Neues von Bogus Lamero: Mr. Pukuku
Es erzeugt ein bestimmtes Gefühl, wenn mein Briefkasten (der mit dem trüben Plastikschild "Bogus Lamero") leer ist. Einsamkeit ist es nicht, eher eine Unruhe, dass mich die Zahnräder der Welt endgültig vergessen könnten.
Ich lag auf dem alten Cord-Sofa, wie so oft in den letzten Wochen, auf dem Couchtisch die C.G. Jungs Taschenbuchausgabe in elf Bänden zwischen den sieben in Raute angeordneten Zuckerstreuern.
Kreuz und quer blätterte ich durch "Synchronizität, Akausalität und Okkultismus". „Die Ehe ist ein wohlcharakterisierter Tatbestand, obschon ihr psychologischer Aspekt alle erdenklichen Variationen aufweist“, der zog mich runter wie ein Findling, dass mir ganz elend wurde. Hannah, meine Hannah, lange, so lange schon.
Der Briefkasten! Er kam als Rettungsboje und riss mich an die Oberfläche; schon befand ich mich auf der Treppe und legte die drei Stockwerke wie fliegend zurück.
Tatsächlich. Die Welt hatte an mich gedacht, mir die Insignien ihres Respekts zugestellt. Gleich zwei Schriftstücke lagen in der verbeulten Blechbox, einmal das lokale Weinkontor, ein Geheimtipp, der mittlerweile in jeder Stadt zu finden war. Und ein Zettel, weiß, etwa die Größe meiner Handfläche, die Ränder schief beschnitten, der Text schwarz umrahmt wie bei einer Trauerkarte.
Mr PUKUKU
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Ein Lichtstrahl schnitt durch den schattigen Hausflur, draußen gurrte eine Taube. Ich blickte auf den Zettel, durch ihn hindurch und in mein Herz. Dann sortierte ich. Nein, es war weder die eigenwillige Gestaltung noch der kreative Umgang mit sprachlichen Nebensächlichkeiten.
"Effizient ohne Bedauern" war die Stelle, die mich sofort eingenommen hatte. Hier sprach ein aufrechter Geist, nichts am Hut mit Gefühlsduseleien. Kein falsches Mitgefühl, keine Empathie an Stellen, die dafür nicht gemacht sind. Mr. Pukuku hatte mich mit drei Worten überzeugt. Mr. Pukuku hatte meiner Laune einen leicht spürbaren Anteil ritueller Ekstase eingehaucht.
Ich öffnete den Kühlschrank, nahm den Nordhäuser raus und stellte ihn zwischen die Zuckerstreuer neben die graue Taschenbuch-Box. Ich wählte. Die Stimme klang dunkel und maschinell, das Deutsch etwas holprig, aber durchaus verständlich: "... die Eins für seine Helligkeit. Die Zwei für Schwester Fufu, die per Telefon ihre sexuellen Chakren stimuliert. Die Drei für die Kontoverbindung. Hier können Sie vorab über Opfergaben ihren Spiegel des Universums positiv beschichten. Dieser Anruf kostet Sie aus dem Festnetz ..."
Ich wählte die Eins, auch wenn Schwester Fufu längst von mir Besitz ergriffen hatte.
Braune, matt schimmernde Brüste, die vor meinen Gesicht schwangen, breite, vertrauensrunde Hüften mit festen Hinterbacken, die mit meinen Händen verschmolzen, volle Lippen, die ... eine Kinderstimme meldete sich. Ob ich alleine wohnte. Mich alleine in der Wohnung befände. Welche Farbe mein Teppich hätte. Welchen Beruf ich ausübte. Woran man eine Zwergnase im Wald erkennen könnte ...
Über anderthalb Stunden ging das so. Der Kleine stellte alle Fragen, die für eine durchdringende Anamnese von Wichtigkeit sind. Ich trank mit ihm auf seine Fußballmannschaft, seine Schulnoten, seine neuen Klamotten, die Weltreise seiner Eltern und seinen Kumpel, der so schrecklich viel von Internet und Technik versteht.
Wir kamen überein, dass wir nichts füreinander tun könnten; der Anruf würde mich einiges kosten, so der Junge, das würde nichts machen, ließ ich ihn wissen und legte beschwingt auf.
Bei einem letzten Gläschen und entkoffeiniertem Kaffee und zwei Butterkeksen und einem Rest Fleischwurst fasste ich meine Pläne: Neues Interesse, neue Offenheit, neues Leben, neue Liebe, neue Lust an den alltäglichen Dingen. „Die Ausrichtung des Geschehens auf den Sinn“, C.G. hatte genau gewusst, wovon er sprach.