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Nadja, die Meerjungfrau

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29.07.2003
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Nadja, die Meerjungfrau

Das Gerichtsgebäude ist ein großes und sehr altes Bauwerk. Die Mauern sind an manchen Stellen mit Reben oder Ranken, ja man könnte sogar sagen mit Lianen zugewachsen. Da das Gebäude so alt ist und nie saniert wurde, ist es sehr baufällig geworden. Ständig fällt irgendwo der Putz von den Wänden ab oder eine der Treppen in den zweiten Stock bekommt einen Riss und bricht zusammen. Das Gebäude hat übrigens nur zwei Stockwerke. Ganze Flügel des Alten Gerichtsgebäudes sind für Besucher gesperrt, denn es ist zu gefährlich sie zu betreten. Nicht mehr viele trauen sich noch hierher – die Mühlen der Justiz mahlen langsam und je länger man sich drinnen aufhält, desto größer ist die Gefahr durch den Boden zu brechen oder von einer grün tapezierten Wand erschlagen zu werden.
M. stand in einem lichtdurchfluteten Raum (die Fenster des Alten Gerichtsgebäudes sind sehr groß und lassen, obwohl manchmal von Reben oder sogar Ranken bedeckt, immer viel Licht in die Räume eindringen) und unterhielt sich mit seinem Rechtsanwalt und dessen beiden Assistenten. Der Raum war groß, wie es alle anderen Räume im Alten Gerichtsgebäude auch waren. Drei Schreibtische standen großzügig im Zimmer verteilt, mehrere Schränke an der Wand, daneben einige Stühle für Besucher. Es roch nach Aktenordnern, altem Kaffee und Rattengift.
Während er dem Rechtsanwalt zuhörte (hier hört doch eh keiner richtig zu, alle haben sie schon wunde Augen vom „ZUhöRen“), ertappte sich M. dabei, wie er glitzernde Staubpartikel beobachtete, die im Sonnenlicht schwebten. Er versuchte zu gähnen.
Der Anwalt und seine Helfer waren elegant gekleidet. An die Kanzleiluft gewöhnt, ertrugen sie nur schlecht die verhältnismäßig frische Luft, die von der Treppe kam.
„... stehen unsere Chancen ganz gut,“ schloss der Anwalt hüstelnd seinen Satz. M. bemerkte, dass er beim Sprechen ständig hinter seinen Rücken blickte und schon fiel es ihm ein: Er hatte beim Betreten des Raumes vergessen die Tür hinter sich zu schließen. Sogleich hörte er Geräusche, die von hinten kamen, und alle Vier drehten sich zur Tür.
Ein junges Mädchen kam die Treppe herauf, ihr wehendes, rotes Kleid hob sich bei jedem Sprung ganz leicht und senkte sich dann wieder. Für einen kurzen Augenblick sah sie M. neugierig in die Augen. M. erblickte den Schreck im ihrem Gesicht, als die Stufe, auf der sie landete, plötzlich nachgab und sie das Gleichgewicht verlieren ließ. Ihr Körper neigte sich gefährlich nach hinten, die ganze Treppe knarrte auffordernd und das Mädchen wäre vielleicht abgestürzt, wenn nicht M. äußerst schnell die Tür geschlossen und sich wieder dem Gespräch zugewandt hätte.

 

Hallo lilovl,

hm. Ich bin sehr unschlüssig, was deine Geschichte angeht. An manchen Stellen kam sie mir aufgrund ihrer Überzeichnungen wie eine Satire vor - das baufällige Bauwerk ist z.B. unrealistisch, die ungewohnte frische Luft komisch usw. Folgende Anmerkungen:

Ich konnte keinen Zusammenhang zur Überschrift herstellen. Da nur eine Frau auftaucht kam mir natürlich der Gedanke, ob sie mit dem Begriff "Meerjungfrau" in Verbindung steht, fand ich aber nicht schlüssig.

