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Mutter Ganga

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25.03.2007
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Mutter Ganga

“Nimm die Arme hoch, verdammt!”. Die Unruhe in der Menschenschlange übertrug sich auf die Wache, die mit starrem Blick zuvor den schiebenden und drückenden Pulk dem Grenzübergang Netzarim hingelotst hatte, mit der Spitze des Maschienengewehrs dabei immer wieder die schwitzende Masse dirigierend. Ein zweiter, vielleicht 50-jähriger Mann mit dunklem Bart fing an, wild gestikulierend auf den Vordermann einzureden, dieser blickte jedoch nach wie vor nur stur und mit nervösen Augenschlägen die Grenzwache an.

Ron tat ein paar Schritte in ihre Richtung. Beim Mustern seines Freundes Abrim fiel ihm auf, wie dessen angespannte Körperhaltung offensichtliches Unbehagen ausdrückte. Vor ein paar Tagen hatte Abrim ihm abends in einer kleinen Kaschemme am Strand von Tel Aviv erklärt, wie sehr er die Grenzkontrolle hasste, wie ihm das Abtasten der wartenden Personen zuwider war, wie oft er den unverhüllten Hass in den Augen der Menschen wahrnahm, aber auch, wie oft er ihre zerschmetternde Hoffnungslosigkeit erahnen konnte, wenn sie mit fast flehenden Gesichtern und Gesten jeden Morgen sich auf die Gunst seiner Armee-Kameraden einzulassen zu hatten. Seit gestern waren sie in dieser Region im Einsatz. Insgesamt war es schon das vierte Mal, dass sie zum Reservedienst eingezogen wurden. Man hatte eine kurze Einweisung eines Offiziers am Morgen erhalten und in der Glut der Mittagshitze die hiesigen Befehlshaber präsentiert bekommen. Sie sollten noch knappe vier Wochen Dienst leisten, dann würden sie zurück in ihre Heimatstädte fahren. Bis zum nächsten Jahr und Einsatz. Ron wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Aus einigen Metern Entfernung hörte er Abrim fluchen. Der junge Mann vor ihm hatte endlich beide Arme hoch in die Luft gereckt. Die weiße, leicht flatternde Kafta ließ einen Knabenhaft anmutenden Körper erahnen. Den musternden Blicken ausgesetzt, stand er ein paar Augenblicke still auf der Stelle, dann ließ Abrim ihn langsam nickend und mit einem Schwenk des Gewehres die Arme runter nehmen und schließlich passieren. Ohne ihn abzutasten. Hinter ihm sagte der ältere Mann ein paar unverständliche Wörter in Richtung des Jungen, die dieser jedoch ignorierte, um sofort mit schnellen Schritten davon zu eilen.

Ohne sich umzudrehen nahm er rasch Kurs auf eine Gruppe Soldaten, die auf Plastikstühlen etwa 20 Meter von der Grenze entfernt im Schatten einer Mauer Rast machten. Unter ihnen saß auch Kaim, Rons Zimmergenosse und Geliebter des letzten Sommers, ein schlanker, humorvoller Grundschullehrer aus dem bei einheimischen Touristen beliebten Küstenstädtchen Netanya. Einer der Männer aus der Gruppe zeigte mit dem Arm auf den sich nahenden Jungen, der jetzt nur noch wenige Meter von ihnen entfernt in eine Art Laufschritt verfiel. Ein paar unverständliche Wortfetzen drangen zu Ron aus der Gruppe herüber, sie waren jedoch zu weit weg, um sie genau zu verstehen. Er nahm noch war, wie sich Kaims erhobene Gestalt gegen die weiße Mauer abhob, bis plötzlich der schmächtige Junge kurz mit gerecktem Kopf in den Himmel aufschrie und Sekunden später sein Dynamit explodieren ließ.

