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Nachtwind
Bis zu meiner Heirat kannte ich keinen Wesenszug meiner Göttergattin, den ich je hätte bemängeln können: Alles was sie unternahm, erledigte sie gründlich und liebevoll, mit Schwung, Pepp und Eleganz. Außerdem war Teresa eine Seele von Mensch, fürsorglich, zuvorkommend, unglaublich nett, und wurde wegen ihrer Attraktivität sogar von den Frauen meiner Freunde beneidet. Nur eine Kleinigkeit blieb mir dummerweise bis nach unserer Hochzeit verborgen: Die Aktivität ihres nächtlichen Dickdarms.
Wie es sich für einen frisch vermählten Ehemann gehört, stürzte ich mich nach der Trauung voller Elan in meine familiären Pflichten und erfüllte deren nächtlichen Teil sogar mit einer gewissen Begeisterung. Dadurch gab es für mich keine Probleme, anschließend direkt in das Land der Träume zu gleiten und so noch länger der schicksalshaften Wendung unserer Ehe zu entgehen. Diese ereilte uns - bezeichnenderweise - am ersten Abend, an dem wir uns nicht liebten.
Es war das erste Mal, dass ich sehr lange arbeiten musste. So kam ich nach Hause, als meine Frau bereits schlief. Ich schlich mich leise ins finstere Schlafzimmer und kroch heimlich zum lieblichen Duft meiner Gattin. Diese Vorsicht wäre eigentlich nicht nötig gewesen, da es eine große Kunst war, diesen weiblichen Schlafstein mitten in der Nacht zu wecken. Fürsorglich, wie ich nun mal bin, wollte ich mir aber keine Blöße geben.
Danach ereilte mich das traurige Los jedes unbefriedigten Mannes: Ich konnte nicht schlafen. Versehentlich begann ich nachzudenken und döste mich nebenher in eine unerträgliche Leichtigkeit des Seins, um als suspendierter Arzt den Lebensfenstern allein gelassener Ehefrauen eine neue klare Sicht zu geben. Als mein Wunschbild gerade ein weiteres Fenster aufstoßen wollte, knarrte dieses plötzlich neben mir mit einem ungewöhnlichen Laut: “ffft“. Nur zwei Sekunden später schickten alle sensorischen Zentren zwischen Augen und Mund ihren Hilfeschrei an meine Tränendrüsen. Ehe ich verstand, was wirklich vor sich ging, verkrampfte sich mein Gesicht, und ich schnappte nach Luft.
Nachdem ich den ersten Schrecken überwunden hatte, beschloss ich, die Bohnen ihres heutigen Abendessens definitiv von unserem Speiseplan zu streichen. Danach rollte ich mich amüsiert auf die Seite und wollte schlafen - nur - war ich jetzt hellwach. Ich musste daher meine Einschlaftaktik ändern: Ich ließ nun Hunderte von schweigenden Lämmern über ein Gatter springen. Der Fiesling von Wecker gab mir den Rhythmus ihrer Sprünge vor. Dazwischen tanzten Schatten von Ästen ihren Tango über die Wand, wenn meine Augen keine Wolle mehr sehen konnten. Dieses Schauspiel tröpfelte als Andante durch meinen Kopf und sammelte sich als christlicher Ärger in meinem Bauch, bis meine Gattin ihren heidnischen Paukenschlag ans Ende dieser Symphonie setzte: „pb“. Irgendwie grinste ich noch zwei Sekunden lang und wunderte mich, dass das ganze Zimmer um mich herum die Luft anzuhalten schienen. Als ich dann einatmete, wusste ich warum.
Nachdem der Dunst über die nun offenen Fenster entstiegen war, amüsierte ich mich wieder über die ungeahnte Begabung meiner Frau und wollte von neuem mit dem Schlaf beginnen. Nach zwei weiteren Paukenschlägen war mir allerdings klar, dass dies ohne eine vernünftige Dosis Sex oder Alkohol nicht mehr möglich war. Weil meine Gattin schon schlief, vergriff ich mich an meiner Junggesellenbar im Wohnzimmer. Verheiratet schmeckte der Whisky nicht schlechter, und ich hatte mir nach fünf Minuten einen vierfachen gegönnt. Das sollte reichen.
