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Morgens, halb Zehn in der Hölle
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Der Höllenfürst schrie. Es war ein Markerschütternder Schrei. Dieser Schrei fällte Bäume, liess Häuser einstürzen, zerstörte Mauern, wühlte das Meer auf, liess Vulkane ausbrechen, die Vögel tot vom Himmel fallen und erregte die Erde. Es war ein furchtbarer Schrei. Einem Brüllen gleich. Ein Schrei direkt aus der Hölle.
Der Höllenfürst war zornig.
Er hatte die Lust zu töten.
Er wollte zerfleischen.
Er wollte zerstückeln.
Er wollte zerhacken.
Er… bekam die Chipstüte nicht auf.
Der Höllenfürst sackte zusammen.
„Warum gehen diese Dinger immer nur so schwer auf?“ heulte er. Ein etwas kleinerer, dickerer Dämon mit dem Namen Bernd, watschelte zu seinem Herrn.
„Was ist es denn diesmal für ein Zeug?“ fragte er angewidert. Er mochte kein Fastfood.
„Erdnussflips!“ antwortete der Höllenfürst. „Ich liebe Erdnussflips. Aber ich hasse diese verflixten Tüten.“
Er versuchte noch einmal die Tüte zu öffnen. Doch schon nach kurzer Zeit musste der Höllenfürst einsehen dass er, der Herr der Finsternis, der König der Verdammten von einer Chipstüte besiegt worden war. Er warf die Tüte wütend in die Ecke. Bernd ging zu der Tüte und hob diese auf. Er musterte die Tüte, drehte sie hin und her, überlegte kurz, öffnete sie dann langsam und fein säuberlich und reichte sie dann seinen Herrn. Der Höllenfürst musterte die Tüte und ihren Inhalt, schaute zu Bernd und fing dann an zu weinen.
„Na, na, na.“ Bernd schüttelte tröstend den Kopf. „Reißen sie sich zusammen Meister. Sie müssen jetzt ihre Würde behalten. Erinnern sie sich. Sie haben doch gleich ein Meeting mit Foltermeister Kring.“
Der Höllenfürst holte ein rosa Taschentuch mit aufgestickten Blümchen aus seiner Handtasche, schnäuzte kurz hinein und sagte dann: „Stimmt. Der gute alte Kring. Wartet er schon?“
„Ja. Das tut er.“ antwortete Bernd geduldig. „Seit drei Stunden.“
„Bringe ihn herein.“ befahl der Höllenfürst. Bernd watschelte zur Tür und liess Kring hinein. Dieser war groß, kräftig gebaut und viele Narben und Schrammen bedeckten seinen Körper.
„Einen verdammten Tag wünsche ich ihnen Meister.“ grüßte Kring.
„Kring! Liebling! Komm rein. Möchtest du ein Plätzchen? Oma hat sie gebacken.“
Bernd rollte mit den Augen. Kring blieb verwirrt stehen. Er hasste es wenn der Höllenfürst ihn so anredete. Das zerstörte sein Bild von einem Höllendämon. Für ihn sollte ein Höllenfürst bösartig und furchteinflößend sein. Er sollte Spass beim Foltern haben und er sollte mindestens 261 Arten kennen jemandem Schmerzen zuzufügen. Nach Krings Meinung sollte der Herr der Verdammten einfach nur grausam sein. Der jetzige Fürst ist aber ganz anders. Er ist nett! Und damit nicht genug. Er weinte bei Sissy Filmen, liebte lauwarme Frühlingsabende und veranstaltete wahnsinnig gerne Tuppapartys.
Kring war einfach nur enttäuscht von seinem Chef und nur allzu gerne hätte er dem Höllenfürsten dass eine oder andere scharfe Wort an den Kopf geworfen. Doch Kring war nicht dumm. Auch wenn er wusste dass sein Herr wohl der einzige Fürst der Finsternis war der ohne zu zögern alte Damen über die Strassen geholfen hatte*, so war er ja immer noch der Höllenfürst und hatte so einiges an Macht. Es war nie schlau einen Höllenfürsten zu verärgern. Auch wenn dieser Fürst flauschige Kaninchen liebte, mochte Kring nicht herausfinden was wohl passiert wäre wenn er seinen Herrn beleidigt hätte. Lieber keine Risiken eingehen, dachte sich Kring.
Plätzchen… ouh, Mann!
„Nein… ähem…“ Wie hieß das Wort noch mal… ach ja. „Danke, Herr.“
„Wirklich nicht?“ fragte der Fürst. „Heute sind Mandeln drin.“
„Nein, danke.“ antwortete Kring geduldig.
„Der Zuckerguss wurde diesmal weggelassen. Hab nämlich entdeckt dass ich ein Loch im Zahn habe.“
„Ja Herr, aber…“
„Aber zum Glück nur ein kleines.“
„Herr… um das Gesprächsthema wieder auf die richtige Bahn zu…“
„Willst du es vielleicht sehen?“ De Höllenfürst öffnete schon den Mund.
