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Mutterliebe
„Wir machen uns große Sorgen um Ihren Neffen, Frau Weidenau.“ Der junge Arzt schaute die etwa vierzig Jahre alte, gut gekleidete Dame besorgt an. „Bis vor kurzem hat sich Ihr Neffe wenigstens geäußert, es ging um eine Frau und seine Mutter. Aber jetzt …“
Ihren Kopf in die Hand stützend. Mit aller Macht sitzend, so sitzt sie da. Vor mir weinend.
Ich bin fühlend, ganz intensiv Schmerzen habend, Vorwürfe bohren, drohende Sätze, schlecht, schlechter - Schlächter, der bin ich, der, meiner Mutter Gefühle, die, so fürsorgendlich.
Ihre Augen groß. Vor Aufgerissenheit. Anklagend klagen. Klägliches Da-Sein.
Hassend diesen Zustand, sie zwingt mich, für sie bösartig seiend, ihr die Stirn zu bieten, die mit getobten Gedanken, schließlich marternden, lauter schlechtes Gewissen gegen wahres Wissen, keine Zukunft, diese schmerzwahrende Verbundenheit.
Schrill Schreiendes. Aus ihrem Gesicht. Wie Blitze mein Gehirn durchzuckend. Wirklich machtlose Ohnmacht.
Immer wieder, wie kannst du nur, mein Herz erdolchend, ich die alles Geberin, nur für dich, dankloser Mensch, nein Ungeheuer, wer war es, bei dir sitzend, Fieber verscheuchend; Undankliste drängt mich, Angst Schmerzen gebend, Verzeihungsqualen, aber nein, nicht Kapitulation.
Ruhig ruhend. Nun Sanftheitsgesicht. Mein Junge. Gutseiend.
Verdammt, sie war fühlend, mich zu gut kennend, ahnend den Hauch des Nachgebens, in mich einschleichend, umsorgendes Seelenverdrehen machen, das kann sie, Hilflosigkeit als Los, umdrehend mein mich, mit Friedenssehnsüchtigkeit; du letzter Zeit gewählte Frau verstehst du bitte, nur wieder Losigkeit, dieses Mal der Gnade, Schütteln des Kopfes, entschiedenes.
Leidenzeigend. Betroffenes Lauern. Fallstrickfallen.
Messen der Kräfte, bin ich spürend, durch mich durch, Ball, der ich bin, gespielt, verspieltes Spiel; Fieberstirn, sanfte Hand, Vatertotumarmung, Trost; dann junge Sprache, ‚du selbst dein Selbst, weg, ständig selbst stehend, du mit mir gehend’; wiederum denk wie viele Jahre Mutterdasein; aber ‚denk zu viele Mutterjahre’, andere Frau mein Glück; Elend, Seelen Schmerzriss, Luftwürgen-Erbrechen, Gefühle zernagen Vernunftwesen, fühl doch, denk doch, fühl, denk, denk, fühl, ohne Chancen
Klarheitsqual –
endlose Zufluchtswelt, kreisgebogene Linien.
Ohne Anfang.
Ohne Ende.
Vollkommen. Kein Außen-Sein … geborgen, innen.
Endlich.
„… er verweigert jegliche Kontaktaufnahme, es tut mir leid, Frau Weidenau.“ „Wie bitte? Er erwähnte seine Mutter?“ Die Frau schien nahe daran zu sein, ihre Fassung zu verlieren. „Mein Neffe ist ein Professor-Neumann-Kind.“ Der Arzt wirkte peinlich berührt. „Seit wann weiß er denn, dass er ein Klon ist?“