Mitglied
- Beitritt
- 21.05.2007
- Beiträge
- 63
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Nächtliche Fahrt
Aus dem Tagebuch des Patrick
Zuweilen müssen Erinnerungen notiert werden. Konserviert. Für immer aufbewahrt um sie der weiteren Entfremdung durch die Zeit und ihren großen psychedelischen Radiergummi zu entreißen.
Es dürfte interessant sein, diese Zeilen noch einmal in 30 Jahren durchzulesen – und erstaunt auszurufen. „Was? So war das doch damals nicht!“
Was soll ich sagen? Menschen und ihr seltsames Gehirn!
Da war einmal eine Autobahnfahrt....
Ich saß hinter das Lenkrad eines Wagens gekauert. Konzentriert. Die Zähne zusammenbeißend. Leichte Schweißtropfen auf Nase und Stirn. Draußen war es dunkel. Vor mir leuchteten die Lichter auf dem Armaturenbrett – musterten mich, wie die halb geöffneten Augen einer Katze. Neben mir schlummerte im Drogenrausch der Besitzer und eigentliche Fahrer des technisierten Albtraumes in dem ich mich befand. Meine Hände umklammerten das Lenkrad geradezu. Als würde es sich sofort bewegen, irgendwie höhnisch sich aus meinem Griffe winden, würde ich nur weniger stark zupacken. Teufel, ich traute es dem Lenkrad zu – es sah so bösartig aus.
Die Straße vor mir entsprang wohl den verrückten Träumen eines Architekten auf LSD. Unmöglich konnte ein normales Hirn eine solche Autobahnstrecke ersinnen. Gespickt mit scharfen Kurven und engeren Spuren als sonst. Der reinste Wahnsinn.
Neben mir seufzte mein Kumpel, das Drogenopfer. Irgendeine Reaktion seines Körpers auf den höchst eigenen Traum den sein Hirn auf das von uns in alle Winkel des Körpers gerauchte Gras gerade erzeugte.
Meine Finger waren taub, die Heizung aufgedreht.
So fuhren wir mit Vollgas auf der Autobahn durch die Nacht. Zwei zugedröhnte THC-Opfer auf dem schnellsten Weg nach Hause.
Was absolut unverantwortlich war. Nicht einmal Spaß machte. Aber reine Notwendigkeit darstellte, wenn man teilweise entgiftet und leicht gelangweilt wieder das normale Leben am nächsten Tage beginnen wollte – ganz konformistisch, nach den Regeln die Homer Simpson in der ersten Staffel seinem Sohn Bart gab:
Nie Stärkere verpetzen, nie das Maul aufmachen wenn die Mehrheit eine andere Meinung hat und: Arschkriechen ist nichts Schlimmes. Die Zivilisation auf den Punkt gebracht.
Immer wieder musste ich mit eisernem Griff das Lenkrad herumreißen, den geradezu kriminell engen Kurven der schwarzen Straße folgend. Links, Rechts, Links, Rechts. Wir waren alleine. Noch. Es war mir klar, dass irgendwann auch andere die Bahn benutzen würden – bis dahin wollte ich unsere zugekifften Körper von der Straße herunter haben. War so gerade die Zeit am Sonntag Morgen im Dunkeln - in der jeder Suchende für sich allein zu sein scheint. 6 Milliarden Menschen? Wohl kaum.
Ich blinzelte ein paar Schweißtropfen aus den Augen. Das ganze Auto roch nach den klebrigen Blüten und dem süßlichen Rauch. Oder war es nur mein Mitfahrer? Sein Schweiß? Teufel ja – er stank nach Kiff.
Nicht ablenken lassen. Der Straße in wilden Kurven folgen. Links. Rechts. Links. Verbissen hin- und her schlingern. Ich konnte keinen Blick von der Autobahn nehmen, nicht auf unseren Tacho schauen um festzustellen mit welch wahnwitziger Geschwindigkeit wir da der Physik trotzten. Das ganze war ein Überlebenskampf. Ein Kreuzzug gegen die Wahrscheinlichkeit.
Mit einem Mal war das ganze Auto hell überflutet. Licht in allen Ritzen und Poren. Und eine Hupe – zornig, langgezogen, schrecklich schrill. Klang wie ein vorbeiziehender Rennwagen. Verlor sich vor uns. Mein drogengebeutelter Freund schreckte auf. „Sind wir schon da?“
„Ne Du. Aber die Straße ist höllisch tückisch! Ich sollte nicht weiter Vollgas fahren!“
Er warf einen Blick auf den Tacho, auf mich, meine Lenkbewegungen. Links, rechts, Links.
„Scheiße Mann, Patrick. Da sind keine Kurven. Reiß Dich zusammen! Du bist ja voll breit! Fahr einfach nur grad aus – und um Himmels willen, fahr schneller als deine bisherigen beschissenen 30 Km/h!“