Ron öffnete die schweren Augenlider. Ein fahler Lichtstrahl fiel auf den Steinboden. Mit zitternden Bewegungen tastete seine linke Hand langsam den Brustkorb zum Hals hinauf. Winzige Schweißtropfen hatten sich unter der dünnen Bettdecke gebildet. Langsam schob er sie zur Seite und drehte den Kopf in Richtung des kleinen Tischchens am oberen Ende des Bettes. Von draußen drang die nächtliche Stille der Stadt durch das Balkonfenster, auf dem Wecker drehten sich die Zeiger unmerklich auf halb vier. Sich mühsam gegen die seitliche Bettwand aufrichtend, folgten die Augen dem Lichteinfall der Hostalbeleuchtung in das Zimmer. Er nahm einen kleinen Gecko an der oberen Holzkante der Zimmertür wahr, der sofort in seiner Bewegung verharrte. Beide blinzelten sich an und atmeten flach.

Wie oft ist er aus diesem Traum geschreckt? Wie oft hatten sich diese ewig gleichen Bilder in seine Nächte verirrt? Sie verfolgten ihn beständig seit jenem Tag vor fünf Jahren, als der palästinische Junge in Netzarim sein kurzes Leben beendete. Und dabei Rons unweigerlich und für immer mit veränderte. Verloren hatte er damals nicht nur einen Freund, Geliebten und Kameraden- verloren hatte er auch seine geistige Unschuld.

Vier Monate hatte der israelische Staat ihn wegen Verweigerung des militärischen Reservedienstes im Anschluss an das Attentat am Grenzübergang weggesperrt. Vier Monate, in denen das Leben für ihn eine neue Richtung nahm. Der Anbruch einer Zeit, in der er keine Umwege und auch keine Sackgassen mehr akzeptierte.

Sein vorheriges Leben als leitender Finanzangesteller in einem erfolgreichen Dot.com-Unternehmen war in dieser Zeit wie die Klippe einer Landzunge ins Nichts weg gebrochen; von dem hektischen Geld und der Börseneuphorie, dem schnellen Sex mit Kollegen auf der Firmentoilette, der Leere im dröhnenden Kopf nach einem stressreichen Arbeitstag mit zuweilen mehr als 16 Arbeitsstunden blieb, bis auf ein paar Telefonnummern, die er bald schon nicht mehr den Namen auf dem Händy-Monitor zuordnen konnte, nach Abzug aller Vergünstigungen nicht viel übrig. Ihn erstaunte fast, wie schnell die Kontakte in die Business-Welt verloren gegangen waren, doch bedauerte er das nicht. Finanzielle Polster hatte er für die nächsten Jahre genügend angehäuft, schließlich mangelte es stets an Zeit, etwas von dem Verdienten auszugeben. Er wollte, nein, er musste sich jetzt nach Perspektiven für ein zukünftiges Leben umsehen. Die geschundene Seele pflegen, sich inspirieren lassen von nicht-materiellen Gegebenheiten. Und wo konnte man das besser als auf dem indischen Subkontinent, wo auf zehn Quadratmetern immer mindestens elf verschiedene Lebensanschauungen zusammenkamen?

Bereits mit neunzehn zog er mit einer sechsköpfigen Gruppe von Schulfreunden durch den Norden des Landes, zweieinhalb Monate lang, von Bombay nach Rajasthan und weiter nach Delhi. Das Taj Mahal- ein Schock damals. Welche Pracht, welches Leid davor. Ein alter, bärtiger Hindu hatte ihm damals am Rande einer belebten Strasse in Agra beim Kauf einer kleinen Götzenstatue (fast prophetisch, wie sich später herausstellte) geraten, Halt zu machen, umzukehren, er würde sonst einer Tragödie entgegensteuern. Die Worte waren ihm zu jener Zeit nicht verständlich geworden. Doch das Erlebnis jener ernsten tiefen Augen und der gesprochenen Sätze, die, zuerst noch milde von ihm und seinen Freunden bespöttelt, zwischen den sich irre wendenden Gedanken hängen geblieben waren, kehrten zurück. Heute war er erneut hier, auch wenn nichts mehr so war wie mit neunzehn.