Als ich am nächsten Morgen aus dem Bett gekrochen war, erwartete mich mein weiblicher Donnergott beim Frühstück.
“Guten Morgen, Schatz“, sagte ich.
“Guten Morgen“, sagte sie und fragte, “Hast du gut geschlafen?“
Was für eine Frage, bei dem Lärm heute Nacht. Als perfekter Ehemann wollte ich sie darauf nicht ansprechen, so sagte ich nur:
“Nein, eigentlich nicht. Ich konnte nicht einschlafen.“
“Du konntest nicht einschlafen?“, und nach einer kurzen Pause fragte sie: “Wann bist du denn nach Hause gekommen? Ich hatte dich gar nicht bemerkt.“
“Um halb eins.“
“Von der Arbeit?“
“Ja.“
“Ach so.“
Dieses 'Ach so' klang eigenartig beleidigt. Ich wunderte mich, denn morgens war sie sonst immer gut gelaunt. Ich horchte auf: Sie war doch nicht schon schwanger?
“Wieso hast du eigentlich nicht angerufen? Ich habe auf dich gewartet! Im Büro habe ich Dich auch nicht erreicht!“
Puh! Also noch nicht schwanger, dafür aber sauer, weil ich mich nicht bei ihr gemeldet hatte. Ich atmete auf: Für Letzteres hatte ich eine Erklärung.
“Ich war bei meinem Chef im Büro: Wir haben den heutigen Tag vorbereitet.“
“Und da kannst du nicht anrufen?“
Eigentlich wollte ich das auch, aber ihm fiel ständig eine weitere Kleinigkeit von fünf Minuten ein, und das fast vier Stunden lang. Er ist eben ziemlich pingelig.
“Weißt du, mein Chef ...“
“Ach, komm ...“, unterbrach sie mich um dann zu fragen: „Raucht dein Chef?“
Der nicht, aber mein neuer Kollege, der ebenfalls dabei war.
“Nein, aber ...“
“Was aber?“, fuhr sie dazwischen und stellte lautstark die halb volle Flasche Whisky von gestern auf dem Tisch.
Oh - scheinbar hatte ich vergessen, sie weg zu räumen. Aber was ...
“Was ist los mit dir?“, warf sie mir vor, “Du gehst einen Saufen, während ich hier auf dich warte. Zu Hause lässt du dich dann endgültig voll laufen und servierst mir dann fadenscheinige Lügen. Das hast du wirklich toll gemacht, Tomas!“
Jetzt war sie eindeutig beleidigt. Ich hasste diese Art von Vorwürfen, besonders, wenn sie falsch und unbegründet waren, und meine Alpha-Position in der Familie schädigten.
“Ich war gestern nicht weg, und den Whisky habe ich nur getrunken, weil ich nicht schlafen konnte!“ Genau. Die Wahrheit liefert noch immer die besten Argumente. Und sie lässt sich überprüfen.
“Ja ja, nicht schlafen ... “, äffte sie mich nach. “Du schläfst doch sonst immer sofort ein.“ Das war jetzt aber gemein.
“Gestern Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ...“, nun ja, die Wahrheit liefert nicht immer die besten Argumente. Ich konnte ihr unmöglich sagen, dass ich wegen ihres Dickdarms nicht schlafen konnte. Das würde sie verletzen, zudem würde sie mir nicht glauben. Da hatte ich einen genialen Einfall. Ich sagte: “... weil du geschnarcht hast.“ Das war perfekt. Dagegen konnte sogar sie nichts sagen.
“Weil ich schnarche?“, sagte sie aufbrausend. Jetzt übertrieb sie wirklich. Gut, die Sprechpause eben, mitten im Satz, klang eher nach Bill Clinton als nach unschuldiger Wahrheit - aber es war doch ein gutes Argument, oder?
“Ich schnarche nicht!“, sagte sie im Brustton der Überzeugung.
Das war die ulkigste Antwort, die ich von ihr in den letzten zwei Wochen gehört hatte. Ich musste grinsen, weil ich nun das amüsante Problem vor mir hatte, einem Nicht-Schnarcher zu erklären, dass er im Schlafe schnarchte.
