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Nächtliche Entscheidungen

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04.08.2001
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Nächtliche Entscheidungen

Einsam zog der Lichtkegel seine Bahn durch die Finsternis. Der Volvo V100 fuhr mit 60 Stundenkilometern durch die Hügel, es war eine gute Stunde her, dass ihnen das letzte Auto entgegengekommen war.
Hagen lag im Beifahrersitz, die Augen halb geschlossen, die Hände über dem Bauch. Er schreckte hoch, als der Wagen einen Schlenker machte.
„Scheiße“, sagte Maren leise.
Sie spürte, dass ihr Mann sie ansah und setzte, ohne den Blick von der Straße zu lassen, hinzu: „Fuchs.“
Im Radio jammerte dezent Al Jarreau vor sich hin.
„Gott“, sagte Hagen. „Wo soll denn hier ein Fuchs herkommen?“
Er sah sich um, und er hätte schwören können, dass im Schein der Rücklichter ein riesiges S auf der Straße stand, das immer kleiner wurde.
Die Scheinwerfer fraßen sich durch die Dunkelheit und enthüllten fetzenweise hüglige Heidelandschaft. Maren verkrampfte sich noch mehr am Lenkrad.
Sie warf Hagen einen hastigen Seitenblick zu. „Oder ein Hase. Was weiß ich.“
Hagen war wach, und so setzte er sich auf, rieb sich die Augen und gähnte. Ein Bier wäre jetzt nicht schlecht.
„Was ist?“, fragte er. „Hast du dich verfahren?“
Von der Seite betrachtet hatte Maren etwas von einem Adler. Ohne dessen Würde, natürlich.
Eine Kurve voraus zwang sie abzubremsen und herunterzuschalten. Hagen sah, wie ihre Backenknochen arbeiteten.
„Hast du dich gut mit Klaus unterhalten?“, fragte sie schließlich.
„War ’ne Scheißparty.“
Sie beschleunigte wieder und schaltete hoch.
„Hat dich nicht davon abgehalten, den ganzen Abend mit meinem Bruder zusammenzusitzen.“ Sie holte tief Luft und setzte hinzu: „Und Bier zu trinken.“
Dafür hatte sie Stunden damit zugebracht, ihren Schwager Marc anzuglotzen. Der hübsche Marc mit den blauen Augen. Wenn zwischen den Beiden mal nichts lief.
Marens Backenknochen kauten wieder.
„Du hast dich verfahren“, meinte Hagen und schloss die Augen. Der angenehme Rausch war beinahe verflogen, und es konnte nicht mehr lange dauern, dann hatte er schlechte Laune.
Al Jarreau hatte ausgejault, Frank Sinatra begleitete sie ab nun durch die Nacht, kaum zu hören, aber doch präsent.
„Hast du das gehört?“, fragte Hagen plötzlich, ohne die Augen zu öffnen.
Maren war schon schlecht gelaunt. „Was?“
„Es isr weg.“ Er machte die Augen auf.
„Was denn?“
„Da haben doch eben Glocken geläutet.“ Er lauschte nach, doch außer der Musik aus dem Radio und dem Rauschen des Motors war nichts zu hören.
Maren lachte leise vor sich hin, und Hagen ärgerte sich.
„Scheiße, du hast dich verfahren!“ Jetzt setzte er sich endgültig auf. „Das gibt’s doch nicht, wo sind wir?“
Die Gegend hier, da war er sicher, trotzdem es dunkel war, hatte er noch nie gesehen. Die sanften Hügel, durch die sie normalerweise fahren müssten, waren aufragenden Bergen gewichen.
Seine Frau sagte nichts, starrte nur verbissen nach vorne, als gäbe es viel zu erkennen.
Außer dem Asphalt und dem Mittelstreifen darauf.
„Bist du hinter Schneverdingen abgebogen?“, fragte er und beobachtete sie.
Sie sagte nichts.
„Du bist nicht abgebogen, ich hab’s geahnt.“ Kein Schwips mehr, schlechte Laune. „Kehr um, los!“
Sie blickte zur Seite, und Hagen erschrak über die Wut in ihrem Gesicht.
„Ich bin abgebogen“, spie sie ihm entgegen. „Denkst du, ich bin blöde?“
„Kehr um, verdammt. Kehr um! Wir sind völlig falsch.“
Sie wandte sich wieder der Straße zu und machte eine Bewegung mit der Hand, die ihm klarmachen sollte, was sie von ihm hielt. Dabei löste sich ihr Armband – das er ihr zum ersten Hochzeitstag geschenkt hatte -, rutschte von ihrem Handgelenk und verschwand zwischen den Sitzen.