Mit einem kurzen Gähnen entzündete er die Kerze auf dem Nachttisch und kramte den silbernen CD-Walkman aus der Tragetasche. Er suchte die CD mit den gregorianischen Gesängen, die er vor ein paar Wochen in Pushka erstanden hatte, und zündete sich eine Kräuterzigarette an. Die Play-Taste betätigt, trat er ans Fenster und blickte auf den Assi-Ghat, wo, umspült von der starken Strömung des Ganges, die Bootsjungen mit ihren Vätern schlafend auf die ersten Touristen warteten. In einer Stunde würden sie den Fluss hinauf rudern, den neugierigen Augen der Fremden die morgendlichen Rituale der Gläubigen darbietend. Sicherlich könnte man auch wieder ein paar freakige Japaner beim Sprung in das schlammige, dunkelbraune Nass beobachten, versuchend, den ziehenden Fluten am Ufer zu widerstehen. Das hätten sie als Rucksackreisende damals sicherlich nie fertig gebracht.

Ob er sich ein wenig an die Treppen des Wassers setzen sollte? Er zog zweimal leicht an der Zigarette und entschied sich dagegen. Lieber wollte er versuchen, noch etwas Schlaf zu finden, bevor er den Morgen mit seinen Dehnübungen anfing. Er setzte sich im Lotussitz aufs Bett und summte leise die getragene Melodie des ersten Stückes mit.

Seit drei Wochen befand er sich bereits in Varanasi, diesem unbeschreiblichen Ort des Wahnsinns. Für mindestens drei weitere Monate wollte er bleiben, sich einen Yogi suchen, vielleicht einen Kurs an der Universität über Hinduismus belegen, wenn das möglich wäre. Jegliche Zeit der Welt sollte ihm zur Verfügung stehen, um seine verspannten Gedanken zu lockern. Und um Israel ganz weit weg von ihm zu halten. Trotz aller täglich sichtbaren Gewalt und den Diskriminierungen der hiesigen Gesellschaft schien die Toleranz der Bewohner Indiens ein leuchtendes Beispiel dafür abzugeben, wie Religionen auf kleinstem Raume sich dulden können, wenn die an sie Glaubenden nur wollen. Um das bewusst zu erleben, hatte Ron weit reisen müssen. Die Ströme des schlackigen Ganges verfolgt. Bis nach Benares.

Ron liebte diesen Ort wie kaum einen anderen. Denn diese alte Geschichte an Stadt war der komplette Gegenentwurf zu seinem bisherigen Leben, ja, ganz Indien eigentlich eine permanente, schallende Ohrfeige in das Gesicht jedes ungläubigen Menschen dieses ausgehebelten Planeten. Es war dabei fast egal, wo man sich gerade in dem Land befand. Wenn er in die finsteren Gesichter der Bewohner dieser verrottenden Stadt sah, in die stechend-schwarzen Augen der Kasten, die Tag und Nacht an den “burning ghats” schufteten, die ein Feuer in Gang hielten, welches über 2000 Jahre lang nicht mehr erloschen war, spürte er den unbändigen, jetzt freigelassenen Wunsch in sich wachsen, selbst zu schaufeln und zu graben. Durchzudringen zu dem Kern seiner ihm noch verschlossen erscheinenden Existenz.

Noch bei seinem ersten Besuch hatte man sie direkt in den ersten Minuten nach der Ankunft am Bahnhof bestohlen. Auf der Weiterfahrt nach Kalkutta ein paar Tage später verbrachte er fast die ganze Zugfahrt mit irrsinnigen Kopfschmerzen und elendem Durchfall über einem schmutzigen Loch, unter sich die monoton dahin rasenden Schienen. Und doch wusste er, dass Varanasi ihn irgendwann wieder sehen würde, wenn damals auch noch nicht klar war, warum und unter welchen Umständen.

