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Neuanfang

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11.05.2002
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Neuanfang

"Bitte zurücktreten, die Türen schließen automatisch", ordnete die symphatische Frauenstimme aus dem Lautsprecher an und gleich darauf setzte sich der ICE ruckelnd in Bewegung.

Lydia, eine magere Frau, bekleidet mit einem engen Jeansanzug und rosa Ballerinaschuhen, ging zielstrebig Richung Speisewagen. Dass sie die Leute mit ihrem kleinen, dunkelblauen Rollkoffer anrempelte, schien sie zu ignorieren.

Das Zugrestaurant war leer. Erleichtert ließ sie sich an einem Zweiertisch am Fenster nieder.
"Ich hätte gerne einen doppelten Whisky", sagte sie mit rauchiger Stimme zum Kellner. Dieser zog etwas verwundert die rechte Augenbraue hoch, denn er hatte, aufgrund ihrer jugendlichen Aufmachung zuerst gedacht, hier sitzt ein junges Mädchen. Als er sie dann von Nahem sah, merkte er, dass diese Frau ihre Jugendzeit schon lange hinter sich gelassen hatte.
Lydia zündete sich eine Zigarette an und schaute auf das Panorama des Hamburger Hafens, ein Gewirr aus Masten und riesigen Überseeschiffen.
"Das war das letzte mal, dass ich in dieser Stadt war", dachte sie während sie den Whisky auf einen Zug austrank. "Jetzt gibt es für mich gar keinen Grund mehr, hierher zu fahren."
Sie winkte erneut den Speisewagenkellner herbei, und bestellte sich eine Piccoloflasche Sekt. Mit unbeweglicher Miene nahm dieser ihre Bestellung entgegen und goß das Getränk in einem schwungvollen Bogen in das Glas. Lydia drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und nahm einen großen Schluck. Durch den ungewohnten, schnellen Konsum des Alkohols begann sich das Speisewagenabteil langsam vor ihren Augen zu drehen. Lydias Kehle wurde eng, ihre Augen füllten sich mit Tränen. "Jetzt nur nicht weinen", dachte sie, während sie nervös eine neue Zigarette anzündete. Beunruhigt beobachtete sie eine lärmente Männergruppe, die sich dem Speisewagen näherte.
"Hallo schöne Frau, so alleine am Tisch?", säuselte ein dicklicher Mann mit Stirnglatze.
"Hau ab!", zischte sie ihn an. Die Antwort darauf war das vielstimmiges Lachen seiner Kumpel und ein paar Bemerkungen, die ihr sehr weh taten.
"Männer können mir in Zukunft gestohlen bleiben", dachte Lydia. "Und Rainer sowieso."
Sie überlegte, ob sie das Glas austrinken und schnellstmöglichst den Speisewagen verlassen sollte, da fiel ihr ein junger Mann mit schulterlangen, hellbraunen Haaren auf. Er saß an dem Tisch schräg gegenüber und musterte sie aufmerksam, hob sein Glas Mineralwasser und prostete ihr zu. Sie versuchte etwas freundlicher zu gucken und prostete zurück. "Er sieht ja nett und attraktiv aus, der Junge, aber leider viel zu jung für mich", dachte Lydia. Sie fühlte sich durch den Alkohol benebelt und bekam Appetit auf einen Sandewich. Sie wollte dem Kellner erneut herbeiwinken, da bemerkte sie, dass der junge Mann sie immer noch mit seinen großen, dunkelbraunen Augen fixierte. Zögernd stand er schließlich von seinem Platz auf und fragte, ob er sich zu ihr setzen dürfte. Sie nickte kurz.
"Darf ich mich vorstellen", er lächelte: "Ich heiße Benny. Tschuldigung, ich habe das Gefühl, dass du, ich darf doch du sagen, dass du ziemlich unglücklich bist."
"Ich heiße Lydia und finde, dass du etwas sehr neugierig bist."
Nervös nestelte Benny an der Brusttasche seines großkarierten Hemdes herum und legte sein Handy auf den Tisch.
"Wenn ich störe, bin ich sofort wieder weg", sagte er, während er eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche herauswühlte.
"Du störst nicht, und du hast absolut Recht, in Bezug Traurigsein. Nach zehn Jahren hat mich Rainer nun endgültig verlassen."
"Oh sorry, war das dein Ehemann? Eine Scheidung is' nix Schönes."
"Nein, ich war nur die Frau Nummer zwei an seiner Seite."
Bennys Gesichtsausdruck war so verdutzt, dass Lydia lachen musste.
"Hallo", Lydia winkte den Kellner herbei.
"Noch etwas zum Trinken?"
Lydia schaute in die Karte: "Nein, geben Sie mir bitte einen Käse-Schinken-Sandwich und eine Tasse Kaffee."
Als Lydia zum Trinken ansetzte, registrierte Benny verwundert den schmalen, goldenen Ring an ihrem Finger.
"Du warst verheiratet?"
"Bevor dieser Mistkerl von Rainer mir über den Weg lief, heiratete ich meinen Schulfreund Marco. Wir sahen uns nach fast zwanzig Jahren bei einem Klassentreffen wieder. Unsere Gefühle für einander waren noch da, so wie damals, nur mit dem Unterschied, dass wir inzwischen reifer geworden waren."
Lydia holte aus ihrer Handtasche ein Paket Taschentücher und schneuzte sich, bevor sie mit ihrer Erzählung fortfuhr.
"Ich war sehr glücklich und genoß das Zusammenleben mit Marco. Wir hatten eine schöne Wohnung in einer noblen Gegend am Berghang, mit Panoramablick auf das Städtchen und die Rheinebene. Marco verdiente sehr gut, er war erster Verkaufsleiter in seiner Firma. Leider musste er oft auf Dienstreisen gehen, blieb manchmal sogar über eine Woche von zu Hause weg. Ich freute mich immer auf Marcos Heimkehr, auch an diesem verhängnisvollen Adventstag. Wir wollten die Feiertage ganz romantisch auf einer Almhütte verbringen. Für das kommende Jahr hatten wir Nachwuchs eingeplant, da konnten wir dann nicht mehr so ohne weiteres zu zweit einen ruhigen Urlaub genießen. Ich freute mich riesig auf die Feiertage zusammen mit meinem Mann."
Lydias Gesicht wurde starr, sie trank hastig den Rest Sekt aus.
"Am Sonntag, den vierten Advent, klingelte es um zehn Uhr morgens an meiner Tür. Verwundert dachte ich, so früh habe ich Marco gar nicht zurück erwartet. Vor der Tür standen zwei Polizisten mit ernster Miene. Den Rest Benny, kannst du dir ja denken. - Also der Marco war unschuldig, ein Raser hatte ihm die Vorfahrt genommen. Er starb noch an der Unfallstelle."

