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Netzwerk GmbH & Co KG AG

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Es war schon eine riskante Sache. Karl-Friedrich Grotemann erschauerte bei dem Gedanken, entdeckt zu werden – entdeckt zu werden bei einer so lächerlichen, noch dazu total überflüssigen Racheaktion. Gleichzeitig aber krampfte sich in ihm alles zusammen, wenn er an die Peinlichkeiten dachte, die Schmach, die ihm sein Kegelbruder Ernst-Michael zugefügt hatte. Alle hatten gelacht über ihn, den großen Geschäftsmann und Strategen Karl-Friedrich Grotemann, den Elektrophysiker mit abgeschlossenem Psychologiestudium. Wenn er gewollt hätte, könnte er einen Doppeldoktortitel tragen: Dr. Dr. Karl-Friedrich Grotemann mit einem Lehrstuhl selbstverständlich, Professor Dr. Dr. Grotemann. Die Zeit hatte er sich allerdings nicht mehr genommen, nachdem er entdeckt hatte, dass das menschliche Gehirn starke elektrische Ströme verursachte, das Denken also nur durch und mit Gehirnströmen möglich war. Diese kleine, noch nicht einmal absolut neue Entdeckung in Verbindung mit einer sehr menschenverachtenden Manipulation und Beeinflussung hatte ihn unermesslich reich werden lassen.
Natürlich war ihm auch der Kollege Zufall zu Hilfe gekommen, denn sein Vater hatte eine kleine Baustahlgewebeproduktion gegründet und war schon seit vielen Jahren ein guter Partner der großen und kleinen Bauunternehmen – vor allen Dingen, weil er als kleinerer Produzent auf Sonderwünsche schnell und flexibel reagieren konnte.
Schon während des Studiums hatte Karl-Friedrich bei seinem Vater gejobbt. Er kannte alle Fertigungsverfahren, hatte als Fahrer auch ausgeliefert und häufig, besonders in der Urlaubszeit, auch im Einkauf und im Vertrieb gearbeitet. Aber es machte ihm keine Freude. Sein Vater konnte den Vorstellungen seines Sohnes von moderner Fertigung und Marketingstrategien nichts abgewinnen, er war grundehrlich und konservativ erzogen und damit glücklich und zufrieden. Strenggläubig war es ihm gelungen, stets mit reinem Gewissen durch das Leben zu gehen.
Karl-Friedrich war anders. Stets auf seinen Vorteil bedacht – auch auf Kosten anderer – bereitete es ihm die allergrößte Freude und Genugtuung, wenn er möglichst viele Menschen von sich abhängig und gefügig machen konnte. Er hatte eine Gier nach Bewunderung, Beifall und Macht, und um das zu erreichen kannte, er keine moralischen Bedenken.
Also ging er schon als Schüler über Leichen, um dann, nach seinem überaus erfolgreichen Studium sein Wissen, nur in diese Richtung zu vertiefen und Möglichkeiten der menschlichen Beeinflussung zu erforschen. Karl-Friedrichs Handlungsweisen konnte sich sein Vater noch nicht einmal im Traum vorstellen. Auch hatte er nicht die Hoffnung, sein Sohn würde die Firma einmal übernehmen wollen; er fragte ihn noch nicht einmal danach.
Mitten aus dem Leben, aus dem erfolgreichen Schaffen heraus, erlag Vater Grotemann einem Herzinfarkt. Karl-Friedrich erbte alles und musste nur seiner Mutter eine recht hohe Rente zahlen. Aber nun interessierte er sich sehr für die Baustahlgewebeproduktion. Der Tod seines Vaters eröffnete ihm Möglichkeiten, seine Forschungsergebnisse zu verwirklichen.
Im sozialen Wohnungsbau, fast immer Fertigbauten und riesige Siedlungen, wurde eine Unmenge Baustahl benötigt. Die Produktion von Baustahlgewebe wurde gewaltig erweitert. Karl-Friedrich bot zu Preisen weit unter denen der Mitbewerber an und wurde bald schon Alleinproduzent; er hatte ein Monopol für die gesamte Bundesrepublik.
Es machte unheimlich viel Arbeit, diese schnell gewachsene Firma weiter erfolgreich zu führen und zu kontrollieren. Modernstes Controlling und Computersteuerung machte es möglich. Die knappe Freizeit verbrachte der verhinderte Doppeldoktor in einem geheimen, streng abgeschirmten Forschungslabor im vierten Untergeschoss seiner riesigen Produktionshalle. Angeblich waren zur Steuerung seiner Lieferlogistik auf dem mehrere Fußballfelder großem Flachdach zahlreiche skurril geformte Antennen montiert worden.