Die Zeit im Militärgefängnis hatte Ron überwiegend mit Lesen verbracht, nachdem die Trauer über den Verlust Kaims einer stechenden Wut über das Land Israel gewichen war. Der Kern des Konflikts mit den Palästinensern schien ihm bald so einfach zu lösen: der Tempelberg in Jerusalem, dieses Stück Land, an dem sich die Weltreligionen entzweiten, dieses Stück Land musste unter internationale Beobachtung gestellt werden, als uneinnehmbares Heiligtum von allen Seiten respektiert und geschützt werden. Doch wusste er auch, dass bei der ewigen Auseinandersetzung mit den Palästinensern auf beiden Seiten nur die Hardliner mit ihren extremen Positionen, die sich bewusst weit ab vom Kern der Problemlösung entfernt hielten, gewannen. Es gab Streit in der Nation, nicht nur in dem eigenen Freundeskreis. Er fing an Bekannte und Familie mit seinen immer unbequemer werdenden Fragen aus dem Gefängnis heraus zu verärgern. Einige wandten sich von ihm ab, nannten ihn blind gegenüber den eigenen Bedürfnissen und “natürlichen Rechten” des jüdischen Volkes. Aber mit jeder weiteren Seite der Literatur, die ihn zu diesen quälenden Fragen brachte, spürte er die Gewissheit, dass es so wie heute niemals weitergehen könne. Nicht einmal eine einzige Minute gehen dürfe. In den letzten drei Wochen seiner Gefangenschaft reifte der Entschluss in ihm, Israel eine unbefristete Zeit lang zu verlassen. Israel, dieses Land, das ihn für seine Überzeugungen eingesperrt hatte in eine graue Zelle, die für ihn zu einem Sinnbild des Wandels wurde. Geändert hatte sich nur draußen nichts, oder so schien es ihm.

Nach der Entlassung aus dem Gefängnis fiel eine zweite, ohnmächtig machende Trauer über ihn herein. Missverstanden in allen Kreisen, die ihn umgaben, fasste er nach wenigen Wochen die Entscheidung, mit einem offenen Ticket ein zweites Mal nach Indien zu fliegen, diesmal allein. Es sollte keine Reise im eigentlichen Sinne werden. Möglichst wenige Stationen sollten auf dem Weg von Mumbai nach Varanasi liegen. Kleine Dörfer im Inneren des Kontinents, welche unbeachtet der Touristenströme blieben, und wo sich das Leben noch anfühlte, wie im vorherigen Jahrhundert. Das klang alles hippie-haft, er wusste das, doch wenn es dafür auf der Erde noch einen Platz gab, wo dieses Aussteigen im besten Sinne des Wortes möglich war, konnte es sich dabei nur um Indien handeln. Soviel war ihm schon mit neunzehn klar geworden. Im Gepäck hatte er mehrere Abhandlungen über die hinduistische Götterwelt, und er musste selber lächeln, wenn er sich so da sitzend und konzentriert lesend sah, mit dem gelben Tuch um den Hals, dem kahl geschorenen Kopf und seiner Nickelbrille.