„Verdammt!“
Sie starrte geradeaus. Ihre Blicke waren wie die Scheinwerfer, die das Dunkel durchdrangen.
Plötzlich spürte Hagen, wie sich die Luft um ihn herum zu einer Suppe verdichtete. Er bewegte seinen Kopf, und die Mühe, die ihm das bereitete, verwirrte ihn.
„Du sollst umkehren!“, wollte er sagen. Aber die Worte verendeten etwa auf der Hälfte der Strecke zu seiner Frau. Er sah, wie sie sich mühten, jeder einzelne Buchstabe. Aber irgendwann verließ sie die Kraft und zuerst das D, dann das u und nach und nach jeder weitere Letter kippten um und stürzten hinunter in die Finsternis des Wagens.
Maren schien davon nichts mitzubekommen. Sie kaute und fuhr.
Fuhr zweifelsohne in die falsche Richtung.
Sie begann zu weinen. Einzelne Tränen kullerten ihre Wangen hinab, schließlich schluchzte sie auf.
„Sechsundzwanzig Jahre“, sagte sie leise. Hagen befürchtete, die Buchstaben würden feucht werden von den Tränen und sich womöglich auflösen. Doch dann beobachtete er fasziniert, wie die Worte auf ihn zuschwebten. Scheinbar mühelos, wie eine Schar übermütiger Kinder tanzten sie auf ihn zu, umrundeten seinen Kopf und krochen ihm in die Ohren. Eins nach dem anderen, gehorsam wie Lämmer.
„Sechsundzwanzig Jahre!“ Dasselbe. Hagen bewegte sich nicht, verfolgte die Worte nur mit den Augen.
„Zwei Kinder und eine verpasste Karriere. Und immer wieder so was.“
„Was denn?“
Er gab sich Mühe, deutlich zu sprechen, formte mit dem Mund die Buchstaben genau nach. Doch es nutzte nichts, sie hatten keine Kraft.
Jetzt sah Maren ihn an. Vorwurfsvoll, ohne Tränen im Gesicht. Doch sie schien den Buchstabensalat zwischen ihnen noch immer nicht zu bemerken.
„Ich habe es satt“, sagte sie und die Wörter schienen Hagen zum Narren halten zu wollen. „Ich habe deine Auslassungen satt. Sieh dich an! Was ist aus dir geworden?“
Sie verschwendete keinen Blick mehr auf die Straße. Hagen überlegte kurz, ob er das Lenkrad halten sollte, denn die Geschwindigkeit hatte sich nicht verringert.
„Du nörgelst und quengelst. Du bist fett geworden und du trinkst.“
Die Worte verstopften seine Gehörgänge; er konnte spüren, wie sie sich verkeilten. Deshalb schüttelte er mühsam den Kopf, dann war es wieder in Ordnung.
„Was ist bloß los mit dir?“
Er sprach langsam und kraftvoll. Ein hauchdünner Faden wurde ausgerollt, der sich schließlich spannte von seinem Mund bis hin zu Marens Ohr. Daran entlang hangelten sich seine Wörter, und er hätte jubeln mögen, als das erste sein Ziel erreicht hatte.
„Was mit mir los ist?“ Sie lachte. „Du willst wissen, was mit mir los ist? Ich lass mich scheiden, Hagen. Das ist los.“
Wenn die einzelnen Buchstaben des Wörtchens „scheiden“ nicht durcheinander gehüpft wären, sich nicht im Kreis gedreht und Kobolz geschossen hätten, wäre er nicht darauf aufmerksam geworden. So brauchte er zwei Sekunden, bis ihm die Bedeutung des Wortes und gleich darauf die des Satzes aufging und die Auswirkungen auf sein eigenes Dasein.
Doch es interessierte ihn nicht. Er war vielmehr damit beschäftigt, seinen Körper durch die unsichtbare Suppe zu bewegen und sich nach vorn zu beugen.
Maren sah ihn immer noch an; die Straße raste unter ihnen hinweg.
In den Augenwinkeln bemerkte er etwas auf dem Fahrdamm, er versuchte, den Kopf zu drehen und gleichzeitig Maren zu warnen.
Kurz vor dem Aufprall konnte er erkennen, dass sich die Buchstaben s, c, h, e, i, d, e und n irgendwie aus dem Wagen gelöst hatten und nun riesengroß auf der Fahrbahn standen.
Die eigentliche Kollision bekam er nicht mit.

