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morgens

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19.08.2001
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morgens

"Ich habe diesen Job nicht immer gemacht." sagte Renny. Seine Freunde nannten ihn Spike. Dante saß neben ihm im Wagen und blinzelte durch seine Sonnenbrille aus dem geschlossenen Fenster ins Sonnenlicht. Sie saßen in einem 78'er Ford Mustang, der vor einem Haus am Standrand parkte. Es war 8 Uhr 38 morgens.
"Früher arbeitete ich am Bau. War 'ne hundsgemeine Arbeit. Hart. Aber ich kam irgendwie durch. Mein Boss war ein Arschloch, aber die Bezahlung war ganz okay. Ich meine, ich verdiente damals nicht soviel, dass es gereicht hätte,um auf die Bahamas zu ziehen, aber es war genug. Manchmal mussten wir Kabel verlegen. Die Scheissdinger waren an den Enden so scharf, dass man sich damit ohne Probleme durch die Hand stechen konnte. Ist mir auch zweimal passiert. Hier sieh mal." Spike hielt Dante die offene Hand hin. Zwischen Ring- und kleinem Finger war eine kleine Narbe zu sehen. Ebenso am linken unteren Handballen. Dante hob die Sonnenbrillen, um die Narben zu betrachten, begutachtete sie eine Weile und lehnte sich dann wieder zurück.
"Weisst du" fuhr Spike fort "Früher war mein Leben in Ordnung. Ich hatte eine Frau, eine kleine Tochter und ein Haus in dem wir wohnten." Er kurbelte das Seitenfenster runter und spuckte aus. "Ich weiss gar nicht, wann es angefangen hat."
Dante runzelte die Stirn, "Was denn angefangen?". Spike beantwortete die Frage nicht.
"Irgendwann wacht man auf und merkt, dass man vierzig ist und einen Scheiss erreicht hat in seinem Leben. Einfach so. Das Gefühl ist plötzlich da und es ist so eindringlich, dass man sich nicht dagegen wehren kann.". Dante grinste, "Jep. Nennt man wohl Midlife Crisis oder so, nicht?".
Spike runzelte verächtlich die Stirn "Jaja. Mit deinem 24 Jahren hast du noch leicht reden. Ich kann dir wohl nicht erklären, worum es geht. Du kommst schon noch darauf."
Ein Auto fuhr vorbei. Spike und Dante musterten den Fahrer, als der Wagen den Mustang passierte, ehe sie in kurzes Schweigen verfielen. Nach einigen Minuten fing Spike wieder an zu reden.
"Ja, war schon ein hartes Leben am Bau. Aber es war richtige Arbeit. Nicht so wie der Scheiss hier."
Dante verzog den Mund "Wieso, Alter. Ist doch ganz okay, der Job."
"Ach Blödsinn! Was machen wir denn schon grossartig? Nichts! Am Bau war ich Teil einer guten Sache. Wir bauten Häuser, in denen Menschen einzogen. Mit ihren Familien. Meine zwei Hände halfen, ein Heim für diese Leute zu bauen! Ich konnte am Abend mit dem Gefühl heim gehen, dass ich eine sinnvolle Arbeit verrichtet hatte."
"Ja, und dann liessen sich die Leute die in dein Haus eingezogen waren wieder scheiden, stritten sich um das Sorgerecht und verkauften das Haus wieder. Also alles für'n Arsch, oder?" Dante musste den Kopf schütteln. Der Alte laberte heute wieder mal Blödsinn, dass man die Wände hochgehen könnte.
"Das ist nicht der Punkt" versuchte sich Spike zu rechtfertigen, "Ich war an etwas Positivem beteiligt. Ich kann doch nicht die Rechenschaft für die Menschen übernehmen, die in meine Häuser einzogen!"
"Nein, aber du versuchst, deine Arbeit als etwas Heiliges darzustellen und das war sie nicht. Mein Gott, du hast etwas Zement geschleppt und einige Kabel verlegt! Krieg dich wieder ein, okay?"
Spike überlegte. "Vielleicht hast du Recht. Vielleicht bilde ich mir etwas zu viel darauf ein. Vielleicht waren diese Zeiten damals gar nicht so rosig. Schlechte Zeiten schauen nach ein paar Jahren ja meist nicht mehr so schlimm aus, als zu dem Zeitpunkt, als sie da waren, nicht? Wie gesagt, die Arbeit war ja auch wirklich hart."
"Hast du gesagt, du hättest damals eine Frau und ein Kind gehabt?" fragte Dante nach einer kurzen Pause.
"Ja." antwortete Spike in Gedanken "Eine Tochter. Marian."
"Und deine Frau?"
"Sie hiess Sidney. War eine gute Frau. Wir hatten eine gute Zeite miteinander. Sie war ganz vernarrt in die Kleine gewesen. Ich natürlich auch. Sie war schon etwas Besonderes. Sidney war Kassierin in einem Supermarkt in der Innenstadt. Sie hat ihren Job gehasst. War aber zu der Zeit nichts Besseres zu finden. Deswegen musste ich ja auch am Bau arbeiten. Abends sassen wir immer zusammen und redeten bis spät in die Nacht. Mann, was war'n das für Zeiten...". Spike versuchte sich zu erinnern, wie seine Frau ausgesehen hatte. Es fiel ihm schwer.