Unterwegs mit den Freunden vor vielen Jahren waren die “Sinn-Suchenden” ein beliebtes Ziel ihres Spottes gewesen, doch es war ein Fakt, dass er die wenigen Gespräche, die er heute mit reisenden Menschen führte (und das waren immer viel mehr als beim ersten Mal, als die Isolation der Gruppe vom Rest der Rucksackreisenden offensichtlich war), stets interessante Abläufe annahmen und selten in bekannten Floskeln und Schlussfolgerungen endeten. Für ihn stand fest, dass man Indien von vornherein gar nicht verstehen konnte. Wer immer das versucht, würde geradewegs daran verzweifeln. Vielmehr hatte man sich Zeit zu nehmen, große Mengen an Zeit, für all die kleinen Begebenheiten des hiesigen Alltags, die sich einem ständig an jeder dreckigen Straßenecke präsentierten. Indien ist nichts weiter als eine Prüfung. Eine Aufgabe, der man sich als suchende Persönlichkeit stellen konnte. So waren ihm am liebsten die Zusammenkünfte mit den einheimischen Menschen, die, sofern die Sprache nicht als Barriere zwischen sie trat, mit unveränderten Lebensentwürfen aus uralten Traditionen der eigenen Gedankenwelt Nahrung gaben. Ihn regelrecht anschubsten und aufforderten, sich noch mehr um das Gleichgewicht seiner Selbst zu mühen, sich zu hinterfragen.

Als erstes lernte er auf dem Subkontinent wieder zu staunen. Mit einem schwedischen Naturwissenschaftler hatte er auf einer Busfahrt über die Evolutionstheorie gesprochen und erfahren, dass, egal, wie tief die Wissenschaft auch in die Materie eintauchen würde, das ganzheitliche Bild sich immer nur komplexer darstellen würde. Mit den bescheidenen Ausschnitten, die sich den Forschern bis heute präsentieren, würde allerdings ein Wirken deutlich, welches unvorstellbar größer sei als all die wöchentliche Publikationen der modifizierten Kleinigkeiten, die in wissenschaftlichen Fachzeitschriften erschienen. War die Forschung viel näher dran am ursprünglichen religiösen Leben, als in den westlichen Kulturkreisen stets angenommen wurde? Näher an Gott, vielleicht? Wer in der Nacht in den Himmel schaut, beendete der bärtige Schwede die Diskussion kurz vor seinem Ausstieg, der staunt. Das Staunen ist aber ein Ansatz zum Glauben.

An die Wand gelehnt suchten Rons Augen den Gecko. Er zog kurz zwei weitere Mal leicht an der Zigarette, trat erneut ans Fenster. Eine frische Brise war aufgekommen und verdrängte für ein paar Augenblicke die sonst so unerbärmlich drückende Schwüle, die vom Fluss die braunen Treppen ans Ufer hinauf trat. Schon sah er im grauen Licht des Morgens die ersten Pilger am Ghat ins Wasser hinabsteigen, die Kleidung ablegend, sich einseifend, dann versunken still meditierend. Auch seine Gedanken wurden klarer, die Anschauungen fokussierter, seitdem er in Varanasi angekommen war. Ausgerechnet im alltäglichen Dreck dieses unwirklichen Ortes fand er eine verloren geglaubte Helle in seinem Inneren wieder. “India is like a lotus-flower upside-down”, hatte er einmal gelesen. Er hatte vergessen, wo, aber so war es. An den Punkt in der Zukunft, an dem er eine Abreise nicht mehr länger würde hinausschieben können, dachte er nicht. Noch würde er sich weitere Zeit, viel mehr Zeit, bewilligen, um den Herausforderungen, die eine der heiligsten Stätte der Hindus an sein zerbrochenes Selbst stellte, gegenüber zutreten. Sie anzunehmen, das war seine mindeste Pflicht nach allem, was ihm widerfahren war.

Ron machte einen Schritt zurück ans Bett und legte sich, ohne die Bettdecke über den Körper zu ziehen, auf die harte Matratze. Doch nach ein paar Augenblicken überlegte er es sich anders. Mit einigen wenigen Bewegungen setzte er die Nickelbrille auf die Nase, zog eine kurze, Beige-farbene Baumwollhose an und glitt in die neben dem Bett stehenden Sandalen. Mit dem gelben Tuch um den Hals und dem, wie er ihn gestern Abend schmunzelnd getauft hatte, “heiligen Pilgerstock” in der Hand, blickte er kurz in den Raum, löschte die Kerze, öffnete dann leise die Tür. Verschwand mit langsamen Schritten nach draußen, zum Assi-Ghat. Er spürte: das Leben war heute Morgen genau hier- bei Mutter Ganga.