Da unterbrach sie mein Amüsement: “Schnarchen ist bei mir anatomisch unmöglich!“
Was? Ich wollte gerade losprusten, als sie mir einen sehr bösen Blick zuwarf und erklärte: “Du weißt doch, dass ich Probleme mit dem Schlucken habe, weil meine Zunge etwas zu weit vorne angewachsen ist! Was sollen diese Gemeinheiten eigentlich?“
Oh.
Ich erinnerte mich. Sie sprach die Wahrheit. Ich fühlte mich furchtbar mies und wollte gerade eine Entschuldigung stammeln, als sie wütend ihre Tasse auf den Untersetzer knallte und aus der Küche stapfte. Super, dachte ich mir: Gestern zu lange gearbeitet und abgekämpft nach Hause gekommen, dann kein Sex, dafür aber Gestank und Schlafmangel. Heute Morgen eine beleidigte Ehefrau, die mich für einen gefühllosen Lügner und Säufer hält, der irgendwelche nächtlichen Heimlichkeiten treibt. Ein tolle Bilanz. Das nagte gewaltig an mir. Ich konnte ihren Verdacht verstehen, aber sie war es doch, die sich nachts etwas zu Schulden kommen ließ, nicht ich. Ich fühlte mich zu Unrecht verurteilt für etwas, was ich nicht getan hatte. Zerknirscht und missgelaunt würgte ich mein Frühstück in mich rein und begab mich danach in die Arbeit. Mit ihr jetzt noch einmal zu sprechen war sinnlos. Ich wollte das am Abend versuchen.
Unaufhaltsam näherte sich die Nacht. Ich kam wieder sehr spät von der Arbeit, weil ich irgendwie überhaupt nicht voran kam, aber so lange bleiben musste, um wichtige Termine vorzubereiten. So rief ich dreimal bei ihr an, um ihr mitzuteilen, dass ich später komme. Auch schickte ich ihr Blumen. Zu Hause erwartete mich ein zerknüllter Blumenstrauß im Abfalleimer und die kalte Schulter meiner Gattin, die mich an diesem Abend absichtlich davon abhielt, an der Größe unserer kleinen Familie zu arbeiten. Zwar war sie gegen Ende wieder etwas versöhnt, aber dennoch kam es, dass ich mangels Sex auch an diesem Tag nicht in meinen wohlverdienten Schlaf gleiten konnte.
Ich wälzte mich im Bett und las bei kleinem Licht “Wenn ein Reisender in einer Winternacht“, um nach 33 Seiten plötzlich wieder an den Ausgangspunkt dieser Geschichte zurückzukehren: “pppphh“. Überrascht von der Neuartigkeit dieses leisen Staccatos neben mir hielt ich vorsorglich den Atem an. In der akustischen Gestaltung ihrer Abluft schien sie genauso phantasievoll zu sein, wie bei der Dekoration ihrer geliebten Sonntagskuchen. Mit Entsetzen bemerkte ich, dass ich vergessen hatte, das Fenster zu öffnen. Die Dauer ihrer besonderen Note überzeugte mich rasch von der Tragweite dieses Versehens, brachte mich aber auch auf eine hervorragende Idee: Ich wollte sie wecken und in flagranti mit ihrem nächtlichen Treiben konfrontieren. Das musste sie überzeugen.
“Schatz?“, ich rüttelte vergeblich an ihr. Sie schlief wieder wie ein Stein. Ich rüttelte sie weiter – immer noch ohne Reaktion. Als ich sie endlich nach zehn Sekunden aus ihren Träumen reißen konnte sagte sie verschlafen:
“Nnnhn ... was ist?“, und nach einer kurzen gähnenden Pause fuhr sie fort, “Du stinkst, komm, mach das Fenster auf.“
Was ich stinke? Sie stank! Irgendwie war die Welt heute ungerecht zu mir.
“Nein,“, sagte ich bestimmt, „das warst du.“
“Was?“ sagte sie, schon deutlich wacher.
