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Muselmann oder die gründliche Republik
Seit drei Wochen war er jetzt hier. Er, einer von hier, war laut Bewerbungsgespräch selbstverständlich offen, tolerant und kontaktfreudig. Kurz gesagt: total teamfähig. Mit seinen Kollegen am neu gestarteten Projekt kam er ganz gut zurecht. Auch Anna hatte es ihm angetan und sie schien ähnlich zu empfinden. Doch nichts überstürzen!
Bauchschmerzen hatte er trotz aller Offenheit in der Kantine. Tausende anonyme Augen schienen ihn ständig zu mustern. Vielleicht war alles nur Einbildung und so gab er sich redlich Mühe, offen, kontaktfreudig und tolerant zu sein. Er fand doch immer einen Platz an einem der Tische. Und eine kurze Frage „Ist hier noch ein Platz frei?“ konnte ja der Beginn eines Small-Talks sein.
Doch heute kam es anders.
Schuld daran war seine Appetitlosigkeit auf Schweineschnitzel. So griff er ins Nachbarregal zu dem Fisch. Das Nachbarregal hatte ein kleines Schildchen, auf dem stand: Für unsere Mitarbeiter muslimischen Glaubens.
„Komisch“, dachte er, „ich hab hier noch nie einen Muslim in der Kantine gesehen! Da wird es nicht ins Gewicht fallen, wenn ich mal eine Portion hier herausnehme. Außerdem, wenn die hier schon so tolerant und offen sind, dass sie sogar die Essenregeln anderer Religionen akzeptieren, so anerkennen sie sicher meinen Appetit auf Fisch!“ Sprach´s und ging auf einen nicht ganz besetzten Tisch zu.
„Ist hier noch ein Platz frei?“, fragte er, als er schon das Tablett(mit dem Fisch für unsere Mitarbeiter muslimischen Glaubens) abstellen wollte.
„Uns schmeckt heute das Schnitzel nicht so recht hier.“, knurrte einer, „WIR sind fertig!“ Als er aufstand, folgten ihm die Anderen schweigend mit ihren vollen Tabletts und er saß alleine da.
Er dachte bei sich: „Du meine Güte, die haben sogar eigenes Essen für die Muselmanen und doch sehe ich hier nicht einen in der Kantine.“