In der Werbung, die er trotz der Monopolstellung mit großem Kostenaufwand weiter betrieb, wurde ein etwa Streichholzschachtel großer Kasten, der an jeder Baustahlgewebematte seiner Firma zu finden war, als Gütezeichen besonders hervorgehoben. Bald schon verlangten es selbst die Baubehörden und die Statiker, dass nur Matten mit diesem deutlichen Firmenzeichen verbaut wurden.
Natürlich mussten die großen Gewinne angelegt werden, die die Grotemann Baustahlgewebe GmbH erwirtschaftete. Diversifikation nannte es der Inhaber, wenn er Lebensmittelketten aufkaufte und bald in allen Neubaugebieten vertreten war. Er scheute nicht davor zurück, direkt neben anderen großen Lebensmittelhändlern anzutreten und verdrängte alle in kürzester Zeit, denn schon sofort nach der Eröffnung wurde nur noch bei Grotemann gekauft. Es war schon erstaunlich für die Konkurrenz, denn der Erfolg war nicht mit dem preiswerteren Angebot zu erklären, ganz im Gegenteil!
In den folgenden Jahren kaufte Karl-Friedrich Grotemann nicht nur ALDI und die METRO auf; er besaß bald alle Handelshäuser und Industriebetriebe der Republik, Meinungsforschungsinstitute, Fernsehsender – eben alles.
Politiker aller Parteien lagen ihm zu Füßen und predigten seine Thesen.
Nur auf dem Lande gab es noch einzelne Geschäfte oder Handwerker, die scheinbar frei wirtschaften konnten, kommunale, kleine Verwaltungen, die sich nicht anpassen wollten.
Karl-Friedrich Grotemann war nie wirklich alleine; trotzdem war er aber einsam. Er hatte keine Familie mehr, nachdem auch seine Mutter verstorben war. Wenn er den Wunsch verspürte nach menschlicher Zuneigung, vergrub er sich tagelang in seinem Forschungslabor. Danach belagerten ihn unzählige, alle sehr ähnliche Frauen; er wählte, und wenig später war der Spuk wieder vorbei und Karl-Friedrich einsam.
Das war selbstverständlich schwierig, aber man konnte nicht alles haben; er konnte schließlich durchsetzen, was er wollte, Bundeskanzler wurde nur ein Kandidat seiner Wahl, trotz demokratisch einwandfreier Wahlen. Aber es gab keine unterschiedlichen Parteiprogramme mehr. Alle Parteien entwarfen immer wieder übereinstimmende Programme. Die Bundestagsdebatten wurden aufgegeben, es gab keine Debatten mehr. Alle Zeitungen waren der gleichen, übereinstimmenden Meinung. Ausgenommen wieder ein kleines Anzeigenblatt mit sehr begrenzter Auflage und Verbreitung, welches in einem alten Haubarg in Dithmarschen redaktionell erarbeitet und gedruckt wurde, berichtete erstaunlich anderes.
Das Ausland wurde kaum aufmerksam, obwohl gerade ältere Politiker kritische Anmerkungen von sich gaben. Der Gleichklang und die offensichtliche Berechenbarkeit der deutschen Politik hatte schon Verwunderung hervorgerufen. Besonders in Russland waren Wissenschaftler auf eigene Faust bzw. mit Unterstützung der Sicherheitsbehörden tätig geworden. Aber es gab keinerlei Erkenntnisse, noch nicht einmal vage Vermutungen.
Karl-Friedrich war leidenschaftlicher Zigarettenraucher. Immer hatte ihn die Diskriminierung der Raucher, die vielen Verbote und Einschränkungen, wahnsinnig gestört.
Er konnte sehr zufrieden sein, auch seine Zigarettenfabriken erlebten einen gewaltigen Aufschwung. Zigaretten waren plötzlich sehr preiswert geworden, eine Gesundheitsreform hatte bewirkt, dass Raucher kostenlos mit Zigaretten versorgt werden mussten, die über eine steuerliche Mehrbelastung der Nichtraucher finanziert wurden. Sogenannte Hausberater – der Volksmund nannte sie „Räuchermännchen“ – , besuchten wöchentlich alle Raucherinnen und Raucher und ermittelten deren Wochenbedarf, der dann kostenfrei in der Folgewoche angeliefert wurde.
Beschwerden gegen diese Reform gab es praktisch nicht. Nur in einem Dorf nahe Hamburg, wurde auf Grund dieser Reform die „Freie Republik Besenbinderhof“ ausgerufen. Wenn der Bewohner aber zur Erläuterung seiner Maßnahme in das Amt bestellt wurde, konnte er dafür keine Begründung nennen und wurde daher für geisteskrank erklärt.
