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nektarinenkerne

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30.01.2005
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nektarinenkerne

Der Nacken tut weh und der BH-Träger schnürt mich in die linke Schulter. Nicht aufwachen! Zu spät. Grau sickert durch die zugezogenen Vorhänge und lässt meine Wangen feucht werden.
Eine halbe Stunde noch, eine halbe Stunde noch alles wegschieben, in den letzten Seiten des angefangenen Buches verkriechen. Welcher Idiot hat eigentlich diesen Stuss erzählt, von wegen Schmerz lässt uns wissen, dass wir noch am Leben sind? Ich fühle mich tot. Wieder ein Stück herausgerissen, wieder im Schneckenhaus, bis der Nächste kommt, um drauf rumzutrampeln.
Ich hasse mich, hasse meine Naivität und mich dafür, dass ich nicht in der Lage bin, ihn zu halten, in der Lage bin überhaupt jemanden zu halten. Ich hab’ s geahnt, nein gespürt, dass es ihm nicht so geht wie mir. Nicht deshalb, weil er sich einfach weggedreht hat, als ich meinen Kopf an seine Schulter gelegt hab. Nicht deshalb, weil er seinen Status immer noch nicht geändert hatte. Nicht weil er mir nie gesagt hat, dass er mich gern hat. Die kleinen Dinge warn’ s: Diese, ein klein wenig zu lange, Umarmung, als er wieder da war aus Köln, als er mich nicht an der Hand genommen hat auf dem Nachhauseweg - so wie Markus seine Freundin. All das! Und ich hab weggesehen und mir die Welt schön geredet. Ein großer rosa Ponyhof.
Mir ist immer noch übel. Ich sollte auch so einen blöden WC-Spüler besorgen. Eine Hand auf dem Magen wank ich zurück in die Küche. Es ist mir absolut scheißegal, ob das Brennen in der Magengrube vom Hunger kommt oder von einer aufkeimenden Magenschleimhautentzündung, obwohl ich auf Letzteres tippen würde.
Natalie schießt mir durch den Kopf. Hat ihre Schuhe abgeholt. Gerade jetzt wünschte ich das alles wäre nie passiert und sie wäre nicht so ein furchtbar aufgeblasener Dickschädel. Ich würde grade sehr viel dafür geben, von ihr in den Arm genommen zu werden.
Gänsehaut. Gut, soll mich doch frieren. Passt besser zu meinem Kern. War es die beginnende Orangenhaut? Die Oberschenkel? Ich schätze es waren die Reiterhosen an den zu dicken Oberschenkeln. Die Erklärung wäre jedenfalls so viel angenehmer, als dass er mich einfach nicht lieben konnte. Nass färbt mein T-Shirt stellenweise dunkelrot und mein Gesicht schwillt wieder an. Ich spüre den Reiz, das sich steigernde Heben und Senken meiner Brust, die sich viel zu weit ausdehnt. Da ist es wieder: Atmen, ohne zu atmen. Ich dachte, ich wäre diesen Mist losgeworden. Papiertüte!
Rauschen in den Ohren, schwarz.
Mein Kopf dröhnt, schmeckt nach Blut: bäh. Übelkeit wallt wieder nach oben, durch die Küche ins Bad.
Vielleicht soll es einfach nicht sein, vielleicht bin ich nicht dazu gemacht. Putze meine Nase mit dem letzten Klopapier und räume auf: die ungewaschenen Teller, herumliegendes Papier, Gläser. Mein Blick fällt auf den Biomüll auf der Spüle. Hätte ich schon längst wegräumen sollen, noch bevor ich zu ihm gefahren bin, noch bevor ich extra wegen ihm und seinem freien Tag blau gemacht hab, noch bevor er mich so zerschmettert hat. Die Nektarinenkerne sehen friedlich aus. Ein wenig braun schon und Fruchtfliegen laben sich an den Resten, aber so zugedeckt mit verwelktem Radieschengrün doch sehr charmant. Sie liegen einfach da und warten darauf kompostiert zu werden, vollkommen zufrieden mit ihrem Dasein als Wurmdünger. Mein Magen knurrt. Ich bin noch da. Schlucke meine Allergietabletten - helfen zwar schon lange nicht mehr, machen aber müde.
Sie sehen so zufrieden aus ... warum kann ich keine Nektarine sein? Abgenagt und weggeschmissen, vollkommen unwichtig, nichtssagend, aber absolut zufrieden mit meiner lächerlichen Existenz.

 

Hallo ante portas,

klingt irgendwie stimmig, deine Geschichte. Vielleicht weniger Gesellschaftskritik als Alltag, wenn auch schmerzlicher. Mit klaren Bildern, sinnlichen Details und einer kleinen Rahmenhandlung, in die du deine Reflexionen eingebaut hast. Mit einem freundlichen, versöhnlichen Ende, das über dich hinaus weist, ohne die Grundstimmung des Textes aufzugeben.