Viele Informationen fand ich zu beschreibend rübergebracht, einfach mal zwei Sätze als Beispiel:

M. (ausgesprochen wie engl. „m“) stand in einem lichtdurchfluteten Raum (die Fenster des Alten Gerichtsgebäudes sind sehr groß und lassen, obwohl manchmal von Reben oder sogar Ranken bedeckt, immer viel Licht in die Räume eindringen) und unterhielt sich mit seinem Rechtsanwalt und dessen beiden Assistenten. Der Raum war groß, wie es alle anderen Räume im Alten Gerichtsgebäude auch waren.
Auf die Klammereinschübe kannst du verzichten. Formulierungsvorschlag: "M. stand in einem der großen Räume des Gebäudes, der Dank der großen Fenster lichtdurchflutet war, und unterhielt sich mit seinem Rechtsanwalt und dessen beiden Assistenten." Oder so ähnlich.

Das Ende hab ich nicht verstanden. Versucht er den Sturz des Mädchens ungeschehen zu machen, in dem er einfach nicht hin sieht und die Tür schließt, willst du das verdeutlichen?

Etwas ratlos,
Juschi

 

Hallo lilovl,

ehrlich gesagt, bin ich genauso ratlos wie Juschi. Obwohl der Text nur so kurz ist, kann ich nicht viel damit anfangen. Ich gehe davon aus, dass M. (aus irgendeinem Grund, reagiere ich allergisch auf solche Abkürzungen. Macht es immer extrem schwer, sich in die Personen hinein zu versetzen) sich einfach abwendet, wegsieht, wie es ja in der Gesellschaft leider nicht unüblich ist.

Satirische Elemente meine ich auch heraus zu lesen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass in dieser Geschichte irgendwas fehlt. Mal abgesehen davon, dass ich genauso wenig wie Juschi einen Bezug zum Titel herstellen konnte, lässt mich das Ganze irgendwie unbefriedigt zurück.

Vielleicht hast Du ja Lust, uns aufzuklären :)

Liebe Grüße,
gori

 

Hallo,

danke, dass ihr euch die Geschichte durchgelesen habt. Ich will mal versuchen etwas Licht ins Dunkel zu treiben und auf ewig zu binden.

Ich denke die Unschlüssigkeit in Bezug auf die Geschichte kommt daher, dass sie keine Anzeichen einer Pointe oder der Moral von der Geschicht zeigt. Sie beschreibt einfach nur - und dann auch noch Vorgänge, die logisch nicht so leicht zu erfassen sind. Schon die Beschreibung des Gebäudes wird von einer irrationalen Athmosphäre getragen. Was den Schluss angeht: M. (man könnte auch Michel oder Mortimer sagen - ist mMn bedeutungslos) versucht, indem er die Tür schliesst, den Sturz nicht nur ungeschehen zu machen, er versucht ihn zu VERHINDERN. Oder besser gesagt, zu verhindern, dass der Leser ihn erlebt.
Ich schrieb diese Geschichte nicht nach einem Plan, sondern nur nach Gefühl und jetzt verstehe ich selber erst, warum ich das Ende so gestaltet habe. Es sind diese Unstimmigkeiten, die der Geschichte in meinen Augen ihren Reiz verleihen:

Matthias tut etwas scheinbar vollkommen unlogisches um den Sturz zu verhindern;

er interagiert dabei sozusagen mit dem Leser - verändert den Lauf der Geschichte und damit seine eigene Realität;

andererseits sperrt Moloch das (wahrscheinlich hübsche und sympathische - immerhin rotes Kleid) Mädchen weg und wendet sich den hustenden, trockenen Anwälten zu - das ist eine total widernatürliche Entsagung, Selbstverleugnung, Selbstentfremdung und zwar scheinbar vollkommen grundlos, immerhin hat er sich während des Gesprächs gelangweilt;

als letztes die Tatsache, dass die Überschrift nichts mit dem Inhalt zu tun haben scheint. Als die Geschichte fertig war, suchte ich nach einer Überschrift für sie und wollte schon so etwas wie "In der Kanzlei" nehmen, als mir "Nadja, die Meerjungfrau" in den Sinn kam (wie kann einem einfach so aus dem Nichts etwas in den Sinn kommen).

Das sind die wichtigsten Punkte, die mich in der Geschichte angezogen haben. Es gibt noch viele kleinere Sachen, aber die sind nicht so wichtig. Im Großen und Ganzen wollte ich sehen, welche Reaktionen die Story erwecken würde - und die sind bisher ziemlich gewöhnlich ausgefallen. Schade eigentlich, aber ein Versuch war es wert.

Tee schlürfend,
lilovl

 

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