Marens Augen tränten vom ständigen In-die Dunkelheit-schaun. Sie zwinkerte, und, weil eine Kurve nahte, schaltete sie einen Gang herunter.
Hagen neben ihr, schreckte hoch, atmete schwer und starrte sie an.
„Hab ich geträumt?“ Ihr fiel auf, dass er vollkommen verschwitzt war.
Sie deutete nach hinten und erwiderte: „Ich muss anhalten. Der Hund.“
Auf der Rückbank fiepte der kleine Shetland Terrier, als wolle er bestätigen, was sie gesagt hatte.
Während der Hund sein Geschäft verrichtete, standen sie beide ziemlich verlassen vor dem Wagen. Hagen fror. Er schaute in das Dunkel zwischen den Bäumen, doch er konnte nichts erkennen.
„Wo sind wir?“, fragte er und trat von einem Fuß auf den anderen. Wieder zuviel getrunken und sicher einen Kater.
„Ich kenne die Gegend“, antwortete Maren und steckte sich eine Zigarette an. „Als Kind sind wir hier oft gewesen.“
Hagen blickte sich um. Soweit zu erkennen, standen sie direkt am Hang eines finsteren Berges. Mit Fichten bewachsen, die sich in Dunkelheit hüllten. Der Hund schien sich wohlzufühlen.
„Nicht viel los auf der Straße“, bemerkte Hagen, die Hände in den Taschen, die Schultern hochgezogen. Er schien misstrauisch zu sein, so als wäre ihm die Gegend nicht geheuer.
„Nicht um die Zeit“, murmelte Maren. „Weißt du, wo mein Armband ist?“ Sie fasste sich ans rechte Handgelenk und sah ihn an.
Der Hund fiepte.
„Verdammt, was ist da los?“, sagte Hagen und lief davon. Maren folgte ihm, bis er abrupt stehenblieb.
„Taschenlampe“, sagte er und lief zurück zum Auto. Als er mit der Lampe wiederkehrte, stand Maren vor einem Felsspalt, der wie eine Wunde wirkte. Eindeutig kamen die Klagelaute des Tieres da heraus.
„Er muss sich verklemmt haben.“
„Kannst du ihn sehen?“
Er leuchtete hinein, aber dahinter schien sich eine Höhle zu verbergen, die größer war, als von außen anzunehmen.
„Tu was!“, sagte Maren.
Verzweifelt versuchte Hagen, etwas zu erkennen, doch das Licht der Lampe vermochte nichts zu erfassen.
„Es scheint abwärts zu gehen“, murmelte er, während er sich aufrichtete. „Ich werde rein müssen.“ Damit lief er zurück.
„Wo willst du denn hin?“
„Warte hier!“
Maren blieb in der Dunkelheit, der Hund fiepte immer noch, doch er schien leiser zu werden.
„Beeil dich!“
Hagen kehrte mit einem Seil zurück. Er hatte die dünne Perlon-Leine über die Schulter gelegt und war dabei, sich ein Ende um die Brust zu schlingen.
„Nur für den Fall.“
Er legte das andere Ende um den Stamm einer Fichte und drückte es dann Maren in die Hand.
„Du musst nachgeben, wenn ich da reingehe“, sagte er.
„Aber wer weiß, was da drinnen lauert“, entgegnete Maren.
Der Hund fiepte wieder.
„Sollte etwas Ungewöhnliches geschehen, ziehst du fest dran und hältst es, dass ich mich herausziehen kann.“
„Was soll denn passieren?“
Er stand zwei Sekunden unschlüssig vor ihr, dann drehte er sich um und begann, sich durch den Spalt zu zwängen. Maren blieb einige Schritte davor stehen, das Seil in der Hand. Peinlich genau darauf bedacht, immer soviel davon nachzugeben, dass es ein wenig locker durchhing.
Das Seil war gut sieben Meter lang, der Hund konnte nicht allzu tief hinein gelaufen sein. Es muss reichen, dachte Maren.
Sie gab weiter nach.
„Was siehst du?“
