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Mutterliebe

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18.04.2002
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Mutterliebe

„Wir machen uns große Sorgen um Ihren Neffen, Frau Weidenau.“ Der junge Arzt schaute die etwa vierzig Jahre alte, gut gekleidete Dame besorgt an. „Bis vor kurzem hat sich Ihr Neffe wenigstens geäußert, es ging um eine Frau und seine Mutter. Aber jetzt …“

Ihren Kopf in die Hand stützend. Mit aller Macht sitzend, so sitzt sie da. Vor mir weinend.

Ich bin fühlend, ganz intensiv Schmerzen habend, Vorwürfe bohren, drohende Sätze, schlecht, schlechter - Schlächter, der bin ich, der, meiner Mutter Gefühle, die, so fürsorgendlich.

Ihre Augen groß. Vor Aufgerissenheit. Anklagend klagen. Klägliches Da-Sein.

Hassend diesen Zustand, sie zwingt mich, für sie bösartig seiend, ihr die Stirn zu bieten, die mit getobten Gedanken, schließlich marternden, lauter schlechtes Gewissen gegen wahres Wissen, keine Zukunft, diese schmerzwahrende Verbundenheit.

Schrill Schreiendes. Aus ihrem Gesicht. Wie Blitze mein Gehirn durchzuckend. Wirklich machtlose Ohnmacht.

Immer wieder, wie kannst du nur, mein Herz erdolchend, ich die alles Geberin, nur für dich, dankloser Mensch, nein Ungeheuer, wer war es, bei dir sitzend, Fieber verscheuchend; Undankliste drängt mich, Angst Schmerzen gebend, Verzeihungsqualen, aber nein, nicht Kapitulation.

Ruhig ruhend. Nun Sanftheitsgesicht. Mein Junge. Gutseiend.

Verdammt, sie war fühlend, mich zu gut kennend, ahnend den Hauch des Nachgebens, in mich einschleichend, umsorgendes Seelenverdrehen machen, das kann sie, Hilflosigkeit als Los, umdrehend mein mich, mit Friedenssehnsüchtigkeit; du letzter Zeit gewählte Frau verstehst du bitte, nur wieder Losigkeit, dieses Mal der Gnade, Schütteln des Kopfes, entschiedenes.

Leidenzeigend. Betroffenes Lauern. Fallstrickfallen.

Messen der Kräfte, bin ich spürend, durch mich durch, Ball, der ich bin, gespielt, verspieltes Spiel; Fieberstirn, sanfte Hand, Vatertotumarmung, Trost; dann junge Sprache, ‚du selbst dein Selbst, weg, ständig selbst stehend, du mit mir gehend’; wiederum denk wie viele Jahre Mutterdasein; aber ‚denk zu viele Mutterjahre’, andere Frau mein Glück; Elend, Seelen Schmerzriss, Luftwürgen-Erbrechen, Gefühle zernagen Vernunftwesen, fühl doch, denk doch, fühl, denk, denk, fühl, ohne Chancen
Klarheitsqual –

endlose Zufluchtswelt, kreisgebogene Linien.
Ohne Anfang.
Ohne Ende.
Vollkommen. Kein Außen-Sein … geborgen, innen.
Endlich.

„… er verweigert jegliche Kontaktaufnahme, es tut mir leid, Frau Weidenau.“ „Wie bitte? Er erwähnte seine Mutter?“ Die Frau schien nahe daran zu sein, ihre Fassung zu verlieren. „Mein Neffe ist ein Professor-Neumann-Kind.“ Der Arzt wirkte peinlich berührt. „Seit wann weiß er denn, dass er ein Klon ist?“

 

Hallo Wolte (darf ich dich so nennen? Dein Nick ist so lang)

Leider wird mir nicht klar, was du damit willst. *im Link nach deiner Meinung guck*

Ach so. Rahmengeschichte hast du zugefügt, der Geisteszustand soll durch die Sprache charkterisiert werden. Richtig?

Trotzdem krieg ich das nicht klar. Er ist künstlich erzeugt, aber sinniert über Mutterschaft. Was habe ich verpasst?

noch ein Detail:

Wir machen uns große Sorgen um ihren Neffen, Frau Weidenau.“
Ihren

Na ja, jetzt kommst du ja wieder nach vorn. Vielleicht sagen dann auch noch andere was dazu.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

ich glaube die meisten Mitglieder nennen mich Wolto, kein Problem.