Benny schaute sie mit großen, mitleidsvollen Augen an. Lydia zog hastig an ihrer Zigarette.
"Von da ab war nichts mehr mit mir anzufangen", fuhr sie fort. "Ich hatte weder Marco, noch ein Kind von ihm. Das schöne Haus mit Garten musste ich aufgeben, weil ich es nicht mehr abbezahlen konnte. Ein bißchen Witwenrente habe ich, okay. Aber ich musste wieder arbeiten gehen, um über die Runden zu kommen. Ich lebte in einer häßlichen Einzimmerwohnung in einer gesichtlosen Stadtrandsiedlung und arbeitete an der Kasse eines Supermarktes. Ich tat alles automatisch, fühlte mich lustlos und leer. Abends sass ich dann vor dem Fernseher, ließ mich von den bunten Bildern berieseln und stopfte Brezeln und Chips in mich hinein. Ich nahm in dieser Zeit ziemlich zu. Meine Freundinnen meinten damals: "So kann das nicht weitergehen. Gib dir einen Ruck, lass dich nicht so hängen und geh doch endlich wieder mal aus."
"Leicht gesagt", bemerkte Benny und zog an seiner Zigarette.
"War auch verdammt schwer. Wir gingen immer in unser Stammtanzcafé. Überall sah man glückliche Paare, die zusammen tanzten, sich küßten. Ich wurde damals auch oft aufgefordert, aber leider immer von solchen Männern, die mich nicht reizten, mit denen ich nichts anfangen konnte. Dann sah ich eines Abends einen breitschultrigen, dunkelhaarigen Mann mit markanten Gesichtszügen. Er war im Tanzclub der sogenannte 'Hecht im Karpfenteich', hob sich wohltuend von der Masse blasser, langweiliger Männer ab. Ich fragte meine Freundinnen wie er hieße. Rainer. Ein schöner Name. Dieser Rainer schien ein munterer Junggeselle zu sein, tanzte immer mit den hübschesten Frauen und schien auch mal mit der einen oder anderen nach Hause zu gehen. Rainer faszinierte mich und ich wollte ihm gefallen. Ich achtete von nun an mehr auf mein Gewicht, trug dann letztendlich zwei Kleidergrößen kleiner. Ich ging zum Frisör, ließ mir einen neuen Haarschnitt verpassen - platinblond."