Hagen hatte die Lampe mitgenommen, sie irrlichterte durch die Höhle und warf flackernde Blitze durchs Dunkel.
„Es ist …“
Das Seil war zu Ende.
„Es geht nicht weiter“, rief Maren.
„… verdammt dunkel hier drinnen.“
Der Hund fiepte wieder, Maren bildete sich ein, dass er es aus Freude über die Ankunft ihres Mannes täte.
„Scheiße, noch mal!“
Das Seil ruckte und zerrte.
Maren ging so dicht an den Baum heran, wie es möglich war.
„Was ist denn los? Hast du ihn?“
„Die Lampe, verdammt. Ich sehe nichts mehr.“
An dem Seil zog es noch fester, sie war kaum mehr in der Lage, es zu halten.
„Hör auf, Hagen! Es geht nicht weiter.“
Sie begann zu schwitzen. Mit aller Kraft musste sie sich jetzt von dem Baum abstützen, um nicht fortgerissen zu werden. Die Hände taten ihr weh, lange konnte sie das nicht mehr aushalten.
„Hagen!“ Ihr Kreischen klang schrill und verdächtig nach Panik. Das Echo schwappte zurück, als würde jemand im Wald lachen.
Dann plötzlich ein anschwellender Lärm aus der Höhle, ein Tosen, als wüte ein Orkan in dem Berg. Oder war es das Brüllen eines Tieres?
Und übergangslos, gleichzeitig und schmerzhaft, brach das Rumoren ab und das Zerren am Seil ließ nach.
Maren fiel nach hinten, das Ende der Schnur landete neben ihr und lag einen Wimpernschlag reglos wie eine tote Schlange auf der Erde. Dann schnellte es davon, um den Baum herum und als es durch den Spalt davonhuschen wollte, bekam sie es zu fassen und hielt es fest.
Sie zerrte daran, bis es nachgab, zog weiter, ohne darauf zu achten, dass es sich tief in ihr Fleisch schnitt.
Sie ignorierte den Schmerz, spürte, wie Tränen ihre Wangen hinab liefen.
Stück für Stück zog Maren ihren Mann aus der Höhle. Sie setzte Kräfte frei, die sie sich selbst nicht zugetraut hätte. Und endlich konnte sie ihn schemenhaft in dem Spalt ausmachen.
„Hagen.“
Er bewegte sich, hatte den Hund im Arm. Er streckte ihn zu ihr heraus, um sich dann selbst durch die Kluft zu zwängen.
Maren stand vor der Höhle, hielt das Tier an ihre Brust gepresst und vermochte nicht einzuordnen, was sie da sah. Stumm verfolgte sie, wie ihr Mann aus der Höhle herauskam, sich zu ihr umdrehte und von dem Seilende befreite. Er klopfte seine Kleider ab und als er aufblickte, lächelte er sie an.
Nur dass es nicht Hagen war, der vor ihr stand.
Als wäre nichts geschehen, sah sie mit seinen unglaublich blauen Augen Marc an und lächelte hinreißend.
„Wollen wir?“, fragte er, legte sorgfältig das Seil zusammen, nahm sie bei der Hand und gemeinsam gingen sie zum Auto.
Ihr Herz klopfte, dass man es hören musste. Sie konnte den Blick nicht ablassen von dem Mann, der neben ihr ging, dieselben Sachen wie ihr Gatte trug, sich aber sonst in beinahe jeder Kleinigkeit von ihm unterschied.
Sie stiegen ins Auto. Als er den Gang einlegte und vorsichtig Gas gab, fiel ihr auf, dass er nicht nach Bier stank.
Sie fuhren davon; lange Zeit war Maren nicht in der Lage, etwas zu sagen.
Als es wieder dunkel und Ruhe eingekehrt war, trat, ohne ein Geräusch zu machen, Hagen aus der Höhle heraus.
Eine Weile stand er nur da und blickte dem wegfahrenden Wagen nach. Er lächelte.
Er lächelte immer noch, als er sich umwandte und die Straße in der entgegengesetzten Richtung hinunterging.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moikka Herra Hanniball,