"der Geisteszustand soll durch die Sprache charkterisiert werden. Richtig?"

Stimmt genau. Das war meine persönliche Challenge, einen extremen Gefühlszustand zu beschreiben.

"Er ist künstlich erzeugt, aber sinniert über Mutterschaft. Was habe ich verpasst?"

Eigentlich nichts, das ist genau der Schlüssel zu der Geschichte, es ist nur nicht Mutterschaft, sondern Mutterliebe, die hier eine Rolle spielt.

Danke für deine Anmerkung,

l G,

tschüß... Woltochinon

 

hallo Wolto (wenn ich auch darf)

Ich bin begeistert! Vom Stil her sehr künstlerisch, poetisch, vom Inhalt her treffend.
Und ich denke, dass die Rahmenhandlung nicht notwendig ist, denn die Genealogie; Thema Mutterliebe ist doch klar zu erkennen! Ich dachte an manchen Stellen sogar an ein gedankliches Konfliktgespräch zwischen Mutter und Sohn.
Ein Vorschlag zur Güte:
Du schreibst einmal: "..., so saß sie da." Würd ich streichen. Es ist klar, dass sie so da saß.

Gruß
Aris

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Aris,

he - vielen Dank für deine anerkennenden Worte!
Ja, die Rahmenhandlung ist eigentlich nicht nötig, war auch ursprünglich nicht geplant, doch jetzt gefällt mir die zusätzliche Wendung, weil sie zeigt, wie sehr sich der Prot. verrannt hat.

"Mit aller Macht sitzend, so sitzt sie da" - mit dem "so sitzt sie da" soll das "mit aller Macht" unterstreichen. (Sie sitzt so da und nicht anders, ihre Macht aussitzend). Falls das nicht aufgeht, ändere ich natürlich.

Mit dem "poetisch" hast du ins Schwarze getroffen, diesen Stil habe ich bei Gedichten entwickelt.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

PS. Was den "Wolto" betrifft: Gleiches Recht für alle, hoffentlich ist der "Chinon" jetzt nicht stinkig...

 

Hallo Woltochinon,
Durch den Wechsel der Erzählebene hast du dem "Gefühlsausbruch" des Klons einen Rahmen gegeben, um eine "Geschichte" daraus zu machen. Auf mich wirkt der Rahmen daher auch als "Kunstgriff," um auf eine Pointe hinzusteuern. Durch die Rahmenhandlung gibst du mir die Möglichkeit als Leserin, wissender als der Protagonist zu sein. Du gibst dem Leser zu erkennen, dass der Protagonist sich in eine Liebe verrannt hat, die defacto eigentlich nicht existent ist. Dein Kunstgriff ermöglicht mir, den Gefühlsausbruch zu verstehen, nicht nachzufühlen. Deine Geschichte funktioniert daher bei mir nicht über das primäre mitfühlen, sondern über die Reflektion des Rahmens. Meine Vorstellung, der Protagonist hat keine Mutterliebe erfahren rührt erst in mir, während der reine Gefühlsausbruch ohne den Rahmen mich kalt gelassen hätte.

Vielleicht solltest du den "Rahmen" nicht so offentsichtlich als "Gerüst" stehen lassen, sondern etwas mehr einbinden.

So habe ich es zumindest bei letzten Geschichte Winterstarre im Challenge gemacht. ;)

LG
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

ja, ja, du kennst mich zu gut...
Der Rahmen ist eigentlich nicht nötig - und das ist das Einzige wo ich dir widerspreche - auch nicht dafür "um eine Geschichte daraus zu machen." Der Kerntext erfüllt auch die Kriterien für eine Geschichte. Der Rahmen stellt das Ganze in einen Zusammenhang, aber natürlich, solche Kompromisse sind immer gefährlich.

"der reine Gefühlsausbruch ohne den Rahmen mich kalt gelassen hätte."

Ja, der Rahmen soll das "kalt lassen" verhindern, da mein Ziel die Schilderung einer extremen psychischen Lage war, wollte ich dem Effekt entgegen wirken, dass man sie nicht in ein Umfeld einordnen kann.

