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- 24.04.2003
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Nicht auf den Punkt gekommen
Zittern in Zeigefinger und Daumen.
Asche, die daneben fällt, begleitet von einem Lächeln, das keines ist.
Du hast dich bemüht, in bester Erscheinung aufzutreten, und dabei so sehr übertrieben, dass ich mich frage, was du überhaupt erwartest.
Wir haben einen neutralen Ort gewählt. Keiner von uns beiden war jemals hier, und es sind nicht die arroganten Kellner, noch die viel zu laut durch stickige Luft schwirrenden Stimmen, die dich mir noch mehr entfremden.
Da ist gar nichts Vertrautes; ich habe keine Ahnung, wer mir da gerade gegenüber sitzt.
"Ich bin schwanger", stellst du fest, wie jemand, der einsetzenden Regen zur Kenntnis nimmt und den Schirm aufspannt.
Ich nicke, zu unmotiviert, um überhaupt erst nach passenden Worten zu suchen.
Ein nervöser Zug an der Zigarette, dann: "Im zweiten Monat."
Ich schlucke trockenen Weißwein, der mir nicht schmeckt, und sehe ein Gesicht, das irgendwo bei der Suche nach passender Mimik einfach aufgegeben hat. Ein Verzicht auf den Ausdruck von Gefühl, weil es sich damit manchmal besser leben lässt; und Bilder blitzen auf, die ich nicht halten kann.
"Und ... freut er sich?"
"Er weiß noch nichts davon."
Ja, das konntest du immer gut: Nichts sagen.
Für einen Moment ist mir, als flackere dein Haar, würden die Augen zurück ins Leben finden; die Andeutung von Frechheit huscht über deine Mundwinkel.
Dann ist es vorbei.
Vor mir sitzt wieder die kraftlose Erinnerung, die ich vorhin vom Bahnhof abgeholt habe. Selbst unsere Hände schüttelten sich wie zwei Dinge, die wissen, dass sie ganz woanders hingehören.
"Wann wirst du es ihm sagen?"
Zuckende Schultern, aber kein: "Ich weiß nicht."
Wahrscheinlich hast du noch gar nicht darüber nachgedacht; lässt es einfach laufen, solange, bis es unvermeidbar wird.
Tränen fließen erst vor, dann über den Schmerz. Anschließend ist nur der Schmerz, ohne Tränen; und sobald sie zurückkehren, tut es nicht mehr weh, und man spart sie sich auf; für die nächste Runde.
"Wird er sich denn nicht freuen?"
"Nein!" - So eiskalt sagst du das, dass mir selbst ganz anders wird.
Und dann beenden wir das angekratzte Thema, werden lockerer, schießen mit leeren Worthülsen aufeinander los.
Irgendwann bringe ich dich zur Haltestelle, ohne dich nocheinmal zu berühren. Mir wird bewusst, dass müdes Händeschütteln vor vielen Stunden der endgültig letzte Körperkontakt gewesen ist.
Ich warte nicht, bis die Bahn abfährt, denn das ist sie längst.