Karl-Friedrich Grotemann aber besaß nach einigen Jahren alles, was ein Mensch in der Bundesrepublik Deutschland besitzen konnte. Nur dass er sein geheimes Wissen niemandem mitteilen konnte – niemand wusste wirklich, wie viel Macht er hatte – stimmte ihn häufig sehr depressiv. Er war außerdem sehr überlastet, sein Forschungslabor konnte er keinen Tag ohne Aufsicht lassen. Trotz seines Reichtums konnte er nie verreisen oder ausspannen.
Er begann Gefallen am Alkohol zu finden, sich regelrecht zu betäuben. Im Rausch erinnerte er sich plötzlich an die Schmach, die sein Kegelbruder Ernst-Michael ihm vor langer Zeit zugefügt hatte. Er soff nie in der Öffentlichkeit, nur völlig einsam in seinem Labor. Es reifte eine teuflische Idee; die Ausführung konnte er so stark alkoholisiert, ungehemmt nicht mehr verhindern.
So wurden den Standesämtern der Bundesrepublik am Folgetage über 50 Todesfälle gemeldet, alles Suizid-Verdächtige, die auf den Vornamen Ernst-Michael getauft worden waren.
Die Polizeibehörden ermittelten, dass einige der auf diesen Vornamen Hörenden versucht hatten, sich aus einem Kellerfenster oder aus einer Parterrewohnung zu stürzen, und dass mehr als 20 Verletzte aus dem zweiten oder dritten Stock gefallen seien.
Die Medien berichteten nicht darüber.
Aufmerksam wurde nur der russische Geheimdienst, der die Daten den Wissenschaftlern zur Untersuchung zukommen ließ.
Dort wurden weitere Merkwürdigkeiten festgestellt. Alle Selbstmordkandidaten, egal ob erfolgreich oder nicht, sprangen aus Neubauten bzw. aus Häusern, die nicht älter als 20 Jahre waren. Kein einziger Ernst-Michael machte auch nur einen Versuch, wenn er sich in einem alten Haus aufgehalten hatte. Nur wenn alte Häuser zwischen Neubauten verblieben waren, handelten die Bewohner wie ihre Nachbarn.
Diese Erkenntnisse und weitere Forschungsergebnisse über Deutschland berichtete der russische Präsident dem amerikanischen Präsidenten. Natürlich wurde sofort auch der amerikanische Geheimdienst beauftragt.
Gemeinsam wurde man relativ schnell auf Karl-Friedrich Grotemann und seine riesige Firma Netzwerk GmbH & Co KG AG aufmerksam. Die Geheimdienstler erfuhren am eigenen Leib, dass ihre Gedanken in Regierungsgebäuden anders verliefen als auf dem Lande. Sofort geheim beauftragte Strahlenforscher und Magnetfeldmessgeräte ermittelten tatsächlich unterschiedliche Ergebnisse, obwohl man damit nichts anfangen konnte. Sehr erfolgreich waren auch Untersuchungen mit erfahrenen Rutengängern. Iimmer wenn diese sofort die untersuchten Gebäude verließen und danach möglichst auf dem Lande befragt wurden.
Wieder einmal musste Kommissar Zufall helfen. Ein Hochhaus mit Kleinwohnungen wurde abgerissen. Es war nicht mehr zeitgemäß, obwohl erst 20 Jahre alt. An der Stelle sollte Betreutes Wohnen möglich werden. Aus dem neunten Stockwerk des Abbruchhauses hatte sich einer der letzten Bewohner, Ernst Michael Schmidt, zu Tode gestürzt. Ein Geheimdienstmitarbeiter untersuchte die Trümmer und fand den gelben Plastikkasten mit dem Firmensymbol der „Netzwerk GmbH & Co KG AG” an einem Baustahlmattenrest in den Betontrümmern der Zwischendecken. Er demontierte das Teil und schickte es sofort per Kurier an die Geheimdienstzentrale in den USA.
Im Plastikteil wurde ein Empfänger mit einem angeschlossenen starken Strahler zur Erzeugung von Hochspannungsfeldern mittels Induktion ermittelt. Karl-Friedrich Grotemann hatte den von ihm selbst befürchteten größten Fehler seines Lebens gemacht. Die Amerikaner entdeckten sein Geheimlabor und die Sendeanlage, mit der er über die Baustahlmatten in allen Neubauten der Republik in den vergangenen 20 Jahren das Denken der Bewohner in seinem Sinne beeinflusst hatte.
Eine ungeheure Entdeckung! Karl-Friedrich Grotemann wurde in einem demokratischen Gerichtsverfahren – nachdem natürlich seine Sendeanlage zerstört worden war – zu mehrfach lebenslänglicher Haft mit anschliessender Sicherungsverwahrung verurteilt.
Seine Erkenntnisse und alle Anlagen wurden nach Aussage der Amerikaner und mit Zustimmung der russischen Regierung vernichtet.