"Und?" Dante hatte das Gefühl, als hätte er etwas verpasst.
"Und was?"
"Wo sind sie jetzt? Deine Frau und deine Tochter?"
"Sind vor neun Jahren bei einem Autounfall gestorben." Spike spuckte erneut aus dem Fenster.
"Oh, Mann! Das tut mir leid, das wusste ich nicht! Schöne Scheisse!"
"Ja. An diesem Tag hörte ich auf, am Bau zu arbeiten. Bin seitdem nie wieder einer richtigen Arbeit nachgegangen."
"Ja, aber du hast doch jetzt einen Job."
"Ich rede von einer richtigen Arbeit! So etwas wie Gärtner oder Tischler."
Dante wurde zunehmend unruhiger. Der Alte wurde wohl langsam weich. Er wühlte die letzten Tage schon sehr viel in seiner Vergangenheit rum und erzählte Sachen, die Dante eigentlich gar nicht hören wollte. Je weniger er von Spike wusste, desto besser. Er brachte es aber irgendwie nicht übers Herz ihm zu sagen, dass ihn der ganze Scheiss eigentlich gar nicht interessierte. Er sah auf die Uhr. Es war 8 Uhr 51.
"Gärtner ist doch auch Scheisse.", meinte Dante kurz angebunden. "Die ganzen Blumen und der Scheiss. Wär nichts für mich."
Spike's Augen fingen kurz an zu glühen, als er antwortete. "Nein Mann! Die Pflanzen, die Blumen, die Blüten. Der süsse Geruch, den sie im Sommer von sich geben. Eine kleine Perle aus Tauwasser, die sich morgens mit Verbissenheit an ein Blütenblatt krallt und sich vehement dagegen wehrt, abzuperlen. Die schönen, fröhlichen Farben. Ein leichter Windhauch, der mit den Blättern eines Busches spielt, während dieser sich sanft im Wind wiegt. Das Spiel der Bienen mit den Blüten, wenn sie auf Nahrungssuche sind, brummend, singend. Die Grazie einer Blume, die gierig nach Sonnenlicht, sich sehnsüchtig in die Richtung der lebenspendenen Kraft neigt. Das alles ist Harmonie in ihrer reinsten Form!".
Dante war schockiert. Diese Worte aus Spike's Mund zu hören hatten ihn weitaus mehr überrascht, als wenn dieser zugegeben hätte, dass er Strapse trug, sich mit einem Skalpell die Zähne putzte und Dante's Mutter letzte Nacht gevögelt hatte. Der Alte tickte irgendwie nicht mehr ganz richtig. Er musste wohl oder übel Dr. Den davon in Kenntnis setzen. In diesem Zustand konnte Spike sich selber und auch Dante gefährden. Was für ein beschissener Tag!
"Ähm, es ist fast neun!" Dante tippte mit dem Finger gegen seine Armbanduhr.
Spike, dessen Mundwinkel ein sehnsüchtiges Lächeln umspielte, runzelte kurz die Stirn, ehe er wieder zu sich kam. Das Lächeln verschwand. "Scheisse, wir müssen loslegen." Er zog den Schlüssel ab und sie stiegen aus dem Wagen.
Die Temperatur war für die Tageszeit schon sehr hoch. Dante spürte, wie Schweissperlen auf seinem Rücken abwärts kullerten.
Sie gingen langsam die Einfahrt hoch. Vor dem Eingang blieben beide kurz stehen.
"Okay" begann Spike "Wir müssen dies hier schnell erledigen. Kurz und schmerzlos."
"Alles klar." Dante zog seine Waffe aus dem Holster und lud durch. Spike tat das selbe mit seiner Desert Eagle.
"Eines muss dir klar sein und vergiss das nie" wies er Dante noch kurz an, "Diese elende verfickte Mistratte hat Dr. Den verarscht. Wir müssen diesem Hurensohn eine Lektion erteilen. Es muss ein Exempel statuiert werden. Wir sagen allen anderen Motherfuckern damit, dass Dr. Den verdammt noch mal niemand ist, der sich von solchen Yuppie-Arschfickern verarschen lässt. Jeder muss wissen, dass er mit einem gottverdammten Scheiss-Zettel an seinen beschissenen Zehen in einer scheiss-schwarzen Plastiktüte enden wird, wenn er irgendeine Scheisse mit Dr. Den versucht. Klar?"
Dante verzog den Mund zu einem Grinsen. Das war der alte Spike. Kein Grund zur Panik. Er nickte.
"Dann nichts wie rein und lass uns diesen Schwanzlutscher umlegen!"
Dante drehte den Knauf und stiess die Tür, die nicht abgeschlossen war, auf.
Sie traten ein.

 

Coole Geschichte!!! Ich hab mir zwar sowas ähnliches gedacht (hab aber eher auf; die beiden sind Mafia-Typen oder Zuhälter getippt) - aber das tut der Story keinen Abrruch!

Grizze!
stephy

 

(+)...flüssig erzählt, witzig, gute Details...

(-)...die Idee ist halt wirklich nicht neu, man sieht in dem Protagonisten eher einen bereits bekannten aus einer ähnliche Szene...fehlt irgendwie noch ein gewisses X-tra...

Trotzdem, nicht schlecht :)

San

 

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