 

Hallo dirk von Wiarda,

und herzlich willkommen hier. Ein zum Hinduismus konvertierender Jude ist sicher selten, in sofern hat deine Geschichte eindeutig etwas Originelles.
Manchmal ist deine Geschichte für meinen Geschmack zu theoretisch. Die Passagen der refelktierenden Gedanken sind recht lang, könnten aber durchaus spannend sein.
Leider ist sie allerdings auch recht flusig formuliert und ausgearbeitet, dadurch wird es ab und zu langweilig.

“Nimm die Arme hoch, verdammt!”. Die Unruhe in der Menschenschlange übertrug sich auf die Wache, die mit starrem Blick zuvor den schiebenden und drückenden Pulk dem Grenzübergang Netzarim hingelotst hatte,
Kein Punkt nach dien Anführungszeichen; "dem Grenzübergang hingelotst" ist eine Formulierung, bei der ich mich frage, was du während deines Deutschunterrichts gemacht hast: zum Grenzübergang gelotst hat (oder gehst du auch dem Einkaufen hin?)
mit der Spitze des Maschienengewehrs
Maschinengewehrs
50-jähriger Mann
das macht man vielleicht in Exposés oder technischen Berichten und Protokollen so, in Geschichten aber wird es ausgeschrieben.
mit nervösen Augenschlägen die Grenzwache an
Die Augen ahben geschlagen? Boah, dein Auge hat mir voll eins auf die Nuss gegeben? Oder haben doch eher die Augenlider nervös geflackert, gezuckt oder dergleichen?
Beim Mustern seines Freundes Abrim fiel ihm auf, wie dessen angespannte Körperhaltung offensichtliches Unbehagen ausdrückte.
Substantivierte Verben sind meistens eher ungeschickt, so auch hier, auch frage ich mich, wie denn die Körperhaltung Unbehagen ausdrückte, erst kündigst du es an, dann lässt du uns damit allein? Oder fiel ihm bei der Musterung seines Freundes ... auf, dass dessen angespannte Körperhaltung Unbehagen ausdrückte? ... die angespannte Körperhaltung auf, die Unbehagen ausdrückte?
Insgesamt war es schon das vierte Mal, dass sie zum Reservedienst eingezogen wurden.
Tempus: worden waren
Die weiße, leicht flatternde Kafta ließ einen Knabenhaft anmutenden Körper erahnen
knabenhaft; Kafta kennen weder Duden, noch wissen.de oder wikipedia. Meinst du einen Kaftan (männlich)?
Langsam schob er sie zur Seite und drehte den Kopf in Richtung des kleinen Tischchens am oberen Ende des Bettes.
ein Tischchen ist immer klein, deswegen sagt man ja nicht Tisch. Aber hier würde ich eher vom kleinen Tisch sprechen, Tischchen klingt einfach blöd. ;)
seit jenem Tag vor fünf Jahren, als der palästinische Junge in Netzarim sein kurzes Leben beendete.
Tempus: beendet hatte
Und dabei Rons unweigerlich und für immer mit veränderte.
verändert hatte
Bereits mit neunzehn zog er mit einer sechsköpfigen Gruppe von Schulfreunden durch den Norden des Landes
Ich nehme an, Tempus: war gezogen (oder hatte er mit 19 als Geschäftsmann schon so viel verdient?)
wo, umspült von der starken Strömung des Ganges, die Bootsjungen mit ihren Vätern schlafend auf die ersten Touristen warteten.
inzestuös misszuvertehen.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, Dirk von Wiarda!