Benny schaute aus dem Fenster, das Stationsschild "Messe Hannover" tauchte auf. Nachdenklich zog er an seiner Zigarette: "Was Weiber doch alles wegen einem Kerl tun!"

Die automatische Tür des Speisewagens öffnete sich. Eine Gruppe junger, hübscher zum größten Teil langhaariger Frauen passierten gutgelaunt das Zugrestaurant. Sie trugen alle schwarze T-Shirts, auf denen "Erzieherinnen 2004" standen. Benny schaute den Mädels anerkennend hinterher. Dann wandte er sich wieder Lydia zu und sagte: "Du hattest wenigstens das Glück, für eine längere Zeit in einer glücklichen Beziehung zu leben und dich gut und aufgehoben zu fühlen. Ich war auch mal sehr verliebt, Marion hieß sie. Wir wohnten damals in einer winzigen Einzimmerwohnung. Alles war zu klein, zu eng, doch wir waren glücklich. Ich arbeitete als Feinmechaniker. Die Arbeit gefiel mir, es herrschte ein gutes Betriebsklima und wir gingen regelmäßig nach Feierabend zum Entspannen in eine nahegelegene Pilsstube. Das abendliche Bier und Korn wurde zur Gewohnheit. Dann bekam die Firma leider wirtschaftliche Schwierigkeiten und ein Großteil der Mitarbeiter musste entlassen werden - ich war leider auch mit dabei. Marion sah mich als Versager an. Ich rutschte dann endgültig in den Suff ab und meine Freundin verließ mich. - Aber nun Lydia, genug gejammert, erzähl mal, wie es mit dem Supermann Rainer weiterging."
"Ja, eines Tages forderte er mich zum Tanzen auf. Was mir an diesem Abend als vermeindlich großes Glück vorkam, stellte sich später als der größte Fehler meines Lebens heraus", sagte Lydia mit bitterer Stimme und biß ein großes Stück von ihrem Schinken-Käse-Sandwich ab. "Nach dem Tanzen setzte er sich mit an unseren Tisch. Er war gar nicht so oberflächlich, wie ich zu erst gedacht hatte. Wir lagen auf einer Wellenlänge, konnten uns prima unterhalten."
Benny schaute kurz auf das Display seines Handys, weil sich eine SMS angekündigt hatte. "Was hat er denn so erzählt, dein Rainer?", fragte er.
"Er erzählte mir unter anderem an diesem Abend, dass er eine schlimme Entäuschung hinter sich hatte. Aber nun wäre er einigermaßen darüber hinweg, würde viel ausgehen und sich amüsieren. Nur für eine feste Bindung wäre er zur Zeit nicht zu haben. Das war mir damals ganz recht. Meine Gedanken waren noch bei Marco. Wenn ich morgens an seinem Grab war hatte ich abends ein schlechtes Gewissen, wenn ich ausging und flirtete. Andererseits dachte ich, wenn es so etwas wie einen Himmel gibt und er schaut mir jetzt zu, wird er es befürworten. Sein Wille wäre es bestimmt nicht gewesen, dass ich nach seinem Tod für immer einsam und alleine bliebe. Rainer hatte Verständnis für mich, lies mir viel Zeit. Das machte ihn für mich sehr symphatisch, er war doch kein so großer Partylöwe, wie ich zuerst dachte."
"Und du hattest ihn nie gefragt, ob er alleine lebte?", fragte Benny.