Nicht ganz verstanden habe ich, warum du im Präteritum beginnst, um dann ab dem zweiten Absatz im Präsenz weiter zu machen. Ich würde den ersten Absatz ebenfalls in die Gegenwartsform bringen. (Außer, ich als Leser habe da irgendeine Pointe nicht mitbekommen.)

Ebenso wenig habe ich verstanden, warum "grau dein Gesicht nass färbt". Klingt arg surreal. Schon "nass färben" finde ich arg gewagt als Kombination. Beim T-Shirt weiter unten macht es Sinn, aber hier oben...

Hatte den Eindruck, dass du nach dieser Einleitung in Fahrt kamst. Der restliche Text erschließt sich mir ohne Probleme. Hat mir gefallen - war schlüssig und gut lesbar. Und hat mich mitgenommen in die Reflexionen am Ende einer Beziehung. Und weiter - in die Stille eines Nektarinenkerns. Schönes Bild.

Ich hätte wohl ein paar Kommas mehr gesetzt. Da empfehle ich dir dringend ein wenig Übungsmaterialien für den Deutschunterricht zum Thema Zeichensetzung. Ist dröge, aber wichtiges Rüstzeug für alle, die gern schreiben.

Liebe Grüße,
Ennka

 

Oh ja... meine Kommasetzung - die war wohl noch nie die Beste. Ich werd mich drum kümmern. Die ersten Sätze im Präteritum waren wirklich nicht beabsichtigt - hab das auch geändert (mit dem in Fahrt kommen hast du völlig richtig gelegen ;) )
Stell dir einen grauen Tag vor. Seit gestern stehts du wieder alleine da und gerade noch hast du einigermaßen friedlich geschlafen und warst froh nicht mit deinen Problemen konfrontiert zu werden. Dann wachst du auf, alles ist wieder da und durch die Vorhänge schimmert auch noch ein grauer, verregneter Tag und es dauert keine Sekunde bis einem wieder "die Augen übergehen" - jetzt klarer?
Vll. fällt mich noch eine Möglichkeit ein, wie ich das weniger abstrakt darstelle.

By the way: Ist eigentlich niemandem aufgefallen, dass ich die Überschrift klein geschrieben hab? (:

Wegen der Kategorie war ich mir auch nicht ganz sicher - kann ja notfalls verschoben werden, wenns wo anders besser passt.

Vielen Dank für deine Ratschläge! Freut mich, wenn es dir ein wenig gefallen haben sollte!

 

Grau sickert durch die zugezogenen Vorhänge und färbt mein Gesicht nass.
Danke für die Erklärung :) Jetzt hab ich es begriffen. Ist aber wirklich arg abstrakt und zum Mitdenken. Dabei eigentlich ein schönes Bild. Wahrscheinlich noch immer sehr poetisch, wenn du es ein klein wenig aufdröselst.

Ennka

 
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Hallo ante portas!

Ich habe deinen Text gerne gelesen. Du hast hier einen kurzen, aber mMn sprachlich sehr schönen Beitrag im Bewusstseinsstrom geschrieben. :)
Ich konnte deine Protagonistin spüren und ihre Emotionen gut mitfühlen.
Teilweise recht schöne Bilder. Hat Spass gemacht!

Einen Satz solltest du nochmals überdenken, für meinen Geschmack hinkt er.

Zu spät. Grau sickert durch die zugezogenen Vorhänge, bildet zwei schmale Rinnsale und tropft mir vom Gesicht.
Würde ich kürzen: Morgendliches Grau sickert durch die zugezogenen Vorhänge und tropft auf mein Gesicht.

Und generell die Kommasetzung anschauen! ;)

Nette Abendgrüße,
Manuela :)

 

Vielen Dank! ^^
Daran hab ich wohl ganz schön zu beißen...
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob damit dann rüberkommt, dass Tränen gemeint sind?

 

Hallo ante portas!

Habe deinen Text durchkorrigiert und die allermeisten Kommafehler berichtigt. Zwei, drei Fehler bei Groß- und Kleinschreibung, und einige wenige Satzzeichenfehler ebenfalls.
(Keine Garantie auf Vollständigkeit! ;))

Den Text findest du in deiner PN Box.
Die Neuformulierung des von mir zitierten Satzes finde ich zwar besser, als die alte Version, aber auch nicht gut. Mir fehlt die Brücke vom Morgengrauen zu den Tränen deiner Prot.

Grau sickert durch die zugezogenen Vorhänge und lässt meine Wangen feucht werden.

Vorschlag: Grau sickert durch die zugezogenen Vorhänge, drückt auf meine Psyche und lässt meine Wangen tränenfeucht werden.

Netten Gruß,
Manuela :)

 

Vielen Dank nochmal fürs Durchkorrigieren! (:
Ich werde den Satz trotzdem vorerst so belassen. Ich will das Ganze nicht so exakt formulieren, sondern ein wenig Spielraum für Spekulationen lassen. (Wie man sieht, funktionierts prächtig... ;) )

 

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