:) ein Seltsam von Dir, is ja klasse!

Ich finde die Fahrt sehr schön beschrieben, durchaus ruhig, daß man richtig die stickige Luft, die müden Beine und die super gereizte Stimmung zw. den beiden mitfühlen kann.
Irgendwie hatte ich dabei die Rubrik vergessen, und erwartete einen Krimi. Das hat ein schönes David-Lynch-feeling; wobei ich wirklich die Stimmung meine, und nicht an einen tatsächlichen Film erinnert werde. Auch sehr filmisch die Idee mit den Buchstaben - wobei die Rumschwebenden, die sich in die Ohren wörmeln, viel besser gefielen als die auf der Straße (durch die Größe ist das leicht holzhmammerig). Was ich hier noch sehr gern gelesen hätte, wäre mehr über die Empfindung, wenn sowas in den Kopf eindringt, ob sie sich weiterreinwörmeln, oder man sie im Hirn spürt, oder ob es nur kitzelt oder kühl ist, juckt ... was das rein Bildliche bricht.

Ansonsten würde es dem Text sicher nicht schaden, den Realismus schon früher aufzulösen, bzw. nicht nur über Andeutungen. Zumal man erst nicht weiß, ob er nicht nur verpennt und angetrunken ist (ok, ein paar Bier lassen einen nicht Buchstaben sehen, aber ...).

Dann *smiley, das sich in die Ecke stellt und schämt* hab ich fast den Perspektivwechsel verpennt. Denke übrigens, dann muß das

Er schaute in das Dunkel zwischen den Bäumen, doch er konnte nichts erkennen.
anders, denn sie weiß ja nicht, daß er nichts erkennt.
Und
Ihr Kreischen klang schrill und verdächtig nach Panik
das würde man glaube von sich selbst nicht sagen, weil man ja die Panik spürt, bevor man spricht (und es dann auch an der Stimme hört).

Dann habe ich das Gefühl, es ist super wichtig, daß sie sagt, sie sei schon als Kind dagewesen, aber ich erkenne keinen Bezug später.

Und ich habe verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, ich fürchte, so ganz steige ich durch Deine Welt nicht durch. In seiner Perspektive ist alles verlangsamt und verselbständigt sich gegen ihn. Er ist hilflos, und dann der Unfall (?). Echt oder nicht, und er könnte auch tot sein.

Dann sie, an einem unheimlichen Ort, der ihr aber vertraut ist. Vermutlich aber nicht real, weil: wenn die zwei so lange verheiratet sind, wäre ihm ihre Heimatgegend so fremd? Man geht ja oft mit zu den Stätten der Jugend oder Kindheit der Partner - vllt bin ich hier aber total auf den Holzweg geraten, und es hat keinen Grund. In ihrer Welt verändert sich aber nun alles zum Angenehmen - der fiepende Pinscher (sehr geckig) verwandelt sich in den Geliebten.
Am Ende wechselt die Perspektive zu ihm zurück, und auch er ist glücklich - in seiner, ihrer oder einer Zwischenwelt, lebendig oder tot.

Raufst du Dir schon die Haare? Alles ganz anders? Glaube, mir entgeht die interne Logik.

und lächelte hinreißend.
„Wollen wir?“, fragte er,
:D Hrhrhrhr.

Ach übrigens, hier dachte ich ja, holla die Waldfee - bei Deiner Trennung ergibt sich was Sinister-Lustiges, dachte, da strickst Du was draus (oder ist das dann die Höhle, die wie eine Wunde aussieht? Hm.) :

Buchstaben s, c, h, e, i, d, e und n irgendwie
Die Beschreibung der Musik hat mir übrigens total gut gefallen, jammer jaul.

Mit zart verwirrten, lieben Grüßen,
Katla

 

Hi Katla!

Die Geschichte hatte ich doch fast schon vergessen gehabt.:D

Dass du Lynch erwähnst bei der Autofahrt, das finde ich ja ziemlich cool. Stimmt, ich habe zwar jetzt nicht explizit dran gedacht, aber eine Lynch-Atmosphäre schwebte mir schon ein bisschen vor.

Die Buchstaben auf der Straße waren eine Notlösung - schlecht immer, wenn man es ihnen anmerkt. Vielleicht sollte ich mir was anderes einfallen lassen, die Szene zum Abschluss zu bringen.

Diese surreale Atmosphäre, bei der man nicht weiß, ob sie beabsichtigt ist, die sich dann immer mehr verstärkt, bis sie nicht mehr zu übersehen ist, diese Stimmung wie nebenbei zu erzeugen, das glaube ich, ist nicht mein Ding. Ich habe es mal versucht, es gelingt mir nicht.

Dass du den Perspektiv-Wechsel erkannt hast, ist ein Punkt für mich, finde ich. Denn der ist doch fast nur angedeutet, zumindest schwer zu erkennen. Und mit den Einwürfen dazu hast du natürlich Recht, wenn, dann muss man konsequent sein.

Ich finde es schon ziemlich wichtig, dass sie die Gegend kennt. Immerhin wird hier ihr neuer Gatte geboren. Ich schätze, die Gute hat nicht ohne Grund hier angehalten.