"Nein, naiver Weise dachte ich, alle Männer die solo in das Tanzcafé kommen sind Singles. In der ersten Zeit, als wir uns allmählich näher kamen, hatte Rainer meine Telefonnummer und wusste, wo ich wohnte. Von ihm wusste ich weder das eine noch das andere. Die einzige Nummer, die ich von ihm hatte, war die von seinem Büro. Er erklärte mir, dass er sich gerade im Umzugsstress befände, seine Wohnung würde renoviert werden und mit dem Anschluss seines Telefons und Computers hätte er ziemliche Probleme. Ich fragte nicht weiter nach. Zu diesem Zeitpunkt waren meine Gefühle für ihn schon ziemlich stark, und ich wollte den Tatsachen nicht ins Auge sehen. Ich lud Rainer öfters zu mir ein, kochte für uns und öffnete eine gute Flasche Wein. Als ich eines Abends darauf bestand, zur Abwechslung mal bei ihm zu übernachten, denn eine Matratze und eine Kaffeemaschine in einem frischrenovierten Zimmer fände ich doch ganz romantisch, da wurde er ganz wuschig. Er könnte es nicht verantworten, mich in diesen Farbdünsten übernachten zu lassen, das wäre absolut gesundheitschädlich. Er selbst nächtigte immer in der Wohnung seines Bruders, bis die Renovierungsarbeiten endlich abgeschlossen wären. Es wäre echt ein Jammer, dass diese Bude so viel Feuchtigkeit und Schimmelneigung hätte und sie immer wieder neu mit den Putzarbeiten beginnen müssten."
"Und wie kamst du denn letztendlich dahinter, dass dein Rainer gebunden war?" unterbrach sie Benny. "Auf die Dauer müsstest du ja misstrauisch geworden sein, kein Besuch in seiner Wohnung, kein gemeinsam verbrachtes Wochenende und seine Freunde und Verwandte hattest du auch nie kennengelernt. Gell, du hast ihn eines Tages gefragt!"
"Nein, so war das nicht", antwortete ihm Lydia. "Diese Entscheidung wurde mir abgenommen, ein Zufall kam mir zuvor. Ich hatte mit Rainer einen wunderschönen Ausflug an den Neckar bei Hirschhorn unternommen, da kam uns ein fröhlich plauderndes Ehepaar mit zwei kleinen Kindern entgegen. Augenblicklich ließ Rainer meine Hand los, wandte sich von mir ab und gab vor, ganz interessiert ein Frachtschiff auf dem Neckar zu beobachten. Das Paar hatte Rainer entdeckt. Er zuckte zusammen und grüßte: "Hallo, die Familie Herold. Dass man euch auch mal am Neckar sieht. Gutes Wetter ist heute, musste mal an die frische Luft, ein bißchen Abstand von meinem Schreibtisch bekommen." Rainer und das Ehepaar teilten noch ein paar Belanglosigkeiten aus. Dann verabschiedete sich die Leute mit den Worten: "Rainer, grüß auch deine Frau von uns."
Tja Benny, da musste er mir 'reinen Wein einschenken'. Er erzählte mir, dass er und seine Frau sich auseinander gelebt hätten, es war kein Kribbeln mehr da, nur noch ein alltägliches Einerlei. Bei Marco und mir gab es nie Langweile, aber ich war nun mal nicht so lange verheiratet, um es in Erfahrung zu bringen, wie es ist, wenn die Ehe zu einem öden Nebeneinanderherleben wird. Rainer erzählte mir, dass er damals eine Affäre mit seiner attraktiven Wohnungsnachbarin angefangen hatte. Seine Frau bekam das irgendwann mal mit und er hatte die Befürchtung, sie würde die Scheidung einreichen. Aber denkst du, die ging dann selbst fremd. Von da an war Rainer oft in diesem Tanzcafé anzutreffen, um Bekanntschaften zu schließen. Ich befahl ihm, ein Foto seiner Frau zu zeigen, falls er eins in seiner Brieftasche hatte. Als ich dann das Foto sah, eine schöne Frau mit blondem Pagenkopf und einem schmalen Gesicht, stellte ich fest: "Die ist ja viel jünger als ich." Meistens ist doch die 'Geliebte' die Jüngere von beiden.