Sei herzlich begrüßt, auf Kg.de. Deine Geschichte hat mich nach und nach, mehr und mehr interessiert. Einerseits, wegen der wahrlich seltenen Begebenheit, dass ein Jude quasi zum (sinnsuchenden) Hindu wird, andererseits, wegen der durchaus authentischen Bilder Indiens. Als jemand, der zusammengerechnet, einige Jahre in diesem Land verbracht hat, tauchten durch deine Beschreibung viele lebendige Erinnerungen in mir auf. :) Aus Erfahrung kenne ich die Ströme der Sinnsuchenden, die dieses Land aufsuchen. Gerade junge Israelis trifft man dort an jeder Ecke und, wie du richtig beschreibst, zumeist in Gruppen. Wenn auch die allermeisten nicht gerade göttliche Inspiration suchen. ;)
Dein Prot ist für mich ein wunderbares Gegenstück zu den vielen konsumorientierten Touristen, die langsam aber sicher die Atmosphäre dieses Landes verändern.
Angewidert vom zwanghaften Militärdienst, dem nicht endenwollenden, sinnlosen Morden und dem Verlust seines Freundes, steigt dein Prot aus und versucht einen anderen Sinn im Leben zu finden. Ob es ihm tatsächlich gelingt, bleibt offen. Wer weiß, was Wehrdienstverweigerung in Israel bedeutet, erkennt die lebenslangen, negativen, gesellschaftlichen Folgen einer solchen Entscheidung und weiß sie zu würdigen. So gesehen, hat mir die gesellschaftskritische Idee und auch der Ablauf deiner Story gefallen. Die Geschichte wirkt auf mich sehr authentisch und ist durchaus nachvollziehbar, wenn auch nicht gerade alltäglich.
Das Ende deiner Erzählung hat mir auch gefallen. Die Metapher mit der ausgeblasenen Kerze und dem Verlasen des Raumes, deutet auf eine endgültige Entscheidung, einen couragierten Neubeginn hin. Um diesen Mut beneide ich deinen Protagonisten, so es ihn geben sollte.
Von häufigen Rechtschreibfehlern und einigen Stilunsicherheiten abgesehen, die du noch überarbeiten solltest, eine Erzählung, die mir Spass gemacht hat.
Nur noch ein paar kurze Anmerkungen:
Einmal verwendest du den unbeliebten, englischen Namen Varanasis, nämlich Benares. Und Pushkar, die schöne Perle Rajastans, schreibt man mit "r" am Schluss. Und zuletzt: Du beschreibst den Ganges in Varanasi als einen Fluss mit starker Strömung. Tatsächlich fließt "Mother Ganga" mEn dort aber sehr gemächlich dahin. Er ist in Varanasi an die zweihundert Meter breit. Bin selber häufig mit dem Ruderboot zu den Sandbänken mit den Gänsegeiern auf der anderen Seite hinübergerudert. Eher erschien er mir damals wie ein riesiger, brauner See ...
Hast mir wieder große Lust gemacht, auf Indien. - Dankeschön.

Netten Gruß,
Manuela :)

 

Hallo, ihr Beiden!

Vielen Dank für Eure offensichtlich ernst gemeinten Kommentare, die ich konstruktiv und hilfreich fand. Es freut mich ungemein, Anregungen und Kritiken von "Außenstehenden" zu erhalten, und werde Eure Kommentare beim Schreiben der nächsten Geschichte mit im Hinterkopf haben.
Sim, Du hast Recht gehabt mit deiner Vermutung, dass ich im Deutschunterricht Besseres zu tun hatte, als in der ersten Reihe zu sitzen... :-) Danke für die Verbesserungsvorschläge! Werde in Zukunft meiner Rechtschreibhilfe mehr Glauben schenken.
Und Manuela: wenn die Geschichte Dir wieder Lust auf Indien gemacht hat- ich könnte mir nach meiner ersten Geschichte kaum schönere Komplimente vorstellen! Ich hoffe, der zweite Streich wird Dir auch wieder Lust auf vielleicht schon bereiste Erdregionen machen. Viele Grüße, Dirk.

 

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