Die Reihenfolge der tanzenden Buchstaben, siehst du, das war mir gar nicht aufgefallen. :D Vielleicht sollte ich das noch ändern, damit es nicht zu sehr ablenkt.

Auf jeden Fall Dankeschön für die Mühen und für die Deutungsversuche.

Schöne Grüße von hier!

 

Hallo Hanniball,

die Geschichte würde durch eine Individualisierung der Figuren sehr gewinnen, die müssten stärker gezeichnet sein, auch die Dynamik zwischen beiden, so verlässt sich die Geschichte stark auf einzelne Ideen wie die sichtbaren Buchstaben oder die surrealen Elemente der Umgebung, die Nacht, der Nebel und die Kluft.
Mir fehlen da Figuren um das Überspannte der Handlung zu brechen, das sind nur sehr wenige Informationen, die man über die Figuren bekommt, und die sie nur als Archetypen erscheinen lassen, der Mann in den mittleren Jahren, der ein Pantoffelheld geworden ist und so parallel daherlebt, und seine Frau, die sich nach mehr Gefühlen sehnt. Ja ... aber da müsste schon mehr Fleisch an die Figuren finde ich.
Ich finde die Handlung selbst auch zu unvermittelt, das mag ich bei den Lynch-Filmen auch nie. Da ist statt dem Beiläufigen des Surrealen, das ich sehr mag (schönes Beispiel aus Being John Malkovich; der seltsame halbe Stock, in dem alle gebückt gehen müssen), ist es hier auch so eine nackte existenzielle Surrealität, die ganz im Vordergrund steht und dort ungebrochen; und ohne dass die Figuren darauf irgendwie reagieren könnten, ist das dann immer so eine unvermittelte Geschichte. Das ist nicht mein Ding.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn!

Schön, dass du reingeschaut hast, auch wenn dir das Stück nicht gefiel.

Immer, wenn ich Kritiken von dir zu meinen Geschichten lese, oder Antworten auf Kritiken von mir zu deinen, habe ich den Eindruck, dass du sie immer ein Stückweit über der Story schreibst. Ich meine das im besten Sinne des Wortes und mittlerweile ohne Neid oder Groll.
Das führt in jedem Falle dazu, dass ich diese Anmerkungen ernst nehme, obwohl sie manchmal schmerzen (gute Kritiken müssen wehtun, höre ich schon).
Also werde ich auch diese hier ernst nehmen, werde tatsächlich versuchen durchzudringen, und die Schlussfolgerungen daraus später versuchen zu beherzigen.

Deine Hauptkritik gilt den Figuren.
Ha, da sind wir wieder, auf vertrautem Terrain! Sind ja nur zwei Figuren vorhanden (wenn man den Köter und Marc mal außen vor lässt).
Wie kann ich die Charaktere treffend beschreiben, ihnen ein Leben geben? Auf so kurzer Distanz?

Die Story entstand tatsächlich aus zwei Teilen, so wie sie auch besteht. In der Hauptsache, das ist richtig, ging es mir um die Beschreibung der beiden Versionen einer Geschichte. Einer seltsamen Geschichte, die geprägt ist von surrealen Einzelheiten.

Allerdings:

und ohne dass die Figuren darauf irgendwie reagieren könnten, ist das dann immer so eine unvermittelte Geschichte

Wenn die Abstraktheiten auch für die Protagonisten abstrakt sind, wenn sie darauf adäquat reagieren, ist es dann nicht eher eine Horror-Story?


In jedem Falle danke ich dir und von diesseits Schöne Grüße!

 