“Ja, du hast eben einen fahren lassen.“
Ärgerlich drehte sie sich um, und der angestaute Dunst entströmte unserer Decke. Sie sagte: “Iiigit, du Schwein, das stinkt ja fürchterlich bei dir.“
Ich überging dieses stümperhafte Ablenkungsmanöver und begann zu erklären:
“Weißt du, gestern, da hast du nicht geschnarcht, ...“
“Was?“, unterbrach sie mich, jetzt vollends aufgewacht und schon wieder angefressen, “Am Morgen wirfst du mir vor, dass ich schnarche und lügst mich an, und jetzt weckst du mich mitten in der Nacht, nur um mir zu sagen, dass du tatsächlich gelogen hast?“
Sie besaß wirklich eine unglaubliche Begabung darin, mir den schwarzen Peter zuzustecken. Ich wollte den Duft als Beweis nicht ziehen lassen und verbesserte mich:
“Nein, ich hatte nur behauptet, dass Du geschnarcht hättest, weil ich ...“
Selbst im Dämmerlicht konnte ich noch sehen, wie sie verärgert die Nase rümpfte, als sie mir erneut zwischen die Worte fuhr:
“Spinnst du jetzt völlig?“
Ich kam nicht zum Zuge, weil sie mich ständig unterbrach. Ich musste es ihr direkt sagen.
“Eigentlich wollte ich dir schon heute morgen sagen, dass du stinkst und nicht schnarchst“.
So, jetzt war es endlich draußen. Ich, nun meinerseits eingeschnappt, verschränkte betonend meine Arme vor meiner Brust und ließ diese bekräftigend gegen meinen Bauch fallen. Vor Anspannung entfuhr es mir deutlich hörbar: “fft“.
“Du, du bist so ein Idiot!“, schleuderte sie mir zusammen mit ihrem Kissen entgegen. “Halt deine blöde Klappe und lass mich schlafen.“ Noch bevor ich mich richtig wehren konnte, zog sie ihr Kissen wieder an sich, drehte mir demonstrativ nun ihre kälteste Schulter zu und grummelte: “Deine Arschbacken solltest du auch halten, Ferkel!“, und schon etwas schläfriger, “Mach wenigstens das Fenster auf, wenn du schon stinkst.“
Ich stank nicht, ich kochte.
Nach einigen Minuten des Schweigens setzte sie schlafend ihre Unterhaltung in der bekannten Weise fort. Nicht nur meine Nasenschleimhäute, auch ich erbebte jedes Mal zutiefst. Ihre Eruptionen stellten sich wie bei einem erfahrenen Geysir mit erstaunlicher Präzision ein: Nach genau 8 Minuten und 18 Sekunden - handgestoppt - oder 123 Atemzügen. Soweit war ich nach 90 Minuten Studium ihres Gasaustausches. Ich gewann allmählich den Eindruck, sie machte das nun mit Absicht und bedauerte sehr, dass sie nicht schnarchte, weil monotones Schnarchen einen wunderbar gleichmäßig in den Schlaf sägen konnte. Aber hier kamen ihre leisen Explosionen wie sadistische Gefängniswärter genau dann, wenn man selbst kurz vor dem Einschlafen war, um dann einen unsichtbaren Schlag auf die Nase zu setzen. Gegen Schnarchen halfen Ohrstöpsel, aber diese waren hier sogar gefährlich, weil man dann den Warnton verpasste. Mit Nasenstöpseln würde ich aber sicherlich nicht Schlafen können. Letztendlich kramte ich wieder nach meinem Seelentröster und gönnte mir eine Ration. Heute vergaß ich aber nicht, ihn weg zu räumen. Ich begann meine Frau für ihre unsichtbaren Gemeinheiten zu hassen.
Die folgenden Tage versprachen der Beginn eines schrecklichen Teufelskreises zu werden: Morgens strafte mich meine Gattin mit Distanz und Kälte, tagsüber kam ich nicht voran, Abends wurde es immer später und sie zeigte mir ihre kalte Schulter. Danach fehlte der Sex, und ich konnte nicht schlafen. Auch schaffte ich es nicht, ihr zu erklären, was wirklich passierte, während sie schlief. Ich sehnte mich nach dem Wochenende, nicht nur, weil der Whisky zur Neige ging, sondern, weil ich endlich wieder ausschlafen, und unsere rissige Ehe retten wollte. Zuvor wollte ich mir aber noch bei meinem kranken Vater einen Rat holen.