"Wie du unschwer erkennen kanst", sagte Rainer zu mir, "besteht meine Ehe nur noch auf dem Papier. Aber mich einfach so scheiden lassen, das kann ich nicht, dafür ist mein Gefühl für dich nicht stark genug."
Benny, ich war erst so schockiert, dass ich gar nichts sagen konnte. Der letzte Satz hat mir den Rest gegeben. Ich sagte Rainer, dass ich ihn nicht mehr wieder sehen wollte und fuhr mit dem Zug nach Hause.
Die erste Zeit war hart, ich hatte furchtbaren Liebeskummer. Ich igelte mich zu Hause ein, ging nicht mehr aus. Aber dann kam die Sehnsucht nach ihm, nach seiner Stimme, seinen Zärtlichkeiten. Ich zog in Erwähnung, dass er vor meiner Zeit die jungen Weiber im Tanzclub in rauhen Mengen abgeschleppt hat. Dann hatte er mich kennengelernt und von da an keine neuen Affären mehr. Somit musste ich ihm doch etwas bedeutet haben. Benny, es dauerte nicht lange, da rief ich ihn unter einem Vorwand wieder an. Er schien zu meinem Erstaunen sehr erfreut zu sein, sagte aber gleich darauf, ich sollte mich bei Anrufen in seinem Büro etwas zurückhalten. Wenn sein Zimmerkollege anwesend war, da hatte er immer ein ungutes Gefühl. Er gab mir dann seine Handynummer, aber mit dem Vorbehalt, ihn niemals nach fünf Uhr anzurufen. Ich war damals froh, dass wir wieder Kontakt hatten, doch der nächste Schock ließ nicht lange auf sich warten. Eines Tages teilte er mir mit, dass er sich in die Zweigstelle seiner Firma nach Hamburg hatte versetzen lassen. Es wäre besser so. Der Kontakt blieb trotzdem bestehen. Wenn eine Dienstreise ihn in meine Nähe führte, besuchte er mich. Ich selbst fuhr öfters nach Hamburg und übernachtete in einem billigen Hotel in Bahnhofsnähe. Einmal hatten wir sogar ein ganzes Wochenende zusammen auf Sylt verbracht. 10 Jahre ging diese Affäre, 10 Jahre in denen ich begierig auf seine Anrufe wartete, wo ich sehnsüchtige SMS verschickte, wo ich an den Feiertagen, insbesondere Weihnachten alleine blieb. 10 Jahre, wo ich mit keinem anderen Mann mehr ausging, obwohl ich die Gelegenheit dazu hatte. Schön blöd, denkst du jetzt bestimmt! Im Nachhinein kann ich meine Gefühle selbst nicht mehr erklären. Der Knall, das Ende der Beziehung kam heute Abend. Dass seine Frau Krebs hatte, wusste ich schon länger. Ich fand es furchtbar, nicht etwa weil sie mir so leid tat, sondern aus der Tatsache heraus, dass sie durch ihr Leiden mehr Punkte auf Rainers Gefühlskonto anhäufte. Mir war bewußt, starb sie, Rainer würde sich von mir trennen, schon allein wegen seinem Gewissen. Würde sie wieder genesen, gäbe es ebenso wenig Zukunft für unsere Beziehung. Ich hatte richtig vermutet. Als wir im vornehmen Restaurant des Hotels "Vier Jahreszeiten" bei einem Wein zusammen saßen, sagte er, dass nach der letzten Operation seiner Frau die Aussicht auf eine vollkommene Genesung bestände. Da spürte er, dass die Gefühle zu ihr noch sehr stark waren. Er liebte sie und hatte nicht vor, sie weiterhin zu betrügen. Er entschloss sich, unsere Beziehung nun endgültig zu beenden."