Wie kann ich die Charaktere treffend beschreiben, ihnen ein Leben geben? Auf so kurzer Distanz?
Ja, das ist immer schwierig. Idealerweise, wenn die Dynamik zwischen beiden Figuren spürbar wird in einem Dialog. Oder wenn es ein Problem gibt, das richtig im Hintergrund liegt und das Jetzt überschattet, wenn vielleicht irgendeine Traumkarriere schief gegangen ist und sie ihn daran erinnert, dass das ganze Leben nun zweite Wahl ist. Vielleicht war er mal Makler und ist hereingelegt worden, also irgendwie sowas. Dass die Figuren und ihr Konflikt halt ganz im Vordergrund stehen, dass es richtig auf die Bühne gezerrt wird, dass man dort die Dynamik spürt, eine Steigerung, das würde den Figuren dann auch ein Gesicht geben.
Also im Prinzip ist es wichtig, dem Leser das Gefühl zu geben, die Figuren waren schon vor der Geschichte da und werden auch nach ihr noch da sein, dass also zusätzlich zu der "Hauptidee", die dem Plot dient, noch kleinere Ideen über waren, die man ohne Geiz in der Geschichte verteilen kann. Aber da gibt's nun kein Patentrezept, um solchen Figuren mehr Gewicht zu geben, das ist immer harte Arbeit auch. Wichtig ist, dass man unterscheidet zwischen einer Figur in einem Satz "Frau, die in einer lieblosen Ehe gefangen ist und nach einem Ausweg sucht" - die fast immer wie ein Klischee klingen - und der Figur in Bewegung dann, denn auch eine Figur mit so einer Prämisse kann sehr lebendig und interessant sein, man sollte sich gerade, wenn man solche Figuren, die der Leser schon häufig gesehen hat, beschreiben muss ,besonders Mühe geben, sie aus dem Brei, den man kennt, herauszulösen.


So, ich hoffe, das beantwortet auch die PN und ich bin nicht zu sehr ins Labern geraten
Gruß
Quinn

 

Lieber Hanniball,

mir hat eigentlich fast alles an deiner Geschichte gefallen, außer das Ende.
Du hast vieles auf der Symbolebene ausgedrückt - bewusst oder unbewusst (Armband, das zerreißt, das tote Tier für das Ende einer Beziehung, die Felsspalte für eine Wunde, die aufklafft oder auch ein Gespaltensein, zerrissen, zwischen bleiben und gehen, zwischen neu anfangen oder beenden). gut hat mir auch Dein Umgang mit den Lettern oder Buchstaben gefallen und außerdem, im Besonderen, endlich mal eine Beziehungsgeschichte von Dir! Ich fand es auch gut, wie Maren ihren Einsatz gezeigt hat und sie hat nach dem Armband gesucht, was bedeuten kann, dass sie vielleicht doch noch Hoffnung hat auf eine andere Art von Beziehung oder einen Neuanfang. Warum in aller Welt, hast du zum Schluss Hagen ausgetauscht?! Nein! Hagen sollte zurückkommen und beide sollten darüber weinen, da wäre etwas Neues passiert! Sie haben den Hund gerettet, gemeinsam. Der Hund hätte die beiden wieder zusammengebracht, auch wenn sie erst mal nur weinen können oder schweigen, so wäre dies, finde ich, eine wunderbare Entwicklung und niemand weiß, wie es weiter geht, dennoch würde die Geschichte hoffnungsvoll enden. Wahrscheinlich schreibe ich mal wieder als Therapeutin, die immer an die positive WEnde glaubt - und oftmals endet es auch positiv! Trau Dich einfach, die Geschichte positiv enden zu lassen oder mit einem sehnsüchtigen offenen Ende, das Hoffnung beim Leser hinterlässt und nachwirken kann. Dennoch bin ich erstaunt über die vielen hoffnungsvollen Bilder in Deiner Geschichte und habe den Eindruck, dass Du etwas Neues ausprobiert hast, oder?
Ich ende mit einem meiner Lieblingssprüche aus meinem Lieblingsfilm (Wie im Himmel): Ich finde vieles (an Deiner Geschichte) ziemlich schön.

Liebe Grüße,

Anna

 

Hallo Hannibal,

ich habe die Geschichte gern gelesen. Spannend und nicht vorhersehbar. Praktisch, wenn sich eingefahrene Dramen so leicht für beide Parteien lösen lassen. ZUmindest scheinen ja beide mit der Wendung glücklich zu sein.
Mir persönlich ist die Sache mit den Buchstaben zu dicke. Das hat für mich keinen klaren Bezug zur Geschichte. Versuchte dem beim Lesen etwas zu entnehmen, nur um letztlich festzustellen, dass das gar keine Bewandnis hat. Bissl enttäuschend.
Aber ansonsten habe ich mich gut unterhalten gefühlt.

@anna z.

us meinem Lieblingsfilm (Wie im Himmel):
wenn du den schwedischen Film meinst, der ist wirklich großartig :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hi Quinn, nochmal!

Dank für die Mühe, du hast mir zumindest dahingehend geholfen, dass ich mich wieder verstärkt mit dem Thema beschäftige.
Und dass ich endlich wieder davon ausgehe, dass ich im Grunde überhaupt nichts kann.
Ist doch was, oder?

Hi Anna!

