücken.

Mit "eigentlich" hat auch schon der vorherige Satz begonnen. Gefällt mir nicht so, oder war es Absicht?


Niemand der seinen nackten, über die Wanne gebeugten Oberkörper sehen konnte.

Niemand, (komma)

Dick und hilflos dachte er.

... hilflos, (komma) dachte er.

Aber niemand konnte das sehen, denn es war ausser ihm niemand da. Er konnte sich ja beruhigt der Türe abwenden, konnte ruhig diese schutzlose Position vor der Wanne einnehmen denn er war ja alleine hier. Keiner da, der seine Hilflosigkeit ausnutzen könnte.

Das ist ein bisschen viel "Hilflosigkeit". Du hast bereits weiter vorne mehrmals erwähnt, dass er hilflos und alleine ist. Ich finde, dass es genügt so etwas ein oder zweimal zu sagen. Durch diese Wiederholungen fühle ich mich ein wenig genervt - außerdem erhälst du durch die andauernde Erwähnung auch keinen Mehrwert.


Und das Rot der aufgehenden Sonne ließ es umso unheimlicher Erklingen da der Tag für gewöhnlich das Böse in die Schatten verbannt.

erklingen (klein)

LG
Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bella

Zunächst einmal danke ich Dir für Deine Lektur.
Machst Du das professionell ?
Es ist grundsätzlich erstmal hilfreich wenn man eine fremde Meinung über das was man tut bekommt. In diesem Fall über das was ich schreibe.

Also zum ersten Teil Deiner Antwort kann ich noch anmerken, daß der Protagonist (ich habe versucht das deutlich zu machen) eine Nacht zu lange in seiner eigenen Wohnung geblieben ist. Er ist ein Pendler und wohnt wochentags in einem Hotel bei seinem Arbeitort. Am Sonntag Abend fährt er normalerweise bereits los um dann am Montagmorgen gleich vorort zu sein.

Als ich die Geschichte begann war mir noch nicht klar, wann sie enden sollte. Es könnte noch alles daraus werden. Auch eine Horrorgeschichte oder ein Thriller...

Die Wortwiederholungen waren Absicht da ich tatsächlich der Meinug war, die Spannung in der Geschichte dadurch erhöhen zu können. Danke für die Bemerkung. Werde da künftig stärker drauf achten. Auch auf die Länge der Sätze.

Auf die Rechtschreibung im Einzelnen möchte ich nicht eingehen, weise jedoch darauf hin, daß ich mich keinesfalls, sei es jetzt oder künftig, nach der "Neuen Rechtschreibreform" richten werde, auch wenn das nicht oder nur zum Teil Gegenstand Deiner Lektur ist.

Ich werde hier wahrscheinlich ab und zu etwas veröffentlichen und würde mich freuen, dann auch wieder (D)eine Meinung dazu zu lesen.


MfG
Felix-Florian

 

Hallo Felix

Nachdem Du die Geschichte nach der ersten Kritik nochmals überarbeitet hast, werde ich Bellas Kritik erst mal vollkommen auser acht lassen. Kann also sein, daß ich mich unter Umständen wiederhole.

die den eigentlichen und andauerenden Groll in ihm verursacht?
Müsste es nicht "verursachte heißen?

Rasieren, Zähne putzen, das war gestern Abend, wie bereits zu oft, nach dem Kneipenbesuch entfallen, mehr aus Faulheit denn aus Unfähigkeit mangels Feinmotorik durch die Wirkung des Alkohols wie er es vor sich selbst rechtfertigte, Haare waschen!
Hilfe, was ist das denn für ein Mammutsatz?
1.) Es würde sich etwas einfacher lesen, wenn Du zumindest zwei Sätze daraus machen würdest.
2.) Und was soll das "Haare waschen" zum Schluß aussagen? Es passt so überhaupt nicht am Ende des Satzes, weil ich keinen Zusammenhang finden kann, da Du keinen Punkt gesetzt hast.
3.) Wieso das Ausrufezeichen? Es würde dann passen, wenn Du vor dem Haare waschen einen Punkt setzt.

Und doch könne er sich ja beruhigt von der Türe abwenden und beruhigt diese schutzlose Position vor der Wanne einnehmen,
Wieso versuchst Du nicht ein anderes Wort zu finden, statt Dich zu wiederholen?
beruhigt -> z.B unbeschwert

Wie ein Fluchttier wenn es wittert dachte er.
Vor "dachte" müsste meiner Meinung nach ein Komma hin.

Vom lesen her fand ich Deine Geschichte mitunter äußerst anstrengend, wegen der langen Sätze.
Der Inhalt hat zwar was für sich, konnte mich aber nicht wirklich vom Hocker reißen.

Gruß
LoC

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom