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Mutprobe: Lagerhalle
Plötzlich blitzten zwei rote Augen im schummrigen Licht des Raumes auf. Sie waren rund und ihr Licht zeichnete gespenstige Schatten auf die gegenüberliegende Seite des Lagerraumes. Der gesamte Raum wurde somit in dunkelrotes, ja fast blutrotes Licht getaucht.
Die zwei Freunde rückten instinktiv näher zusammen und klammerten sich aneinander fest. Erstickende Angst machte sich in ihnen breit. Ihre Hände waren schweißnass. Ihre Körper fühlten sich heiß an. Sie wollten gar nicht hier sein. Es war nur eine Art Spiel gewesen. Mutprobe. Pf! Sie hätten keine Angst, hatten beide zuvor noch bestätigt. Es war doch nur eine alte Lagerhalle. Nichts Besonderes! Alles nur Gerüchte, dass es hier spukte. Dass schon Leichen aus unerfindlichen Gründen geborgen wurden. Alles Lügen! Doch jetzt. Jetzt begannen sie zu glauben. Hatten sie sich denn geirrt? Mit ihrer Großspurigkeit ihr Todesurteil besiegelt?
Nun konnten sie schon mehr erkennen. Eine Maschine. Sie stand einfach mitten im Raum. Ohne irgendeiner Funktion. Vor so einer sollten sie Angst haben? Ihre Umklammerungen lockerten sich. Es war nur eine Maschine. Doch dann ertönte ein markerschütternder hoher Ton. Er ging ihnen durch und durch, sodass sich ihnen die Haare wie elektrisiert aufstellten. Genauso schnell wie er gekommen war, verschwand er auch schon wieder. Die beiden Kinder öffneten die Augen, doch sie konnten keine Veränderungen im Raum erkennen. Doch! Da. Wo war die Maschine? Der Platz war leer, an dem früher dieses Ungetüm mit leuchtenden Augen stand.
Beide Jungen blickten im Raum herum, doch da war nichts. Wie vom Erdboden verschluckt. Stille.
Plötzlich durchschnitt ein kurzer Lichtstrahl die Dunkelheit des Raumes. Woher war er gekommen? Schschscht. Zwischen den Beiden blitzte die Klinge eines Schwertes auf. Schnell und exakt war der Hieb. Das Messer durchschnitt den Arm des Jungen ohne jegliches Geräusch. Ein stechender Schmerz fuhr in den Körper des fast 16-Jährigen. Timo. Vor Schreck verlor er das Gleichgewicht. Stürzte zu Boden. Schock lähmte seinen Körper. Er starrte mit entsetztem Blick auf den blutenden Stummel seines früheren Armes. Nein! Nein, das konnte nicht wahr sein! Er musste träumen! Nein!
Silvio war mit vor Schrecken aufgerissenen Augen an die Wand gedrückt in sich zusammengesunken. Was war das hier? Sein Körper zitterte. Seine Augen suchten das Ungeheuer, dass für diese Bluttat verantwortlich war. Es war so plötzlich hinter ihnen gewesen. Keiner der beiden hatte es kommen gehört. War es von der Decke gekommen? Es hatte sie einfach rücklings überrascht. Eine überaus unfaire Methode. Doch sie waren nicht in einem Spiel. Es gab keine Regeln. Sie konnten das Geschehene nicht mehr ungeschehen machen. Bevor die beiden sich noch erholt hatten, stand die Maschine plötzlich vor Silvio. Sie war riesig und schon zückte sie wieder das Schwert. Auf der sorgfältig geschliffenen Klinge konnte der Junge hellrote Flüssigkeiten erkennen. Blut. Blut von seinem Freund. Blut von Timo. Die Klinge schnellte herab. Doch Silvios Reaktion war schneller. Er hechtete zur Seite. Das Messer erwischte ihn jedoch trotzdem an der Ferse, die durch die Schnelle und Wucht des Schlages aufgeschlitzt wurde. Ein Laut des Stöhnens entfuhr dem jungen Burschen. Der Schmerz pochte in seinem Fuß. Er hinkte so schnell er konnte zu Timo, der kurz davor war sein Bewusstsein zu verlieren.
Das Ungetüm bemerkte die beiden und wankte nun langsam auf sie zu. Die beiden armähnlichen elektronischen Ausstülpungen schwankten von einer zur anderen Seite, während es sich den zitternden Gestalten auf bedrohliche Weise näherte. Jede seiner Bewegungen verursachte quietschende Laute, sodass es eigentlich unmöglich erschien, dass es zu schnellen Bewegungen fähig war.
Timo konnte kaum mehr die Augen offen halten. Der Blutverlust machte ihm zu schaffen. Seine Kraft schwand. Dennoch wollte er durchhalten. Wollte lebend aus dieser Lagehalle entkommen. Er griff nach Silvios Hand. Hielt sie fest und versuchte sich aufzurichten. Ihre Blicke trafen sich und Silvio, der bemerkte, was sein Freund vorhatte, richtete sich mir ihm auf. Gemeinsam lehnten sie – noch immer zitternd – an der Wand und warteten was nun passieren würde. Der Roboter hatte sie nun fast erreicht.