Als ich Donnerstag Abend versuchte, meinen Vater im Krankenhaus zu besuchen, durfte ich nicht mit ihm sprechen, weil er an etwa zehn Schläuche angeschlossen gerade wieder mal auf der Intensivstation lag. Einer dieser Schläuche hatte es mir aber angetan, weil er dünn und durchsichtig über zwei zarte Düsen Sauerstoff in die Nase meines Vaters schleuste. Ich fragte eine Schwester und konnte tatsächlich eines dieser Wunderwerke genauer betrachten. Unbemerkt steckte ich es ein. Ich hatte einen Plan. Ich wollte meiner Gattin ihre Nachtgeräusche beweisen und mich so rehabilitieren. Das war ich unserer Beziehung einfach schuldig. Noch in der gleichen Nacht schritt ich zur Tat.
Ihr tiefer Schlaf kam mir dabei entgegen. Zärtlich stöpselte ich nach ihrer ersten Eruption das vordere Ende des Schlauches in ihr entgegengesetztes. Dann legte ich sanft die Gasleitung um ihren Kopf, und platzierte die Düsen dicht vor ihrer Nasenschleimhaut. Dieses Mal war die Beweisführung wasserdicht. Dagegen konnte selbst sie nichts sagen. Zufrieden legte ich mich daneben und grinste schelmisch in ihr schlafendes Gesicht.
Ich durfte mich noch zwei Minuten an diesem Gedanken ergötzen, bis ich ein wohlvertrautes Zischeln hörte. Sie atmete gerade ein, aber – was war das? Nichts geschah in den nächsten beiden Sekunden. War sie wie eine Schlange immun gegen ihr eigenes Gift? Oder war sie schlichtweg in Ohnmacht gefallen? Endlich, nach weiteren zwei Sekunden atmete sie aus, direkt in meine Nase und ich fühlte noch, wie mich eine Woge aus luftigem Klärschlamm überrollte.
Am Morgen weckte mich der Klang unseres gemeinsamen Weckers - besser gesagt, das Klingeln brachte mich in den üblichen Dämmerzustand nach dem reflexartigen Klaps für diesen Ärgerling. Was mich tatsächlich weckte, das war ihr Lärm, kurz danach. Sie kreischte und schrie, sie sprang aus dem Bett und riss sich etwas vom Kopf. Danach atmete sie erschreckt zweimal durch, um noch einmal zu brüllen, weil das Ende des Schlauches noch in ihr steckte. Handwerklich war ich ja schließlich begabt. Als sie aber den Schlauch drohend wie eine Peitsche in ihrer Hand hielt und wütend schnaubte, da wusste ich, dass ich besser ein oder zwei Worte erklären sollte.
“Schatz, es ist nicht so wie du denkst ...“
“Warst du das?“, brüllte sie mich an.
Ich versuchte sie zu beruhigen und räumte beschwichtigend ein:
“Nnnja.“
“Aaah, du Grobian, du Tölpel, du Idiot!“
Jeder meiner neuen Vornamen wurde mir ostentativ mit dem Wurf eines Gegenstandes angetauft. Hier zu Beginn waren das: Schlauch, Kissen und Wecker. Ich versuchte mich zu verteidigen:
“Nein, nicht, Schatz, lass mich doch ... Autsch ...“, das war eben ein Pantoffel.
“Nein, ich wollte dir doch nur ...“
“Was?“, sie hielt kurz inne. Das war meine Chance.
“... nur zeigen, dass ich ... ähm, dass du ...“, man konnte es drehen und wenden, wie man wollte – egal wie ich es sagte, es klang immer irgendwie unpassend. Aber ich musste das nun ein für alle Mal klarstellen, weil ich mich sonst völlig unmöglich machte: “... dass du mich mit deinem Leibwind vom Schlafen abhältst.“
Sie verdrehte die Augen und blieb für eine Sekunde still stehen. Manchmal machte sie das, wenn sie nachdachte. Ich hoffte, sie hätte mich nun verstanden.