Das Ende hat dir nicht gefallen? Aber das ist doch schön, oder nicht?:D

He-he, es ist immer schön, wenn eine Story Platz für Deutungen gibt. Und wenn es Menschen gibt, die sich dafür erweichen lassen, genau das zu tun.
Denn erst dadurch geben sie der Geschichte doch Leben.

Allerdings war nicht alles so gedacht, wie es bei dir angekommen ist. Wenn ich jetzt erkläre, tue ich das eigentlich gegen meine Überzeugung. Aber du bist ja als erste konkret geworden. Nicht wahr.;)

Das Armband, das zerreißt, siehst du, das habe ich noch gar nicht so gesehen. Es sollte als eines von mehreren verbindenden Teilen stehen, die kenntlich machen, dass die beiden Abschnitte eigentlich von derselben Sache erzählen.

Die Felsspalte war für dich eine Wunde. Ich hatte sie als Vagina gedacht, als Ort, wo alles herkommt. Alles geboren wird.

Du legst das Hauptaugenmerk auf die Beziehung, bei mir liegt es, glaube ich, eher auf die Erneuerung, den Umgang damit.

Dennoch bin ich erstaunt über die vielen hoffnungsvollen Bilder in Deiner Geschichte

Die Erneuerung ist natürlich immer etwas Hoffnungsvolles, und - im Gegensatz zu dir - sehe ich gerade das Ende als hoffnungsvoll. Weil eben beide Partner mit dem zufrieden sind, wie es gekommen ist.

habe den Eindruck, dass Du etwas Neues ausprobiert hast

Ja, der Eindruck ist richtig. Aber in Abständen bricht es öfter aus mir heraus. Auch in der Vergangenheit schon.:D

Ich glaube, wir haben beide eine verschiedene Sicht auf diese Geschichte, ich finde das nichts Schlechtes, im Gegenteil sogar. Es ist angenehm fordernd, deinen Kommentar zu lesen.

Schönen Dank!

Hallo Weltenläufer!

Praktisch, wenn sich eingefahrene Dramen so leicht für beide Parteien lösen lassen.

Jau, he-he. Ist die Story gar zu simpel?

Zumindest scheinen ja beide mit der Wendung glücklich zu sein.

Ja. Das kann natürlich befreiend sein. Allerdings ist das wahrscheinlich auch traurig. Vielleicht ist das sogar der Grundtenor der Story: Kämpft um die Partnerschaft!
Aber dann, so scheint mir, wäre der Text ja alles andere als zeitgemäß.

Die Buchstaben, doch. Da muss ich dir widersprechen. Ich hatte sie eigentlich als Metapher dafür gedacht, dass die beiden sich nicht mehr verstehen. Sie nichts mehr zu sagen haben, sich nicht mehr zuhören können.
Da, finde ich, stehen die Buchstaben ganz gut.
Die auf der Straße, welche letztlich den Unfall provozieren, darüber können wir streiten, das stimmt.

Aber ansonsten habe ich mich gut unterhalten gefühlt.

Sehr schön!

Dank auch dir!

Schöne Grüße von meiner Seite und schönen zweiten Advent an euch!

 

Hi Hanniball,

ja, ich finde es auch bereichernd, eine andere sicht zu lesen. Vielen dank für deine mitgeteilten deutungen :), auch wenn es eigentlich nicht üblig ist, die eigenen geschcihten zu deuten. ich finde es spannend,zu lesen, wie du es gemeint hast...komischerweise geht es mir normalerweise um entwicklung und erneuerung, aber diesmal scheinbar nicht..es sit immer weider aufschlussreich, sich selbst in der resonanz des anderen zu erleben. ach ja, und schön, dass es dich fordert, dies ist wohl meine größte stärke...:)

liebe grüße,

anna

 

He Hanniball
Frohes Neues mit einer verspätetten Rückrückmeldung :)

Ist die Story gar zu simpel?
Nein, das ist sie nicht, keine Sorge. Das ist eigentlich mal eine nette Abkehr vom üblichen Ausgang Geschichten dieser Art.

Die Buchstaben, doch. Da muss ich dir widersprechen. Ich hatte sie eigentlich als Metapher dafür gedacht, dass die beiden sich nicht mehr verstehen. Sie nichts mehr zu sagen haben, sich nicht mehr zuhören können.
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, passen die Buchstaben natürlich. Habe ich wohl nicht genug nachwirken lassen.

grüßlichst
weltenläufer

 

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