Beide erwarteten, dass das Monster wieder mit dem Schwert angreifen würde. Doch sie irrten sich. Plötzlich machte es einen undefinierbaren gurgelnden Laut und erstarrte in der Bewegung. Die roten Augen erloschen. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Der Roboter rührte sich nicht. Nachdem etwa zwanzig Minuten verstrichen waren, trauten die beiden Jungen sich aus ihrer an die Wand gedrückten Stellung. War es denn vorbei? Konnte das denn möglich sein? Trotz Verletzungen lächelten die zwei Teenager in sich hinein. Denn wer konnte schon so viel Glück haben, dass dem Gegner kurz bevor er sie abschlachtet, die Energie ausgeht?
Sie hätten auf schnellstem Weg abhauen können. Doch die Neugier hielt sie zurück. Was war das für ein Ding? Von wem erbaut? Zu welchem Zweck? Auf was angesetzt?
Vorsichtig schlichen sie um die Maschine herum. Sogar Timo vergaß für einen Moment sein Schmerzen. Die Neugier war zu groß. Beide Augen starr auf das Ungetüm gerichtet, um ja jede winzig kleinste Bewegung zu bemerken, schlichen sie langsam darum herum. Doch da war nichts. Bei jedem Schritt löste sich ihre Angst mehr. Und so auch ihre Vorsicht. Bald schon durchsuchten sie jeden Winkel des Elektrohaufens ohne jegliche Angst. Ihre abgeschnittenen Körperteile schienen sie kaum noch zu stören. Zu groß war ihr Stolz und ihr Hochgefühl ind diesem Abenteuer „gesiegt“ zu haben. Timos Schulter und Silvios Fuß waren taub geworden. Ohne jegliches Gefühl.
Nachdem sie das Gerät genauestens untersucht glaubten, wurde ihnen ihr Glück erst richtig bewusst. Sie begannen das erstarrte Ungeheuer zu beschimpfen und zu treten. Doch das war ein Fehler.
Sekundenschnell öffneten sich die Augen und messerscharfe Klingen schossen aus dem „Körper“ des Roboters. Gleichzeitig begann es sich mit hoher Geschwindigkeit zu drehen. Timo, der noch immer starrte, erwischte eine Klinge und mit einem exakten, sauberen Schnitt war sein Oberkörper von der Hüfte an abgetrennt. Die Augen des Jungen bekamen einen trüben Ausdruck und der Oberteil klatschte mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Langsam bildete sich eine blutrote Lache um ihn herum.
Silvio, der sich noch rechtzeitig vor den wirbelnden Messern in Sicherheit gebracht hatte, musste zusehen wie sein Freund ermordet wurde. Das war zuviel. Tränen liefen dem sonst so mutigen Jungen über die Wangen, während Erinnerungen an alte Zeiten durch seinen Kopf schossen. Nein! Wieso? Das konnte nur ein Albtraum sein. Er wollte aufwachen! Jetzt. Auf der Stelle. Er begann zu schreien. Blind vor Wut und Verzweiflung rannte er los. Ungeahnte Kräfte hatten sich in ihm gesammelt.
Während sich der Roboter noch scheinbar schwerfällig zu ihm umdrehte, war Silvio schon vorbei an ihm. Von hinten gab er ihm einen gekonnten Fußtritt in die Hüftgegend. Doch gleich bemerkte er, dass er nichts gegen ihn ausrichten konnte. Seine Augen suchten in Panik den Raum nach Hilfe ab und erst jetzt entdeckte er einen Eimer mit Wasser. Was hatte er mal in der Schule gelernt? Wasser und Strom? War da nicht irgendwas Wissenswertes. Hm, für lange Gedanken reichte ihm die Zeit nicht. Denn schon hatte ihn das Ungeheuer im Visier und bewegte sich auf ihn zu. Er musste es einfach ausprobieren. Er hechtete so schnell er mit seinem verletzten Fuß konnte zum Eimer und schüttete den gesamten Inhalt auf den Roboter. Zuerst geschah nichts. Silvio gab die Hoffnung schon fast auf, als plötzlich ein Funken aus dem Inneren des Elektrokörpers stob. Es folgten weitere und schon bald konnte er den Geruch von schmorenden Kabeln vernehmen. Seine Hände ertasteten die Wand als er sich nach hinten bewegte. Dort ging er in Deckung. Erstaunt betrachtete er das Schauspiel. Nach einigen zuckenden Bewegungen erloschen die Lichter des Roboters und er erstarrte erneut. Dünne Rauchfäden kamen aus dem Haupt des Angreifers.
Dieses Mal wollte Silvio seine Chance auf Flucht nicht so einfach vorbeiziehen lassen. Er raste los zu dem Weg, durch den er auch gekommen war. Die Tür war zu seinem Pech verschlossen. Bei genauerem Probieren merkte er, dass sie nur klemmte. Er stemmte sich mit seiner ihm übrig gebliebenen Kraft dagegen und schon bald gab sie mit einem knirschenden Geräusch nach. Er rannte und rannte bis er nicht mehr konnte und den Ausgang erreicht hatte. Sobald er die frische Luft in sich aufgesogen hatte, brach er auf dem angrenzenden Feld zusammen. All die Aufregung hatte ihn so geschwächt, dass er nicht mehr konnte und das Bewusstsein verlor.
Erst spät am Abend wurde er von ein paar Dorfbewohnern entdeckt und zum nächstliegenden Krankenhaus gebracht. Als er dann aufwachte, waren seine Eltern schon bei ihm. Tränen rannten über seine Wangen als er in ihre sorgenvollen Augen schaute, die erst nach seinem Erwachen erleichtert wirkten. Nie wieder würde die Ausstrahlung solcher Augenpaare für Timo zur Erleichterung wechseln.