“Du bist das größte Arschloch der Welt!“
Jetzt explodierte sie erst richtig. Ich bekam weitere Namen: “Volldepp“ (Nachttischlampe), “Trampel“ (ein Buch vom Nachttisch), “Arschgesicht“ (Mein Kissen). Dann ging ihr die Munition aus und sie warf sich heulend aufs Bett.
Betroffen stand ich nackt und zitternd in der Ecke. Ihr unmäßiges Toben hatte auch mich gekränkt, aber ihr Weinen ließ mich das schlagartig vergessen. Ich wollte, nein, ich musste sie trösten. Vorsichtig näherte ich mich dem bibbernden Wesen auf der Bettdecke und beugte mich zu ihr. Sanft tätschelte ich ihren Arm. Sie aber fuhr wie eine Furie herum und versenkte ihren Ellenbogen kraftvoll in unseren zukünftigen Kindern. Da war Schluss mit lustig. Jetzt hatte sie auch mich existentiell verletzt.
Was dann kam, ist das traurige Protokoll einer zerbrechenden Beziehung: Wir zankten uns noch einmal an diesem Morgen, bis sie mich vor die Türe setzte. Den Rest des Wochenendes war sie dann bei ihrer Mutter und für mich nicht zu erreichen. Ich hatte nun tatsächlich einen Grund zu saufen. Darüber stritten wir uns am Montag, bis ich spontan vorrübergehend auszog. Sie ging nun dazu über, mich absichtlich zu verletzen, wenn wir tatsächlich noch miteinander sprachen. Als ich wieder einziehen wollte, stritten wir uns erst richtig, und sie reichte die Scheidung ein. Natürlich wollte sie mein Haus. Ich begann diese hinterlistige Person zu durchschauen und bemerkte im Nachhinein, dass sie es schon immer auf diesen Streit angelegt hatte. Immer versuchte sie mich in einem schlechten Licht dastehen zu lassen, und ich bekam den schwarzen Peter. Sogar in meiner Arbeit bekam ich nun Ärger wegen dieser Schlampe: Ich versaute das wichtigste Projekt in diesem Jahr. Auch die Scheidungsrichter glaubten ihr fast alles. Zu guter Letzt zog noch ihr langjähriger Schulfreund in mein Haus ein. Das war die Höhe! Aber nicht mit mir. So wollte ich mich nicht abspeisen lassen. Ich verzehrte mich in Wut und brannte auf Rache.
Das tat ich bis vor zwei Tagen, seither habe ich einen Plan.
Gerade eben bin ich in mein altes Schlafgemach gestiegen, hinten herum, über den Balkon. Heute kriegt sie endlich, was sie verdient, die Schlampe. Ich werde ihr nichts lassen: Keinen Freund, kein Haus, kein Geld, kein Leben, nichts. Das Geld zu kriegen war einfach, das bekam ich im Tausch mit dem Haus und einer zusätzlichen Finanzspritze von ihr. Gestern kaufte ich mir einen Gassensor, der sehr sensibel auf Butan reagiert. Ich habe ihn sogleich zu meiner vollsten Zufriedenheit getestet: Meine Abluft detektiert er nach anderthalb Sekunden auf eine Distanz von 5 Metern. Der Sensor schickt sein Signal an den Zünder der Bombe, die mittlerweile aktiviert unter meinem ehemaligen Ehebett auf ihre erste nächtliche Aktivität wartet. Es ist ungeheuer befriedigend, dass der Grund für das Ende unserer Ehe auch gleichzeitig der Grund für das Ende ihres Lebens sein wird. Die Bombe ist so groß, dass nachher nicht mehr viel vom Haus übrig bleiben wird. Kein Freund, kein Haus, kein Geld, kein Leben, nichts. Rache ist schön. Rache ist geil. Ich werfe einen letzten zufriedenen Blick auf mein Werk, als plötzlich laut schallend die Haustüre in ihr Schloss fällt.
Vor Schreck lasse ich einen fahren.