Der Zug hielt in Kassel. Benny zuckte freudig zusammen, schaute zur Abteiltür. Herein kam ein hübsches junges Mädchen mit langen, roten Haaren und vielen Sommersprossen. Sie winkte Benny zu. Dieser stand auf und nahm sie in den Arm.
"Schön dich zu sehen, ich habe vorher deine SMS gelesen."

Lydia fand es für angebracht, den Tisch zu verlassen um das junge Glück nicht zu stören.
Der Schaffner verlangte die Fahrkarten. Als Lydia einen Blick auf ihr Handy warf, zeigte ihr das Display eine neue Textnachricht an:
'Rainer - Hallo, Lydie, ich habe mir es noch mal anders überlegt, sollen wir uns nächste Woche treffen?'
Lydia schaute kurz auf das Display und löschte zuerst die SMS und dann Rainers Nummer. In das freigewordene Feld schrieb sie: Nummer: 0, Name: Neuer Anfang.

"Für einen Neuanfang ist es nie zu spät", dachte sie, während sie noch einen Blick auf Benny und seine rothaarige Bekanntschaft warf, die Händchenhaltend im Speisewagen saßen.

 

Hallo Leia4e,

was für ein aufregender Name! Ich bin relativ neu bei KG und habe noch nicht soviel zu einzelnen Geschichten geschrieben.

Ich konnte mich teilweise gut in die Prot hineinversetzen, weil du die Situationen sehr bildhaft und nachvollziehbar geschrieben hattest.Speziell die Schilderungen von Festtagen, Urlaub und dann die Hoffnung auf sms, ja, da war der Frust spürbar und die Frage nach dem Sinn des ganzen überhaupt.

Was mir nicht gefallen oder anders, mich nicht überzeugt hat, ist die Beschreibung der Frau. Sie wirkt nur negativ auf mich! Warum mager? Ist schlank nicht besser? Rauchige Stimme, nicht altersgerecht gekleidet, irgendwie ist das ein Klischee. Und im Gegensatz dazu ist Benny mit positivem überladen, sympathisch, lange Haare, große Augen etc.
Und was ich mich die ganze Zeit gefragt habe, hat sie sich nur über die Affäre definiert? Hat sie ihr ganzes Selbstwertgefühl über Männer bezogen?

Die Schilderung von Bennys Negativerfahrung könnte meiner Meinung nach wegfallen. Oder wolltest du damit sagen, dass er sich gut in deine Prot einfühlen konnte? Der Kontakt der beiden überzeugt mich nicht ganz.
Aber insgesamt war das Lesen interessant.
Einige Rechtschreibfehler sind noch drin, die dir sicher selber auffallen, wenn du nochmals liest (wie beispielsweise ...lies kommt von lassen mit 'ß', fällt mir gerade ein).
Ciao,
jurewa

 
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Hallo Jurwena,
vielen Dank für deinen Kommentar. Die Rechtschreibfehler habe ich inzwischen soweit sie mir auffielen, verbessert.:)
Die Geschichte habe ich schon vor einiger Zeit geschrieben, ursprünglich für einen KG-Wettbewerb bei der Bundesbahn.
Für die Geschichte, und insbesondere für den Charakter der Frau, bekam ich die Idee, als ich vor längerem zufällig mal mit ein paar Leuten in einer Kneipe kam und mir dort eine Frau (Alter: grobe Schätzung Mitte fünfzig bis Anfang sechzig) auffiel, die stark geschminkt, mit jugendlich hochgestecktem Pferdeschwanz auf Kneipenbekanntschaft aus war, aber von den Männern nicht sonderlich beachtet wurde.
Ursprünglich wollte ich auch eine Kneipengeschichte schreiben, habe aber durch das KG-Preisausschreiben, das ganze in den Bahnspeisewagen verlegt.;)
LG
Leia4e

 

Hallo Leia4e.

Für meine Begriffe geht das alles viel zu schnell und einfach: Frau in der Beziehungskrise setzt sich ins Zugrestaurant und kippt sich ein paar hinter die Binde. Ein fremder Kerl kommt auf sie zu und duzt sie sofort frech-nonchalant, worauf sie ihm, ebenso per Du und so als wären sie sich nach langer Zeit wiedersehende Freunde, vortragsmäßig ihre ganze Beziehungsgeschichte ausbreitet. Aber ups, mir fällt just wieder ein, der Alkohol hat sie ja enthemmt; dafür redet sie, finde ich, vom Stil her aber umso unpassender. Nein, sie braucht nicht lallen, ihre Sprache ist nur zu artig und kontrolliert, als dass sie einen Schwips durchblicken ließe.

Die ganze Chose kommt daher etwas unbeholfen und falsch rüber. Meine Meinung.


FLoH.

 
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Hallo Floh,

um richtig nachvollziehen zu können, wie ich mich artikuliere, wenn ich einen im Tee habe - dafür war es zu lange her, seit ich meinen letzten ordentlichen Schwips gehabt habe. Ich mach mal bei Gelegenheit einen Selbstversuch, um realistischer schreiben zu können, wie eine Besoffene sich unterhält.;)
Ansonsten habe ich das Gefühl, wenn man selbst merkt, dass man ein bißchen zu viel gezwitschert hat, spricht man automatisch langsamer, und versucht nicht allzu sehr durchblicken zu lassen, dass man nicht mehr allzu nüchtern ist.
Ausnahmen sind natürlich Leute, die total breit sind. Mit dieser Erfahrung kann ich zum Glück nicht dienen.

Gruß
Leia4e

 

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