 

Hallo Boettger,

mal wieder die Weltherrschaft? Nein, nur die Herrschaft über Deutschland mittels eines Qualitätsmaarkenzeichens.
Ob dieses Kästchen tasächlich vernichtet wurde, wer weiß? ;)

Der Text hat mir gut gefallen. Auch hier neigst du zwar zu der für dich anscheinend etwas typischen Auswalzung deines Themas und auch hier zu einem Stil, der sich berichtartig darum bemüht, nur ja keine direkte Kommunikation (wörtliche Rede) zu beinhalten, aber zu diesem Text passt das.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,
vielen Dank, Dein Lob macht mir Freude, es wird ein schönes Wochenende!
Das Kästchen sieht in der Realität natürlich ganz anders aus. Aber beinflusst werden wir schon immer (mehr) durch die modernen Medien und weil wir wegen der Masse an Informationen, schon aus Zeitmangel, häufig unkritisch sind. Übertrieben ausgedrückt, bleibt zu wenig Zeit zum eigenen Denken, das lassen wir andere machen, auch übertrieben, aber so ähnlich. Aus dieser, meiner ganz persönlichen Sicht entstand die Geschichte.
Es grüßt Siggi, dem auch in der Realität die Sonne lacht.

 

Moin, moin Sue,
keine Sorge, alles wurde sehr gewissenhaft vernichtet, es gibt noch nicht einmal mehr Baupläne. Somit: "Die Gedanken sind (wieder) frei ....".
Vielen Dank, Dein Lob tut mir gut.
Es grüßt Siggi

 

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