„Nein Herr. Das möchte ich nicht.“
„Oder möchtest du was zu tri…“
„NEIN, HERR!!!“ Kring zuckte zusammen. Seinen Herrn anschreien. Ogottogottogott. Obwohl, der hätte hier auch nicht helfen können. „Nein, danke.“ fügte Kring leise hinzu.
„Dann nicht.“ Sagte der Höllenfürst und schob sich selbst ein Plätzchen in den Mund. Pfeiff auf Löcher in den Zähnen. „Was gibt es nun?“
„Wir brauchen in der Folterkammer so einige neue Geräte.“
„Kein Problem.“ sagte der Fürst. „BERND!“
Der kleine, dicke Dämon kam angewatschelt. Er hatte ein Klemmbrett und ein Stift in der Hand.
„Schieß los.“ forderte der Fürst Kring auf. „Bernd stellt eine Liste auf.“
„Also erstens brauchen wir neue Streckbänke.“
„Schon wieder?“ Der Höllenfürst rollte mit den Augen. Wir haben einen riesigen Verschleiß an diesen Dingern zu haben, wieso das.“
„Die neuen Geräte halten eben nicht mehr so viel aus.“ entgegnete Kring.
„Und was wird noch gebraucht?“ fragte Bernd.
„Zwei, drei neue Eiserne Jungfrauen wären auch nicht verkehrt.“
„Eiserne Jungfrauen?“ fragte der Fürst. „Oh mit denen habe ich enttäuschende Erfahrungen gemacht.“
Bernd und Kring wechselten einen Blick. Sie stellten sich die stumme Frage: Fragst du ihn was diese Aussage zu bedeuten hat? Ich würde es ja selbst tun doch ich bin mir zu schade.
Irgendwann seufzte Bernd und fragte: „Was meinen sie denn damit Meister?“
„Ach Teufelchen,“ sagte der Fürst*. „ Mein Vorgänger hat mir mal den Tipp gegeben
manchmal auf die Erde zu gehen und die Menschen zum Sündigen anzuregen und so. Ich wollte eine noch sehr junge Dame dann… wie soll ich es sagen?... zu ihrem ersten Mal überreden. Ich war zwar die Verführung in Person doch das Mädchen war wirklich eisern in ihrem Entschluss Jungfrau zu bleiben… das kann ich euch sagen. Als sie mir das dritte Mal ihren Milchshake ins Gesicht gekippt hat bin ich abgehauen. Man hat ja auch seinen Stolz.“
Wieder wechselten Bernd und Kring einen Blick. Diesmal einen der Bände sprach. Nun seufzte Kring.
„Äh… Meister?“ setzte er an. „Mit einer Eisernen Jungfrau meinte ich eine ganz bestimmte Art von Foltergerät.“
„Ach…,“ der Fürst war überrascht. „Gibt es tatsächlich ein Gerät mit einem solchen Namen?“
Bernd rollte innerlich mit den Augen. Au Backe! „Ja, Meister.“
„Oh… okay. Gibt es sonst noch irgendwelche Geräte die wir erneuern müssen?“ fragte der Fürst.
„Nein, Meister.“ sagte Kring. „Das nicht aber ich hätte mit ihnen gerne über eine verdammte Seele gesprochen die wir hier beschäftigen.“
„Um welche geht’s denn?“
„Um die Seele mit der Kennnummer 14A5BC1. Sein sterblicher Name war David Vood. Ist noch recht neu hier… erst fünfzig Jahre.“
„Und was ist mit ihm?“
„Er scheint keine Qualen mehr an der Arbeit zu entfinden. Er scheint sehr amüsiert zu sein.“
„Warum das denn?“ wollte der Fürst wissen. „Wird er etwa zum Lachen gebracht?
Wird denn etwa nicht mehr ordentlich gemobbt? Nichts vermiest die hiesige Arbeitsatmosphäre mehr als eine lockere Arbeitshaltung und flotte Sprüche unter den Kollegen. Jeder hat ein natürliches Recht darauf von seinen Kollegen missachtet und gemobbt zu werden. Jeder Seele soll eine höllische Arbeitsatmosphäre geboten werden in der sie dann in Todesdepressionen verfällt. Jede Seele ist gleich verachtungsvoll und jede erfährt die gleiche Menge und Art von Folter Qual. Hier wird niemand vergessen! Hier wird jeder unterdrückt.“
Wieder wechselten Kring und Bernd einen Blick miteinander. Wenn ihr Höllenfürst so redete dann respektierten sie ihn. Dann war alles ihn Ordnung.
„Und was sollen wir mit Seele 14A5BC1 machen?“
Der Fürst überlegte kurz, dann sagte er: „Foltert ihn ein bisschen. Wenn er dann immer noch gut gelaunt ist werde ich mich persönlich mit ihm befassen“
„Ja, Meister.“ sagte Kring und verliess den Saal.