Danke für deine treffenden Hinweise,

alles Gute,


tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,
Du hast natürlich recht...mit dem Kerntext. ;) Ich hätte ihn für sich alleine stehend lesen sollen. :D

LG
Goldene Dame

PS:Ich kenne dich?;) Schön wieder von dir zu lesen :) Wellcome back

 

Hallo Goldene Dame,

Zitat:

"... Kerntext. Ich hätte ihn für sich alleine stehend lesen sollen."

Nein, nein - das muss ich schon auf meine Kappe nehmen: Schließlich habe ich den Text nicht allein gepostet.

Danke für dein Interesse. Habe deinen Challenge-Beitrag gelesen, ich denke ich weiß, was du meinst.

Take care,

tschüß... Woltochinon

 

Hi Woltochinon,

ich habe deine Geschichte inzwischen drei Mal gelesen und sie fesselt mich.
Der Stil hat mir auf eine eigentümliche Art zugesagt. Normalerweise bin ich eher ein Fan klarer Worte, aber diese Sprache hat etwas sogartiges.

Und ich finde die Rahmenhandlung ist schon nötig - und du siehst das ja ebenso, sonst hättest du sie nicht in die Geschichte geschrieben, oder?
Ohne sie würde der Text gar zu merkwürdig und zusammenhanglos wirken - zumindest auf Leser wie mich. :D

Ich sehe das im Übrigen wie die Goldene Dame:

Meine Vorstellung, der Protagonist hat keine Mutterliebe erfahren rührt erst in mir, während der reine Gefühlsausbruch ohne den Rahmen mich kalt gelassen hätte.

Gerne gelesen.

In diesem Sinne
c

 

Hallo chazar,

„die Rahmenhandlung ist schon nötig - … …
Ohne sie würde der Text gar zu merkwürdig und zusammenhanglos wirken“

Jemand hat einmal geschrieben, dass der Leser eine faire Chance bekommen soll, einen Text richtig zu verstehen. Ich denke durch den Rahmen hat sich diese Chance erhöht, er ist natürlich auch eine Möglichkeit über das extreme Verhalten des Protagonisten im Kernteil hinaus einen extremen Kontext für sein Handeln zu liefern.

Danke für deine ermutigende Zuschrift, habe lange um diese Geschichte mit mir gekämpft,

you made my day,

l G,

tschüß… Woltochinon

 

Hallo Woltochinon!

Welch ungewohnter Schreibstil von Dir! Solche Wucht an Worten hätte ich nicht erwartet. Heftig und ausgesprochen einprägsam. Sehr gelungen!

Die Rahmenhandlung ist m. E. für die Tiefe des Textes unabdingbar, da sich sonst außerhalb der Gedankenwelt Deines Prot. keine weitere Ebene für den Leser ergäbe: also Monolog statt Geschichte. So empfinde ich das Ganze als "rund".


Lieben Gruß
Antonia

P. S.: Das Konstruktive folgt noch.

 

Hi Woltochinon,

wäre die letzte Challenge nicht gewesen, hätte ich deine KG nicht sofort verstanden. Und ohne Rahmenhandlung schon mal garnicht.:shy:

Ich sehe einen geklonten Menschen, der lieber sterben möchte, als zu sein, was er ist.
Zuerst dachte ich an einen Mann, der im Wachkoma liegt.
Beides eine schreckliche Vorstellung. Soviel einsame Verzweiflung.

Eine anstrengende,(für mich) aber ausdrucksstarke Geschichte.

lieben Gruß, coleratio

 

Hallo Wolto,

ich kenne den Hintergrund nicht. Deswegen hätte ich ohne das Ende geglaubt, da ginge es um einen Typ, der einfach völlig durchgedreht ist.

Ich finde den Mittelteil (den Teil aus der Sicht des Patienten) unlesbar. Die vielen Partizipien - die sind furchtbar hässlich, aber das weißt du sicher. Als ungeduldiger Mensch hab ich das einfach mehr oder weniger diagonal gelesen. Aufgewacht bin ich dann wieder ganz am Schluss, als die Perspektive wieder nach außen schwenkte.

Den letzten Satz:
„Dann hat er also keine richtige Mutter, er ist ein Klon?“
finde ich daneben. Das klingt wie eine Information für den Leser, nicht wie natürlicher Dialog. (Die Besucherin verwendet das Fachwort "Professor-Neumann-Kind", also weiß sie, was das ist. Der Arzt weiß es natürlich als Fachmann auch. Es besteht also überhaupt keine Notwendigkeit, es der Besucherin zu erklären.) Das könnte man geschickter verpacken, finde ich. Oder sind deine Verpackungskünste eventuell aus weihnachtlichen Gründen aufgebraucht?

Grüße,
Stefan

 

Hallo Antonia,

danke, dass du den Text gelesen hast, besonders freue ich mich über „die Wucht an Worten“. Ich habe um jedes einzelne gekämpft…

Der Rahmen gehört jetzt definitiv zur Geschichte, nach so vielen Bestätigungen seines Nutzens.

L G,

tschüß… Woltochinon

Hallo Coleratio,

„wäre die letzte Challenge nicht gewesen“ - wobei ich zugeben muss, mir noch nicht einmal die Thematik der Challenge angesehen zu haben.

„Ich sehe einen geklonten Menschen, der lieber sterben möchte, als zu sein, was er ist.“

Auf alle Fälle stimmt es, dass der Prot. mit seinem Zustand nicht zufrieden ist. Obwohl er als Klon keine Mutter hat, bildet er sich ein (so eine Art negative Paradoxe Intension) nicht eine Beziehung zu einer Frau aufbauen zu können, da die Mutter (mit falsch verstandener Mutterliebe) sich dazwischen stellt.

„aber ausdrucksstarke Geschichte“ - danke für die Blumen, dann bin ich zufrieden! (Sorry für die Anstrengung).

Alles Gute,

tschüß… Woltochinon

 

Hallo leixoletti,

„ich kenne den Hintergrund nicht“ - es gibt keinen internen Hintergrund, nur das, was als Geschichte geschrieben wurde.
Ich habe halt bewusst so eine extreme („hässlich“ weise ich weit von mir ;)) Sprache gewählt, die der extremen Gefühlslage des Protagonisten entsprechen soll. Ganz klar, nicht jedermanns Sache.

„Oder sind deine Verpackungskünste eventuell aus weihnachtlichen Gründen aufgebraucht?“

- Zum Glück nicht, es sei denn, sie finden vor deinen Augen immer noch keine Gnade... Auch wenn man als Erstaunter in einem Gespräch durchaus etwas wiederholt, hat ist dein Hinweis richtig, man soll ja immer nach einer guten Lösung suchen, nicht nur nach einer akzeptablen. Die jetzige Fassung macht mehr Sinn, da die angesprochene Information für den behandelnden Arzt von therapeutischem Interesse ist.
Danke für den Hinweis und den Kommentar,

l G,

tschüß… Woltochinon

 

Also ich hab mal einige Geschichten rausgesucht, die in ihrer Art auffällig sind.

Das Gibelerden Inferno

Science Fiction - der Ausflug

Meine Geliebten

Mutterliebe

elemente

@ Wolto

Also ne Psychogeschichte. Dem Kerl geht es dreckig. Das Kursive spricht die Mutter.
Ich finde das alles ziemlich intensiv, passt zu dem psychischen Chaos in dem sich der Prot befindet.
Das Ganze kriegt durch die Rahmenhandlung noch zusätzlich drive. Warum der Konflikt, wenn er keine Mutter hat? Top ist die Sprache, die Wortverbindungen, beschreiben die Szene gut und sagen viel aus. Noch nie sowas dichtes gelesen.

aquata

 

Hallo aquata,

danke für die Blumen!

In so einem Stil schreibe ich natürlich nur, wenn er der Thematik angemessen ist, den Inhalt unterstützt.
Der Klon könnte eine Leihmutter haben, aber auch natürlich ganz mit technischen Mitteln großgezogen worden sein. Für ein so stark wirkendes Über-Ich braucht man keine leibliche Mutter, es kann sich auch um einen inneren psychischen Konflikt handeln, der sich wie beschrieben auswirkt. (Vielleicht auch durch das Klonen verursacht).

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hi Woltochinon!

Empfinde es ähnlich wie Antonia, die das mit – Wucht der Worte - gut beschrieben hat.
Das Leiden des Mannes, der zwischen zwei Frauen, eigentlich zwischen zwei Welten, wahrscheinlich Sicherheit und Freiheit (Selbständigkeit) steht, ist sehr intensiv. Die Lösung bzw. seine Lösung, das vollkommene Ausklinken ist dramatisch und nur eine Scheinlösung. Solche Effekte soll es in der psychiatrischen Praxis durchaus geben.


- Pol

 

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